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Veröffentlicht am 01.02.2020

Von vielköpfigen Trollen und weißen Bären.

Die schönsten norwegischen Märchen
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Auf über 200 Seiten hat Hans-Jürgen Hube sie gesammelt: die schönsten norwegischen Märchen. Sie sind voll von mutigen Prinzen, entführten Prinzessinnen, liebenswerten Helfern und rollenden Trollköpfen. ...

Auf über 200 Seiten hat Hans-Jürgen Hube sie gesammelt: die schönsten norwegischen Märchen. Sie sind voll von mutigen Prinzen, entführten Prinzessinnen, liebenswerten Helfern und rollenden Trollköpfen. Missgünstige Brüder, die den jüngsten nicht mitnehmen wollen und sich über ihn lustig machen, finden ebenso Einzug in die Geschichten wie Stiefmütter, die sich der verhassten Stiefsöhne entledigen wollen.

Eingeleitet werden die einzelnen Geschichten von der vertrauten Märchen-Formel »Es war einmal«, doch geschlossen nur selten von der altbekannten »Und wenn sie nicht gestorben sind«-Formel.

Neben bekannten Märchen-Elementen, wie dem Raub der schönen Prinzessin, finden sich viele, den norwegischen Märchen eigene Elemente, wie die vielköpfigen Trolle und den bösartigen Trollhexen.

»Als Lillekort ein Weilchen gewandert war, traf er ein altes, krummes buckliges Weib, das nur ein Auge hatte.«

Zudem variieren die einzelnen Märchen erheblich in ihrer Länge. Während manche Geschichten kaum eine Seite lang sind, erstrecken sich wieder andere auf ein halbes Dutzend Seiten. Unter den Elementen, von denen sich einige immerfort zu wiederholen scheinen, fallen doch jene Geschichten besonders auf, die eigenere Inhalte erzählen.

Unter meinen liebsten norwegischen Märchen dürfen sowohl der Weißbär König Valemon, die Mühle auf dem Meeresgrunde, Lillekort als auch Allschwarz und Allweiß nicht fehlen.

Auf jeden Fall zähle ich Die schönsten norwegischen Märchen schon jetzt zu den Büchern, die ich in diesem Jahr gelesen habe und deren Cover mir mit am meisten gefallen hat.

Ich finde, dass das Cover die Stimmung der Geschichten wunderbar einfängt und große Lust macht, das hübsche und handliche Büchlein wieder und wieder in die Hand zu nehmen.

»Es waren einmal zwei Brüder, der eine hieß Treu, der andere Ungetreu; und Treu war stets gut und aufrichtig, Ungetreu aber böse und voller Lügen; niemand konnte sich auf ihn verlassen. Ihre Mutter war eine arme Witwe, die nur wenig zum Leben hatte …«

Wer sich für Märchen interessiert, sollte, obwohl auch ein paar der Märchen durch die sich wiederholenden, jedoch märchentypischen Elemente eintönig wirken können, doch auch einmal einen Blick auf norwegische Märchen werfen, unter denen sicherlich der eine oder andere Liebling gewonnen werden kann.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Ein altes Rätsel und eine Fotografie

Blindes Eis
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Ein Foto wirft für den Polizisten Ari Rätsel auf. Es zeigt zwei Ehepaare, die in den 1950er-Jahren mutterseelenallein auf einem abgeschiedenen Bauernhof lebten. Doch sie sind nicht allein. Bei ihnen steht ...

Ein Foto wirft für den Polizisten Ari Rätsel auf. Es zeigt zwei Ehepaare, die in den 1950er-Jahren mutterseelenallein auf einem abgeschiedenen Bauernhof lebten. Doch sie sind nicht allein. Bei ihnen steht ein Junge, von dem niemand weiß, wer er ist. Und von dem niemand je gesprochen hat.
Was machte er dort draußen in einer Zeit, in der die beiden Paare allein hätten sein sollen? Und wer war er?
Eine Frage, die umso wichtiger erscheint, als es sich bei den beiden Ehepaaren um einen Cold Case handelt. Eine der beiden Frauen starb und die Umstände konnten nie ganz geklärt werden. Ari ist entschlossen diese Frage zu klären – vor allem für Hédinn, das Kind des einen Ehepaares, das heute selbst nicht mehr jung ist.

»Hoffentlich tat er das Richtige – Sunna nichts von den Pfützen auf dem Boden zu erzählen, von den nassen Schuhabdrücken, die der Eindringling im Haus hinterlassen hatte. Am schlimmsten aber war, dass die Spuren an der Verandatür nicht endeten, sondern bis zu ihrer Schlafzimmertür führten.«

Doch die Frage nach dem unbekannten Jungen ist nicht das einzige Rätsel, das der Polizist Ari in ›Blindes Eis‹ lösen will – bis ein Kind verschwindet.
›Blindes Eis‹ erzählt gleichzeitig von zwei Geschichten. Bei einer überschlagen sich die Ereignisse in der Gegenwart, die andere reicht Jahrzehnte zurück. Doch reichen ihre Schatten noch bis heute.

»›Und wer ist die fünfte Person?‹, fragte Ari Þór innerlich schaudernd. Er dachte an alte Geschichten von Geistern, die auf Fotos erschienen. Wollte Hédinn auf so etwas hinaus?«

Durch das alte Rätsel um das Foto hat ›Blindes Eis‹ eine Art mysteriöses Element, dem fast etwas Schauerliches, Geisterhaftes anhaftet. Tiefer und tiefer wagt sich Ari in Hédinns Familiengeschichte vor, bis er auch jene Seiten enthüllt hat, die vielleicht besser im Verborgenen geblieben wären.
Leider hat die Dark-Iceland-Reihe auch mit dem dritten Band, ›Blindes Eis‹, für mich noch nicht die Qualität der Hulda-Trilogie – ›Dunkel‹,›Insel‹ und ›Nebel‹ – des Autors erreicht. Vor allem, da Ari für mich bei weitem nicht so sympathisch ist, wie es Hulda war. Ari will für mich nie so recht zur Atmosphäre der Bücher passen. Dennoch werde ich bei der Reihe dran bleiben – ich will keine Chance auf eine gute Geschichte bei diesem Autor verpassen.

»Der unbekannte Teenager stand neben ihr. Er hatte nichts Ungewöhnliches an sich, doch aufgrund von Hédinns Geschichte konnte Ari Þór nicht umhin, ihn als bedrohlich zu empfinden. Auf dem Foto wirkte er wie ein Junge am falschen Ort zur falschen Zeit; ein unwillkommener Gast.«

›Blindes Eis‹ vereint die Recherchen um einen fast ein ganzes Menschenleben zurückliegenden Fall mit einem aktuellen. Jede Menge ungeklärter Fragen, dunkler Familiengeheimnisse und kalter Winternächte warten im dritten Band der Dark-Iceland-Reihe von Jónasson.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Ein Verbrechen, das als unmöglich galt

Der dunkle Schwarm
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Innerhalb eines Augenblicks sterben mehrere Tausend Menschen. Ein Verbrechen erschüttert in Marie Graßhoffs ›Der dunkle Schwarm‹ die Welt, das eigentlich unmöglich sein sollte. Die Menschen eines ganzen ...

Innerhalb eines Augenblicks sterben mehrere Tausend Menschen. Ein Verbrechen erschüttert in Marie Graßhoffs ›Der dunkle Schwarm‹ die Welt, das eigentlich unmöglich sein sollte. Die Menschen eines ganzen Hives, die über ihre Implantate miteinander verbunden sind, finden den Tod.
Doch ebenso groß wie der Schock über dieses Verbrechen ist die Ratlosigkeit. Die Implantate verfügten über eine Vorrichtung, die so etwas unmöglich machen sollte.
Doch nicht nur das Wie und das Wer hinter der Tat sind ungeklärt, auch das Warum bereitet den Menschen Kopfzerbrechen.
Auch die junge Atlas, deren Fähigkeiten einzigartig sind, macht der Fall neugierig. Umso passender also scheint es, dass ihr der Bruder eines der Opfer, Noah, einen Auftrag anbietet. Die Aufklärung des Falls für so viel Geld, das Atlas davon sorgenfrei leben könnte.

»Kurz bevor ich sterbe, sehe ich die Sterne. Ihre Konstellation auf dunklem Grund verschiebt sich. Als sie ihre Positionen eingenommen haben, erfüllt ihr Licht mein ganzes Sichtfeld.«

Doch je mehr Atlas sich auf die Suche nach Antworten begibt, auf desto mehr Fragen stößt sie. Bei der Beerdigung von Noahs Schwester wird klar, dass es sich in einem weiteren Bereich um eine ungewöhnliche Tat handelt. Die Gäste benehmen sich seltsam. Und je tiefer Atlas in ihren Köpfen und Erinnerungen nach Antworten sucht, desto mehr verstärkt sich dieser Eindruck.
Wer hat all diese Menschen durch ein unmögliches Verbrechen getötet? Atlas ahnt schnell, dass dahinter etwas Großes stecken muss. Etwas Großes und etwas äußerst Gefährliches. Bald muss sich Atlas mit einer ganz anderen Frage auseinandersetzen. Wie weit ist sie bereit zu gehen, um das Rätsel zu lösen?

»Und manchmal träume ich, ich wäre diejenige, die die Sterne richtet. Diejenige, die den Untergang vorbereitet und sich gut dabei fühlt.
Ich weiß nur nicht, warum.
Ich weiß es nicht.«

›Der dunkle Schwarm‹ hat Ähnlichkeit mit einer Art Cyber-Krimi. Ein Verbrechen steht im Vordergrund, dessen Aufklärung der Protagonistin alles abverlangt. Nach und nach werden dabei Atlas‘ Vergangenheit und die Welt, in der sie lebt, sichtbar. Nur die wenigsten können es sich leisten, an der oberen Ebene zu leben, an der es Tageslicht gibt. Viele fristen ihr Dasein im Sub-Level, wo die Lebensbedingungen verheerend sind. Viele Kinder ereilt an ihrem 18. Lebensjahr das Schicksal, als Minenarbeiter auf den Mars geschickt zu werden. Unter Lebensgefahr arbeiten sie dort mehrere Jahre, um sich ein Implantat finanzieren zu können.
Große Konzerne haben die Macht und bekämpfen sich gegenseitig. Heftige Einschnitte haben aufgrund der Klimaschäden die Welt verändert. In diesem dystopischen Szenario, das von Androiden bevölkert wird und Bienen nur noch im Orbit existieren, ist Gerechtigkeit ein Wort geworden, das mit der Realität nichts mehr zu tun hat.

»In vielen Bereichen des Sub-Levels war es zu jeder Tageszeit still. Im Gegensatz zu den belebten Straßen der oberen Stadtebenen waren die Menschen, die hier lebten, Geister.«

›Der dunkle Schwarm‹ zeigt eine dystopische Welt der Zukunft, in der die wenigsten ein glückliches Leben erwartet. Ursprünglich war die Geschichte eine Audible-Original-Produktion, die nun endlich auch in Buchform vorliegt.
Mir persönlich hat Graßhoffs ›Neon Birds‹-Trilogie besser gefallen als ›Der dunkle Schwarm‹. Beide sind dem Genre Science Fiction zugeordnet, doch sind mir viele Charaktere in ›Der dunkle Schwarm‹ zu blass geblieben, vor allem Noah. Während in der ›Neon Birds‹-Trilogie oftmals Elemente des Menschlichen im Vordergrund standen, sind dies bei ›Der dunkle Schwarm‹ eher Science Fiction und das unmögliche Verbrechen. Auch die Cover der Bände der Trilogie haben mir weit besser gefallen, aber das ist im Grunde natürlich Nebensache. Ich werde definitiv eine Leserin von Graßhoff bleiben.
Wer mehr von der Autorin lesen will, kann gerne mal einen Blick in die ›Neon Birds‹-Trilogie – ›Neon Birds‹, ›Cyber Trips‹ und ›Beta Hearts‹ – werfen.

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Veröffentlicht am 30.03.2023

Ruhelose Geister und das Geheimnis eines Ortes

The Evil of Salwood
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Wer in Salwood überleben will, darf eine Regel nicht brechen: Übertrete niemals den Kreis aus Salz, gehe niemals in die Nebel. Wer sich nicht an diese Regel hält, stirbt – oder Schlimmeres.
Faye kennt ...

Wer in Salwood überleben will, darf eine Regel nicht brechen: Übertrete niemals den Kreis aus Salz, gehe niemals in die Nebel. Wer sich nicht an diese Regel hält, stirbt – oder Schlimmeres.
Faye kennt diese Regel seit sie Denken kann. Ebenso kennt sie das Leben als Außenseiterin.
Sie ist bereit, alles zu tun, um dazuzugehören und von den anderen akzeptiert zu werden. Doch wäre sie auch bereit, den Kreis aus Salz dafür zu übertreten?
Denn genau das ist es, was Faye tun muss. Sie muss mit anderen Jugendlichen aus dem Ort die Mutprobe bestehen, den Kreis zu übertreten, um einen verloren gegangenen Talisman zu finden.
Obwohl ihre innere Stimme sie warnt, nimmt sie an der Mutprobe teil. Doch als Ezra sie dabei erwischt, wird ihre Bereitschaft auf eine erneute Probe gestellt.

»Ein spöttischer Zug um die Mundwinkel, als wüsste er etwas, das allen anderen verborgen blieb. Zumindest im Moment schien das zuzutreffen. Noch dazu war er groß, deutlich größer als ich, und ziemlich muskulös dafür, dass er Tag für Tag mit seinem Großvater die Chroniken übertrug.«

Manche, die ungeschützt in den Nebel gegangen sind oder ihren Schutz verloren haben, überlebten dies und kamen nach Salwood zurück. Doch dabei waren sie nie allein. Die Geister im Nebel ergriffen Besitz von ihnen, anfangs unentdeckt, doch bald schon zogen sie eine blutige Spur hinter sich her. Obwohl Faye, deren Vater die Aufgabe hat, die Besessenen von den Geistern zu befreien, die Grauen der Exorzismen kennt, nimmt sie die Gefahr in Kauf.
Und auch Faye und ihre Freunde kommen nicht allein nach Salwood zurück. Etwas gelangt mit ihnen in das Dorf und wird stärker. Bis Faye und Ezra die Einzigen sind, die dem Geist noch Einhalt gebieten können. Doch bei dem Versuch stoßen sie auf ein Geheimnis, das weit älter ist als sie und ihre Eltern.

»Zuerst war es nur ein kaum merklicher Hauch, eine würzig-herbe Note. Trotzdem hielten die Bergarbeiter in ihrem Tun inne, hoben die Köpfe und schnupperten beunruhigt.«

›The Evil of Salwood‹ hat alle Zutaten, die es braucht, um ein tolles Buch zu sein. Alte Geheimnisse, ein rätselhaftes und atmosphärisches Dorf, ein schnelles Tempo. Dennoch hat so manches dazu beigetragen, dass es am Ende für mich doch nur ein gutes Buch war. Zum einen hat es mich irritiert, dass es plötzlich auch Kapitel aus Ezras Sicht gab, nachdem sich das Buch lange an Faye gehalten hat. Zum anderen kann ich manche Entscheidungen nicht so recht nachvollziehen. Zum Beispiel, wieso sich Faye und Hanas Freund der Erklärung von Vince anschließen. Außerdem waren mir einige der Figuren zu eindimensional.
Zugleich mag ich das Setting aber super gerne. Das Nachspüren eines alten Geheimnisses. Die Art zu Leben, die sich in Salwood durch den Salzkreis und seine Einschränkungen entwickelt hat, ist super atmosphärisch.

»Ein erneutes Krachen beendete die Gedanken an den treulosen Mann. Gebete wurden laut. Die Heilige Dreifaltigkeit, der Teufel, die Schutzheiligen wurden angerufen. Im Moment des nahenden Todes war man nicht wählerisch.«

›The Evil of Salwood‹ besticht durch Atmosphäre und alte Geheimnisse. Das Leben in Salwood ist voller Entbehrungen und das Schicksal der Besessenen grausam. Vor diesem Hintergrund können sich interessante und unheimliche Figuren wie der Reverend tummeln. Wer Lust auf einen spannenden Mysterythriller über ein abgeschiedenes Dorf mit einem alten Geheimnis hat, ist bei ›The Evil of Salwood‹ genau richtig.

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Veröffentlicht am 15.11.2021

Schuld und Unschuld des Coriolanus Snow

Die Tribute von Panem X. Das Lied von Vogel und Schlange
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Zwei Kinder aus jedem der zwölf Distrikte. Gemeinsam in eine Arena gebracht, um sich gegenseitig zu töten. So lange, bis nur noch ein Kind übrig bleibt. Seit dem Sieg des Kapitols über die Rebellen im ...

Zwei Kinder aus jedem der zwölf Distrikte. Gemeinsam in eine Arena gebracht, um sich gegenseitig zu töten. So lange, bis nur noch ein Kind übrig bleibt. Seit dem Sieg des Kapitols über die Rebellen im Krieg dient dies als Ermahnung.

Als Coriolanus Snow als Mentor an den Hungerspielen teilnimmt, finden diese bereits zum zehnten Mal statt. Doch Mentoren soll es in dem Jahr zum ersten Mal geben.

Die Familie Snow, einst prachtvoll und Teil der Elite, kann nur mit Mühe noch den Schein aufrechterhalten. Nach dem Krieg sind sie verarmt und Coriolanus und seine Cousine Tigris zu Vollwaisen geworden. Nur ihre Großmutter, die jeden Morgen die Hymne von Panem singt, ist ihnen geblieben.

»Coriolanus besuchte hin und wieder Freunde und wusste daher, dass die meisten Familien ihre Wohnungen allmählich wiederherstellten. Die Snows dagegen konnten sich nicht mal ein paar Meter Leinen für ein neues Hemd leisten. Er dachte an seine Klassenkameraden, wie sie die Kleider aus ihren Schränken holten und in ihre maßgeschneiderten Anzüge stiegen, und fragte sich, wie lange er den Schein noch wahren konnte.«

Als Mentor eines Tributs erhofft Coriolanus sich eine Chance, zu glänzen. Vor allem, wenn er diese gewinnen sollte. Doch zu seinem Schrecken wird ihm nicht nur ein Tribut aus Distrikt 12 zugeteilt, die noch nie als Favoriten gegolten haben, sondern auch noch das Mädchen. Muskeln und Kampferfahrung sind bei ihr fehl am Platz. Dafür besitzt sie zwei Dinge, die sich bald schon als ungeheuer wertvoll herausstellen könnten: Gesangstalent und Charme.

Er weiß, dass er ihr Vertrauen gewinnen muss, wenn er die Spiele gewinnen will und dass dies nicht einfach werden wird. Denn sein Tribut Lucy Gray Bird ist weder auf den Mund gefallen noch leichtgläubig. Und schon bald merkt Coriolanus, dass er dabei ist, eine Grenze zu überschreiten.

Die Hungerspiele sind in vielen Bereichen noch weit von denen entfernt, die die Leser:innen aus der Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ kennen. Vor den Spielen sind die Tribute ausgehungert und werden in einem Affenhaus gehalten, in dem es von Ratten wimmelt. Viele Elemente der Spiele, die in der Trilogie längst selbstverständlich sind, werden in ›Die Tribute von Panem X‹ geboren.

»Vierundzwanzig Tribute, aus jedem der zwölf besiegten Distrikte jeweils ein Junge und ein Mädchen, wurden per Los dazu ausgewählt, bei den Hungerspielen in einer Arena auf Leben und Tod gegeneinander zu kämpfen. So stand es im Hochverratsvertrag, mit dem die Dunklen Tage der Rebellion beendet worden waren.«

Doch im Verlauf von ›Die Tribute von Panem X‹ ändert sich nicht nur Coriolanus‘ Verhältnis zu Lucy Gray. Auch sein Band zu Sejanus, dessen Familie einst in Distrikt 2 lebte, ändert sich. Ebenfalls bedeutend für seine Entwicklung wird die Bekanntschaft der Obersten Spielmacherin. Sie ist eine absolute Befürworterin der Spiele und interessiert sich vor allem für ihre Mutationen. Grausamkeit und Wahn begleiten sie.

Coriolanus hat ein Ziel vor Augen: das Ansehen seiner Familie retten und zu altem Glanz zurückfinden. Doch wie weit ist er bereit, dafür zu gehen? Und wie werden die Grundsteine gelegt, die aus Coriolanus Snow den Mann machen werden, der in der 64 Jahre später spielenden Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ so bedeutungsvoll ist.

»Coriolanus galt noch immer als reich, doch seine einzige Währung war sein Charme, den er nun auf dem Weg durch die Menge großzügig versprühte. Die Gesichter hellten sich auf, wenn er Schüler und Lehrer gleichermaßen freundlich grüßte, sich nach ihren Familien erkundigte und hier und da ein Kompliment fallen ließ.«

Ziel und Wesen der Hungerspiele ist ihre Grausamkeit. Ausgehungerte Kinder dazu zu bringen, sich gegenseitig umzubringen, während das Kapitol und die Distrikte dabei zusehen. Und während die Zuschauer Teil der Hungerspiele werden, werden dies gewissermaßen auch die Leser:innen. Man verfolgt die Spiele, erfährt die Grausamkeiten, die geschehen und kommt gar nicht umhin, sich zu überlegen, wer die Spiele gewinnen wird. Diese Dimension von ›Die Tribute von Panem X‹ ist so groß, dass sie allein mehrere Hausarbeiten füllen könnte.

Collins hat mit ›Die Tribute von Panem X‹ einen Roman veröffentlicht, der das Werden eines Mannes zeigt, der für ganz Panem bedeutend sein wird. Wir lernen seine grausamen Lehrmeister kennen, sein Abwägen, seine Pläne. Denn wenn Coriolanus Snow eins bereits als Jugendlicher ist, so ist dies berechnend.

›Die Tribute von Panem X‹ zeigen einen Teil der Entstehungsgeschichte der Hungerspiele, wie man sie aus der Trilogie ›Die Tribute von Panem‹ kennt. Für mich nimmt es leider einen Teil der Spannung, beim Lesen bereits zu wissen, was einmal aus Coriolanus Snow werden wird. Umso mehr interessiert, wie es dazu kommen konnte. Wer die Trilogie noch nicht gelesen hat, kann also gerne das Prequel ›Die Tribute von Panem X‹ zuerst lesen, um auch diese Spannung zu haben. Ich persönlich mochte die Trilogie insgesamt zwar mehr, doch auch ›Die Tribute von Panem X‹ hat Charaktere, die mir sehr nahe gegangen sind. Für Fans der Trilogie meiner Meinung nach ein Muss.

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