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Veröffentlicht am 12.12.2021

Für ein harmonischeres Miteinander

Das Kind in dir muss Heimat finden
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Ende 2019 und Anfang 2020 ging's mir nicht sehr gut. Ich war so richtig in einem Loch, hatte an nichts Freude, war antriebslos und total leicht reizbar. War es eine Winterdepression? Waren es die Schwangerschaftshormone? ...

Ende 2019 und Anfang 2020 ging's mir nicht sehr gut. Ich war so richtig in einem Loch, hatte an nichts Freude, war antriebslos und total leicht reizbar. War es eine Winterdepression? Waren es die Schwangerschaftshormone? Zeitweise war es wirklich extrem, ich habe sehr darunter gelitten, aber mein Umfeld wahrscheinlich noch viel mehr. Ich beschloss, dass es so nicht weitergehen konnte und habe mir dann dieses Buch hier zugelegt. »Das Kind in dir muss Heimat finden« habe ich schon vor Monaten (oder Jahren?) erstmals entdeckt und da hat es mich gleich angesprochen. In dieser schweren Zeit habe ich mich nun an den Titel erinnert und ihn daraufhin besorgt. Denn das Lesen derartiger Bücher konnte mir immer schon dabei helfen, mich besser zu fühlen.

In »Das Kind in dir muss Heimat finden« geht es um das Schatten- und das Sonnenkind, sowie um den inneren Erwachsenen. Wer sich gut kennt bzw. beobachtet, wird wissen, dass wir verschiedene Anteile in uns haben, die abwechselnd aktiv sind. In unserer Kindheit wurden wir geprägt und da enstanden sowohl schattige als auch sonnige Glaubenssätze, die wir nun, im Erwachsenenalter, mit uns herumtragen. Niemand ist zu 100 Prozent Schattenkind, genauso ist niemand zu 100 Prozent Sonnenkind. Wir haben beides in uns. Das Schattenkind macht uns das Leben schwer, das Sonnenkind verbreitet gute Stimmung und fühlt sich pudelwohl. Je nachdem, was dir gerade widerfährt, wie du dich fühlst und was du denkst, läufst du im Sonnen- oder Schattenkindmodus.

Stefanie Stahl erklärt hier ganz genau, was hinter den Kulissen schief läuft, wenn man beispielsweise Wut, Angst oder Neid verspürt, oder warum man es nicht lassen kann, so perfekt und genau zu sein. Man versucht das Schattenkind zum Schweigen zu bringen, welches schreit, dass man nicht wichtig oder nicht gut genug ist. Alle negativen Gefühle, ausgenommen jene, die durch schwere Schicksalsschläge hervorgerufen wurden, haben ihren Ursprung beim Schattenkind. Das Schattenkind in uns kann manchmal ganz schön nerven und anstrengend sein, wenn es sich so oft zu Wort meldet und deswegen gibt uns Stefanie Stahl in ihrem Ratgeber alles mit an die Hand, was es braucht, um unseren unliebsamen Wesenskern anzunehmen und zu lieben, damit er Ruhe geben kann. Ganz wichtig dabei ist der innere Erwachsene in uns.

~ »Die meisten Schatten in unserem Leben rühren daher, dass wir uns selbst in der Sonne stehen.« ~
(Ralph Waldo Emerson)

Zuerst einmal muss man natürlich verstehen lernen, wie unser Schattenkind tickt, das heißt: es kennenlernen. Diesem Thema sind im Buch zwei sehr große Kapitel gewidmet und ich persönlich fand diese auch am interessantesten, besonders die Schutzstrategien des Schattenkindes habe ich aufgesogen. Da merkt man dann erst mal, wie viel da auf einen selbst zutrifft, also wie "kaputt" man wirklich ist, wenn man sich das alles durchliest ... Das fand ich etwas frustrierend. Mut hat mir dann allerdings gemacht, als ich mich mit meinem Sonnenkind und seinen Schatzstrategien befasst habe. Zahlreiche, sehr wertvolle, Übungen rund um das Sonnen- und Schattenkind komplettieren dieses wunderbare Buch.

Ich habe mir die Zeit genommen, mich ausgiebig diesen Übungen zu widmen und bin nun, nach der Lektüre, viel öfter im Sonnenkindmodus, einfach weil ich bewusster und aufmerksamer mein Innenleben beobachte und rechtzeitig gegensteuern kann, bevor mein Schattenkind wieder die Führung übernimmt. Natürlich klappt es nicht immer, aber den Anspruch, dass es immer klappen muss, habe ich nicht (mehr).
»Der Schlüssel zur Lösung (fast) aller Probleme« ist der Untertitel dieses Buches und ich würde sagen, ja, diese Aussage stimmt wirklich! Ich bin dankbar dieses Buch gefunden zu haben, denn mir konnte es sehr helfen.

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Veröffentlicht am 18.11.2020

Ein neuer, fortschrittlicher Blick auf unsere Kinder

Mein Familienkompass
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Kindererziehung ist ein vielbesprochenes Thema und den einen oder anderen Ratgeber habe ich diesbezüglich schon gelesen, aber von keinem habe ich mich bisher so verstanden gefühlt, wie von dieser Lektüre.

Die ...

Kindererziehung ist ein vielbesprochenes Thema und den einen oder anderen Ratgeber habe ich diesbezüglich schon gelesen, aber von keinem habe ich mich bisher so verstanden gefühlt, wie von dieser Lektüre.

Die Autorin Nora Imlau ist eine erfahrene Mama von vier recht unterschiedlichen, zum Teil noch sehr kleinen, Kindern. In ihrem Buch nimmt sie kein Blatt vor den Mund und schreibt ganz offen und ehrlich darüber, was es heutzutage wirklich bedeutet, Mutter zu sein: Was von Müttern alles erwartet wird - ausgesprochen und unausgesprochen - und welchem Druck sie ausgesetzt sind. Hohe eigene Ansprüche kommen da noch hinzu. Man will es allen recht machen, man muss so viel leisten und dabei möglichst perfekt sein. Der gesellschaftliche Druck ist riesig, der Wunsch, eine 'gute' Mutter zu sein, ist noch viel größer.

»Sobald Erwachsene anfangen, Kinder erziehen zu wollen, sind Frust und Ärger darüber, dass die Kinder sich dieser Erziehung nicht einfach willenlos fügen, vorprogrammiert.«
(S. 44)

Die Autorin schreibt von Prägungen, die einem im Weg stehen, um immer geduldig und liebevoll mit seinen Kindern umgehen zu können. Und sie schreibt von Gewalt in der Kindererziehung. Nicht unbedingt von körperlicher Gewalt, vielmehr von gewaltvoller Kommunikation: dazu gehört schimpfen und schreien, aber auch die ganz subtile Gewalt in Form von Drohungen, emotionaler Erpressung, Manipulation, Lügen oder mit irgendwelchen beängstigenden Aussagen damit das Kind das tut, was man von ihm möchte. Oft fällt einem das noch nicht mal auf. Beispiele? Wenn du dir jetzt nicht die Zähne putzen lässt, gehe ich allein Frühstücken. Entweder du kommst sofort mit, oder heute Abend gibt's kein Buchanschauen. Oma ist ganz traurig, wenn du dir nicht die Jacke anziehst. Nachspeisen gibt's nur für brave Kinder.
Diese oder ähnliche Aussagen haben wir wahrscheinlich alle mehr oder weniger in unserer Kindheit gehört - und verinnerlicht.

»Mein Familienkompass« hilft einem dabei, sich solcher unbewusster, würdeloser Äußerungen bewusst zu werden. Die eigene Aufmerksamkeit wird geschärft. Und daraus kann man natürlich einen großen Nutzen ziehen, denn Kindern mehr Wertschätzung und Respekt entgegenzubringen, damit diese glückliche und selbstsichere Erwachsene werden können, ist (m)ein großes Ziel.

Nora Imlau gibt in ihrem Buch - und das gefällt mir sehr gut - keine großen Ratschläge. Sie erzählt lediglich ab und zu wie sie es bei ihren Kindern gemacht hat, aber ansonsten tut sie vor allem eines: all das bewusst machen, was normalerweise unbewusst abläuft. Anderen Eltern ein vorgefertigtes Konzept anzubieten, wie sie mit ihren Kindern am besten umgehen sollten, ist auch wenig sinnvoll, denn jede Mama, jeder Papa und jedes Kind ist anders und braucht etwas anderes. Ausgesprochen passend finde ich dazu folgendes Zitat auf Seite 66 des Buches: »Wer bin ich, und wer bist du? Und was brauchen wir, dass es uns miteinander gut gehen kann?«.

»Kinder, denen es gut geht, verhalten sich gut. Und Eltern, denen es gut geht, verhalten sich auch gut.«
(S. 335)

Aus meiner Sicht – einer Mama einer Zweijährigen und eines sechs Monate alten Babys – ist dieses Buch Gold wert. Mir hat es sehr geholfen, meine Einstellung und mein Verhalten meinen Kindern gegenüber zu reflektieren und zu verändern. Ich sorge gut für mich und wenn ich ausgeglichen bin, meistere ich den Mama-Alltag viel spielerischer und kann die Zeit mit meinen beiden Kleinen wirklich genießen. Dieses Buch hat mich ein großes Stück weitergebracht auf der gemeinsamen Reise mit meinen Kindern Richtung eines würde- und respektvollen Miteinanders. Und deswegen möchte ich es gerne jedem Elternteil weiterempfehlen, dem es ein Anliegen ist, WIE ihr Kind groß wird.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Ein aufregendes Leseerlebnis, das noch lange nachhallt

Die Letzten ihrer Art
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"Die Geschichte der Bienen" fand ich gut, "Die Geschichte des Wassers" noch viel besser. Mit "Die Letzten ihrer Art" hat Maja Lunde einen weiteren Klima-Roman geschaffen, der mich ausgesprochen begeistern ...

"Die Geschichte der Bienen" fand ich gut, "Die Geschichte des Wassers" noch viel besser. Mit "Die Letzten ihrer Art" hat Maja Lunde einen weiteren Klima-Roman geschaffen, der mich ausgesprochen begeistern konnte.

In diesem Buch gibt es wieder drei Zeitstränge: 1881, 1992 und 2064. Diesmal dreht es sich um eine Tierart, die man verzweifelt versucht, am Leben zu erhalten: um Wildpferde. Da Pferde nicht zu meinen Lieblingstieren zählen, habe ich mir anfangs noch gedacht: "Oh, nein! Es geht um Pferde ..." Wider Erwarten hat mich die Geschichte aber dennoch sehr mitgenommen und ich habe durchaus interessiert alles über diese Tiere gelesen. In Lundes bisherigen Büchern geht es vor allem darum, wie die Menschen in gewissen Zukunftsszenarien versuchen am Leben zu bleiben. In "Die Letzten ihrer Art" versucht man nun aber, neben dem Menschen, auch eine andere Spezies überleben zu lassen. Nun fragt man sich wahrscheinlich: Warum gerade Pferde? Gibt es nicht unzählige andere Arten, die ebenfalls am Aussterben sind und Hilfe beim Überleben benötigen würden? Warum also Pferde? Maja Lunde gibt auf diese Frage vor allem im 1992er-Strang eine einleuchtende Antwort, die mir heute noch manchmal im Kopf umgeht ...

Wie in den anderen Büchern habe ich auch hier einen Lieblingsstrang gehabt. Der Zukunftsteil hat mich hier wahrlich am meisten beschäftigt und mitgerissen, denn die dortigen Geschehnisse sind wirklich spannend und teilweise sehr nervenaufreibend. Hierbei handelt es sich um ein dramatisches Zukunftsszenario, das man einfach gebannt verfolgen muss. Man fragt sich ständig: Wie geht's da jetzt weiter? Die Kapitel sind nicht immer besonders lang, weswegen man schnell mal ein paar Kapitel mehr liest als ursprünglich geplant waren.
Immer wieder aufmerksam festgestellt habe ich, dass Lunde ähnliche Umstände in den verschiedenen Zeitsträngen eingebaut hat. Das hat die drei Geschichten zusätzlich miteinander verbunden, was mir sehr gefallen hat. Und was ich noch als sehr positiv und lesenswert angeben muss, ist Lundes feines Gespür für Zwischenmenschliches und ihre Fähigkeit, Kleinigkeiten und Details so bildhaft niederzuschreiben. Das, was sie über die Gefühlswelt, das Innenleben und das, was zwischen den Charakteren "in der Luft schwebt" schreibt, ist dermaßen eindringlich und faszinierend. Diese Geschichte geht wahrlich in die Tiefe und berührt zutiefst. Den einen Protagonisten liebt man, den anderen findet man durch und durch unsympathisch, und trotzdem möchte man am liebsten nie von dem Roman ablassen.

Wer die ersten beiden Klima-Romane von Lunde gemocht hat, wird auch von "Die Letzten ihrer Art" begeistert sein. Die aufwühlenden Geschehnisse, Lundes geschickt feinfühlige Erzählkunst und nicht zuletzt das nicht weit hergeholte Klimaszenario aus 2064, das uns alle in unserer Zukunft so oder so ähnlich betreffen könnte, machen diesen Roman zu einem aufregenden Leseerlebnis, das man so schnell nicht wieder aus dem Kopf bekommt.

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Veröffentlicht am 29.02.2020

Eltern, die ihre Kinder nicht verkraften

Süden und das verkehrte Kind
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Hierbei handelt es sich um den 12. Band mit dem Vermisstenfahnder Tabor Süden. Die Bände davor habe ich bereits gelesen und sehr gemocht. Da in jedem Buch ein Fall behandelt und abgeschlossen wird, kann ...

Hierbei handelt es sich um den 12. Band mit dem Vermisstenfahnder Tabor Süden. Die Bände davor habe ich bereits gelesen und sehr gemocht. Da in jedem Buch ein Fall behandelt und abgeschlossen wird, kann man "Süden und das verkehrte Kind" selbstverständlich auch lesen, ohne die Vorgänger zu kennen. Das Privatleben von Tabor Süden und seinen Kollegen nimmt in Anis Krimis einen relativ großen Platz ein, nichtsdestotrotz verpasst man nicht viel, wenn man mit irgendeinem Band zu lesen beginnt, da sich Privates immer wiederholt und sich eigentlich kaum verändert.

Tabor Süden ist ein unkonventioneller Ermittler, der sich ungern was vorschreiben lässt und bei Vernehmungen lieber steht als sitzt. Sein Kollege und Freund Martin Heuer ist, noch um ein Eck mehr als Süden, ein Melancholiker, ein Trinker, ein Depressiver. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit, sie sind zusammen groß geworden ... Friedrich Ani erzählt uns, wie es dazu kam, dass Tabor und Martin Polizisten und schließlich Ermittler geworden sind. Südens und Martins Privatleben ist so eng verwoben mit ihrem Beruf, dass es den Leser nicht verwundert, wie die beiden beschrieben werden: als psychische Wracks. - Der eine mehr als der andere. Menschen zu suchen, besonders, wenn es um Kinder geht, und diese dann nicht oder nur mehr tot zu finden, ist belastend. Sehr belastend. Man kann es sich so vorstellen: für jedes tot aufgefundene oder verschwunden gebliebene Kind, legt sich ein weiterer schwerer Mantel um einen, den man nicht wieder ablegen kann. Für feinfühlige bzw. emotional labile Menschen ist so ein Beruf nichts, wenn man sich nicht selbst eines Tages komplett verlieren will. Der Autor bringt uns in seinem Buch genau das näher: wie es einem gehen kann, wenn man mit all den Vermissungen nicht umgehen kann und privat wenig bis gar keinen Rückhalt hat.

Ani gewährt uns auch wieder einen Einblick in ein Familienleben, das eigentlich keins ist. Geprägt von Lügen, Gewalt und Schweigen sind die Kolbs - der Familie von der vermissten 6-jährigen Nastassja. Man kommt als Leser nicht umhin, sich zu fragen, warum die Leute eigentlich nicht kooperieren und anfangen zu reden. Der erfahrene Süden als wandelnder Lügendetektor weiß genau, wer was weiß und wer lügt. Schon frustrierend das Ganze, nicht nur für Süden. Auch ich kann hier natürlich die Schwere fühlen, die auf der ganzen Geschichte lastet. Ich liebe zwar Anis Schreibweise mit seinen oftmals vorkommenden Wortschöpfungen, aber wer dieses Buch lesen mag, muss sich auf viel Melancholie und belastenden Inhalt einstellen. Dass man sich über die eine oder andere Buchfigur ärgern muss, wird ebenfalls nicht ausbleiben. Die Buchfiguren schaffen es nämlich mit Bravour, die Ermittlungen nur schleppend vorangehen zu lassen, was auch anstrengend sein kann, wenn man als Leser keine Geduld hat.

Empfehlenswert ist "Süden und das verkehrte Kind" vor allem jenen, die Authentizität schätzen, gerne über familiäre Abgründe lesen und mit schwerer, eher tragischer Handlung, aber lebensnaher Art zu schreiben, zurecht kommen. Freude wird man mit dem melancholischen Inhalt zwar keine haben, aber auch schwerer Inhalt kann gut sein und das ist dieser allemal.

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Veröffentlicht am 19.10.2019

Im Fluss des Lebens

Siddhartha
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Wie rezensiert man nur ein Buch wie »Siddhartha«? Über ein Buch, das so voller Weisheit und zutiefst spirituell ist, zu schreiben und die dabei entstandenen Emotionen in Worte zu fassen, scheint nicht ...

Wie rezensiert man nur ein Buch wie »Siddhartha«? Über ein Buch, das so voller Weisheit und zutiefst spirituell ist, zu schreiben und die dabei entstandenen Emotionen in Worte zu fassen, scheint nicht so leicht. Dennoch versuche ich es hiermit.

Siddhartha ist ein junger Mann, als er beschließt, seine Eltern zu verlassen und ein asketisch lebender Wald-Samana zu werden. Ungewiss, wohin diese Entscheidung ihn führen mag, startet er in sein neues Leben.
Und das ist der Beginn einer (überaus spirituellen) Reise, die viele Jahre später damit endet, dass Siddhartha "Vollendung" erfährt.

~ Schön war die Welt, wenn man sie so betrachtete, so ohne Suchen, so einfach, so kinderhaft. Schön war Mond und Gestirn, schön war Bach und Ufer, Wald und Fels, Ziege und Goldkäfer, Blume und Schmetterling. Schön und lieblich war es, so durch die Welt zu gehen, so kindlich, so erwacht, so dem Nahen aufgetan, so ohne Misstrauen. ~
(S. 41)

Soviel zum Inhalt. Dies ist mein erstes Buch von Hesse und ich weiß daher nicht, ob auch andere Werke von ihm in dieser wundervoll ruhigen, harmonischen Art geschrieben sind. Ein wenig hat mich die Schreibweise an Bibeltexte erinnert, was ich gar nicht als negativ bewerte, sondern eher als gewöhnungsbedürftig. Mit seinen 121 Seiten wäre das Buch natürlich schnell gelesen gewesen, aber da Siddharthas Reise, seine Erkenntnisse und Entscheidungen so nachdenklich und still machen, hetzt man selbstverständlich nicht durch dieses Buch, sondern hält oft inne, lässt alles auf sich wirken und denkt über Siddharthas Gedanken und Aussagen nach. Da mein Partner das Buch kurz vor mir gelesen hat und ebenfalls großartig fand, gab es an manchen Abenden dazu dann noch regen Austausch.

Auch, wenn man mit Spiritualität nicht viel anfangen kann, »Siddhartha« berührt ganz tief, »Siddhartha« macht ruhig und gelassen. Es hat in mir ebenfalls das Verlangen nach dieser Glückseligkeit, die Siddhartha erfahren hat, ausgelöst. In einer anderen Welt, in einer anderen Zeit, möchte man auch gerne den Weg Siddharthas gehen und Zugang zu ewiger Glückseligkeit finden. Diesen Wunsch, diesen Drang, konnte ich nicht von mir schieben. »Siddhartha« zu lesen, gewährt mir Zugang zu all dem Verschütteten, nicht Beachteten, das im Alltagsleben untergeht. Alles ist eins! - Diese Aussage zu verstehen, ganz tief zu verstehen, lässt einen - zumindest eine Weile - die Welt und all die Menschen mit anderen Augen wahrnehmen. Mit einem liebevolleren Auge.

~ »Sieh, mein Govinda, dies ist einer meiner Gedanken, die ich gefunden habe: Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit.« ~
(S. 113)

Siddhartha ist nicht einfach nur eine sympathische Buchfigur. Siddhartha ist viel mehr ein Idol, eine Sehnsucht, etwas, das man sich auch für sich selbst wünscht ...

Dieses wundervolle Buch sollte/kann man von Zeit zu Zeit nochmal lesen, weil man dabei immer wieder Neues entdecken, verstehen und verinnerlichen kann. Ich denke, dass es gerade für Menschen in schwierigen/belastenden Lebenssituationen eine große Bereicherung sein kann.