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Veröffentlicht am 06.05.2018

Solider Krimi, der in der Provence spielt (soll heißen: mehr Krimi als UM JEDEN PREIS Regionalkrimi)

Madame le Commissaire und der Tod des Polizeichefs
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Madame Le Commissaire, das ist Isabelle Bonnet, die in der Provence in dem kleinen Örtchen Fragolin eine Spezialeinheit leitet. Deren Aufgabengebiet ist nicht klar umrissen, scheint aber bei „Cold Cases“, ...

Madame Le Commissaire, das ist Isabelle Bonnet, die in der Provence in dem kleinen Örtchen Fragolin eine Spezialeinheit leitet. Deren Aufgabengebiet ist nicht klar umrissen, scheint aber bei „Cold Cases“, also ungelösten Fällen zu liegen, meist länger zurückliegend, mit Todesfällen, und bei etwas heikleren Aufgaben. Für letzteres wird Isabelle von ihrem väterlichen Freund und Gönner Maurice Balancourt aus dem Ministère de l’intérieur herangezogen: Sie soll ermitteln zum Selbstmord eines Kollegen, Commandant Enzo Bastian von der Police Nationale, Polizeichef von Toulon – nur sicherheitshalber. Parallel dazu starten Isabelle und ihr Assistent, Sous-Brigadier Apollinaire, Ermittlungen in einem mehrere Jahre zurückliegenden Raub in einem Juweliergeschäft in Cannes, bei dem die Ehefrau des Juweliers und eine Kundin erschossen wurden.

Während es bei Bastian bald Zweifel am vorgeblichen Grund des Selbstmordes gibt, findet Isabelle eine zweite Leiche…Im zweiten Fall laufen die Ermittlungen hingegen eher schleppend. Wen hatte Lilliy Larouche gesehen? Wer schreibt einen Abschiedsbrief an ein Geschäft für Angelbedarf? Und wer fuhr mit dem Eiswagen davon?

Der Roman ist ein typischer „Whodunnit“, eher kürzere Kapitel garantieren einen zügigen Handlungsfortschritt ohne längeres Abschweifen. Neben Isabell ist ihr schrulliger Mitarbeiter Apollinaire mit seinem Tick, fast immer zwei verschiedene Socken zu tragen, mit seinem struppigen Aussehen und seiner umständlichen Art tätig – jedoch ein wenig klischeehaft. Auch Isabelles Privatleben kommt zur Sprache mit ihren Gefühls-Verwicklungen, allerdings (angenehm) wenig.

Der Roman ist der dritte aus der Reihe und mein erstes Buch mit den Protagonisten, ich konnte ohne Probleme folgen. Es finden zwar Andeutungen zur Vergangenheit statt, so ist Isabelle bei einem Bombenanschlag am Arc de Triomphe schwer verletzt worden und ging deshalb weg zurück aus Paris in ihren Herkunftsort, aber man benötigt da keine weiteren Kenntnisse aus den vorigen Bänden. Der Krimi ist flüssig geschrieben, die Sätze finde ich teils etwas einfach. Ich konnte Teile der Auflösung vorhersehen, wenn ich auch ein anderes Motiv annahm – allerdings habe ich in letzter Zeit deutlich das Gefühl, zu viele Krimis gelesen zu haben und dadurch „verdorben“ zu sein. Der Stil der Kommissarin gefällt mir, wie bezeichnet sie es selbst bei einer Unterredung „Nicht mit der Brechstange, sondern gewissermaßen mit dem Florett.“ S. 223

Das ist dieses Jahr sehr zufällig schon mein dritter „Provence-Krimi“ – die beiden anderen waren zwar auch Krimis, hatten aber diese typischen durchgeknallten Serienmörder als Täter – Madame le Commissaire kommt ohne bizarre Folter aus, was ich angenehm finde.
Wer einen Krimi lesen möchte, der in der Provence spielt, möchte bitte dieses Buch lesen. Er spielt zwar in der Provence, aber es werden eher die größeren Touristenorte angefahren und es wird weniger der Charme der Landschaft, die Provence an sich zelebriert. Wer etwas aus der Provence lesen möchte mit Landschaft, Flair und Küche, das ein Krimi ist, möchte bitte Remy Eyssen lesen (wenn sadistische Mörder nicht stören).

Anmerkung: was mich zunehmend über alle drei Bücher nervt: alle wurden von Deutschen geschrieben – bei diesem Buch hier ist „Pierre Martin“ ein Pseudonym, der Autor hat z.B. auf Amazon nur diese Bücher gelistet. Ist ja schön, wenn sich das besser verkauft, aber irgendwie albern.


Nachtrag 2018: Inzwischen habe ich gerne Band 5 gelesen:
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/131202/Product

Das perfekte nächste Buch:

"Endgültig" von Andreas Pflüger. Ja, ein Thriller, aber ohne Sadisten, Folter, sexuelle Gewalt; ich halte ihn damit auch für die geeignet, die sonst Krimi lesen. Auch hier geht es um eine Polizistin, die in einer Spezialeinheit war und jetzt "anders" ermittelt - sprachlich sehr gut, aber man sollte schon mit Spannung umgehen können

Veröffentlicht am 24.03.2020

die, die ohne Alter ist

Muttertag
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Vorab: ich mag bestimmte Genres nicht. Bei mir kommt alles nicht gut weg, was nicht mehr in der Realität verortbar ist, Fantasy, S/F. Die Ablehnung begann in früher Kindheit bei Alice im Wunderland und ...

Vorab: ich mag bestimmte Genres nicht. Bei mir kommt alles nicht gut weg, was nicht mehr in der Realität verortbar ist, Fantasy, S/F. Die Ablehnung begann in früher Kindheit bei Alice im Wunderland und Pippi Langstrumpf – ein Mädchen kann Pferde heben, ganz bestimmt (es ist ja soooo viel realistischer, dass die von mir geliebten Fünf Freunde Verbrecher jagen, soll hier auch nur meine Präferenzen erklären). Es gibt wenige Ausnahmen, „alternative History“ geht gelegentlich, Dystopien ganz selten. Etwa an der Schwelle trennte ich mich innerlich vom Buch – es wäre vielleicht am ehesten in der Sparte Gothic einzusortieren, neben Frankenstein. Dazu gibt es Anklänge von Verschwörungsthriller, lange Zeit hielt ich es aber nur für „irgendwas mit Spannung“. Andrew Michael Hurley: Loney, das ging so in der Richtung.


Die Hauptfigur scheint mir der sechzehnjährige Philip Steinert zu sein, der wieder einmal mit seiner Mutter Susanne, frisch verheiratete, noch frischer getrennte Rheinberger umziehen „durfte“, zu ihrem Onkel, wie sie immer umziehen, wenn die Vorstellungen der Mutter an der Realität mit neuen Männern, neuen Wohnorten und neuen Jobs zerbrachen. Einziger Lichtblick ist die neue Mitschülerin Caro, doch was hilft das, wenn man plötzlich auf der Flucht ist vor etwas, was man gar nicht so richtig einordnen kann?

Ich habe selten so viel mitgeschrieben, um den Überblick nicht zu verlieren bei den vielen Handlungssträngen. Bemerkenswert, wie der Autor das zusammenführte – wenn ich in andere Rezensionen blicke, war das einigen Lesern zu viel, für mich jedoch glatte 5 Sterne wert, wenn auch zeitaufwendig. Da gibt es jemanden, der den Onkel beobachtet – oder den Neffen? Oder beide? Und ist es wirklich nur eine Gruppe von Beobachtern?
Dazu gibt es den wichtigen Handlungsstrang um das Mädchen, bei dem vor allem irritiert, wann und wo er angelegt ist, wer dort gut und wer böse ist. Bei Morten hatte ich den Handlungsstrang früh als beendet angesehen – siehe da, man sollte immer Geduld haben. Und das war es noch längst nicht.

Das ist alles auch deswegen nicht so einfach, weil etliche Personen unter mehreren Bezeichnungen laufen, Dezember, der Glatzköpfige, der Biber, einige dabei wohl auch mit doppeltem Spiel. Letztlich läuft alles hinein in eine Sektenwelt, ich sollte eher sagen, in etwas okkultes, mystisches, im Übernatürlichen. Mehr kann man nicht erzählen, ohne zu spoilern, es geht um eine alte Geschichte, um Inkompetenz, um Vertuschung, um alte Seilschaften, alte Pläne, die rücksichtslos umgesetzt werden sollen.

Auf dem Weg dahin wurde es mir im letzten Drittel etwas zu langgezogen, dann gefiel mir alles geballt auf mich hereindrängende Übersinnliche ganz und gar nicht. Gut geschrieben aber war es und in sich stimmig, inklusive einem Hammer von Ende, wenn man sich denn mal auf diese Welt (wenn auch widerwillig) einlässt.

3 1/2 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.07.2019

Spannend, mitreißend, aber mir bleiben zu viele Fragen offen

Die stille Tochter
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1973 flieht die 17jährige DDR-Bürgerin Christel Heinze, die als Schwimmerin an einem Wettkampf in Norwegen teilnimmt, in die bundesdeutsche Botschaft. Doch Christel bleibt eine, die nie ankommt in dieser ...

1973 flieht die 17jährige DDR-Bürgerin Christel Heinze, die als Schwimmerin an einem Wettkampf in Norwegen teilnimmt, in die bundesdeutsche Botschaft. Doch Christel bleibt eine, die nie ankommt in dieser Zeit des Kalten Krieges: in der Bundesrepublik verdächtigt man sie, von der Stasi ins Land geschleust worden zu sein - Guillaume lässt grüßen. Wieder in Norwegen, wird sie im sozialdemokratischen Land von den meist linksgerichteten Studenten als Verräterin an der Sache beschimpft. Bald verliebt sie sich, wohl in den falschen Mann, wird erpresst mit ihrer Vergangenheit und verschwindet schließlich bekleidet mit einem Schafsfellmantel.
2016 wird eine Frauenleiche in einem See gefunden. Die Tote trägt die Reste eines Mantels aus Schafsfell. Tommy Bergmann beginnt zu ermitteln und wird verwickelt in ein Verwirrspiel mit Kalten Kriegern und Geheimdiensten, als auch noch ein Norweger getötet wird, der früher für die Sowjetunion spioniert hatte.

Die Stimmung ist meist düster und voller Vorahnung auf ein schlimmes Ende, die häufigen Sprünge ließen mich immer weiter lesen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, tiefe Einblicke erhalten zu haben. Seit der langen Zeit, in der die Sozialdemokraten an der Regierung waren, hat sich Norwegen verändert: "Tommy sah sich diskret um und hatte plötzlich das Gefühl, dass die norwegische Sozialdemokratie nur eine Illusion war. Früher hatte die Arbeiterpartei die Gesetze gemacht, während die Reichen das Geld verdient hatten, soweit die Regeln es zuließen. Heute saßen Menschen wie Christian Wessel auf beiden Seiten des Tisches." Die Vertreter der Macht, mit denen Tommy sich einlässt, offenbaren ihren Zynismus: "Die meisten Menschen hätten es in einem aufgeklärten Absolutismus leichter oder in Platons idealem Staat. Sie wissen es nur nicht besser. In dem Chaos, das die sogenannte Demokratie mit sich bringt, sind es Menschen wie ich, wie meine Familie, die sich Macht und Geld sichern, während der einfache Mann auf der Straße brav seine Steuern zahlt und schon zufrieden ist, wenn er einen schönen Film im Fernsehen findet oder von den sozialen Medien gefesselt wird, mit denen die Amerikaner die Welt betäuben. Sie halten das, was sie um sich herum sehen, für die Wirklichkeit." Ähnlich zynisch ging man Jahre zuvor auch mit Christel um.

Ich hatte dieses Buch bereits auf dem Reader, als mir auffiel, dass es sich um Band 4 einer Serie handelt. Also habe ich zumindest den ersten Band vorgezogen, als Audio, denke aber, dass man Band 4 auch allein lesen könnte (es scheinen die Bände 2 und 3 jedoch in genau dieser Reihenfolge eng zusammenzuhängen und es gibt in diesem Band 4 einige Spoiler auf letztere zur Gesundheit von Tommy Bergmann und seiner Lebensgefährtin Susanne; nicht jedoch auf Band 1, obwohl Tommy einem Polizisten aus Band 1 wiederbegegnet - auf den damaligen Fall wird absolut nicht Bezug genommen). Wie auch Band 1 besticht dieser Spannungsroman, den ich eher als Polit-Krimi (einen Whodunnit) einordnen würde denn als Thriller, durch den starken Bezug auf einen historischen Fall. In Band 1 war das der Zweite Weltkrieg mit der deutschen Besatzung Norwegens und dem Widerstand, hier ist es der Kalte Krieg, dessen Akteure im Damals und Heute einige Geheimnisse zu hüten trachten. Der Ansatz gefällt mir sehr gut, vor allem, wie von Beginn an die Handlungsstränge im Heute (mit Tommy als Hauptperson) und Damals (aus der Sicht Christels) aufeinander zu getrieben werden. Ich fand die Anzahl der Stränge und Handelnden als durchaus komplex und habe mir irgendwann eine Liste gemacht; als Hörbuch beim Band 1 fiel mir der Durchblick deutlich schwerer.

Gefallen hat mir das während der Lektüre, weniger jedoch vom Ende her. Es bleiben einige Fragen offen, so kann ich zum Beispiel nur aus einem Nebensatz entnehmen, wer der Mann mit den teuren Lederschuhen war. Ich verstehe nicht die Motivation von mehreren Taten, wie den Zeitpunkt für den Mord an Storholt (nach dem Leichenfund, ja, aber dennoch, warum erst jetzt), das Motiv auf Täterseite damals, warum einige jetzt plötzlich reden wollen, Sascha, Kleive, in Berlin. Was wurde aus der Schwangerschaft? Und dann diese Unterhaltung am Ende - das ist irgendwie unrund (ich kann das alles nur kryptisch schreiben, um nichts zu verraten). Dazu hatte ich lange Zeit die Sorge, dass der Plot eine Wiederholung von Band 1 werden könne - es gibt einige Gemeinsamkeiten, eine unschuldig zwischen die Mühlen geratene naive Idealistin, der sich genötigt sieht, mit ihren Informanten zu schlafen. Der Name Gretchen wird wieder verwendet, es gibt wieder einen Handlungsstrang mit Deutschland (um den Markt hier mit ins Visier zu nehmen?), ältere Akteure sehen sich wieder durch Krebs zu bestimmten Aktionen genötigt (es gibt doch noch andere Krankheiten), ein Unsympath erinnert wieder an einen Vogel (Ornithologie dürfte nicht das Hobby von Autor Gaard Sveen sein). Ich habe mir gerade Band 2 geholt, denn im Gegensatz zu Band 1 (5 Sterne) war ich von dem aktuellen Band 4 nicht überzeugt. 5 Sterne zwar für Spannung, Aufbau und Setting, aber nur maximal 3 für die Handlung. Insgesamt 3,5 Sterne und Luft für eine Einordnung von Band 2 und 3.

Personal (hier verwirrte mich weniger die Anzahl als vielmehr, dass einige in den Zeitsprüngen nur sporadisch auftauchen, dann mal mit Vor- mal mit Nachname):
Arvid Storholt. Hat für die Russen spioniert und war dafür im Gefängnis.
Piotr Woźniak. Findet eine tote Frau.
Tommy Bergmann. Polizist.
Fredrik Reuter, Polizeipräsident, Tommys Chef. Hat vor zehn Jahren dessen Karriere gerettet.
Sascha. Alexander Iljawitsch Maximow. "Kulturattaché" der sowjetischen Botschaft in Oslo in den Achtzigern. Führungsoffizier für wichtige Spione
Jan Amundsen. 2016 Vizekommandant des Polizeilichen Sicherheitsdienstes PST
Christel Heinze 1973 ein 17jähriges Schwimmtalent aus der DDR
Magda Heinze. Christels jüngere Schwester.
Christian Wessel. Der wichtigste Staatssekretär des Ministerpräsidenten. Altes Geld.
Gerd und Ilse Heinze, Eltern von Christel und Magda
Udo Fritz. Pensionierter Berliner Polizist.
Susanne. Tommys Lebensgefährtin, Juristin.
Mathea. Susannes 16jährige Tochter.
Petter Bruvik. Bauer.
Martin Kleive. Früher bei der Marine.
Anatoli Gerwinski. Russischer Überläufer.
Arnfinn Toft. Früher Amundsens Chef.
Melanie Mielke. Früher Christels Kollegin beim Handelskontor.
diese Charaktere werfen Fragen auf: Der Bär, Medwedew, Bjørn, Margaret Meyer

Veröffentlicht am 19.06.2019

Abhängigkeiten

All das zu verlieren
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Adèle hat als Journalistin Vorteile: Sie kann nach Bedarf Gründe angeben, nicht daheim zu sein. Nach Bedarf für ihre Bedürfnisse: um Sex zu haben, Sex mit ihrem Chef, Kollegen, Unbekannten. Ihr Mann Richard ...

Adèle hat als Journalistin Vorteile: Sie kann nach Bedarf Gründe angeben, nicht daheim zu sein. Nach Bedarf für ihre Bedürfnisse: um Sex zu haben, Sex mit ihrem Chef, Kollegen, Unbekannten. Ihr Mann Richard bekommt Ausreden. Sie bekommt oft nicht das, was sie sucht. Nicht neu genug, nicht hart genug, nicht brutal genug. Also ist der nächste Mann fällig. Oft stösst sie die Menschen um sich herum zurück, benimmt sie sich wie eine schmollende Dreijährige in der Trotzphase, die sich im Badezimmer einschließt, als es zu einer Einladung geht, dort die anderen Frauen ignoriert, aber den Gastgeber bedrängt. Dann, an anderer Stelle, scheint sie gefallen zu wollen: S. 18 "Ich lade euch ein", verkündet Adèle, deren Konto überzogen ist und der noch nie ein Kollege auch nur ein Glas spendiert hat."

Sie lebt den Widerspruch: "Adèle mag ihren Beruf nicht. Sie hasst die Vorstellung, dass sie arbeiten muss, um davon zu leben." S. 15 aber: "Ihr Mann verdient gut. ... Adèle ist eine verwöhnte Frau, und ihr Mann ist stolz darauf, wie unabhängig sie ist." S. 16.

Was sie wirklich will? "Adèle könnte nicht sagen, wo im Knäuel ihrer Gefühle sich die Liebe zu ihrem Sohn verbirgt. Irgendwo zwischen der Panik, ihn anderen anvertrauen zu müssen, der Gereiztheit, wenn sie ihn anzieht, der Erschöpfung, wenn sie seinen störrischen Buggy eine Steigung hochschiebt." S 34 Dann genießt sie das Kuscheln mit ihrem Sohn. Doch was, wenn sie eines Tages auffliegt?

Ich habe diesen verstörenden und soghaften Roman in einem Rutsch gelesen, von den Sprachbildern ist er genial. Inhaltlich bin ich gerade arg überfordert. Schulfrage: Was wollte uns die Autorin sagen? KEINE AHNUNG. Wir sind alle allein? Wir sind alle abhängig oder coabhängig? Es gibt keine wahre Liebe, nur Kontrolle und Abhängigkeit? Wir sind immer auf der Suche, unzufrieden, oft heimlich, nur lebt das kaum jemand so konsequent aus?

Ich habe mich zwischendurch gezwungen, mir eine Vertauschung der Rollen vorzustellen. Richard schläft herum. Dann hätte es wahrschleinlich Sexismusvorwürfe gehagelt, Sprüche über Altherrenphantasien, auch von mir. Andererseits, das hier ist hauptsächlich selbstzerstörerisch. Warum? Weil ein nackter Mann als bedrohlich empfunden wird, die Leute sich über eine nackte Frau im Park jedoch freuen? Nun, Sex ohne Kondom, mit Fremden, mit dem Bedürfnis, Gewalt zu erfahren, werde ich weiterhin als fragwürdig empfinden.

Was wird zu den Gründen gesagt? Nichts. Es wird Anorexie angedeutet, mindestens eine Vernachlässigung als Kind durch die Mutter, ein seltsames Bild. Das ist mir zu einfach. In einer ZDF-Vorabendserie wäre die Lösung, dass Adèle als Kind missbraucht wurde, "am Besten" (! sic) innerhalb der Familie. Die Sprüche ihrer Mutter sind ausreichend seltsam. "Ich war's, die ihr gesagt hat, sie soll mal ein bisschen anziehender sein, aufreizend." S. 87

Geht es um Macht durch Manipulation? Darum, sich nur irgendwie zu spüren, statt ritzen oder Drogen? Geht es darum, dass Frauen das auch dürfen? Ehrlich gesagt, wäre mir Promiskuität recht schnurz (die Menschen können fast alles tun, solange es nicht zu Pflicht für alle wird) - aber diese Selbstzerstörung ist eine andere Sache.

Soghaft zu lesen, verstörend, es bleibt die Frage, warum dieser Text.
Und was machen wir jetzt damit? Sprachlich 5 Sterne, wie auch ihr anderer Roman „Dann schlaf auch du“. Den hatte ich mit 4 Sternen bewertet. Das hier ist für mich inhaltlich deutlich schwächer, also 3 ½ Sterne. Kein Wohlfühlbuch, aber ideal für eine Leserunde.

Veröffentlicht am 29.03.2019

Countdown

Siebenschön
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Ein Mann wird auf einem Hochsitz erschossen, eine „Schwarze Witwe“ wird freigesprochen von der Anklage wegen Mordes an ihrem Ehemann und erbt 4 ½ Millionen Euro, ein Uhrmacher hat Angst, wenn die Post ...

Ein Mann wird auf einem Hochsitz erschossen, eine „Schwarze Witwe“ wird freigesprochen von der Anklage wegen Mordes an ihrem Ehemann und erbt 4 ½ Millionen Euro, ein Uhrmacher hat Angst, wenn die Post kommt, eine Psychologin wacht gefesselt auf. Als Christina Höffgen einen merkwürdigen Brief bekommt mit der Aufforderung, Jennifer zu retten, da Theo versagt habe, macht ihr das ein ungutes Gefühl. Schließlich entscheiden sie und ihr Mann sich, zu der angegebenen Adresse zu fahren, und finden eine Leiche.

Dieses ist der erste Fall für das Ermittlerinnen-Duo Emilia Capelli, 28jährige Deutsch-Italienerin, und Mai Zhou, 26jährige Tochter eines Chinesen und einer Deutschen. Die beiden werden als Partner wider Willen in der Frankfurter Abteilung für Kapitaldelikte der Zentralen Kriminaldirektion zusammengeworfen, vor allem, was die Einstellung von „Em“ dazu angeht, nachdem ihr bisheriger Partner in Erziehungsurlaub gegangen ist, was er nach ihrer Meinung nur bereuen kann: „Aber wenn das Ding erst mal zahnt …“ pos 314 Das "Ding"...

Das Gezicke unter Frauen, das ja genau das ist, was besagte Em an der Zusammenarbeit mit Frauen ablehnt, wird von ihr selbst in ganz großem Stil betrieben – mich nervte das gehörig (auch wenn das unter Frauen leider oft realistisch ist). Ob das ein Mann lesen könnte?? Entsprechend war ich zuerst etwas zögernd: die Spannung empfand ich als wirklich gut geschrieben, bei der Auflösung der Tatumstände fühlte ich mich ertappt („das hätte ich mir auch gedacht haben können“), es gibt wirklich einiges an eingearbeitetem Hintergrundwissen, Profiling, Kinderreime, Gefangenendilemma, viel Frankfurter Lokalkolorit, … aber das Gezicke war penetrant. Zum Glück wurde das, und ab der zweiten Hälfte lies sich das richtig gut lesen. Insgesamt ein solider Krimi – aber wer bombardiert mich mit immer neuen Reihen? Fairness sieht anders aus. 3 1/2 Sterne.