Profilbild von yellowdog

yellowdog

Lesejury Star
offline

yellowdog ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit yellowdog über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.03.2020

Ein verrücktes Paar in Afrika

Das kann uns keiner nehmen
0

Matthias Politycki ist ein wirklich guter Autor, da er ernsthaftes Themen mit einer Leichtigkeit und mit Wortwitz verbinden kann.

Hans und Tscharlie treffen sich zufällig in einem Krater auf dem Kilimandscharo.
Sie ...

Matthias Politycki ist ein wirklich guter Autor, da er ernsthaftes Themen mit einer Leichtigkeit und mit Wortwitz verbinden kann.

Hans und Tscharlie treffen sich zufällig in einem Krater auf dem Kilimandscharo.
Sie sind sehr ungleich. Hans ein Hamburger Schriftsteller, Tscharlie ein Bayer. Da treffen Welten aufeinander.
Hans hält Tscharlie für einen Proleten. Für Tscharlie ist Hans ein Windlhans und ein Hornbrillenwürschtl, preußisches.
Obwohl es viele Vorurteile auf beiden Seiten gibt, setzen sie ihre Reise durch Afrika gemeinsam fort und verstehen sich mit der Zeit immer besser.

Ich mag den Icherzähler wegen seinem Einfühlungsvermögen, das auch ermöglicht hinter Tscharlies Fassade seine Herzlichkeit zu erkennen.
Politycki hat mit den beiden ein originelles Paar erschaffen. Dann versteckt er auch noch geschickt zwei Liebesgeschichten im Roman.
Jeder der Protagonisten hat eine Beziehung mit Verlusten erlebt.
Nicht zuletzt sind Abschnitte dabei, die eine kleine Hommage an Ernest Hemingways Schnee auf dem Kilimandscharo.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.02.2020

Ein sich ausbreitender Riss

Der Riss
0

Sowohl der Titel als auch der Untertitel „Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört“ macht deutlich, was der Journalist und Buchautor Michael Kraske mit diesem Buch aussagen will. Und ...

Sowohl der Titel als auch der Untertitel „Wie die Radikalisierung im Osten unser Zusammenleben zerstört“ macht deutlich, was der Journalist und Buchautor Michael Kraske mit diesem Buch aussagen will. Und ich halte seine Analyse für bemerkenswert.

Kraske betrachtet ausführlich Aspekte des gesellschaftlichen Wandels durch Stärkung der neuen Rechten. Er geht ins Detail und man erfährt viel mehr über die Themen als man gedacht hätte. Dazu gehören AfD-Wahlergebnisse z.B. in Sachsen, Auswüchse radikaler Rechter, Pegida, die Reaktionen auf den Vorfall in Chemnitz, der Ablauf des NSU-Prozesses und dem Versagen bei den Ermittlungen.

Es gibt klare Worte in de Buch, z.B.
„Die AfD ist keine Protestpartei, auch wenn das oft behauptet wird. Wer sie wählt, entscheidet sich bewusst für völkischen Nationalismus, Rassismus und Verachtung der parlamentarischen Demokratie und ihrer Repräsentanten.“

Kraske scheut sich nicht, die Sache beim Namen zu benennen. Auch der Umgang und Auslegung des Nationalitäts- und Heimatbegriffs wird angesprochen. Ebenso die zunehmende Gewaltbereitschaft.
Michael Kraske schöpft für sein Buch auch aus einigen Interviews, zum Beispiel mit dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer oder dem Filmregisseur Andreas Dresen.

Für mich wird klar, dass die erwähnte Problematik und die Gefahren nicht zu unterschätzen sind und Gesellschaft, Justiz und Politik mehr denn je gefordert sind.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.02.2020

Familiengeschichte in 100 Jahren

Die Bagage
0

Die Handlung setzt vor ca. 100 Jahren ein, 1914 in einem Dorf. Die österreichische Schrifterstellerin Monika Helfer verarbeitet in dieser Familiengeschichte die Geschichte ihrer Mutter und Großmutter in ...

Die Handlung setzt vor ca. 100 Jahren ein, 1914 in einem Dorf. Die österreichische Schrifterstellerin Monika Helfer verarbeitet in dieser Familiengeschichte die Geschichte ihrer Mutter und Großmutter in diesem sehr konzentriert geschriebenen Roman, der auch ein Dorfleben zeigt.
Der erste Weltkrieg bricht aus und Josef wird eingezogen. Seine Frau Maria bleibt zurück und wird schwanger. Der Verdacht komm auf, dass Josef nicht der Vater ist. Schließlich war sie mit Georg, einen Fremden aus Hannover gesehen worden. Der Dorfklatsch tut ein übriges und Josef lehnt nach seiner Rückkehr das Kind ab.
Als Leser ist man den Figuren der Familie sehr nahe.
Das Buch fällt durch die sorgfältige, fein gemachte Sprache von Monika Helfer auf. Es ist eine Art des autofiktionalen Schreibens, die ich sehr schätze.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 08.02.2020

Glaube und Hoffnung

Ein wenig Glaube
0

Der US-amerikanische Schriftsteller Nickolas Butler schreibt intensive Romane, die im mittleren Westen der USA angesiedelt sind. Das gilt auch für „Ein wenig Glaube“, ein Buch, bei dem er ein heikles Thema ...

Der US-amerikanische Schriftsteller Nickolas Butler schreibt intensive Romane, die im mittleren Westen der USA angesiedelt sind. Das gilt auch für „Ein wenig Glaube“, ein Buch, bei dem er ein heikles Thema anpackt, jedenfalls für amerikanische Verhältnisse. Die Kraft des Glaubens und wo es in Fanatismus umschlagen kann.

Bei aller Intensität hat Butler aber auch einen kraftvollen, moderaten Stil voll innerer Ruhe.

Ich mag die meisten Figuren dieser Familiengeschichte sehr, insbesondere Lyle und seinen kleinen Enkel Isaac und ihr gutes Verhältnis zueinander. Dann Lyles Frau Peg und sein guter Freund Hoot, der an Krebs erkrankt ist.

Lyles und Pegs Tochter Shiloh ist nach Jahren mit ihrem 5jährigen Sohn Isaac nach Wisconsin zurückgekommen. Sie ist alleinerziehend und hat sich einer merkwürdigen Kirche angeschlossen, dem Bund des Flusstälerlandes und sie ist sehr auf dem windigen Pastor Steven fixiert.

Es stellt sich die Frage, ob die Kraft des Glaubens auch schwere Krankheit besiegen kann. Der Prediger glaubt, dass Isaac durch handauflegen die Menschen heilen kann.
Der Autor lotet das Thema in einer angemessenen Tiefe aus, vergisst dabei aber auch nicht eine bewegende Handlung zu schreiben.

Man spürt das, was auch Lyle befürchtet, dass Isaac instrumentalisiert wird als angeblicher Heiler von Kranken und dass das den Jungen sicher schaden wird. Nicht umsonst macht er plötzlich wieder ins Bett und wirkt verstört, während seine Mutter dem Pastor ganz und gar hörig ist.
Als Leser fühlt man sehr mit den Figuren. Durch die Geschichte wird man meisten von Lyle und seinen inneren Reflektionen und den Gesprächen geführt.

Nickolas Butler hat mit diesem Buch eine schöne Steigerung zu seinem letzten hingelegt und ist für mich eine der großen Hoffnungen für die US-amerikanische Belletristik.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.02.2020

Bemerkenswert und wichtig

Fragen, die mir zum Holocaust gestellt werden
0

Die Holocaust-Überlebende Hédi Fried hat schon oft Vorträge in Schulungen gehalten und berichtet von ihren Erfahrungen, wobei sie mit den Schülern immer ins Gespräch gekommen ist und Fragen zulässt. Als ...

Die Holocaust-Überlebende Hédi Fried hat schon oft Vorträge in Schulungen gehalten und berichtet von ihren Erfahrungen, wobei sie mit den Schülern immer ins Gespräch gekommen ist und Fragen zulässt. Als über neunzigjährige ist es ihr noch immer wichtig, die Erinnerung an KZs Auschwitz und Bergen-Belsen wachzuhalten. Nur so kann es bewirken, das sich der Holocaust nicht wiederholt. Da sie durch das hohe Alter nicht mehr lange die Svhulen wird besuchen können, ist ihr Ansatz wirklich zwingend und gut. Die wichtigsten und häufigsten Fragen dokumentiert sie in diesem Buch.

Hédi Fried ist eine Jüdin aus Siebenbürgen. Sie wurde 1944 nach Auschwitz deportiert.Nach Auschwitz war sie in drei verschiedenen Arbeitslagern.

Da sie auch früher schon Bücher über ihr Überleben geschrieben hat und die Fragen schon oft beantwortete, wirkt das Buch streckenweise routiniert.
Die Fragen der Schüler sind elementar und Hédi Fried behandelt die Themen Hitlers Judenhass, die Zustimmung des Volkes, fehlender Widerstand, Ankunft in Auschwitz, Lagerleben, Hunger und Überleben.

In letzter Zeit haben mich verschiedene Berichte Überlebender stark beschäftigt: Ginette Kolinka, Marceline Loridan-Ivens, Primo Levi.
Hédi Frieds Berichte passen dazu, es gibt Passagen, die vergleichbar sind, dann aber auch ein paar Details, die vielleicht nicht jeder kennt.

Ich hoffe, dass ihre Biografie Fragmente meines Lebens noch einmal neu aufgelegt wird.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere