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Veröffentlicht am 23.04.2020

Verschwunden im Eis

Das Eis-Schloss
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Das Eis-Schloss - Tarjei Vesaas

Ein wirklich außergewöhnlicher Roman eines norwegischen Schriftstellers, der erst sehr spät anlässlich der Buchmesse 2019 ins Deutsche übersetzt wurde. In Norwegen ist ...

Das Eis-Schloss - Tarjei Vesaas

Ein wirklich außergewöhnlicher Roman eines norwegischen Schriftstellers, der erst sehr spät anlässlich der Buchmesse 2019 ins Deutsche übersetzt wurde. In Norwegen ist der Autor sehr bekannt und hat den wichtigsten Literaturpreis des Landes erhalten. Und das zu Recht. Ich bin äußerst beeindruckt von dieser Geschichte und einer sehr intensiven wenn auch irgendwie fremdartigen Erzählweise.

Zwei elfjährige Mädchen, Siss und Unn sind gerade dabei, sich anzufreunden, da verschwindet Unn in der Umgebung des Eis-Schlosses plötzlich spurlos.
Der Leser steckt in den Köpfen dieser beiden Kinder, die bis zu einem gewissen Punkt abwechselnd erzählen. Er nimmt Teil an deren kindlicher Sichtweise, Angst und Verzweiflung. Eine beklemmende Atmosphäre baut sich auf, der man sich kaum entziehen kann. Der Autor schafft das mit einer sehr knappen, teils kindlichen Sprache und transportiert trotzdem so viel an Gefühlen der Mädchen. Hinterlegt ist diese düstere, geheimnisvolle Stimmung vom eiskalten, schneereichen Winter Norwegens.

Eine Geschichte über das Verschwinden eines Kindes in der Landschaft Norwegens, aber auch eine Gesellschaftsstudie. Es wird aufgezeigt wie sich die Menschen in ihrer Umgebung um Siss verhalten, wie sie denken, es würde von ihnen erwartet, wie sie das Mädchen trotz allem niemals fallen lassen und am Ende wieder in ihre Gemeinschaft zurückholen.

Man spürt die eisige Kälte, sieht das durchsichtige Eis, hört das laute Knacken des vom Tauwetter bedrängten Eis-Schlosses im Frühjahr.
Eine wahrlich atemberaubende Lektüre und eine großartige Entdeckung. Unbedingt lesen!
5 Sterne

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Veröffentlicht am 03.04.2020

Eine Reise zu sich selbst

Offene See
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Offene See - Benjamin Myers

Was Paulo Cognetti für Italien und die Berge ist, ist Benjamin Myers für England und die englische Nordseeküste.
Ein wunderbares, sehr leises Buch, voll und ganz nach meinem ...

Offene See - Benjamin Myers

Was Paulo Cognetti für Italien und die Berge ist, ist Benjamin Myers für England und die englische Nordseeküste.
Ein wunderbares, sehr leises Buch, voll und ganz nach meinem Geschmack.

Der sechzehnjährige Robert macht sich nach seinem Schulabschluss vom Norden Englands auf in Richtung Süden, um das Land kennenlernen. Sein Heimatort lebt kurz nach Kriegsende von der Kohleindustrie und auch Robert soll sein Leben unter Tage beim Kohleabbau zubringen. Dabei liebt er doch das Meer und die Weite der Natur.
Auf seiner Reise landet er unversehens im abgelegenen Häuschen einer älteren Dame, Dulcie. Eine sehr gebildete Person, mit nicht immer vornehmer Ausdrucksweise, die den Jungen mehr und mehr unter ihre Fittiche nimmt. Eine wunderbare Freundschaft entwickelt sich zwischen den beiden.
Für Robert ist es eine Reise zu sich selbst. Anfangs erledigt er Arbeiten rund um Dulcies Haus und auch wenn er sich vornimmt, weiterzuziehen, kehrt er doch immer wieder zurück. Fast unmerklich führt Dulcie ihn im Gegenzug in die Schönheit der Literatur ein, mit der sie mehr verbindet, als sie anfangs zugeben mag.

An Handlung passiert eigentlich gar nicht allzu viel. Es ist vielmehr die wunderschöne poetische Erzählweise, die diesen Roman ausmacht. Neben detaillierten Landschaftsbeschreibungen und tiefen Gefühlen ist es eine unwahrscheinliche Ruhe und Gelassenheit, die diese Geschichte vermittelt.
Im Prinzip gibt es nur diese beiden Figuren, Robert und Dulcie, und außerdem Butler, den Hund. Diese wenigen Figuren sind dafür umso liebevoller und ausgearbeitet.

Ein tolles Buch, ein wunderbares Buch. Eine ruhige und unheimlich berührende Geschichte. Ein Autor, den ich beobachten werde. Mit Sicherheit eines meiner Jahreshighlights 2020 ! Eine ganz dringende Leseempfehlung und natürlich 5 Sterne.


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Veröffentlicht am 22.03.2020

Sammy der Pilot

Sammy - Die unglaublichen Abenteuer einer kleinen Maus
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Sammy- Die unglaublichen Abenteuer einer kleinen Maus- Henry Cole

Ein spannendes Tierabenteuer ab 5 Jahren zum Vorlesen, für ausdauernde Leser zum Selberlesen etwa ab 8.

Hanks Bruder setzt die kleine ...

Sammy- Die unglaublichen Abenteuer einer kleinen Maus- Henry Cole

Ein spannendes Tierabenteuer ab 5 Jahren zum Vorlesen, für ausdauernde Leser zum Selberlesen etwa ab 8.

Hanks Bruder setzt die kleine Maus Sammy in ein selbst gebasteltes Flugzeug und wirft ihn damit in die Luft. Leider geht dabei die Fernsteuerung kaputt. Sammy legt eine Bruchlandung hin und landet weit entfernt in einem fremden Wald. Wird er jemals nach Hause zu seinen Menschen finden? Zum Glück findet er bald gute Freunde, die ihn auf seinem Weg begleiten. Zusammen erleben sie allerhand Abenteuer.

Auf sich allein gestellt wächst die kleine Maus über sich hinaus und gemeinsam mit den verschiedenen Tieren als Freunde erlebt er, was er alles schaffen kann.

Ein tolles Kinderbuch über Freundschaft und Mut. In relativ großer Schrift, mit sehr vielen wunderbaren schwarz-weiß Illustrationen. Über 260 Seiten lesen sich dann doch ganz schnell weg. Von daher könnten sich auch Leseanfänger daran versuchen. Mein zehnjähriger hatte es auf zwei Tage durchgelesen. Auch ihm hat die Geschichte noch Spaß gemacht.

5 Sterne

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Die Macht der Familie

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass
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Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Dies ist ein berührender Coming-of-age-Roman und eine Geschichte darüber, wie es ist, auf der falschen Seite zu stehen, in der falschen Schicht, falschen ...

Eine Farbe zwischen Liebe und Hass - Alexi Zentner

Dies ist ein berührender Coming-of-age-Roman und eine Geschichte darüber, wie es ist, auf der falschen Seite zu stehen, in der falschen Schicht, falschen Familie geboren zu sein. Denn heutzutage gibt es etwas, das noch schlimmer ist in Amerika als schwarz zu sein: arm und weiß. In Zeiten der political correctness, ist man ganz schnell der Sündenbock.

Das Bemerkenswerte an diesem Buch ist, dass der Autor hier ein persönliches Erlebnis verarbeitet hat. Einen Brandanschlag von Neonazis auf sein Elternhaus. Nun ist daraus aber mitnichten eine Abrechnung geworden. Vielmehr ist der Held ein Junge aus einem einfachen Elternhaus mit rassistischem Gedankengut. Man fiebert und leidet mit ihm und man hofft, dass er es schaffen wird, sich davon zu distanzieren. Ein wirklich beachtlicher Ansatz.

Jessup ist siebzehn und arm. Seine Familie gehört einer Glaubensgemeinschaft an, die von der Überlegenheit der weißen Rasse überzeugt ist, der heiligen Kirche des Weißen Amerika. Sein Bruder sitzt im Knast, er hat zwei schwarze Studenten getötet. Ohnehin von allen Seiten kritisch beäugt, passiert ein tragischer Unfall, bei dem wieder ein Schwarzer ums Leben kommt. Und prompt steht Jessup unter (nicht unbegründetem) Verdacht. Wer sollte ihm denn glauben, mit der Geschichte seiner Familie? Insgeheim hat er sich vom Glauben seiner Familie schon länger distanziert und er liebt heimlich ein schwarzes Mädchen. Trotzdem holt ihn die Vergangenheit immer wieder ein, denn auch in dieser Perspektive dominieren die Vorurteile.

Nimmt man als Leser anfangs die wirklichen Hintergründe dieser heiligen Kirche des Weißen Amerikas kaum wahr, taucht man gegen Ende immer weiter ein in eine harte Neonazi Szene. Diese Geschichte ist berührend und wunderbar geschrieben. Eine Welt aus Schuld und Buße tut sich vor dem Leser auf, aber auch Liebe und Familienzusammenhalt. Tragisch, denn der ein oder andere geht auch verloren im braunen Sumpf.

Sehr spannend und süffig geschrieben, ich war in zwei Tagen durch. Man kann das Buch kaum mehr aus der Hand legen. Jessup ist so ein sympathischer netter Kerl, der unverschuldet immer wieder in Probleme gerät und immer zwischen den Stühlen sitzt.

So ist dies die autobiografische Verarbeitung eines brandaktuellen Themas. Meine Hochachtung für den sehr gelungenen Versuch des Autors, das Thema aus der Tätersicht zu beleuchten. Und nicht nur das, sich auch wirklich einzufühlen.
Dringende Leseempfehlung, 5 Sterne.

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Veröffentlicht am 20.02.2020

Auswüchse des Glaubens

Ein wenig Glaube
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Ein wenig Glaube- Nickolas Butler

Männerfreundschaften, das genügsame und entbehrungsreiche Leben einfacher Leute, Einsamkeit und Rückschau im Alter und die große Frage des Glaubens. Das sind die wesentlichen ...

Ein wenig Glaube- Nickolas Butler

Männerfreundschaften, das genügsame und entbehrungsreiche Leben einfacher Leute, Einsamkeit und Rückschau im Alter und die große Frage des Glaubens. Das sind die wesentlichen Themen dieses sehr lesenswerten Romans.
Der Autor schafft mit wenigen Worten eine wunderschöne Atmosphäre. Darüber verrät das Cover schon einiges. Die endlosen Weiten des mittleren Westens, ich mag das sehr.

Der fünfjährige Isaac, ein etwas altkluger, aber sehr liebenswerter Junge und sein Großvater Lyle sind ein Herz und eine Seele. Lyle und seine Frau sind herzensgute Leute und sehr froh, ihre Tochter Shiloh mit ihrem Sohn um sich zu haben. Doch diese zieht es mit Isaac zurück in die Stadt. Grund dafür ist eine seltsame Glaubensgemeinschaft und deren Anführer, dem sie rettungslos verfallen ist. Die alten Leute müssen um das Wohlergehen des geliebten Enkelsohns fürchten, denn Isaac wird mit hineingezogen, scheint gar eine wichtige Rolle zu spielen…

Ein wunderbarer gemächlicher Schreibstil mit tollen Naturbildern. Der Autor drückt große Gefühle mit wenigen Worten aus. Authentisch und berührend, wie die Figuren selbst.
Sowohl Plot als auch Erzählstil erinnern unweigerlich an die Romane Kent Harufs, die ich im Übrigen sehr schätze.

Beginnt die Geschichte als melancholischer Wohlfühlroman, vertieft sich die Geschichte überraschend detailliert, tief in die Sekten-Problematik. Glaube hat viele Schattierungen. Wo Lyle seinen Glauben durch den Tod seines Sohnes bereits vor vielen Jahren verloren hat, nimmt Shilohs Glaube extreme Ausmaße an. Ein schwieriges Thema, besonders wenn ein Kind involviert ist.
Butler erzählt einfühlsam und respektvoll und verurteilt nicht die offensichtlich Irrenden.
So entwickelt sich dieser Roman trotz seiner langsamen und ruhigen Erzählweise immer mehr zu einem fesselnden Pageturner, so berührend, so tragisch, so menschlich. Gänsehaut.

Eine dringende Empfehlung für ein tolles Buch zu einem interessanten Thema. 5 Sterne von mir.

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