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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2020

Eine außergewöhnlich gute Analystin und der Fall ihres Lebens

Wassertöchter
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Emma Carow ist Fallanalystin beim LKA Berlin. Sie ist Teil einer kleinen Spezialtruppe, die den einzelnen Abteilungen des Landeskriminalamts zuarbeitet, manchmal sind sie aber auch irgendwie mittendrin. ...

Emma Carow ist Fallanalystin beim LKA Berlin. Sie ist Teil einer kleinen Spezialtruppe, die den einzelnen Abteilungen des Landeskriminalamts zuarbeitet, manchmal sind sie aber auch irgendwie mittendrin. Und diesesmal ist es Emma ganz persönlich, die als treibende Kraft in einem Fall agiert, der ganz nah dran ist an ihr selbst und dem, was die junge Frau vor zehn Jahren hat erleben müssen. Sie wurde drei Tage vergewaltigt und gequält und eigentlich hätte sie dieses Märtyrium gar nicht überleben dürfen. Ihr Vergewaltiger zumindest hatte geplant, es auf jeden Fall 'zuende zu bringen'. Aber sie hat es geschafft und Uwe Marquardt, der Dämon, der sie in den letzten 10 Jahren in ihren Gedanken, ihren Träumen und in ihrem eigentlich nie normalen Leben begleitet hat, wurde gefasst und verurteilt. Seit drei Jahren nun ist er wieder da, hat ein Buch geschrieben, über seine Tat, hat Talkshows besucht und dort um Verzeihung gebeten, an Emma gerichtet und er fungiert als prominentes, von einer bestimmten Sorte Mensch auch bewundertes und angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Eines Tages dann findet man eine tote Frau, deren Verletzungen sehr an die Emmas erinnern und alles ist wieder da, so unendlich nah, und das, wo Emma doch gerade das erste Mal wieder so etwas wie Glück fühlen kann in ihrer so verwundeten Seele. Und als Marquardt sich auch noch der Polizei anbietet, zu helfen in diesem Fall und gar forciert, mit Emma zusammen zu arbeiten, ist sie sich sicher, Uwe Marquardt selbst steckt hinter all dem. Und wenn er die Taten von anderen ausführen lässt. Im Manipulieren war er ja schon immer ein Meister.
Dies ist ein absolut packender Thriller mit einem großen Anteil an spannender Ermittlungsarbeit, einer absolut präsenten starken Hauptfigur Emma Carow und einer authentischen, sehr nah und echten Kollegenschaft, die ihr bestes gibt, um an Emmas Seite diesen Fall, den Fall ihres eigenen Lebens, zu einem guten Ende zu bringen. Und dann der Schluss, wenn einem erst mit den letzten Sätzen des Romans richtig bewußt wird, es ist tatsächlich vorbei.
Ein starkes Buch!

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Veröffentlicht am 10.05.2020

Das Schicksal einer Familie im System des geteilten Deutschlands – Die Töchter sind dran

Margos Töchter
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Margo und ihr Mann Henri leben in der BRD, zu einer Zeit, in der es noch zwei Deutschland gibt. Sie ist berufstätig, in den 1960er Jahren von der Gesellschaft eher negativ gesehen, und sie hat eine Tochter, ...

Margo und ihr Mann Henri leben in der BRD, zu einer Zeit, in der es noch zwei Deutschland gibt. Sie ist berufstätig, in den 1960er Jahren von der Gesellschaft eher negativ gesehen, und sie hat eine Tochter, Leonore. Diese wächst somit in einer eher ungewöhnlichen Familienkonstellation auf. Die Mutter ist beruflich nahezu ununterbrochen gefordert. Der Vater, ein Richter, der zu einem großen Teil zuhause arbeiten kann, kocht, kümmert sich um den Garten und versorgt das Kind. Leo rebelliert früh, ohne das es die Eltern wirklich wahrnehmen, geht nach London in der Zeit der freien Liebe, studiert dann in Frankfurt und stellt ihren Eltern irgendwann einen Mann vor. Dort, in ihrem ehemaligen Elternhaus, ist gerade, wie sie überrascht feststellt, eine junge Frau und ihre kleine Tochter Jana zu Besuch. Die Frau nennt sich Gisela und wurde von der BRD aus Ostdeutschland freigekauft, aus dem Gefängnis. Am nächsten Tag ist diese Gisela dann verschwunden und das Kind hat sie zurückgelassen. Leo heiratet ihren Alexander und die beiden adoptieren das Mädchen. Was wir dann hier lesen, ist die 'Geschichte der Töchter', zweier Frauen, die von Familie und jeweiligem politischem System geprägt, dafür einstehend oder sich auch dagegen auflehnend, ihren Weg gehen oder besser gesagt, versuchen, das ihnen aufgebürdete Schicksal zu meistern.
All die Menschen, die sich dabei rechts und links des Weges einbinden in diese Leben, sind Teil einer hautnah und packend geschaffenen Echtzeit, mal sehr unmittelbar in den innersten Beziehungsbereich hinein, mal als politische und berufliche Beigaben in der Auseinandersetzung und dem Abarbeiten an dem System des zweigeteilten Deutschlands und dem Kurs des kalten Kriegs in einem sehr festgefahrenen Ost-West-Gefüge.
Mich hat dieses Buch wirklich umgehauen und ganz schön mitgenommen dazu. Die Prägnanz und Authentizität der Schilderung dieser als aktuelle Geschichte zu bezeichnenden Zeit, die Detailgenauigkeit im kleinen und dann auch im großen politischen Handeln, festgemacht an einer Handvoll Personen, die sehr eng und manchmal doch so weit voneinander entfernt, hier ihr Leben durchschreiten, das hat mich wirklich gepackt. Hier stimmt einfach alles, auch in den Feinheiten dazwischen, egal ob linksgerichtete Zeitungsredaktion oder Abhängigkeitskonstellation im Stasisystem zwischen Führungsoffizier und staatstreuem weiblichem Agent. Nie hätte ich gedacht, das dieses Buch einen solch herausragenden und packenden Roman zur deutsch-deutschen Geschichte in sich trägt. Also ich kann 'Margos Töchter' absolut empfehlen, auch oder gerade für Leser, die sich bisher noch eher wenig in die neuere deutsche Geschichte vertieft haben und für die dies alles z.B. aufgrund ihres jüngeren Alters nie persönlich relevant und wirklich nah war.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Ein junger Mann im Geflecht von Familie und Leben und er ist wichtiger als er denkt

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Charlie ist ein junger Mann und er hat einen Plan. Er möchte einen großen Roman schreiben und dafür hat er eine Zivildienststelle auf einem einsamen Leuchtturm ergattert, mit Vögelzählen und viel Zeit. ...

Charlie ist ein junger Mann und er hat einen Plan. Er möchte einen großen Roman schreiben und dafür hat er eine Zivildienststelle auf einem einsamen Leuchtturm ergattert, mit Vögelzählen und viel Zeit. Aber bis dahin lebt sich sein Leben so vor sich. Er kümmert sich irgendwie um alles, leise und selbstverständlich. Denn sein Vater ist ein recht verpeilter Musiker, der eigentlich dauernd in seinem Keller sitzt und an den Nummern für die nächste Tour mit seinem Partner Stucki bastelt. Und dann gibt es da seine kleine Schwester Fritzi, die über eine absolute Inselbegabung verfügt, Bücher lesen im Akkord und nicht eine Zeile davon jemals vergessen. Die Mutter, Rita, ist meistens nicht 'anwesend', höchstens mal für ein paar Tage, um sich dann erneut aufzumachen, zu neuen Erfolgen als Kultregisseurin an irgendeinem Theater. Es gibt auch noch Großeltern mütterlicher und väterlicherseits, leider nicht mehr ganz vollzählig, aus sehr verschiedenen Gründen und eine Freundin in Mexico, mit der er als Junge einmal einen schönen Kindersommer verbracht hat. Jetzt erzählen sich die beiden, Maryra und er, seit vielen Jahren gegenseitig ihr Leben über den großen Teich hinweg, per Videokassette. Freunde und Feinde und irgendwas dazwischen gibt es auch noch eine Menge in dem ganzen Gewirr. Ach ja, arbeiten geht Charlie natürlich auch arbeiten, in einer Werbeagentur und das durchaus erfolgreich. Das dabei verdiente Geld fließt, ganz klar, ins heimische Familiennest, denn Telefon und Strom sind zwischendrin durchaus auch mal abgestellt, weil Vater Dito es wieder mal vergessen hat oder vielleicht auch gerade nicht so richtig Geld da war, um die Rechnung zu bezahlen. Was solls! Und so ganz nebenbei, man sollte nicht vergessen, Charlie hat ein schwaches Herz, was niemanden so wirklich interessiert und auch er selbst kommt damit ganz gut zurecht, bis die Geschichte dann so richtig Fahrt aufnimmt und das dann Charlie das ein oder andere Mal doch so richtig umhaut. Er stirbt so im Laufe der Zeit nicht nur (fast) einen Tod, denn das krasse Auf und Ab der Gefühle ist ja bekanntlich gar nicht gut für dieses Organ.
Ich fand diesen Debütroman, der den Hamburger Förderpreis bekommen hat, richtig gut. Geradezu ein Debütwerk ist das, was der Autor Sebastian Stuerz da vorlegt. Eigentlich geht es nur um ganz normale Dinge, die halt so passieren in einer vielleicht schon etwas 'vielfältigen' Familie. Und trotzdem wird es einem nicht eine Minute langweilig auf diesem Trip durch die über 700 Seiten lange Geschichte. Ganz zum Schluß hat man mal kurz Sorge, das es den Autor mit seiner Erzählung aus der letzten sehr scharfen Kurve trägt, aber er schafft es dann doch noch, das Steuer der Realität herumzureißen und straight on punktgenau im Ziel zu landen.
Ein ganz tolles Buch. Sehr zu empfehlen.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

Der Krieg ist aus, doch in all seinem Elend noch ganz nah und das Verbrechen lebt

Pandora
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1948 im zerbombten Nachkriegsberlin mit einer hungernden Bevölkerung, Unterkünften, die man den Häuserruinen abtrotzt und dem einzigen Ziel aller, zu überleben, obwohl das Grauen des Krieges in den Gedanken ...

1948 im zerbombten Nachkriegsberlin mit einer hungernden Bevölkerung, Unterkünften, die man den Häuserruinen abtrotzt und dem einzigen Ziel aller, zu überleben, obwohl das Grauen des Krieges in den Gedanken jedes Einzelnen eingebrannt und noch so nah ist, hier werden Strukturen geschaffen, um wieder auf ein 'normales Leben' hinzusteuern und dazu gehört auch die Kriminalpolizei. Gerade aus der sich immer mehr abschirmenden Ostzone herüber in den Westen gewechselt, nimmt Kriminalkommissar Stein seinen Dienst auf. Und er trifft, auf einen cholerischen Chef, der ihn sofort wieder los werden will, da Steins Vater ist ein hohes Tier im Polizeiapparat der russischen Zone ist, und einen Kollegen, der dabei mithelfen soll und dazu noch in den eigenen Kriegserlebnissen und der Sucht nach der Panzerschokolade, Pervitin, gefangen ist. Das alles macht das Ermitteln nicht leicht und gleich am ersten Tag findet Stein eine Akte auf seinem Schreibtisch, die eigentlich auf Anweisung vom Chef schon längst abgeschlossen ist und ihn somit gar nichts angehen sollte. Dazu kommt, gerade an seinem ersten Arbeitstag verliert ein Kriegsgewinnler und Verschieber, im und nach dem Krieg, und jetziger Bordellbesitzer mit Publikum aus besten Kreisen, sein Leben, per Schuss in den Rücken und seinem Namen mit rotem Kopierstift zwischen den Schultern. Und somit hat Stein seinen ersten Fall und die Ermittlung zu diesem und vielleicht auch noch einem zweiten Verbrechen können beginnen.
Bei diesem Kriminalroman passt einfach alles. Das Flair stimmt, die Personen kommen sehr authentisch rüber, egal ob sie nun zu den Guten oder den Bösen gehören und die Geschichte ist immer 'richtig dynamisch unterwegs' und wirklich spannend Dazu kommen sehr sympathische Ermittler, die nicht nur fähig sind, sondern einen auch mit ihren Fehlern und ihrem Erlebenshintergrund überzeugen.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen. Sehr reale authentische Krimiunterhaltung mit 'Kriminalern', die man gerne bald wieder erleben würde. Einen Band 2 wird es, so verrät es die letzte Seite, wird es auf jeden Fall bald geben.

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Veröffentlicht am 24.03.2020

Ein poetischer Sommer, der Geist und Körper eines Jungen erwachen und erblühen lässt

Offene See
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Robert ist 16 und gerade mit der Schule fertig. Er lebt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands. Der zweite Weltkrieg ist gerade zu Ende und wenn dieser Sommer vorüber ist, wird der Junge, ...

Robert ist 16 und gerade mit der Schule fertig. Er lebt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands. Der zweite Weltkrieg ist gerade zu Ende und wenn dieser Sommer vorüber ist, wird der Junge, genauso wie die vorherigen Generationen seiner Familie, in die Dunkelheit und Enge des Bergs 'einzufahren'. Robert graut davor, denn er liebt das Licht und die Natur und das Gefühl von Freiheit, das für ihn damit verbunden ist. Aber die Kraft, sich seinem vorgegebenen Schicksal zu widersetzen, bringt er, zumindest zu diesem Zeitpunkt, noch nicht auf. Und so macht er sich auf Richtung Küste. Wenigstens einmal in seinem Leben will er heraus aus seinem beengten kleinen Kosmos und ein ganz kleines Stückchen sehen, von dieser herrlichen aufregenden Welt. Auf seinem Weg klopft er an viele Türen, und die Menschen dahinter haben immer ein paar Stunden Arbeit für ihn und versorgen ihn im Gegenzug mit den paar kargen Lebensmitteln, die sie erübrigen können. Eines Tages dann landet er durch einen Zufall vor dem Cottage einer sehr imposanten älteren Frau, Dulcie mit Namen, die ihn zum Essen einlädt und da er sich revanchieren will, mäht er ihre verwilderte Wiese am Haus. Aus diesem einen Tag wird ein ganzer Sommer, in dem Robert das kleine Nebengebäude auf Dulcies Grundstück wieder aus seinem halbverrotteten Schlaf erweckt. Und Dulcie, diese hochgebildete, weitgereiste, weltmännische und ganz innen von einer tiefen Kram belastete Frau tut auch etwas für ihn. Sie reißt seine enge Denkwelt auf, führt ihn ein in die Literatur und die besondere Faszination der Lyrik und zeigt ihm, das man ein Recht hat, die vorgegebenen Konventionen und erdrückenden Erwartungen der Menschen, in deren Umfeld man lebt, aufzubrechen und sein ganz eigenes glückliches Leben zu leben.
Dieses Buch ist von einer wunderbar poetisch dargebotenen Beschreibung der Natur geprägt, von einer sensiblen Beobachtungsgabe für die Menschen und das, was ist und was vielleicht kommen wird. Und mitten darin erleben wir zwei Menschen, die sich zufällig finden und gegenseitig retten, für ein langes Leben auf Roberts Seite und ein etwas kürzeres auf Seiten von Dulcie, der Dame mit dem großen Hut.
Ein literarisches Kleinod, dass ich sehr empfehlen kann.

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