Cover-Bild Die rechtschaffenen Mörder
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21,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 04.03.2020
  • ISBN: 9783103900019
Ingo Schulze

Die rechtschaffenen Mörder

Roman

SPIEGEL-Bestseller und Shortlist Preis der Leipziger Buchmesse

Ingo Schulze erzählt davon, wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär wird – oder zum Revoluzzer? Norbert Paulini ist ein hochgeachteter Dresdner Antiquar. Lange Jahre finden Bücherliebhaber bei ihm Schätze und Gleichgesinnte zum Gedankenaustausch. Doch mit der Wende bricht das Geschäft ein, die Kunden bleiben weg. Paulini versucht mit aller Kraft, sein Lebenswerk zu retten. Doch er scheint dabei ein anderer zu werden. Er ist aufbrausend und zornig. Er wird beschuldigt, an fremdenfeindlichen Ausschreitungen beteiligt zu sein. Die Geschichte nimmt eine virtuose Volte: Ist Paulini eine tragische Figur oder ein Mörder?

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2023

Obacht, Leser, dass dir nichts entgeht!

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Ich mag Geschichten über büchernärrische Menschen sehr. Bereits das Cover von Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ weckte mein Interesse, der Klappentext tat sein Übriges.

Norbert Paulini ...

Ich mag Geschichten über büchernärrische Menschen sehr. Bereits das Cover von Ingo Schulzes Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ weckte mein Interesse, der Klappentext tat sein Übriges.

Norbert Paulini ist ein eigenwilliger Antiquar, der praktisch in seinen Beruf geboren wurde. Seine Mutter Dorothea verschied kurz nach seiner Geburt und konnte ihr frisch eingerichtetes Antiquariat in Dresden nicht eröffnen. Ihr Mann sowie ihre Mutter leben fortan in einer Wohnung, in der jede Ecke vollgestopft ist mit Büchern, so dass der kleine Norbert eine Liebe zu ihnen entwickelte. Die Schulzeit überstand er als Sonderling gerade so, die Einberufung verbrachte er in der Regimentsbuchhandlung, und als er seinen Wehrdienst abgeleistet hatte, wollte er einfach nur einen Beruf ergreifen, bei dem er lesen kann. Nachdem ihm durch den Tod seiner Großmutter ein Erbe beschieden wurde, verwirktlichte er den Traum seiner Mutter und eröffnet ein Antiquariat sowie eine Volksbuchhandlung, entscheidet sich jedoch bald dazu ausschließlich Bücher aus zweiter Hand zu verkaufen. Über Dresdens Stadtgrenzen hinaus ist sein Antiquariat bekannt, Buchliebhaber kommen von nah und fern, um das einzigartige Angebot zu durchstöbern. Die Blütezeit seines Geschäfts endet mit der Öffnung der deutsch-deutschen Grenze 1989, und das Oderhochwasser 1997 zerstört einen großten Teil seiner Buchbestände. Norbert Paulini findet immer wieder zu seiner antiquarischen Krämerei zurück, auch nach einer Insolvenz, während der er über einen Zeitraum von einigen Jahren in einem Lebensmittelgeschäft angestellt war.

Der Roman von Ingo Schulze ist ein wahres Sammelsurium an Bücherwissen. Autorennamen, Buchtitel, Verlage, in einem Buchliebhaber wie mir weckt das Neugier so manches Genannte mal nachzuschlagen. Die Mannigfaltigkeit dieses Wissens lässt mich als Leserin zudem den sokratischen Ausspruch tun: Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Jemand, der mit der Geschichte Ostdeutschlands vertrauter ist als ich, wird sicher die nicht klar benannten, sondern nur in Teilen beschriebenen Ereignisse historisch zuordnen können, ich musste recherchieren, um zu erfahren, was z.B. für eine Sintflut den Protagonisten heimgesucht hat.

Das Buch ist mehrschichtig und besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird Norbert Paulinis Lebensgeschichte von einem Ich-Erzähler beschrieben. Hier offenbart sich Paulins Desinteresse an Veränderungen und Neuerungen. Nach der Öffnung der DDR hegt er keine Westneugier, kehrt gar nach einem Besuch dort kopfschüttelnd zurück. Politik und Tagesgeschehen hält er für Zeitverschwendung, hält sie ihn doch davon ab Bücher zu lesen. Neuerscheinungen bemisst er kaum Bedeutung bei, die Klassiker und zeitlose Literatur ist das einzig Wichtige.
Im zweiten Teil offenbart sich der Ich-Erzähler, der das Antiquariat Paulini siebzehnjährig erstmals betrat und eine ehrfürchtige Bewunderung für den Antiquar entwickelt. Diese Bewunderung des Erzählers Schultz kehrt sich im Laufe der Jahre jedoch in Missgunst um, und er entschließt sich ein Buch über Norbert Paolini zu schreiben. Den dritten Teil beherrscht ein Blick von außen durch die Lektorin Theresa, die Schultz' Manuskript betreut. Sein Manuskript weckt Theresas Neugier über dessen Ende hinaus zu erfahren. Da ich selbst nicht genau verstanden habe, was in den vorangegangenen Teilen vor sich gegangen ist, habe ich mich umgehend mit ihr identifiziert, und ihre Fragen wurden zu meinen. Ich muss gestehen, dass ich nur mit Hilfe den Wandel erkannt habe und mich ansonsten vom blumigen und nicht immer leichten Leben des Antiquars habe verzaubern lassen.
„Die rechtschaffenen Mörder“ richtet sich an ein anspruchsvolles Lesepublikum, dem ich nicht gerecht werden konnte, wie ich zugeben muss. Ich habe das Gefühl Ingo Schulzes falschen Fährten voll auf den Leim gegangen zu sein und frage mich immernoch, ob Norbert Paulini zu dem mutieren konnte, was ihm unterstellt wurde.
Auch wenn mein Intellekt nicht ausgereicht hat die Komplexität des Werks differenziert zu erfassen, bin ich dennoch total fasziniert von diesem Buch.

Veröffentlicht am 05.03.2020

Verdeutlicht die Schwierigkeiten bei der Meinungsbildung

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Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer ...

Schon ein Blick auf den Umschlag des Romans „Die rechtschaffenen Mörder“ von Ingo Schulze ließ mich wissen, dass er über Bücher, viele Bücher handelt. Vor allem dreht sich die Geschichte aber um den Besitzer dieser Bücher, den Dresdner Antiquar Norbert Paulini. Im ersten Satz des Romans liest sich denn „…lebte einst“, was sich für mich ein wenig märchenhaft anhörte, sich schließlich jedoch in das Gesamtbild des Buchs einfügte, denn der Roman besteht aus drei Teilen. Im ersten wird das Leben des Buchhändlers durch einen zunächst unbekannten Ich-Erzähler geschildert.

Erst im zweiten Teil lernte ich den fiktiven Schriftsteller Schultze kennen, der die Geschichte über Paulini zu Papier gebracht hat. Nicht nur sein Name ist dem des Autors ähnlich, es finden sich auch weitere Parallelen zu dessen Leben. Ich erfuhr, welche Gründe ihn bewegt haben, über den Antiquar zu schreiben. Er verarbeitet dabei seine persönlichen Begegnungen, die Fakten aus Gesprächen mit Bekannten und Freunden Paulinis, bindet Gerüchte ein und ergänzt alles durch seine Fantasie. Im letzten Teil des Romans kommt schließlich die Lektorin von Schultze zu Wort, die mir nochmal einen neuen Blickwinkel auf Paulini, Schultze und deren gemeinsame Freundin Lisa sowie das unvollendete Manuskript gab.

Norbert Paulini lebt in Dresden und kommt aus einfachen Verhältnissen. Seine Mutter besaß eine Buchhandlung, verstarb aber wenige Tage nach seiner Geburt im Jahr 1953. Doch ihre unverkauften Bücher hortete der Vater an jeder freien Stelle in der Etagenwohnung einer Villa im Stadtteil Blasewitz, in der die Familie lebt. Dadurch wurde bei Paulini die Liebe zu den Büchern geweckt und seine Berufung. Sein Leben ist eng verknüpft mit der wechselhaften Geschichte Ostdeutschlands. Besonders einschneidend für ihn und sein Geschäft ist die Öffnung der Grenzen und das Oderhochwasser. Er resigniert nicht, akzeptiert die gegebenen Umstände und passt sich an. Doch im Laufe der Jahre ändern sich in kleinen Schritten seine Einstellungen, auch weil er seinen eigenen Erwartungen als Vater gerecht werden möchte. Und eines Tages steht er im Blickfeld von polizeilichen Ermittlungen.

Ingo Schulzes Roman ist angefüllt mit Leidenschaft für Bücher, nicht nur durch seinen Protagonisten, sondern auch über Buchschätze. Hier fällt mancher große Autorenname und Titel, die auf diese Weise Paulini nicht nur seinen Kunden, sondern auch mir als Leser empfiehlt. Paulini ist ein geradliniger Mensch, er hat bestimmte Ansichten von seiner Zukunft, zu dem der Wunsch gehört, vom Lesen zu leben genauso wie seine Erwartung an eine Ehefrau. An Aussagen zur politischen Lage hat er kein Interesse, stattdessen steckt er seine ganze Energie in die Vermittlung von Büchern an seine Kunden. Dabei sollen es vor allem die Klassiker sein, die jeder kennen sollte. Nur widerwillig beachtet er Neuerscheinungen.

Das Adjektiv rechtschaffen, wie es im Titel genutzt wird, trifft auf Paulini in besonderer Weise zu. Im Zeitablauf erfordern jedoch familiäre und gesellschaftliche Ereignisse unangenehme Entscheidungen von ihm, die er meistert. Für mich als Leser war es nachvollziehbar, dass er sich immer mehr als Opfer der Umstände betrachtet und seine Gelassenheit nur noch nach außen sichtbar ist, während es in seinem Innern brodelt, doch das ist nur Spekulation.

Die Veränderung der Erzählperspektive verdeutlicht, dass die Erzählung über eine Person durch Dritte gespickt ist mit vielen Einflüssen und dadurch ein reales Bild nicht möglich ist. Es kann als Außenstehender nur ein Versuch sein, dass Verhalten eines Menschen zu erklären, durch seine Äußerungen und seine Handlungen. Doch unsere Gesellschaft neigt zur Vorverurteilung und Schubladendenken.

Meisterhaft zeigt Ingo Schulze in seinem Roman „Die rechtschaffenen Mörder“ dem Leser, wie schwierig es ist, sich eine umfassende, ehrliche und faire Meinung zu bilden. Durch unterschiedliche Erzählperspektiven führt er dem Leser vor, wie subjektiv, manchmal borniert der Eindruck von uns in der Öffentlichkeit entsteht. Einige Fragen bleiben offen und warten darauf, vom Denken des Lesers gefüllt zu werden. Gerne vergebe ich hierzu eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 09.10.2020

Politik, Liebe, Tod

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„Im Antiquariat Paulini … erlebte ich, was Hingabe an die Literatur bedeutete.“
Aus dem Blickwinkel des jungen Schultze, der seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, erfolgreich in die Tat umsetzt, nehmen ...

„Im Antiquariat Paulini … erlebte ich, was Hingabe an die Literatur bedeutete.“
Aus dem Blickwinkel des jungen Schultze, der seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden, erfolgreich in die Tat umsetzt, nehmen wir an dem Leben des Dresdner Antiquars Norbert Paulini teil. Der junge Paulini wächst in der DDR auf, buchstäblich zwischen den zahlreichen Büchern seiner Mutter, die zu Lebzeiten ein kleines Antiquariat führte. Paulini setzt diese Tradition fort, weitet sein Angebot auf Autorentreffen und -lesungen aus und muss sich gegen vielerlei Hindernisse behaupten. Als schließlich die Wiedervereinigung stattfindet, fühlt er sich von einigen seiner Autorenfreunde verraten: sie ziehen in den Westen und machen in der BRD Karriere.
In seinem gehobenen, aber gut und flüssig lesbaren Stil schildert Schulze, wie nach und nach Paulinis rechte Gesinnung und die seines Sohnes Julian sichtbarer und zunehmend radikaler werden. Er lässt zwar autobiografische Details in seinen Roman einfließen, ist jedoch nicht mit dem Ich des Erzählers identisch. Politik, eine verwickelte Liebesgeschichte und schließlich sogar krimihafte Details werden von Schulze zu einem vielschichtigen Roman verabeitet, der wirklich lesenswert ist.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Für Bücherliebhaber mit Interesse an der deutsch-deutschen Geschichte

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Zugegeben, etwas verwirrt hat mich dieses Buch zurückgelassen. Der erste, lange Teil (aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers) der dreigegliederten Geschichte endet abrupt mitten im begonnenen ...

Zugegeben, etwas verwirrt hat mich dieses Buch zurückgelassen. Der erste, lange Teil (aus der Perspektive eines auktorialen Erzählers) der dreigegliederten Geschichte endet abrupt mitten im begonnenen Satz, die folgenden Teile zwei und drei werden aus der Sicht eines dem Protagonisten bekannten Schriftstellers Schultze und seiner Lektorin erzählt, am Ende hat man es vielleicht gar mit einem Kriminalfall zu tun. Genau das und natürlich die Materie machen den Roman zu einem anspruchsvollen Buch.
Protagonist ist der Büchernarr Norbert Paulini, der das Lesen zu seinem Beruf erklärt und zu DDR-Zeiten in Dresden ein Antiquariat eröffnet. Mit Politik hat er da nichts am Hut (oder doch? Immerhin befinden sich Paulinis Bücherregale auch Bücher, die es in der DDR nicht frei zu kaufen gibt). Die Wende lässt ihn dann sein Haus und sein Antiquariat verlieren. Paulini verliert die Orientierung und wird zum rechtsradikalen Redner. Durchgängiges Thema ist, wie sich die Ostdeutschen sehen und wie die DDR fälschlich als Idylle dargestellt wird.
Sehr lesenswert.

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Veröffentlicht am 14.04.2020

Wenn Bücher dein Leben bestimmen...

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In der Literatursendung "Buchzeit" wurde dieser Roman besprochen und man war sich nicht ganz sicher über die Qualität des Werkes, weshalb direkt meine Neugier geweckt war.

In der Geschichte geht es um ...

In der Literatursendung "Buchzeit" wurde dieser Roman besprochen und man war sich nicht ganz sicher über die Qualität des Werkes, weshalb direkt meine Neugier geweckt war.

In der Geschichte geht es um Norbert Paulini, der bereits als Kind auf Büchern schlief und seiner verstorbenen Mutter nacheifert und Antiquar wird. Aus nah und fern strömen sie zu ihm, um Bücher zu erwerben. Doch dann kommt die Wende und es geht bergab. Wirklich? Was wird ihm die neue Zeit bringen? Und vor allem: kann er der ewige Leser bleiben?

Der Roman besticht durch eine unglaublich angenehme Sprache, die mich direkt für das Buch eingenommen hat. Es fällt mir schwer dies genau zu beschreiben. Letztendlich spürt man die Liebe zu Büchern und Literatur in jeder Zeile.

Das Ungewöhnliche hier ist wohl, dass uns die Handlung über eine Figur des Buches nahe gebracht wird, die jedoch nur eine kleine Rolle im Geschehen einnimmt und eher beobachtet als selbst agiert. So als würde ein Stasimitarbeiter über die Jahre unseren Antiquar beobachten und dessen Leben durchleuchten.

Auch wenn viele Paulini als einen Antihelden wahrnehmen, so empfand ich ihn als liebenswerten Büchernarren, der mir nicht unähnlich ist. Für ihn stehen Geschichten, allen voran die Klassiker, an erster Stelle und das Lesen bestimmt seinen Alltag. Verwundern tut einen dies nicht, schließlich ist er quasi im Büchermeer aufgewachsen. Ich habe ihn als einen durchschnittlichen Menschen wahrgenommen, der in seiner Leidenschaft zu Büchern erst so richtig aufgeht.

Der Titel des Romans erschließt sich erst auf den letzten vierzig Seiten und während der Lektüre fragt man sich natürlich dauernd, wo denn da ein Mörder auftauchen soll. Eine Auflösung gibt es nicht, da muss sich jeder Leser seine eigenen Gedanken machen.

Aus dem Lesefluss gebracht hat mich, als wir von Paulini zum Erzähler Schultze umschwenken. Die Einteilung in Kapitel ist plötzlich verschwunden und die eigentliche Geschichte wird mitten im Satz unterbrochen. Auch dies erschließt sich erst im Verlauf der weiteren Handlung.

Fazit: Ein kontroverser Roman, aus dem die Liebe zur Literatur spricht und der mich auf weiter Strecke unfassbar gut unterhalten hat. Ungewöhnlich, anspruchsvoll und mal was anderes. Also langt zu und steckt eure Nasen in dieses Buch!

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