Cover-Bild Alles, was wir sind
(63)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Rütten & Loening Berlin
  • Themenbereich: Belletristik - Biografischer Roman
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 475
  • Ersterscheinung: 08.11.2019
  • ISBN: 9783352009358
Lara Prescott

Alles, was wir sind

Roman
Ulrike Seeberger (Übersetzer)

Es geht um Liebe. Es geht um uns. Der Kalte Krieg zieht auf, und Worte werden zu Waffen. Olga Iwinskaja, Geliebte des großen Boris Pasternak, wird verhaftet. In Moskau will man verhindern, dass Pasternaks Roman Doktor Shiwago erscheint, doch Olga hält an ihrer Liebe zu Boris fest. Zugleich will die CIA mit einer einzigartigen Waffe den Widerstand in der Sowjetunion wecken – mit Literatur, mit Doktor Shiwago. Für die Mission wird die junge Irina angeworben und von der Agentin Sally ausgebildet. Es beginnt eine gefährliche Hetzjagd auf ein Buch, das den Lauf der Welt verändern soll. Eine große Geschichte über geheime Heldinnen, die Kraft der Literatur und – die Liebe.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.11.2019

Der kalte Krieg und die Literatur

0

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz ...

"Doktor Schiwago" kennen die meisten von uns als wunderbaren Film: für mich gehört er zu meinen absoluten Tops und immer, wenn "Laras Lied" erklingt, lasse ich mich zum Mitsummen verführen. Ganz egal, wie schief und stümperhaft das auch klingen mag: ich fühle mich dann fast so, als wäre ich selbst im Film, als Statistin in einer Massenszene oder ähnliches. Natürlich mit mutigem Blick und furchtloser Haltung!

Weit weniger bekannt ist das Schicksal des Romans, der dem Autor Boris Pasternak 1958 zum Nobelpreis verhalf - zum Preis, den er nicht annehmen durfte. Denn sein Roman existierte offiziell in der Sowjetunion gar nicht - er war nur im Ausland veröffentlicht worden. Zunächst in Italien - Pasternak hatte sein Manuskript den Agenten des Verlegers übergeben Allerdings gab es bald auch eine Fassung in russischer Sprache, also im Original. Exemplare wurden auf der Weltausstellung in Brüssel an sowjetische Teilnehmer verteilt, in der Hoffnung, sie würden sie in der Heimat verbreiten können.

Dies alles ist wahr und an sich schon spektakulär genug. Autorin Lara Prescott kleidet diese Ereignisse in eine dramatische, aus mehreren Perspektiven erzählte Handlung, die im Osten, also im Umfeld von Pasternak und im Westen, in Kreisen des amerikanischen Geheimdienstes spielt.

Das Besondere: Es sind Frauen, die im Fokus stehen. In der Sowjetunion Pasternaks langjährige Geliebte Olga Iwinskaja, die seinetwegen Jahre im Gulag verbringen musste. Im Westen sind es Agentinnen, die in die Affäre Schiwago verstrickt werden und weitere Mitarbeiterinnen des Geheimdienstes. Und auch hier gibt es eine Liebesgeschichte. Aus meiner Sicht ist sie ziemlich überzogen.

Für mich wäre es etwas Besonderes gewesen, diese Geschichte, deren wahre Elemente bereits wahnsinnig viel Spannung beinhalten, zu entzerren, sie auf ihren Kern zu reduzieren und die Kraft der Sprache und der Poesie als wirkungsvolles Instrument einzusetzen.

Hier hat das Gegenteil stattgefunden und mir ist es eindeutig zu viel: zu viel Personal, zu viel Chichi, zu viel Nebensächliches. Es nimmt dem eigentlichen Ereignis, der Handlung um den Roman, eine ganze Menge weg. Was ich sehr schade finde, auch wenn der Roman dennoch interessant zu lesen ist.

Veröffentlicht am 12.02.2020

Eine Geschichte über die Geschichte eines Buches..

0

Was ist dieses Buch? Die Antwort darauf fällt mir nicht leicht. Drin steckt ein ordentlicher Schlag gut recherchierter Zeitgeschichte von der Nuance "Kalter Krieg in den 1950ern"; ein bisschen Spionagetätigkeit; ...

Was ist dieses Buch? Die Antwort darauf fällt mir nicht leicht. Drin steckt ein ordentlicher Schlag gut recherchierter Zeitgeschichte von der Nuance "Kalter Krieg in den 1950ern"; ein bisschen Spionagetätigkeit; menschliches Drama sowie die Liebesgeschichte von zwei Paaren, die unterschiedlicher nicht sein könnten und durch ihre jeweilige "Unmöglichkeit" doch eine unglückliche Gemeinsamkeit haben.

In erster Linie ist es aber ein Buch über ein anderes Buch. Ein Buch über Doktor Schiwago, dessen eigener Inhalt aber nur eine Nebenrolle spielt. Soll heißen, man muss es nicht zwingend gelesen haben (der Appetit darauf kommt sowieso von alleine) aber ein paar grobe Grundzüge der Geschichte zu kennen hilft. Letzlich steht aber vor allem sowieso eher das Buch an sich im Fokus, die Macht des geschriebenen Worts.

Es sind die 50er, es ist der Kalte Krieg und Frauen hier wie da haben sowieso schlechte Karten. In der UdSSR ist es Olga, die nicht ganz so heimliche Geliebte und Muse des großen russischen Literaten Boris Pasternak (quasi seine persönliche Lara). Pasternak ist gerade dabei, sein Lebenswerk zu vollenden, jenen Roman, der zur politischen Waffe werden wird. Dabei will Pasternak eigentlich nur die Geschichte von Juri und Lara erzählen, von jenen Irrungen und Wirrungen vor, während und nach der Oktoberrevolution. Doch weil das, was Pasternak über die Oktoberrevolution zu schreiben hat, als antisowjetisch gilt, wird der ehemalige Stalin-Protege nach dessen Tod zum Schreiberling unter Beobachtung. Mit fatalen Folgen für seine Geliebte Olga, die in den Gulag geschickt wird. Und Doktor Schiwago? Darf nicht veröffentlicht werden.

In den USA will das CIA den Roman in seine Finger kriegen. Die Geheimdienstler sehen in dem verbotenen Epos eine literarische Waffe, die die Menschen in der UdSSR wachrütteln soll. Nur: Dazu muss das Buch erscheinen - und wie es dazu kommt, erzählen bei der CIA angestellte Frauen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Die Kapitel wechseln flott hin und her: sowohl Schauplatz, Handlungsjahr als auch Erzählstimme. Die Geschichte fand ich interessant: Da war zum einen der zeitgeschichtlicher Aspekt, der die 50er Jahre ziemlich lebendig rübergebracht hat. Hier haben mir vor allem die Kapitel der "Stenotypistinnen" gut gefallen - als eine Art "griechischer Chor" berichten diese Frauen in der ersten Person Plural von ihrem Leben, ihrer Arbeit, ihrem Dasein als "stille Tippse" in dieser Männerwelt, die viel mehr wissen und mitbekommen, als ihre Kollegen für möglich halten.

Zum anderen fand ich den Fokus auf Literatur bzw. den Literaturbetrieb spannend. Wie Boris Pasternak das Werden, das Entstehen seiner Geschichte beschreibt, was ihm das Buch bedeutet, was er dafür alles als zweitrangig einordnet. Wie das Buch seinen Weg um die Welt antritt. Wie Schriftstellerverbände, Verleger, Agenten und letztlich das Nobelpreiskommitee Politik machen. Wie Doktor Schiwago so viel mehr war, so viel mehr ist, als die Liebesgeschichte zwischen Juri und Lara.

Vermutlich kein Roman, der mir auf ewig in Erinnerung bleiben wird, dazu blieben mir die Charaktere - vielleicht bis auf die eindringliche Olga und den "erfrischenden" Chor - etwas zu blass. Aber: Das Thema war spannend und interessant erzählt. Ich hab's gern gelesen.

Veröffentlicht am 09.02.2020

Anders als erwartet

0

"Alles, was wir sind", erschienen im Rütten & Loening Programm des Aufbau-Verlags, war der erste Roman, den ich von Autorin Lara Prescott lesen durfte und noch ehe ich die Lektüre überhaupt begann, kam ...

"Alles, was wir sind", erschienen im Rütten & Loening Programm des Aufbau-Verlags, war der erste Roman, den ich von Autorin Lara Prescott lesen durfte und noch ehe ich die Lektüre überhaupt begann, kam ich nicht umhin, die überaus hochwertige und optisch aufwendige Buchausstattung zu bestaunen. – Ein bedruckter Folienumschlag, der sich wunderbar vom ebenfalls bedruckten Buchdeckel abhebt, ein edles Innencover, ein Lesebändchen…nobler geht es kaum. Es wird sofort deutlich, dass dieses Werk sich von der Masse der anderen aktuell veröffentlichten Bücher abheben wird. - "Episch!", ging es mir durch den Kopf und genau solch eine Begeisterung erwartete ich mir auch vom Inhalt. Im Vorfeld hatte ich schon viel von diesem auf wahren Tatsachen beruhenden Roman gehört, der bereits seinen internationalen Siegeszug angetreten hatte.

Vielleicht kennt nicht jeder Leser den Namen Boris Pasternak, aber sein Lebenswerk, der Roman "Doktor Shiwago", dessen Verfilmung Mitte der Sechziger Jahre gleich fünf Oscars gewann, ist ein Stück Kulturgeschichte. Tatsächlich sollte in der damaligen Sowjetunion die Veröffentlichung Pasternaks Romans mit allen Mitteln verhindert werden, wovon nicht nur er selbst, sondern vor allem seine Geliebte (und Muse) Olga Iwinskaja betroffen war. Trotz mehrerer Jahre Gefangenschaft, die sie aufgrund ihrer Bekanntschaft mit Boris in einem weit von Moskau entfernten Gulag unter desaströsen Bedingungen verbringen muss, bleibt sie ihm treu und unterstützt ihn in seinem Schaffen. In den USA leitet die CIA derweil eine sanfte Propagandawelle ein, indem sie gedruckte Exemplare des Romans heimlich nach Russland zurückschmuggeln will, um die Menschen dort aufzurütteln und somit das Sowjetregime quasi von innen, vom eigenen Volk ausgehend, zu schwächen.

Erzählt wird sowohl aus Ost- als auch aus West-Perspektive, jeweils mit immer wechselnden Protagonisten als Hauptstimme des jeweiligen Kapitels. Insbesondere die Beleuchtung des Alltags und der Spionagetätigkeiten diverser Agenten/-innen in den USA fand ich unheimlich spannend, da das alte Washington D.C. der 50er Jahre faszinierend real von der Autorin zum Leben erweckt wurde, auch im Hinblick auf die damalige Gesellschaftsordnung. Frauen waren noch weit von der heutigen Gleichberechtigung entfernt und vor allem in den Kapiteln der Stenotypistinnen wird dies deutlich. Die junge Irina wird aufgrund ihrer russischen Abstammung von der Agency für Spionagetätigkeiten angeworben und von der charismatischen Agentin Sally (die meine Lieblingsfigur in diesem Roman war) entsprechend ausgebildet. Hierbei lag der Fokus allerdings größtenteils auf Irinas Privatleben – sie verliebt sich in jemanden, mit dem eine Beziehung unmöglich scheint…

So interessant die Hintergrundgeschichte zur Veröffentlichung des legendären Romans Pasternaks ist, so fremd blieben mir die Charaktere in Lara Prescotts Werk. Möglicherweise lag es an der Vielzahl der Figuren oder am permanenten Wechsel der Erzählstimme - oftmals hatte ich zu Kapitelbeginn Probleme zu erkennen, aus wessen Perspektive gerade erzählt wird. Beinahe alle Protagonisten waren mir schlichtweg unsympathisch. Olga opfert ihr Lebensglück auf mehr als nur eine Weise für Boris (- der wiederum nur für seinen Roman lebt -), vernachlässigt sogar ihre Kinder darüber. Boris Pasternak mag ein großer Schriftsteller gewesen sein, aber menschlich wird er hier als selbstsüchtiger, rücksichtsloser Narzisst dargestellt; sein Erfolg geht ihm über alles, bedeutet ihm mehr als Olga. Sein Ego ist ihm wichtiger als Olgas Sicherheit, wichtiger als das Wohl seiner (sowie ihrer!) Familie. Ich hätte Olga vor Wut über ihre devote, naive Haltung ihm gegenüber am liebsten schütteln wollen!

Über das Werk "Doktor Shiwago" hatte ich mir insgesamt mehr Detailinformationen erhofft. Warum genau war der Roman der Sowjetregierung solch ein Dorn im Auge? Welche Kritik hat er am Staat geübt? Stattdessen nahmen allerlei 'Nebenschauplätze' einen dermaßen großen Raum ein, dass die Hauptthematik etwas verblasste und die Geschichte mich letztlich nicht so fesseln konnte, wie ich es mir erhofft hatte. Speziell im Mittelteil zogen sich einige der Passagen in die Länge und lenkten vom Hauptfokus ab. Leider hat der wundervolle, mal poetisch schöne, mal nüchterne Schreibstil der Autorin nicht ausgereicht, um diese negativen Punkte auszugleichen. Den realen, in die fiktive Rahmenhandlung eingebetteten geschichtlichen Fakten liegt gewiss eine aufwendige Recherchearbeit zugrunde, das wird mehr als deutlich; dennoch hatte ich das Gefühl, als Leserin gerade mal an der Oberfläche der Informationen zu kratzen. Für Kenner von "Doktor Shiwago" ist das Werk sicherlich interessant, sozusagen als Ergänzung. Im allgemeinen Vergleich mit anderen historischen Romanen würde "Alles, was wir sind" (aufgrund der bereits angesprochenen Oberflächlichkeit und Emotionslosigkeit) allerdings den Kürzeren ziehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 06.02.2020

Die Hintergründe zu Dr. Schiwago

0

In meiner Generation kennt wohl jeder Dr. Schiwago, es lief so oft im weihnachtlichen Fernsehprogramm. Das Buch habe ich nie gelesen und wusste bisher nicht, dass es so eine dramatische Hintergrundgeschichte ...

In meiner Generation kennt wohl jeder Dr. Schiwago, es lief so oft im weihnachtlichen Fernsehprogramm. Das Buch habe ich nie gelesen und wusste bisher nicht, dass es so eine dramatische Hintergrundgeschichte hat. Also musste ich „Alles, was wir sind“ einfach lesen.
Der Einstieg fiel mir leicht, ich mag die Sprache von Lara Prescott und ich war so gespannt. Aber so nach und nach legte sich meine Begeisterung. Viel zu ausführlich werden manche Dinge behandelt. Ich wurde ungeduldig und daran konnte eben diese schöne Sprache auch nichts ändern.
Lara Prescott erzählt abwechselnd, was im Osten und was im Westen passiert. Dabei ist der Ostteil sehr dramatisch und bedrückend, während ich mich im Westteil in der Vorstufe zu einem Spionagethriller wieder finde. Dort ist alles viel leichter und unbeschwerter, aber es passiert nicht besonders viel. So wurde meine Geduld besonders in diesen Abschnitten auf eine harte Probe gestellt.
Ich hatte zwar im Hinterkopf, dass vieles auf Tatsachen basiert, was ich umso interessanter fand, aber ich habe mich teilweise durch das Buch gequält, weil es besonders im Mittelteil einige Längen hat.
Dennoch war es sehr interessant, Boris Pasternak kennen zu lernen und nicht zu mögen, Mitleid mit seiner Geliebten Olga zu haben, die für ihre Liebe zu ihm einen hohen Preis bezahlen musste und natürlich der Einblick in die Geheimdienstarbeit der USA. Vielleicht hatte ich mehr einen Agententhriller erwartet, denn das ist „Alles, war wir sind“ definitiv nicht.
Das Ende hat mich dann doch wieder etwas versöhnt und ich sehe nun den Film mit etwas anderen Augen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.01.2020

Die Wahrheit, so bitter sie auch sein mochte, war, dass seine Worte ihm nicht mehr gehörten, sobald sie einmal draußen in der Welt waren“

0

Diese Wahrheit bekommt Autor Boris Pasternak hart zu spüren: In der Sowjetunion der 50er Jahre arbeitet der Schriftsteller mit Leidenschaft an seinem ersten Roman „Doktor Schiwago“. Ein Roman, vor dem ...

Diese Wahrheit bekommt Autor Boris Pasternak hart zu spüren: In der Sowjetunion der 50er Jahre arbeitet der Schriftsteller mit Leidenschaft an seinem ersten Roman „Doktor Schiwago“. Ein Roman, vor dem sich die Sowjetregierung berechtigterweise fürchtet, weil sie vermutet, dass darin die politischen Verhältnisse und die Auswirkungen der Oktoberrevolution stark kritisiert werden. Das Regime versucht Pasternak also daran zu hindern, den Roman zu vollenden. Um den Autor unter Druck zu setzen, schrecken die Herrschenden auch nicht davor zurück, seine Geliebte und Muse Olga unter grausamen Bedingungen in einem Arbeitslager zu inhaftieren. Doch der Schriftsteller lässt sich nicht beugen, beendet den Roman und versucht, ihn in der Sowjetunion zu publizieren. Ein aussichtsloses Vorhaben. Im Westen erkennt währenddessen die CIA in den USA das Potenzial des Romans und möchte ihn als Waffe gegen das Sowjet-Regime einsetzen. Er soll heimlich wieder in die Sowjetunion geschmuggelt, dort unters Volk gebracht werden und Misstrauen der Regierung gegenüber schüren. Lara Prescotts Geschichte, spielt einerseits im Osten und beschreibt dort Olgas und Pasternaks Situation, andererseits im Westen, wo es um Mitarbeiter und Agentinnen geht, die an der Shiwago-Mission beteiligt sind.

Vor langer Zeit habe ich Doktor Schiwago gelesen, keine leichte Kost. Ich habe mit dem Buch gerungen, empfand es aber als eines jener seltenen besonderen Bücher, die einen für lange Zeit beschäftigen und von denen man das Gefühl hat, dass sie etwas ganz Großes, ein Meisterwerk, sind. Daher habe ich mich sehr auf Lara Prescotts Roman gefreut, deren Eltern es mit der Verfilmung des Buches anscheinend genauso erging. Schließlich benannten sie ihre Tochter gar nach der Hauptfigur. Ich hoffte in dem Buch etwas vom „Geist“ von Pasternaks Original zu finden, das mich damals so fasziniert hatte.

Schon die äußerliche Aufmachung fällt sehr positiv ins Auge, sie wirkt sehr hochwertig. Auch der Beginn des Romans schien meine hohen Erwartungen zu erfüllen. Die verschiedenen Perspektiven aus dem Osten und den Westen, der für mich schöne Erzählstil, das passte perfekt zusammen. Ich hoffte darauf, dass sich die verschiedenen Stränge im Verlauf des Romans zu einem harmonischen Runden Ganzen zusammenfügen würden und dass Pasternaks mit dem Nobelpreis prämierter Roman Doktor Shiwago, seine Entstehung, die Vorbilder der Protagonisten, sein Inhalt, seine Botschaft eine größere Rolle spielen würde.
Dies passierte aber nur bedingt.
Über lange Strecken konzentrierte sich die Handlung auf den Westen, also die Mission, Doktor Shiwago im Osten zu verbreiten, ohne dass sich mir dabei die wahre eigentliche Bedeutung des heiß umkämpften Buches erschloss. Die Handlung um die mit der Mission betrauten CIA- Mitarbeiterinnen Irina und Sally vermochte es leider nicht, mich zu fesseln und wirkte irgendwie hölzern. Überhaupt empfand ich für die Figuren des Romans wenig Sympathie. Pasternak wurde für mich in diesem Buch regelrecht entzaubert, wird er doch als eigensüchtiger, narzisstischer alter Mann dargestellt, der sich gerne im Selbstmitleid suhlt. Auch die anderen Protagonisten, ihre Gefühle und Beziehungen gingen mir nicht nahe.

Zum Schluss läuft die Autorin noch einmal zur Hochform auf und gelangt meines Erachtens zu einem versöhnlichen und stimmigen Ende. Trotzdem kompensiert das die Schwächen des Mittelteils, die unnötigen langwierigen Passagen über die trockene „Mission Shiwago“ nicht. Der Funke sprang zu selten über, den Bezug zu Doktor Shiwagos und seinen Einfluss auf Prescotts Erzählung suchte ich über lange Strecken vergebens. Für mich wurde das große Potential der Geschichte leider nicht ganz ausgeschöpft. Vermutlich waren aber meine Erwartungen auch einfach viel zu hoch, denn selbstverständlich sind Pasternaks Fußstapfen eine Nummer zu groß für Prescott. Wer sonst bekommt schon für seinen ersten Roman gleich einen Literaturnobelpreis verliehen?
Betrachte ich diesen Roman weitgehend unabhängig von seinem großen „Vorbild“, bereue ich es aber keineswegs, ihn gelesen zu haben und empfehle den Lesern, dieses Buch zuerst zu lesen und sich dann anschließend an Shiwago in der Buch- oder Filmversion zu wagen.




  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere