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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2020

Schlimme Zeiten

Ich bleibe hier
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Ich selbst habe diese Kirchturmspitze im See vor vielen Jahren im Winter gesehen. Der Anblick ist beeindruckend und auch hier auf dem Cover ein Hinkucker. Marco Balzano hat diesen besonderen Anblick erst ...

Ich selbst habe diese Kirchturmspitze im See vor vielen Jahren im Winter gesehen. Der Anblick ist beeindruckend und auch hier auf dem Cover ein Hinkucker. Marco Balzano hat diesen besonderen Anblick erst im Jahr 2014 zum ersten Mal gesehen. Ich finde es bemerkenswert, dass sich ein junger Autor daran macht, diesen historischen Hintergrund zu erforschen und ihn in Romanform aufzuarbeiten.

Anhand der jungen Lehrerin Trina wird die Geschichte des Dorfes Graun erzählt. Die Bewohner haben wegen ihrer deutschen Sprache und der Lage direkt an der österreichischen Grenze wenig Bezug zu Italien und sind der Willkür und Gängelung durch die Faschisten ausgesetzt. Unmittelbar anschließend ist es der Nationalsozialismus, der das Dorf und die Familien entzweit.
Aber der gravierendste und unfairste Eingriff geht vom Italienischen Staat und einer Großfirma aus, die den vorhandenen See in einen riesengroßen Stausee zur Stromgewinnung umwandeln will. Das Endergebnis sehen wir heute: Alt-Graun ist vollkommen verschwunden, die Kirchenspitze ragt wie ein Mahnmal aus der Wasseroberfläche. Alles an der Vorgehensweise der Firma war erbärmlich. Es gab keine Baugenehmigung, die Informationen an die Menschen gab es nur in einer ihnen fremden Sprache, die Bevölkerung wurde beschwichtigt und belogen, die späteren Entschädigungszahlungen waren nahezu wertlos.

Die Grundstimmung der Erzählung ist traurig und deprimierend. Aber angesichts des harten Schicksals sehr stimmig. Ich bin froh darüber, dass solche Vorgehensweisen heute nicht mehr möglich sind und wir beispielsweise durch Demokratie und Pressefreiheit vielerlei Mittel hätten, uns zu wehren.

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Veröffentlicht am 05.05.2020

Interessantes Team

Lost in Fuseta
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Ich habe diesen ersten Teil um Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, als Hörbuch genossen. Das hatte den großen Vorteil, dass die ganzen portugiesischen Wörter vom Sprecher Andreas Pietschmann richtig ...

Ich habe diesen ersten Teil um Leander Lost, Kriminalkommissar aus Hamburg, als Hörbuch genossen. Das hatte den großen Vorteil, dass die ganzen portugiesischen Wörter vom Sprecher Andreas Pietschmann richtig ausgesprochen wurden. Und beim Hören fällt richtig auf, wie viele Begriffe in Landessprache es in diesem Buch tatsächlich gibt.

Der Start im portugiesischen Team ist für den Asperger Lost nicht einfach. Dieser erste Band wird genutzt um dass Setting zu schaffen für weitere Folgebände um den Hamburger Kommissar, der in Fuseta ermittelt. Das ist gut gelungen, die Charactere sind meiner Meinung nach interessant und vielschichtig. Und typisch für einen regionalen Krimi erfahren wir vieles über das mediterrane Land, seine Einwohner, ihre Gewohnheiten und ihre Lieblingsgerichte bzw. -Getränke.

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Veröffentlicht am 19.03.2020

geniale Idee

Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst
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Louise und Tom haben eine ernsthafte Ehekrise und beginnen gemeinsam eine Therapie um zu sehen, ob sie ihre Ehe noch retten können. Wir erleben das ganze ausschließlich in Dialogen, die die beiden in einem ...

Louise und Tom haben eine ernsthafte Ehekrise und beginnen gemeinsam eine Therapie um zu sehen, ob sie ihre Ehe noch retten können. Wir erleben das ganze ausschließlich in Dialogen, die die beiden in einem Pub führen, in dem sie sich direkt vor der jeweiligen Therapiestunde treffen. Diese Idee mit den 10 "Therapiestunden" im Pub ist genial.Wir sind in keiner einzigen Minute direkt in den eigentlichen Stunden bei der Therapeutin dabei sondern erfahren nur in den Gesprächen im Pub, was letzte Woche vorgefallen war bzw. was die beiden für die kommende Therapiestunde bearbeiten möchten.

Diese Dialoge fand ich witzig, sarkastisch und sehr aufschlussreich. Es ging oft pfeilschnell hin und her, ich musste mich konzentrieren, den Argumenten zu folgen. Und es war nicht immer leicht zu wissen, wer von den beiden grade spricht.

Ich muss (als Frau) zugeben, dass ich das Gesagte von Louise geschickter, klüger und aussagekräftiger erlebt habe. Während Tom eher schmollend und angreifend reagiert hat. Insgesamt hat mich dieses Buch sehr gut unterhalten.

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Veröffentlicht am 24.02.2020

Unfreiwillig in Venedig

Der freie Hund
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Commissario Antonio Morello hat sich auf Sizilien durch Ermittlungen und Verhaftungen die Mafia zum Feind gemacht. Er steht auf deren Todesliste und sein Chef will ihn durch eine Versetzung nach Venedig ...

Commissario Antonio Morello hat sich auf Sizilien durch Ermittlungen und Verhaftungen die Mafia zum Feind gemacht. Er steht auf deren Todesliste und sein Chef will ihn durch eine Versetzung nach Venedig in Sicherheit bringen. Morello ist fassungslos über diese Versetzung, denn er liebt Sizilien und seine Arbeit dort. Nur widerwillig macht er sich am ersten Tag auf seinen Weg zum Arbeitsplatz. Bei jedem Blick und jedem Eindruck, der beschrieben wird merkt man dass ihn alles an Venedig nervt. Das Enge und Morbide, die stinkenden Kanäle, die Menschenmassen und die monströsen Kreuzfahrtschiffe, die sich durch die Lagune schieben.

Im Kommissariat ist man wenig begeistert, einen Süditaliener als neuen Chef akzeptieren zu müssen. Schon am nächsten Tag gibt es einen Mordfall und Morello macht sich mit seinem Team, das ihm noch so wenig vertraut ist, an die Ermittlungen. Es gab einen Aspekt, der mich ziemlich genervt hat: Nämlich solche Vorgesetzte, die es den Ermittlern unnötig schwer machen oder gar von guter Polizeiarbeit abhalten, die die Fälle immer schnell gelöst haben wollen und nur auf die Außenwirkung bei Pressekonferenzen oder in der Zeitung bzw. TV ausgerichtet sind. Gerade bei einem Venedigkrimi hätte ich wg. der Ähnlichkeit zu der wirklich bekannten Brunettireihe den Questore so nicht besetzt. Ich lese viele Krimis und wundere mich, dass es Autoren nicht merken, dass dieser Typus viel zu oft hergenommen wird.

Die Einführung eines Sizilianers als Commissario in Venedig ist gut gelungen. Die beiden Autoren haben sich Zeit für die Ausarbeitung der Charaktere genommen. Dies finde ich sehr wichtig für die Weiterentwicklung einer guten Krimiserie. Morello hat ein Team das weiterhin Reibereien aber auch gute Ermittlungsarbeit verspricht und wird mit ihnen weitere Verbrechen in der Lagunenstadt aufklären können.

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Veröffentlicht am 05.02.2020

Eine schwere Aufgabe

Meine Mutter, das Alter und ich
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Frau Jungwirth erzählt in vielen Episoden von ihren Bemühungen, sich um ihre 85-jährige Mutter zu kümmern, die an einer Autoimmunerkrankung leidet und nach und nach ihre Unabhängigkeit verliert.

Aber ...

Frau Jungwirth erzählt in vielen Episoden von ihren Bemühungen, sich um ihre 85-jährige Mutter zu kümmern, die an einer Autoimmunerkrankung leidet und nach und nach ihre Unabhängigkeit verliert.

Aber die Mutter macht es ihr mit ihren hohen Ansprüchen und ihrer Egozentrik wirklich schwer. Sie ist jammernd und manipulierend und nimmt keinerlei Rücksicht darauf, was sie alles von ihrer Tochter fordert. Auch der Sohn und die Enkelkinder übernehmen (kleinere) Anteile der Betreuung. Diese nimmt die Mutter an, doch später beschwert sie sich bitterlich bei der Tochter, wie wenig Aufmerksamkeit ihr zugute kommt. So kann selbst der Leser nicht wirklich Verständnis oder Sympathie für die Mutter aufbringen.

Ich ertappte mich dabei, dass ich der Autorin beim Lesen gerne Vorschläge machen wollte, wie sie reagieren oder dass sie mehr ihre eigenen Bedürfnisse berücksichtigen sollte. Aber eben diese Ratschläge nützen in dieser Situation überhaupt nichts, es gibt wohl keinerlei Tipps oder Anleitungen, wie man es leichter bewältigen könnte. Die meisten der Leser werden zu dieser Lektüre gegriffen haben, weil sie eine solche Situation kennen oder sich gerade darin befinden. Es wird klar, dass es viele solcher Fälle gibt und doch ist jeder einzelne anders.

Durch die kurzen Kapitel liest sich das Buch sehr flüssig. Es wird gut vermittelt, wie sehr die Tochter mit dieser Aufgabe hadert. Die eigene Überforderung, neben der Familie und einem kranken Hund auch die Verantwortung für die Mutter zu haben und zum anderen die Traurigkeit beim Anblick der Mutter, die man viel lieber eigenständig und unabhängig erleben würde.

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