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Veröffentlicht am 03.06.2020

Die kindliche Entwicklung und das moderne Bildungssystem

Deutschland verdummt
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Michael Winterhoff ist kein Pädagoge sondern Kinder- und Jugendpsychiater. In seinem neuesten Buch knöpft er sich das deutsche Bildungssystem vor, was ich aus dem Grund interessant und wichtig finde, weil ...

Michael Winterhoff ist kein Pädagoge sondern Kinder- und Jugendpsychiater. In seinem neuesten Buch knöpft er sich das deutsche Bildungssystem vor, was ich aus dem Grund interessant und wichtig finde, weil er tiefer schaut und quasi das Kind und seine Seele hinter dem Lehrplan sieht.
Was er über die Entwicklung der Schulbildung in Deutschland zu berichten weiß, ist für mich als Laien erschreckend. Der Autor schildert viele Fallbeispiele und lässt Lehrer und Erzieher zu Wort kommen. Einiges, was ich hier gelesen habe, war mir bereits bekannt, anderes habe ich ganz neu erfahren, und es hat mich ziemlich erstaunt, denn viele Methoden, die laut der Schilderungen aktuell im Unterricht angewendet werden, widersprechen dem gesunden Menschenverstand. Der Autor bekommt oft vorgeworfen, seine Ansichten wären veraltet. Das finde ich ganz und gar nicht, denn so manches, was er über Verhaltensauffälligkeiten von Kinder aus seiner Praxis berichtet, konnte ich in ähnlicher Form schon in meinem privaten Umfeld ebenfalls feststellen. Begriffe wie „Autonomes Lernen“ lese ich mit zwiespältigen Gefühlen und bin da ganz bei der Meinung des Autors, denn das kann meines Erachtens nur mit sehr guter Anleitung durch die Pädagogen funktionieren und nicht, indem man die Kinder wie kleine Erwachsene behandelt und sie quasi sich selbst überlässt. So beschreibt Michael Winterhoff beispielsweise, dass sich Kinder grundsätzlich nur Ziele stecken, die für sie eher einfach erreichbar sind. Den Ehrgeiz, sich ein Ziel zu stecken, das nur mit viel Mühe erreichbar ist, haben wohl die wenigsten Kinder im Grundschulalter, denn das ist eher eine erwachsene Denkweise.
Interessant finde ich hier auch die Tabelle zur emotionalen und sozialen Psyche des Kindes. Von der Geburt bis zum Teenageralter wird hier erklärt, was in den jeweiligen Zeitabschnitten für die Kinder und ihre Entwicklung relevant ist. Auch dazu kann ich mich der Meinung des Autors nur anschließen, denn Versäumnisse in einer Entwicklungsstufe können später nur schwer oder gar nicht aufgeholt werden. Ich finde es bedenklich, dass viele Kinder heutzutage in einem ständigen Zustand der Überforderung leben. Das geht schon bei der Spielzeugauswahl los, wenn dem Kind grundsätzlich Sachen angeboten werden, für die es eigentlich noch zu jung ist. Nicht umsonst steigt die Zahl der Kinder, die bereits in sehr jungen Jahren eine psychologische Behandlung und Betreuung benötigen. Nur kann der Psychologe zwar die Symptome lindern aber nichts am grundlegenden Problem ändern, für das eigentlich zum großen Teil unser Bildungssystem zuständig ist, ein wahrer Teufelskreis.
Zu erfahren, dass es Burnout bereits bei Kindern gibt und das gar nicht so selten, hat mich ziemlich erschüttert. Klar kann man die Schuld nicht ausschließlich den Schulen anlasten, denn in unserer modernen Gesellschaft gibt es noch ganz andere Probleme und Phänomene, die dafür mitverantwortlich sind, aber die Entwicklung, wie sie in diesem Buch beschrieben wird, sollte uns wirklich zu denken geben. Kinder brauchen eine verlässliche, solide Grundlage für ihre Entwicklung und Bildung. Hier sollte nicht so viel herum experimentiert werden, denn die Schäden für die Gesellschaft von morgen sind absehbar und nur schwer zu beheben.
Michael Winterhoff schreibt ausführlich und in klaren Worten, die man auch als Laie gut verstehen kann. Auch wenn er vielleicht manches verallgemeinert und einige der geschilderten Szenarien sich vermutlich an einer Schule in der Großstadt zugetragen haben, so ist es doch befremdlich, von Situationen zu lesen, dass Kinder während der Unterrichtszeit frei in den Gängen herumlaufen können oder dass Schülern, denen es im Klassenraum während des Unterrichts zu laut ist, empfohlen wird, einen Kopfhörer zu benutzen. Um seine Bedenken nachvollziehen zu können, muss ich kein Lehramtsstudium absolviert haben. Sein Buch ist lesenswert und liefert jede Menge an Lösungsvorschlägen und Denkanstößen. Es ist mir klar, dass der Unterricht im 21. Jahrhundert nicht mehr so aussehen kann und sollte wie noch vor hundert Jahren, aber man sollte sich bei allem Fortschritt nicht selbst überholen wollen, denn dieser Versuch geht schnell nach hinten los.

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Veröffentlicht am 17.05.2020

Eigentlich "Thema verfehlt" und trotzdem ein sehr hilfreiches, gutes Kochbuch

Zuckerfrei Express
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An diese Rezension gehe ich mit leicht gemischten Gefühlen, was daran liegt, dass ich mir von diesem Buch etwas ganz anderes erwartet habe. Klar, der Titel sagt bereits aus, dass es hier um ein zuckerfreies ...

An diese Rezension gehe ich mit leicht gemischten Gefühlen, was daran liegt, dass ich mir von diesem Buch etwas ganz anderes erwartet habe. Klar, der Titel sagt bereits aus, dass es hier um ein zuckerfreies Leben geht. Ich habe gehofft, mehr Alternativen zum Zucker zu finden, denn ich möchte mich zwar gesund ernähren, dabei aber nicht ganz auf süßen Genuss verzichten. Süß muss ja nicht zwangsläufig Zucker sein, und weitgehend halte ich es schon so, dass ich beispielsweise mein Frühstücksmüsli ausschließlich mit frischen oder ganz wenig mit getrockneten Früchten „süße“. Das reicht mir völlig aus.

Ehrlich gesagt hätte ich erwartet, im Buch mehr Möglichkeiten für süße Gerichte ohne Zucker zu finden. Meine Erwartungen wurden nicht erfüllt, denn es gibt nur ganz wenige süße Snacks oder Desserts. In der Hauptsache findet man im Buch schnelle kleine Hauptgerichte und sehr viele Salate in allen Variationen. Volle fünf Sterne kann ich nicht geben, denn meine Erwartungen an das Buch wurden nicht erfüllt. Dafür überrascht die Autorin jedoch mit einer Vielfalt an Rezepten, an die man eigentlich sowieso nie Zucker gibt. Zwar ist das Thema des Buches nicht unbedingt getroffen, aber unabhängig von meinen Erwartungen und dem Buchtitel sind die Rezepte zum großen Teil sehr gut. Mir gefällt, dass man alles sehr einfach und schnell umsetzen kann und dass man nicht viele ausgefallene Zutaten benötigt, sondern die meisten Rezepte mit wenigen, frischen Sachen zubereiten kann. Klar, Salate kreiere ich meist aus den vorhandenen Zutaten zu, die meine Küche hergibt, aber ab und zu möchte man doch mal etwas Neues ausprobieren, und hier findet man unkomplizierte und doch raffinierte Kombinationen. Bis auf Lachs, der in einigen Rezepten verwendet wird und einem Thunfisch-Salat sind die Vorschläge vegetarisch. Vieles kann auch von Veganern mit kleinen Abwandlungen gut umgesetzt werden, beispielsweise indem man den angegebenen Feta-Käse durch eine vegane Feta-Variante ersetzt. Praktisch ist auch, dass die Zutatenlisten meist so kurz sind, dass man sich nicht unbedingt einen Einkaufszettel schreiben muss, denn die wenigen Sachen kann mir gut merken. So kommt es, dass ich dieses Kochbuch gut finde, obwohl es eigentlich sein Thema verfehlt hat.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Nicht völlig neu aber doch sehr hilfreich

Tag für Tag leichter
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Hier haben sich eine Ärztin für Frauenheilkunde und eine Journalistin mit den Arbeits-Schwerpunkten „Beauty und Gesundheit“ zusammengetan, um sich dem vielschichtigen und komplizierten Thema „Gewicht“ ...

Hier haben sich eine Ärztin für Frauenheilkunde und eine Journalistin mit den Arbeits-Schwerpunkten „Beauty und Gesundheit“ zusammengetan, um sich dem vielschichtigen und komplizierten Thema „Gewicht“ zu widmen.
Ihr gemeinsames Buch ist in drei große Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil gehen die Autorinnen der Frage nach, was beim Essen eigentlich normal ist. Viele Menschen essen nicht, weil sie Hunger haben, sondern kompensieren ganz andere Gefühle mit der Nahrungsaufnahme. Während sie sich vieles verkneifen, ständig darauf achten, maßvoll zu essen und nie zu viel zu sich zu nehmen, bleibt der Genuss auf der Strecke.
Im zweiten Teil werden die Faktoren erklärt, die das Gewicht beeinflussen. Hier sind verschiedene Nährstoffe ein großes Thema, es werden Zusammenhänge erklärt, wieso Hormone das Gewicht steuern, und auch die Psyche findet große Beachtung. Hier kommt auch zur Sprache, dass die Einnahme bestimmter Medikamente nicht unterschätzt werden darf, denn auch diese kann zu einer Gewichtszunahme führen.
Im Teil drei gibt es dann Tipps der Autorinnen, welche Schritte zum erfolgreichen Gewichtsmanagement nötig sind, wie es sich mit der Gesundheit des Darms und gutem Schlaf verhält und was Stress, Rauchen oder Alkohol anrichten können.
Ein spannendes Thema wird hier umfassend erklärt und neueste Erkenntnisse dargelegt.
Nicht für jede Frau ist das ganze Buch gleichermaßen interessant, denn es werden körperliche Befindlichkeiten jeden Alters besprochen. Frauen in der Menopause werden die Themen Fruchtbarkeit, Schwangerschaft und Stillzeit oder Periodenschmerzen weniger interessant finden, während jüngere Frauen sich (noch) nicht für die Menopause und ihre Probleme interessieren. Ich finde es jedoch gut, dass dies ein Buch für Frauen aller Altersgruppen ist und jede für sich passende Ratschläge finden wird.
Zwar können auch die Autorinnen das Rad nicht neu erfinden, aber sie haben viel Wissenswertes zusammengetragen. Auch das Intervallfasten, das ich schon seit einiger Zeit erfolgreich praktiziere, wird hier besprochen. Vieles, was die Autorinnen schreiben, war mir schon bekannt, weil ich mich seit längerem schon mit Themen wie Ernährung und Gesundheit befasse und für mich den individuell besten Weg bereits gefunden habe. Trotzdem habe auch ich noch einiges dazu gelernt, und für Neueinsteiger bietet das Buch auf jeden Fall eine Fülle an wertvollen Hinweisen und Ratschlägen.
Meines Erachtens sollte jede Frau dieses Buch gelesen haben, denn wir alle können noch etwas daraus mitnehmen und unseren Wissens- und Erfahrungsschatz bereichern.

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Veröffentlicht am 25.03.2020

Entwicklungsgeschichte eines jungen Muslim

Mein Isl@m
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Schon von klein auf stellt Amir Ahmad Nasr Fragen und hat Zweifel, was die Lehre des Islam angeht. Zu Beginn ein folgsames Kind und ein eifriger Schüler, stellt er bald diverse Teile der Lehre und der ...

Schon von klein auf stellt Amir Ahmad Nasr Fragen und hat Zweifel, was die Lehre des Islam angeht. Zu Beginn ein folgsames Kind und ein eifriger Schüler, stellt er bald diverse Teile der Lehre und der Traditionen in Frage. In seiner Biografie erzählt er seine Geschichte. Im Lauf der Jahre hat er eine starke Entwicklung zurückgelegt und seine Sichtweisen immer wieder korrigiert und verändert. Der Autor zeigt beide Seiten des Islam, einerseits religiösen Fanatismus und falsche Lehren, aber auch die Grundlage und das Erhebende, das Schöne seines Glaubens. Wie in allen Religionen, so ist es auch im Islam, oft wird das, was in der heiligen Schrift (sei es die Bibel oder der Koran) steht, von verschiedenen Menschen unterschiedlich ausgelegt und nicht selten falsch interpretiert. Der Autor spricht hier für sich selbst und schildert seine ganz persönlichen Eindrücke. Damit eröffnet er den Lesern eine ganz neue, offene Sicht auf einen anderen Glauben, der uns Christen fremd erscheint und durch fanatische Anhänger und ihre Aktionen Angst verbreitet.
Es ist ein sehr persönliches Buch, das manchmal ein wenig über die Stränge schlägt und zu ausschweifend wird. Aber grundsätzlich ist es eine gute und sehr wichtige Geschichte, und es erfordert viel Mut, als Muslim mit seiner freiheitlichen, toleranten und kritischen Meinung an die Öffentlichkeit zu gehen.

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Veröffentlicht am 17.03.2020

Bedrückend und authentisch

Das Versprechen des Bienenhüters
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Nuri stammt aus Aleppo. Mit seiner Frau Afra ist er auf der Flucht, denn in seiner Heimat herrscht Krieg. Bei einem Bombenangriff wurde Sami, der kleine Sohn des Ehepaars, getötet, und Afra ist seitdem ...

Nuri stammt aus Aleppo. Mit seiner Frau Afra ist er auf der Flucht, denn in seiner Heimat herrscht Krieg. Bei einem Bombenangriff wurde Sami, der kleine Sohn des Ehepaars, getötet, und Afra ist seitdem erblindet. Aus Nuris Sicht erleben die Leser eine aufreibende, gefahrvolle und kräftezehrende Flucht. Ihr Ziel ist England, denn dort wartet Nuris Cousin Mustafa mit seiner Familie. Nuri und Afra sind sich in letzter Zeit fremd geworden. Während der Flucht ändern sich jedoch die Vorzeichen. Je mehr Afra aus ihrer Lethargie auftaucht, in die sie sich seit Samis Tod geflüchtet hat, umso mehr zieht sich Nuri in sich zurück. Der Ich-Erzähler wird zunehmend von Alpträumen und Wahnvorstellungen geplagt. Auch sorgt er sich um einen kleinen Jungen, dem er unterwegs begegnet und sich seiner annimmt, doch eines Tages ist Mohammed wie vom Erdboden verschluckt. Nach langer Suche setzen Nuri und seine Frau die Reise fort. Was es mit Mohammed auf sich hat, erfährt man so ziemlich am Ende des Romans. Auf ihrer langen Reise haben Nuri und Afra viele Begegnungen. Die verschiedenen Charaktere und ihre Schicksale berühren, und doch bleiben sie auf Distanz. Vieles bleibt unausgesprochen. Für mich liegt darin ein Ausdruck der verschlossenen Gefühle, weil es die Menschen zu sehr schmerzt, über ihre Erlebnisse zu berichten. Vieles erzählt Nuri recht emotionslos, vermutlich als Selbstschutz. Nur wenn er in die Vergangenheit zurückblickt, als die Welt in Syrien noch in Ordnung war und er, zusammen mit Mustafa die gemeinsamen Bienenvölker versorgte, werden seine Beschreibungen blumig und geradezu schwärmerisch. Aber diese schönen Rückblicke sind rar. Es gibt immer wieder Zeitsprünge im Buch, wo Nuri zurück blickt, jedoch sind da auch sehr viele unangenehme Erfahrungen, die er und Afra kurz vor der Flucht machen mussten. Es sind schreckliche, geradezu unaussprechlich grausame Dinge, die der Erzähler verkraften muss.
Man weiß von Anfang an, dass Nuri und Afra wirklich in England ankommen. Obwohl der Roman weitgehend aus Analepsen besteht, war es für mich fesselnd, den hier wird deutlich, was Menschen, die aus einem Kriegsgebiet fliehen, alles durchmachen müssen. Obwohl man den Protagonisten nicht wirklich nahe kommt, so hat mich doch ihr Schicksal berührt. Auch wenn vieles vage und ungeklärt ist, so gibt es doch ein Fünkchen Hoffnung in der ganzen Geschichte.
Das Buch ist insgesamt sehr liebevoll gestaltet. Das ganze Design drückt Nuris Liebe zu den Bienen aus, und man findet die nützlichen kleinen Insekten auch in großer Zahl, nicht nur auf dem Einband und dem Vorsatzpapier, sondern jeden Kapitelanfang ziert die kleine Illustration einer Biene. Eine Besonderheit im Roman sind die Zeitsprünge. Beim Wechsel in einer andere Zeitebene beginnt das folgende Kapitel mit dem Wort, mit dem das vorherige endet.
Auch wenn mich ein paar Kleinigkeiten im Buch gestört haben, so ist es doch ein Roman, der erschreckend authentisch ist und keinen kalt lässt. Nuris und Afras Geschichte hallt noch lange im Gedächtnis nach.

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