Cover-Bild Rote Kreuze
(78)
  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 288
  • Ersterscheinung: 26.02.2020
  • ISBN: 9783257071245
Sasha Filipenko

Rote Kreuze

Ruth Altenhofer (Übersetzer)

Alexander ist ein junger Mann, dessen Leben brutal entzweigerissen wurde. Tatjana Alexejewna ist über neunzig und immer vergesslicher. Die alte Dame erzählt ihrem neuen Nachbarn ihre Lebensgeschichte, die das ganze russische 20. Jahrhundert mit all seinen Schrecken umspannt. Nach und nach erkennen die beiden ineinander das eigene gebrochene Herz wieder und schließen eine unerwartete Freundschaft, einen Pakt gegen das Vergessen.

Weitere Formate

Dieses Produkt bei deinem lokalen Buchhändler bestellen

Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2020

Ein Menschenleben

0

Mit einer sehr ausdrucksstarken, etwas distanzierten Schreibweise nimmt uns der Autor mit in eine schlimme Zeit.
Sasha Filipenko schafft es auf nur 280 Seiten ein ganzes Leben zu beschreiben. In Kurzen, ...

Mit einer sehr ausdrucksstarken, etwas distanzierten Schreibweise nimmt uns der Autor mit in eine schlimme Zeit.
Sasha Filipenko schafft es auf nur 280 Seiten ein ganzes Leben zu beschreiben. In Kurzen, klaren
Sätzen wird durch die Figur Tatjana das ganze Grauen des Stalinismus deutlich.
Eine spannender und sehr berührender Roman. Dokumentarisch belegt und durch die zitierten Originaldokumente wird das Grauen noch untermauert. Dokumente an das Rote Kreuz verzweifelte Appelle an die Menschlichkeit.
Diese nüchternen Aufzählungen gehen unter die Haut, machen das Böse greifbar.
Erzählt durch zwei Charakteren, die so echt und kompliziert wirken wie das Leben selbst.
Zwei Welten, zwei Menschen treffen aufeinander. Die eine muss sich alles von der Seele
reden, kämpft gegen das Vergessen und der andere muss sich der Gegenwart stellen. Sein Leben wieder in den Griff bekommen.
Die Charaktere und der Aufbau sind sehr überzeugend und authentisch. Die beiden Figuren sind wunderbar
gezeichnet und ergänzen sich perfekt. Hier wird die russische Seele perfekt eingefangen.
Z.b. mit den eingefügten Gedichten.

Ich finde es sehr gut, das dieses Thema aufgegriffen wurde. Gerade die Korrespondenz aus den Archiven macht dieses Buch so interessant. Vor allem jetzt wo Putin alles unter Verschluss hält.
Es wurde Zeit das darüber berichtet wird.
Ein sehr wichtiger Roman. Eine Leseempfehlung.

Diese wunderbaren Sätze sollen noch genannt werden:

Ich frage: "Warum hat Stalin so einen kleinen Kopf?" Den alten hat jemand abgehauen. Wir haben bei der
Behörde einen neuen bestellt, aber mit der Größe ist etwas schiefgegangen.
Das Bild, ein dunkelgraues Quadrat. Was stellt es dar? Mein Leben!
Gott hat Angst vor mir. Zu viele unbequeme Fragen kommen da auf ihn zu.
Stalins Experiment war geglückt, gefangen war der Mensch nicht länger in einem Anstaltsgebäude,
sondern in seinem eigenen Schicksal.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 25.02.2020

Ein Schicksal erzählt gegen das Vergessen

1

Nach einem schlimmen Schicksalsschlag zieht Alexander in eine andere Stadt und bei Ein-zug in seine Wohnung trifft er schnell auf seine Nachbarin, eine alte Dame. Sie hat Alz-heimer und erzählt ihm schnell ...

Nach einem schlimmen Schicksalsschlag zieht Alexander in eine andere Stadt und bei Ein-zug in seine Wohnung trifft er schnell auf seine Nachbarin, eine alte Dame. Sie hat Alz-heimer und erzählt ihm schnell aus ihrem Leben. Erst reagiert Alexander unwillig, doch Tatjanas Geschichte erweist sich als so tragisch, dass Alexander zuhört und ihr auch seine Geschichte erzählt. Tatjana erlebt das Russland des 20. Jahrhunderts mit all seinen Schre-cken.
Sasha Filipenko bedient sich bei Tatjanas Geschichte einer eher emotionslosen Sprache. Doch diese reicht vollkommen aus, wenn man sich Tatjanas Erlebnisse beim Lesen ver-sucht vorzustellen. Über diese Zeit während und nach dem zweiten Weltkrieg in der da-maligen Sowjetunion wird wenig geredet. Vielleicht weil es so schlimme Zeiten waren? Diese Ignoranz der Einzelnen, das Inhaftieren aus seltsamen Gründen, Trennung der Kin-der von den Eltern und Inkaufnahme von Tod. Tatjanas Geschichte ist eine Geschichte gegen das Vergessen dieser Zeit mit so viel Leid. Ich denke, auch zu dieser Zeit noch mutig vom Autor. Alexander bleibt für mich mehr am Rand, als Erzählpartner für Tatjana, die unbedingt erzählen muss bevor Alzheimer ihr die Erinnerung nimmt und sie dann in der Folge Gott nicht mit ihrem Schicksal und anderer Menschen konfrontieren kann.
Für mich ein sehr eindringlicher Roman über das Grauen in der sog. Stalinzeit und wo sich mir die Frage stellt, wie viel Menschen ertragen, erdulden können.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.02.2020

Faszinierende Geschichte - leider unglücklich mit zweiter Geschichte verknüpft

0

Man könnte die Ankündigung von "Rote Kreuze", dem ersten Roman des weißrussischen Schriftstellers Sasha Filipenko der auf Deutsch erscheint, als Rundumschlag über die russisch- sowjetische Geschichte verstehen, ...

Man könnte die Ankündigung von "Rote Kreuze", dem ersten Roman des weißrussischen Schriftstellers Sasha Filipenko der auf Deutsch erscheint, als Rundumschlag über die russisch- sowjetische Geschichte verstehen, aber das würde täuschen. Tatjanas Geschichte umfasst zwar tatsächlich das ganze zwanzigste Jahrhundert, Dreh- und Angelpunkt ist aber der Zweite Weltkrieg und der Umgang der Sowjetunion mit ihren eigenen Soldaten, die in Kriegsgefangenschaft geraten sind – ein Thema, über das ich noch nie gehört hatte und das aber sehr interessant und tragisch ist. Die kriegsgefangenen sowjetischen Soldaten galten dem Staat als Verräter, zuhause drohte ihnen die Todesstrafe und ihrer Familie das Straflager. Tatjanas ganzes spätere Leben wurde von dieser Tatsache bestimmt.

Die Geschichte von Tatjana fand ich durchweg faszinierend, erschreckend, tragisch und dabei meist gut erzählt. Die Schwenker ins Jahr 2000, in dem sie die Geschichte dem Namensvetter des Autoren erzählt, fand ich manchmal fast störend, und die Art, wie Sascha anfangs mit seiner alten Nachbarin redet, unverständlich. In den hölzern klingenden Dialogen ist Sascha einfach nur unverschämt zu Tatjana. Vielleicht soll das witzig sein oder es hat einen Subtext, der mich nicht erreicht hat – so hat es für mich einfach nur unnötig eine interessante Geschichte unterbrochen. Auch Saschas tragische Geschichte wird (glücklicherweise nur) kurz berichtet. Hier kann man wohl einiges in Beziehung zur russischen Geschichte oder auch zur Geschichte von Tatjana setzen. Trotzdem blieb mir Sascha fremd und unsympathisch, während ich Tatjana gerne noch viel länger zugehört hätte. Der Ansatz, die historische Geschichte mit dem beginnenden neuen Jahrtausend zu verknüpfen war eine grundsätzlich gute Idee des Autoren, aber meiner Meinung nach wurde sie nicht überzeugend umgesetzt.

Veröffentlicht am 22.02.2020

Was einmal war

0

Tatjana ist 91 Jahre alt und langsam bekommt sie Alzheimer. Als sie einen neuen Nachbarn bekommt, freundet sie sich mit ihm an und erzählt ihm ihre Geschichte.

Den Schreibstil des Buches fand ich etwas ...

Tatjana ist 91 Jahre alt und langsam bekommt sie Alzheimer. Als sie einen neuen Nachbarn bekommt, freundet sie sich mit ihm an und erzählt ihm ihre Geschichte.

Den Schreibstil des Buches fand ich etwas gewöhnungsbedürftig. Zwar ist er leicht zu lesen und man spürt auch die russische Kultur durch die Übersetzung, aber irgendwie kam mir alles leicht abgehackt und distanziert vor. Ich konnt dadurch dennoch mit den Personen mitfühlen und die Geschichte hat mich sehr berührt, aber die Personen an sich konnte ich nicht richtig greifen und auch nicht die Beziehung der beiden Protagonisten untereinander.
Trotz allem ist es eine sehr heftige Geschichte, die spannend erzählt wird. Ich habe bei der Erzählung die ganze Zeit mitgefiebert und was man über das Leben in Russland im zweiten Weltkrieg erfährt, ist wirklich hart. Die Geschichte verschönt nichts und man erfährt sehr viel darüber wie die Menschen gedacht haben und heute auch denken. Dabei ist das Buch sehr kunstvoll geschrieben, das für eine gewisse Stimmung sorgt.

Letztendlich konnte mich das Buch richtig umhauen und berühren. Der Stil hat mir persönlich zwar nicht so gut gefallen, aber die Geschichte an sich ist wirklich heftig.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.02.2020

Lebenswege

0

Minsk, Weißrussland. Anfang des Jahrtausends. Ein Mann, dreißig Jahre alt, eine Frau, neunzig Jahre alt. Zwei Schicksale, die von Verlust geprägt sind. Ein Hausflur, ein rotes Kreuz an seiner Tür, das ...

Minsk, Weißrussland. Anfang des Jahrtausends. Ein Mann, dreißig Jahre alt, eine Frau, neunzig Jahre alt. Zwei Schicksale, die von Verlust geprägt sind. Ein Hausflur, ein rotes Kreuz an seiner Tür, das sie angebracht hat, damit sie sich erinnern kann, wo sie wohnt, denn sie hat Alzheimer. Und Redebedarf. Als Tatjana Alexejewna ihren neuen Nachbarn Alexander im Treppenhaus geradezu überfällt, ihn in ihre Wohnung bittet, ist er komplett überfahren. Jede ehrliche Reaktion wäre eine Ausgeburt der Unhöflichkeit, also beißt er in den sauren Apfel und folgt ihr, hört zu. Erst widerwillig, dann irgendwann gespannt. Denn Tatjana hat eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, die ein Spiegel der gesamten polit-sowjetischen Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellt. Sie ist ein Teil, ein lebendiger Teil der Lenin-Ära, die sie als Kind erlebt, und hat später die Gräuel der Stalin-Ära am eigenen Leib erfahren, in all ihrer Willkür, Brutalität, Konsequenz, Endgültigkeit. All das erfährt Alexander nach und nach und öffnet sich seinerseits der alten Frau. Berichtet, wie es ihn nach Minsk verschlagen hat, was seine Geschichte ist, wie auch er neu anfangen muss, genau wie sie nach den Schicksalsschlägen ihres Lebens. Ob eine Freundschaft oder eine Schicksalsgemeinschaft entsteht, wer will das auf die Goldwaage legen, es entsteht ein empathisches Gebilde, was für beide in einer entscheidenden -überschaubaren, weil endlichen- Lebensphase eine Konstante darstellt.
Sasha Filipenko macht es dem Leser nicht leicht. In seinem nur rund 280 Seiten starken Werk steckt eine Menge drin. Viel für verhältnismäßig wenige Seiten. Die Geschichte zweier Menschen, ein ganzes Jahrhundert Staatsgeschichte, große Fragen nach Moral, Vergangenheitsbewältigung, Menschenwürde und Schuld. Gewaltige Themen, facettierte Inhalte – und doch, heruntergebrochen auf eigentlich wenige Tage des Erzählens zwischen den beiden Protagonisten. All das bedingt einen – und fast widerspricht es sich – verknappten, berichtenden Erzählstil, der auch häufig wechselt zwischen direkten und indirekten Berichten, der ersten und dritten Person und wahnsinnig viel Gehalt. Im Grunde kommt man viel zu schnell voran in der Erzählung, um alle Fakten und alle Zwischentöne zu erfassen, so dass man letztendlich sagen muss, eine zweite Lektüre würde sich fast aufdrängen. Gebremst wird der Lesefluss allerdings durch zwei Faktoren. Zum einen sind – in meinen Augen, verzichtbare Gedichte und ähnliches in den Text eingebunden. Leider sind dies für mich immer für die Handlung irrelevante Faktoren, da ich sie in den seltensten Fällen lese – und schon gar nicht so aufmerksam, dass ich ihnen gerecht würde. Will also der Autor etwas mit diesen Texten sagen, geht es, ganz ehrlich, an mir vorbei. Das mag jetzt mein persönliches Pech sein, ich wähne mich aber nicht alleine mit diesem Problem auf der Welt. Zum anderen enthält der Roman viele Auszüge aus (Original-)Dokumenten, Briefe oder Mitteilungen, die irgendwie sich auch selten so wirklich harmonisch in den Text einfügen. Insbesondere in Passagen, in denen Tatjana in direkter Rede erzählt, und dann ein Dokument folgt, fand ich das merkwürdig. Sie wird Alexander ja das Schriftstück nicht nach Jahrzehnten wortwörtlich memoriert und vorgetragen haben. Das hat mir einfach nicht so gut gefallen. Den Stil an sich mochte ich dahingegen sehr gerne, sowohl der nicht verschnörkelte direkte Ton als auch einige sehr gelungene Vergleiche (beispielhaft: ein Abgrund in Form eines Menschen, S.9, gefangen war der Mensch nicht länger in einem Anstaltsgebäude, sondern in seinem eigenen Schicksal) haben mich durchweg begeistert und an das Buch gefesselt.
Das -typische- Diogenes-Cover ist gelungen und passt hervorragend. Die Person, die sich voran bewegt, aber doch immer von einem Schatten in Form des Kreuzes gefolgt wird, Sinnbild für Vergangenheit, für Verluste, andere Kreuze im Leben, das fand ich hier sehr passend und aussagekräftig.
Fazit: ein Buch, das sich schnell lesen lässt, aber vermutlich nicht schnell gelesen werden sollte, oder zumindest mit sehr viel Muße zum Denken im Nachgang, wirklich zum Sammeln und Resümieren dessen, was man da eigentlich alles in so furchtbar kurzer Zeit erfahren und hoffentlich auch erfasst hat - „ein großer russischer Roman auf nur 280 Seiten“ wie der Verlag titelt – das passt. An den Holprigkeiten – wechselnde Perspektive, Sprünge, Einschübe sollte man sich nicht allzu fest verbeißen, sondern das große Ganze im Blick haben. Klare Leseempfehlung!