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Veröffentlicht am 06.10.2020

Leider enttäuschend.

Aus schwarzem Wasser
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Anne Freytag gehört momentan zu den gefragtesten deutschen Schriftstellerinnen der Jugendliteratur. Mit Werken wie "Den Mund voll ungesagter Dinge" oder dem kürzlich erschienenen "Das Gegenteil von Hasen" ...

Anne Freytag gehört momentan zu den gefragtesten deutschen Schriftstellerinnen der Jugendliteratur. Mit Werken wie "Den Mund voll ungesagter Dinge" oder dem kürzlich erschienenen "Das Gegenteil von Hasen" trifft sie mit ihrem poetischen Schreibstil den Ton der heutigen Generation und gibt den jungen Leserinnen das Gefühl, sie und ihre Gefühlswelt ernst zu nehmen. Jetzt bewegt sie sich zum ersten Mal in fremdes Genre-Gewässer: Sie legt mit "Aus schwarzem Wasser" ihren ersten Thriller vor.




Die ansprechende äußere Gestaltung und der Klappentext weckten sofort mein Interesse. Die Auseinandersetzung mit dem zerstörerischen Einfluss des menschlichen Wirkens auf die Umwelt ist nach wie vor aktuell; der Genre-Mix aus politischem Thriller und Mystery-/ Fantasy-Einschlägen sehr innovativ. Die Voraussetzungen klingen vielversprechend. Nun bin ich aber, und das gebe ich zu Beginn dieser Besprechung gerne zu, ziemlich enttäuscht vom vorliegenden Werk. Und das hat mehrere Gründe.


Die Autorin verstrickt sich in ein zunehmend undurchdringbares Gebilde aus zwischenmenschlichen Beziehungen, Perspektivwechseln und chronologischen Sprüngen. Das Lesepublikum kann keiner Figur oder Zeitebene hundertprozentig vertrauen, da Freytag scheinbar beliebig in andere Jahrzehnte oder Lände springt. Da fällt es mir zugegeben ziemlich schwer, am Ball zu bleiben und die Übersicht zu behalten. Die Charakterausarbeitung ist nicht gut gelungen: die meisten der Figuren sind eindimensional, unilateral und erwecken oftmals den Eindruck, hinter ihrer Funktion für die Handlung unterzugehen.


Zudem werden einige fundamentale Fachbegriffe, deren Bedeutung einen zentralen Aspekt der Plotentwicklung ausmacht, nicht erklärt. Der
die Leser*in wird, ironischerweise ganz dem Titel entsprechend, ins kalte Wasser geworfen. Das ist insofern ziemlich schade, als dass hinter der gesamten Handlung offensichtlich einiges an recherchetechnischer Arbeit steckt. Ohne dieselbe Ausgangslage an biologischem Wissen jedoch tue ich mir schwer, den dargebotenen fachlichen Argumentationen zu folgen und ganz in die Handlung einzutauchen.


Insgesamt würde ich mir mehr Überraschungen und Raffinesse vonseiten der Autorin wünschen. Wohin sich die Handlung letztendlich entwickelt, ist leider schon früh erkennbar. Außerdem ist das Buch mit einer gewaltigen Länge von 600 Seiten deutlich zu lange geraten. Erzähltechnisch plätschert "Aus schwarzem Wasser" lange in einem gemächlichen Tempo dahin und schafft es nicht, die Aufmerksamkeit richtig zu packen. Oftmals fühlte ich mich, als würde ich eher in dem Buch schmökern als in vollem Umfang in das Szenario einzutauchen.


Trotz all dieser handlungstechnischen Mankos leistet Freytag hier handwerklich wieder gute Arbeit: Ihr Schreibstil ist lyrisch und lebendig zugleich. Ihre Kritik am Umgang der Regierung mit dem Klimawandel und den noch nicht ergriffenen Gegenmaßnahmen ist anschaulich; sie schildert mögliche Auswirkungen überzogen drastisch, um ihr Lesepublikum wachzurütteln und eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Es wird deutlich: Wir müssen uns und unser Konsumverhalten ändern.





«Aus schwarzem Wasser»
ist ein innovativer Genre-Mix, der leider zu lange keine Fahrt aufnimmt und in eine verworrene Handlung ausartet. Für mich leider enttäuschend.

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Veröffentlicht am 22.10.2020

Missglückte Hilfestellung für die rhetorische Verteidigung unserer Demokratie.

Sag was!
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Sollen menschliche Eigenheiten unterbunden werden, steht eine Ideologie über Wertepluralismus und Toleranz, ist die Demokratie in unserem Land gefährdet. Es häufen sich immer wieder Fälle, in denen Menschen ...

Sollen menschliche Eigenheiten unterbunden werden, steht eine Ideologie über Wertepluralismus und Toleranz, ist die Demokratie in unserem Land gefährdet. Es häufen sich immer wieder Fälle, in denen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Sexualität, Religion und des Aussehens eine andere Behandlung zuteil wird – wenn Unterschiede zwischen Personen als ein bedrohliches und spaltendes Element und nicht als etwas, was uns alle miteinander verbindet, gesehen wird. Dabei sind wir alle unterschiedlich und das ist auch gut so: Es macht uns menschlich.

Verschiedenen Gruppen den Dialog miteinander ermöglichen, den versöhnlichen Schritt aufeinander zu wagen: das könnte eine Lösung für die stets verbreitete Angst vor dem Fremden sein. Wir sehen meist nicht die Individuen, sondern ein von Vorurteilen und Erwartungen gestütztes Schubladenbild. Wann müssen wir das Gespräch mit einer im Fremdenhass festgefahrenen Person aufsuchen, wenn jeder sonst schweigt? Wann habe ich selbst die Verantwortung, für meine Überzeugungen einzutreten und die Demokratie als hohes Gut zu verteidigen? "Sag was!" versucht, genau diese Fragen zu beantworten.

Mit der Grundaussage kann ich mich voll und ganz identifizieren: Gegen Rechtpopulismus müssen wir gebündelt vorgehen und dafür sorgen, dass die Freiheit einer
s jeden gewahrt bleibt. Trotzdem muss manfrau von Situation zu Situation die Notwendigkeit abwägen, ob und inwiefern sich ein Einklinken in die politische Debatte lohnt.

Mit gut achtzig Seiten Länge bleibt das vorliegende Buch aber in weiten Strecken thematisch zu sehr an der Oberfläche. Weitgehende Teile des Inhalts lassen sich durch gesunden Menschenverstand erschließen, wenn man bei den Gesprächsregeln in der Grundschule etwas aufgepasst hat. Mir erschließt sich die Frage nach der Zielgruppe nicht: An wen richtet sich dieser Ratgeber? Zudem hätte ich mir mehr und ergiebigere Quellen gewünscht, um die Argumentationslinie deutlicher nachvollziehen zu können. Somit wirken viele Ausführungen sehr spekulativ.

Inhaltliche Eindimensionalität sorgt für Diffamierung

Zudem häufen sich einige inhaltliche Probleme in "Sag was!": Autor Philipp Steffan bringt einige Beispiele an, die die Notwendigkeit aufführen, Asylbewerber
innen in unsere Gesellschaft einzugliedern. Dieses solidarische Verhalten ist an sich ja gut und richtig. Indem er sich jedoch in gut 75% aller inhaltlichen Beispiele auf die fälschlicherweise als "Flüchtlingswelle" bezeichneten Gesellschaftsgruppe bezieht, diffamiert er sie als einziges Problem unseres Miteinanders: Und genau das ist falsch.

Zudem, und da möchte ich inhaltlich meine vollste Zustimmung ausdrücken, ist "Sag was!" auch ein Plädoyer für die Verwendung gendergerechter Sprache. Es ist 2020 längst an der Zeit, allen Geschlechtern den gleichen Platz zum Entfalten in unserem alltäglichen Vokabular einzuräumen. Dabei ist ein Gendersternchen für mich weniger als Einschränkung, sondern mehr als eine Erweiterung unseres sprachlichen Horizonts zu werten. Daher fällt es umso negativer auf, wenn man*frau sieht, wie inkonsequent und ignorant hier vorgegangen wurde: Das generische Maskulinum ist häufig die einzige verwendete Form.

Kurz gesagt: Viel gewollt, wenig gewonnen. Informationstechnisch konnte ich nur wenige neue Erkenntnisse gewinnen; teilweise schreckten mich die Darstellungen sogar eher ab. Leider gibt es für mich daher heute keine Leseempfehlung.


«Sag was! Radikal höflich gegen Rechtspopulismus»
ist eine missglückte und nur wenig ergiebige Hilfestellung für die rhetorische Verteidigung unserer Demokratie.

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Veröffentlicht am 19.03.2020

Leider enttäuschender Roman, der nur mit seiner Atmosphäre punkten kann.

Sonne und Beton
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Felix Lobrecht ist einer der vielversprechendsten Newcomer der Stand-Up-Comedians und wurde beispielweise für den Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Mit seinem Podcast „Gemischtes Hack“ feiert er weltweit ...

Felix Lobrecht ist einer der vielversprechendsten Newcomer der Stand-Up-Comedians und wurde beispielweise für den Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Mit seinem Podcast „Gemischtes Hack“ feiert er weltweit riesige Erfolge. Zusätzlich ist er auch als Autor tätig – in seinem zweiten Buch „Sonne und Beton“, welches vor einigen Monaten als selbstgelesenes Hörbuch neu veröffentlicht wurde, erzählt er eine Geschichte rund um vier Jugendliche, welche in Neukölln leben, und lässt dabei Anekdoten aus der eigenen Kindheit mit einfließen. Darüber schreibt er selbst: „Ich wünschte, ich hätte mir mehr ausdenken müssen." Wie mir diese Lektüre gefallen hat und welche Eindrücke aus dieser gewonnen werden können, das erfährst du in der folgenden Rezension.

Der Titel „Sonne und Beton“ ist für dieses Werk gelungen gewählt und führt den Leser passend in die Atmosphäre des Buches ein. Durch verschiedene stilistische Mittel versteht es Lobrecht, eine Momentaufnahme des Lebens in der Neukölln-Kulisse einzufangen und dies auch vortragstechnisch authentisch zu vermitteln. Die dem heutigen berlinerischen Jugendslang angepasste Ausdrucksweise eignet sich hierfür gut, den sozialen Brennpunkt authentisch darzustellen.

Leider kann ich über das Buch weiterhin nicht viele gute Worte verlieren. Zwar ist es über alle Maßen kurzweilig und bietet angenehm unkomplizierte Unterhaltung, so enttäuscht Lobrecht jedoch mit blass bleibenden und sich fraglich entwickelnden Charakteren, die zu keiner Zeit eine Art Identifikationsfigur darstellen, sondern nicht nachvollziehbar oder gar unverständlich handeln. Auch spricht der Autor in seinem Werk zwar die unterentwickelten Lebensumstände des Wohnraums an, bietet dem Leser jedoch keine Message, die aus der Seele des Buches spricht und es markant im Gedächtnis bleiben lässt. Somit bleibt es auf lange Dauer gesehen belanglos – und einen solchen Eindruck darf ein Roman nicht vermitteln.

Der Spannungsbogen enttäuscht leider ebenso auf ganzer Linie. Eine wirkliche Handlung eröffnet sich dem Leser erst nach einer seicht dahinplätschernden ersten Hälfte, die in diesem Zusammenhang einer Nennung nicht wert erscheint, wird dann jedoch gehetzt und nicht zufriedenstellend zu Ende geführt. Dabei bleibt „Sonne und Beton“ jederzeit an der Oberfläche, unternimmt nicht einmal den Versuch, an dieser zu kratzen und geht mit seiner unspektakulären Art unter. Konkurrenz zu anderen (Hör-)Büchern seines Genres bietet er somit nicht.

Zwar kann mich Felix Lobrecht auf der Bühne mit einer eigen- und einzigartigen Präsenz vollends überzeugen und ich bin großer Fan seines Podcasts, so schafft er das hier jedoch auf keiner Linie mit seinem Roman, der mich wirklich enttäuscht zurückgelassen hat. Bis auf den spannenden Einblick in eine glaubwürdige Momentaufnahme der Lebenszustände in Neukölln bietet mir „Sonne und Beton“ keinen stichartigen Grund, es hiermit weiterzuempfehlen. Deswegen gibt es von mir keine Hörempfehlung.

„Sonne und Beton“ ist ein auf ganzer Linie enttäuschender Roman, der lediglich mit seiner atmosphärischen Schilderung trumpfen kann. Ansonsten bleibt er in allen Aspekten so sehr an der Oberfläche, dass man das Gefühl bekommt, nach dem Buch nicht mehr zu wissen als davor.

Ich vergebe hier leider enttäuschte zwei von fünf möglichen Sternen.

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