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Veröffentlicht am 14.03.2020

Eine Welt, in der man fällt

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
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Der junge Jessup, 17, ist begabt und sportlich talentiert, das Lernen an der Highschool fällt ihm leicht, was ihm beste Möglichkeiten für seine Zukunft verspricht und als Football Spieler ist er der Beste ...

Der junge Jessup, 17, ist begabt und sportlich talentiert, das Lernen an der Highschool fällt ihm leicht, was ihm beste Möglichkeiten für seine Zukunft verspricht und als Football Spieler ist er der Beste in seinem Team. Aber sein Leben hat auch Schattenseiten: seine Familie ist arm, lebt in einem Wohnwagen und außerdem gehören sie der 'Heiligen Kirche des Weißen Amerika' an, einer radikal-rassistischen Vereinigung, die ihre Ziele unter christlichem Deckmantel verfolgt. Jessups Bruder hat vor vier Jahren zwei schwarze Studenten ermordet und sitzt im Gefängnis, sein Stiefvater wurde wegen Beihilfe verurteilt und ist gerade entlassen worden. Seit vier Jahren geht Jessup nicht mehr in die Kirche seiner Familie. Er ist nicht der radikalen Ideologie seiner Familie verfallen, sondern weltoffen und hat keine Probleme im Umgang mit Menschen anderer Hautfarbe, hat sogar eine schwarze Freundin.
Nach einem Football Spiel beginnt die große Katastrophe, als Jessup unabsichtlich einen Spieler der gegnerischen schwarzen Mannschaft durch einen Unfall tötet. Natürlich wird man ihm Absicht unterstellen, denn zuvor hatte es bereits Streit gegeben, von dem anderen Spieler provoziert. Außerdem kennt man seine Familiengeschichte und die religiöse Orientierung der Familie. Um Schwierigkeiten zu entgehen, beschließt Jessup, den Unfall zu vertuschen....und setzt damit eine Maschinerie in Gang, die ihn in ein fürchterliches Dilemma treibt. Einerseits unternimmt die religiöse Gemeinschaft alles Mögliche, um ihm zu helfen, aber damit wird er regelrecht dazu erpresst, sich der Kirche wieder anzuschließen. Andererseits hat Jessup sich wirklich nichts vorzuwerfen, denn er hat sich politisch korrekt verhalten.
Der Autor schafft es meisterhaft, dem Leser die beklemmende Situation zu schildern, in der sich der Junge befindet. Die Geschichte wird komplett aus Jessups Sicht beschrieben, der Schreibstil ist sachlich und nüchtern. Viele kurze unvollständige Sätze, die uns Jessups Gedanken präsentieren, seine Ausweglosigkeit, seine Zweifel an der Familie, gleichzeitig aber auch seine Familienverbundenheit, seine Angst, sein Pflichtgefühl gegenüber seinem langjährigen Freund, der aber auch der White-Power-Bewegung angehört. Auf der anderenSeite steht die Liebe zu seiner schwarzen Freundin, die von ihm fordert, dass er sich positionieren soll, was ihm aber nicht leicht fällt, weil er seiner Familie und deren Kirche nicht den Rücken zukehren will.
Überzeugend beschrieben ist das Leben in der US-Kleinstadt, in der jedes Gerücht schnell die Runde macht und die den Geist einengt, so dass man als Jugendlicher das Weite suchen möchte. Jeder weiß Bescheid über die anderen.
Meine Meinung über Jessup ist geteilt, einerseits tut er mir sehr leid, da er von vielen falsch 'einsortiert' wird, trotz all seiner Bemühungen, fair zu sein. In meinen Augen ist er richtig einsam, denn er kann niemandem gegenüber sein wahres Ich vermitteln. Er muss seine Position in der Gesellschaft festlegen, was ihm nicht leicht fällt, da er somit die Erwartungen der anderen an ihn enttäuschen muss. Er wirkt verloren! Auf der anderen Seite hat er keine Skrupel, den Unfall vorzutäuschen, anstatt die Wahrheit zu sagen. Auch hat mich sein Abgebrühtsein auf der Jagd verwundert, was nicht zu seinem Empathieempfinden passt.
Nicht gefallen hat mir der langatmige Beginn des Buches, wo über ca. 40 Seiten ein Fußballspiel beschrieben wird, da habe ich keinen Zugang gefunden, weil es mich einfach nicht interessiert. Ich wollte schon die Lektüre beenden.
Nun aber bin ich sehr froh, dass ich das nicht getan habe, denn das Buch hat mich gefesselt und mich nachdenklich zurückgelassen. Der beschwerliche Weg zur Selbstfindung und zur Präsentation derselben, ein anschauliches Beispiel der Zerrissenheit vieler Menschen heutzutage. Ich werde das Buch gern weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 11.03.2020

Die Suche nach dem Gin des Lebens

Der Gin des Lebens
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In letzter Zeit entwickelt sich der Gin immer mehr zum Kultgetränk (man schaue nur einmal in die Angebote führender Getränkemärkte!), und in meinen Augen ist dieses Buch auf dem Weg, ein Kultbuch für Gin-Fans ...

In letzter Zeit entwickelt sich der Gin immer mehr zum Kultgetränk (man schaue nur einmal in die Angebote führender Getränkemärkte!), und in meinen Augen ist dieses Buch auf dem Weg, ein Kultbuch für Gin-Fans zu werden, denn es verdeutlicht, wie die Suche nach DER einen unnachahmlichen und umwerfenden Zusammensetzung des Getränks zum Lebensinhalt werden kann.
Grundsätzlich geht es in diesem Buch um die Aufklärung eines Mordes, der in Cathys Garten geschehen ist, direkt vor ihrem Gartenhaus, in dem sie heimlich herumexperimentiert, um einen unübertrefflichen Gin zu destillieren. Cathy betreibt einen Bed&Breakfast Place in Plymouth an Englands Südküste. Auch ihr Vater war auf der Suche nach dem perfekten Ginrezept, und Cathy möchte sein Werk nun fortsetzen.
Der zweite Hauptprotagonist ist Bene, ein junger Deutscher, dessen Vater ihm eine Flasche selbst erzeugten Gin hinterlassen hat. Diese Flasche wurde jahrelang nicht beachtet, aber als Bene sich aus Liebeskummer betrinken möchte, sieht er den richtigen Zeitpunkt gekommen, die Flasche Gin anzubrechen. Der Gin übertrifft alle seine Erwartungen, und voller Enthusiasmus versucht er, die verloren gegangene Rezeptur ausfindig zu machen. Die Spur führt ihn nach Plymouth, wo er sich bei Cathy einquartiert, da auch sein Vater dort öfters zu Gast war. So kreuzen sich nun die Wege der beiden Gin-Begeisterten, und eine turbulente Handlung mit vielen Überraschungen beginnt.
Der Mord steht weitgehend im Hintergrund, obwohl hier einige kriminelle Machenschaften aufgedeckt werden, aber man vermisst hier auch keine direkte Ermittlungsarbeit, weil die Handlungen der agierenden Personen so kurzweilig sind, dass man an den Todesfall kaum noch denkt.
Der Schreibstil ist so bildhaft und humorvoll in seinen Ausführungen, dass es eine Freude ist, das Buch zu lesen. Auch eine Menge treffender Zitate schmücken die einzelnen Kapitel. Die Bildhaftigkeit zeigt sich auch in der Beschreibung der durchweg skurrilen Protagonisten. Sie alle zeichnen sich durch irgendwelche absurden Gewohnheiten, ungewöhnliche Hobbys oder überaus seltsame Verhaltensweisen aus. Ein Genuss, darüber zu lesen! Man hat unwillkürlich ein Grinsen im Gesicht. Aber es gibt sie wirklich diese krassen Typen! Man setze sich nur mal in einen Pub und verhalte sich als stiller Beobachter.....
Darüber hinaus habe ich sehr viel gelernt, über Gin, Botanicals, Destillation usw., was bei mir ein deutliches Interesse geweckt hat, mich intensiver damit zu beschäftigen und den ein oder anderen Gin mal zu probieren, um Botanicals und Störer zu schmecken, den Charakter zu erkennen und Rezepte auszuprobieren. Von letzteren finden sich auch einige am Ende des Buches.
Auch das Cover ist bemerkenswert, mit hervorgehobenem Print und farblich ansprechendem Drink. Außerdem in den Umschlagseiten eine Landkarte der örtlichen Begebenheiten.
Alles in allem finde ich das Buch äußerst gelungen: spannend, unterhaltsam, informativ, berührend und fesselnd. Es hat die höchste Sternchenzahl verdient, und ich werde es gern weiter empfehlen.

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Veröffentlicht am 03.03.2020

Ein Leben voller Entbehrungen im Irak

Palast der Miserablen
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Der Junge Shams Hussein lebt mit seiner Schwester und seinen Eltern in einem kleinen Dorf im Südirak und bekommt dort die Auswirkungen des Saddam-Regimes bereits zu spüren. Nach einer gescheiterten Rebellion ...

Der Junge Shams Hussein lebt mit seiner Schwester und seinen Eltern in einem kleinen Dorf im Südirak und bekommt dort die Auswirkungen des Saddam-Regimes bereits zu spüren. Nach einer gescheiterten Rebellion gegen den Diktator wird das Leben immer unerträglicher, so dass die Familie beschließt, alles aufzugeben und nach Bagdad zu ziehen, in der Hoffnung auf ein friedlicheres Leben. Doch sie kommen vom Regen in die Traufe, denn nachdem sie vorerst bei Bekannten unterkommen, was aber auf Dauer nicht in Frage kommt, bauen sie sich eine Blechhütte nahe der Müllkippe im 'Blechviertel'. Das Leben bleibt entbehrungsreich trotz ständiger Bemühungen der ganzen Familie, der Armut zu entkommen. Aber auch politisch wird die Lage immer bedrohlicher, und besonders Shams bekommt dies aus nächster Nähe mit. Er hat kaum Zeit für Hobbys, da er neben der Schule, die ihn vor dem Soldatwerden bewahren soll, auch ständig Geld verdienen muss. Sein einziger Lichtblick als junger Mensch sind Treffen mit literatur- und kunstbegeisterten jungen Leuten und die zahlreichen Bücher, die er verschlingt, um seiner eintönigen und grauen Welt zu entkommen. Die jungen Leute treffen sich im 'Palast der Miserablen', ein privater Salon, und hier bekommt Shams Einblicke politischer und kultureller Art, die vorher von ihm ferngehalten wurden und zu denen seine Familie keinen Zugang fand.
In einem zweiten Erzählstrang befindet sich ein Häftling zunächst in einer 6-Mann-Zelle unter schlimmsten Bedingungen, zieht dann um in eine Einzelzelle auf einer Krankenstation, wo es ihm zunächst relativ gut geht, da er genug zu essen bekommt, die Zelleneinrichtung komfortabler ist und er auch medizinisch behandelt wird, da er starke Beschwerden hat. Aber plötzlich fällt der Strom aus, die Versorgung wird reduziert und er vegetiert vor sich hin......
Das Buch hat mir tiefe Einblicke in das Leben im Irak unter Saddam gegeben, was ich mir so auch gewünscht hatte, so dass ich nach der Lektüre sehr zufrieden bin. Was für ein entbehrungsreiches Leben, und trotzdem immer wieder das ÜBERleben! In unserer westlichen Konsumgesellschaft kann man sich schwer vorstellen, welche beängstigenden und bedrohlichen Situationen ein Mensch durchstehen kann....für uns ist es unvorstellbar, unter solch ärmlichen Bedingungen und unter ständigem politischen Druck zu leben.
Die Atmosphäre des Buches ist niederdrückend und trotzdem keimt immer wieder Hoffnung auf, und in meinen Augen hat Abbas Khider dies in seinem Roman gut zum Ausdruck gebracht. Es war immer eine gewisse Spannung da, man fragte sich oft: wie geht es denn nun weiter? Auch im zweiten, deutlich knapperen Erzählstrang, war ich gespannt, was den Häftling als nächstes erwartet. Und am Ende schließt sich auch der Kreis der beiden Handlungsstränge.
Der Schreibstil ist flüssig und gut verständlich. Der Autor benutzt eine einfache Sprache, ohne Verschnörkelungen, was meiner Meinung nach aber gut zum Inhalt passt, denn auch das geschilderte Leben ist bescheiden, sogar armselig und auf jeden Fall schmucklos. Auch die grausamen Foltermethoden verdienen keine ausgeschmückte Sprache.
Shams Hussein ist mir sympathisch, denn er ist familienzugewandt, sensibel, ausdauernd, verantwortungsvoll und hilfsbereit, was unter den geschilderten Lebensumständen nicht selbstverständlich ist. Ganz besonders gefällt mir sein Mut, sich auch mal gegen die diktatorischen Gesellschaftsregeln zu stellen.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, es hat meine Erwartungen erfüllt und verdient aus meiner Sicht die volle Sternewertung.

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Veröffentlicht am 26.02.2020

Die Spuren, die man im Leben hinterlässt

Nach Mattias
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Mattias ist tot. Er war noch jung. Er hinterlässt eine Lücke. Wieso starb er so jung? Wer ist von seinem Tod berührt? Woraus besteht die Lücke?
Zunächst dachte ich, dass Mattias einen Fahrradunfall hatte, ...

Mattias ist tot. Er war noch jung. Er hinterlässt eine Lücke. Wieso starb er so jung? Wer ist von seinem Tod berührt? Woraus besteht die Lücke?
Zunächst dachte ich, dass Mattias einen Fahrradunfall hatte, denn sein Rad wird zu seiner Freundin Amber gebracht, die es zunächst ins Wohnzimmer stellt und mit ihren Gedanken um Mattias kreist. Erst viel später erfahren wir den wahren Sachverhalt, der sein Leben beendete. Bis es soweit ist, lernen wir einige Menschen kennen, die intensiv oder nur peripher mit Mattias Kontakt hatten. Teilweise überschneiden sich diese Kontakte, und man erfährt immer mehr über Mattias Lebensgestaltung, seine Verhaltensmuster und seine Charakterzüge. Aus der zunächst völlig unbekannten Person entsteht so nach und nach das Bild eines jungen Mannes, der deutliche Spuren im Leben hinterlassen hat, und diese Spuren sind so positiv, dass man eine Ahnung davon bekommt, wie groß die hinterlassene Lücke ist.
Zentrales Thema dieses Romans ist aber nicht die Trauer, sondern eher ein Appell für mehr Empathie und Mitmenschlichkeit, denn dadurch werden Spuren gelegt, die über den Tod hinaus bleiben. Das wird deutlich durch die Zeugnisse der Menschen, die Matthias Weg kreuzten. Was wirklich zählt ist nicht der Intellekt des einzelnen, sondern das was er in der Erinnerung hinterlässt. Diese Abdrücke machen das Menschsein aus. So erinnert sich seine Mutter Kristianne zurück an ihr Leben mit Mattias und spürt dabei immer wieder seine Einfühlsamkeit auf.
Und auch ein anderes Thema tritt deutlich zutage: die Einsamkeit eines jeden Individuums. Alle Menschen, die uns in diesem Buch begegnen, stehen damit in Kontakt, selbst wenn sie zu zweit zusammen leben, wie die Großeltern von Mattias. Ein Gefühl von Verlassenheit ist allgegenwärtig. Keiner bleibt davon verschont.
Aber die aufgeführten Personen geben sich nicht ihrer Einsamkeit hin, sondern sie versuchen, jeder auf seine Weise, dagegen anzugehen, um nicht zu versinken. Jeden Tag leben, so wie er kommt, und fühlen, was Menschsein ausmacht.
Mich hat dieses Buch sehr berührt und nachdenklich gemacht. Ich kann es jedem empfehlen, um zur Ruhe zu kommen und über den Sinn der menschlichen Existenz nachzudenken. Das Buch hat 5 Sterne verdient!

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Veröffentlicht am 04.02.2020

Elend und Trostlosigkeit in den Straßen Philadelphias

Long Bright River
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Natürlich fällt einem sofort Bruce Springsteens Song 'Streets of Philadelphia' ein, wenn man dieses Buch liest, denn dort spielt der Großteil der Handlung in diesem Roman. Mickey ist eine Streifenpolizistin, ...

Natürlich fällt einem sofort Bruce Springsteens Song 'Streets of Philadelphia' ein, wenn man dieses Buch liest, denn dort spielt der Großteil der Handlung in diesem Roman. Mickey ist eine Streifenpolizistin, die dauernd auf den Straßen unterwegs ist, einerseits weil sie ihren Job erfüllen will, aber gleichzeitig sucht sie auch die Straßen ab auf der Suche nach ihrer Schwester Kacey, die seit einiger Zeit verschwunden ist und und zu der sie schon lange keinen Kontakt mehr hat. Trotzdem empfindet sie Fürsorgepflicht für ihre kleine Schwester, denn diese ist abgedriftet in das Drogenmilieu und damit verbunden in die Prostitution. So lernen wir die Straßen Philadelphias kennen, und ich muss sagen, dass ich sehr überrascht war, denn was einst Vorzeigecharakter hatte, z.B. der schöne Stadtteil im Kolonialstil Kensington, scheint total runtergekommen zu sein. Philadelphia war einst sogar Hauptstadt der USA, die zweitgrößte Stadt an der Ostküste.
Aber auch das soziale Milieu, in dem Mickey und Kacey aufgewachsen sind, ist sehr ergreifend beschrieben. Das System der Familie funktioniert nicht mehr, die Mutter starb den Drogentod, der Vater (auch drogenabhängig) fühlte sich nicht verantwortlich, so wuchsen beide unter dem harten und lieblosen Regiment der Großmutter auf, mit vielen Entbehrungen. Es war für mich erschreckend zu lesen, mit welchem Outfit die Oma die arme Mickey ins Theater gehen lässt. Mobbing vorgrammiert! Damals hat die bei Mitschülern beliebte Kacey ihrer großen Schwester oft aus prekären Situationen geholfen , und deshalb möchte Mickey nun ihrer Schwester helfen, aber wo ist sie? Mickey gehört nur noch am Rande zur Großfamilie, denn als Polizistin kann man ihr nicht mehr trauen, und man unterstellt ihr auch Hochmut. Die Autorin hat die Verwandtentreffen, die voller Ablehnung und Misstrauen sind, sehr atmosphärisch beschrieben. Man kommt sich vor wie ein unsichtbarer Teilnehmer dieser Szenen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Gleichzeitig ist im Geschehen auch noch ein Kriminalfall eingebunden, denn es werden mehrere junge Prostituierte ermordet und stets befürchtet Mickey, dass eines der Opfer ihre Schwester sein Könnte. Mickey ermittelt oft im Alleingang und begibt sich in so manche gefährlich Situation. Sie weiß bald nicht mehr, wem sie wirklich trauen kann und wer sie auf eine falsche Fährte locken will. Sogar Ihr Chef wirkt suspekt und gibt ihr keine Unterstützung. So fühlt sie sich sehr allein und im Stich gelassen, aber aus Liebe zu ihrer Schwester geht sie bedrohliche Risiken ein. Mir tut sie in dieser Situation sehr leid, denn sie wirkt sehr gestresst und ängstlich und bräuchte dringend Beistand. Aber aufgrund ihrer empathielosen Kindheit ist sie nicht fähig, sich gegenüber anderen Menschen zu öffnen. Das Misstrauen ist zu groß. Sie steht sich damit selbst im Wege, kann aber nicht über ihren Schatten springen.
Die Autorin erzählt aus Mickeys Perspektive, so dass wir viel über ihre Gefühlswelt und ihre Gedanken erfahren. Durch die abwechselnde Kapitelunterteilung in 'Früher' und 'Jetzt ' setzt sich nach und nach eine Biographie der jungen Polizistin zusammen.
Das Buch hat mir äußerst gut gefallen, da es so vielfältig ist: Krimi, Sozialstudien, Landeskunde....Es ist spannend geschrieben in einem flüssigen und leichten Stil. Ich habe die über 400 Seiten in drei Tagen gelesen, jede freie Minute genutzt, da es mich so in seinen Bann gezogen hat. Der Roman ist voller Überraschungen und Wendungen, sehr fesselnd, sicher eines der Highlights im Jahr 2020. Sehr empfehlenswert!

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