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Veröffentlicht am 31.03.2020

Witzig, skurril und spannend

Wenn die Alpen Trauer tragen
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Mitzi ist eine etwas besondere junge Frau. Eine Tragödie in ihrer Kindheit hat sie geprägt und ihr ein Leben voller Schuldgefühle beschert. Vielleicht interessiert sie sich deshalb so für die Schicksale ...

Mitzi ist eine etwas besondere junge Frau. Eine Tragödie in ihrer Kindheit hat sie geprägt und ihr ein Leben voller Schuldgefühle beschert. Vielleicht interessiert sie sich deshalb so für die Schicksale anderer Menschen. Ein Zeitungsartikel über eine alte Dame, die einen Enkeltrick-Betrüger überlistete, veranlasst sie den Kontakt mit ihr herzustellen. Doch kurz nach der Begegnung kommt die Frau bei einem Brand ums Leben und es scheint sich um Brandstiftung zu handeln. Mitzi beginnt nun auf ihre ganz eigentümliche Art zu ermitteln. Hilfe, wenn auch anfangs nur etwas widerwillig bekommt sie von Inspektorin Agnes Kirschnagel, der Mitzis Gespür für Mord schon einmal bei einem Fall half. (Die Alpen sehen und sterben)

Agnes und Mitzi ergeben schon ein eigenwilliges Ermittlergespann und dabei bleiben einige humorvolle, manchmal sogar skurrile Szenen nicht aus. Das macht besonders viel Spaß beim Lesen. Zwar werden findige Krimileser schon bald auf die richtige Spur kommen, aber der Plot birgt noch einige trickreiche Wendungen und so bleibt die Spannung erhalten.

Ganz besonders Mitzis Aktionen haben mir beim Lesen manchmal Herzklopfen beschert, denn sie stürzt sich recht spontan in gefährliche Situationen. Aber sie scheint einen Schutzengel zu haben. Nicht zuletzt auch einen realen in der Person von Inspektorin Agnes Kirschnagel, die schließlich Mitzi und ihren Hang zu eigenen Ermittlungen kennt.

Isabella Archans Krimis gefallen mir durch ihren Schreibstil sehr. Es die Mischung aus Humor, Sprachwitz und Figurenzeichnung die ihre Geschichten so originell und unverwechselbar machen. Liebenswert finde ich auch, dass manche Figuren aus anderen Büchern einen kleinen Gastauftritt bekommen.

Der Krimi spielt in großen Teilen in der Wachau, Melk und Krems bilden einen landschaftlich schönen Hintergrund. Auch wenn Agnes Kirschnagels Dienstelle in Kufstein ist und Mitzi in Salzburg wohnt, spielen die Alpen keine besondere Rolle. Deshalb fand ich den Titel nicht ganz passend zum Inhalt. Allerdings passt er zum ersten Band der Reihe und soll wohl die Verbindung herstellen.

Ganz zum Schluss kommen auch die Leckermäuler auf ihre Kosten. In einem Krimi aus der Wachau dürfen die Marillen nicht fehlen und so gibt es noch ein Rezept für Marillenknödel im Anhang.

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Veröffentlicht am 25.03.2020

Eine Kindheit

Rosie
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Ich kenne und schätze Rose Tremain als Romanautorin. In ihrem neuen Buch erzählt sie die Geschichte ihrer Kindheit. Es ist eine autobiografische Erzählung, sie verdichtet ihre eigenen Erinnerungen zu einem ...

Ich kenne und schätze Rose Tremain als Romanautorin. In ihrem neuen Buch erzählt sie die Geschichte ihrer Kindheit. Es ist eine autobiografische Erzählung, sie verdichtet ihre eigenen Erinnerungen zu einem eindringlichen Bild einer exemplarischen Kindheit in der englischen oberen Mittelschicht. Auch wenn der Krieg viele Einschnitte brachte, lebte man wohlhabend und sorgenfrei. Die Sommer verbrachte Rosie – so wurde sie als Kind genannt – auf dem Anwesen ihrer Großeltern. Da fehlte es zwar auch an menschlicher Nähe, aber das Haus Linkenholt bot Geborgenheit und gleichzeitig Freiheit.
In London spürte sie noch stärker die Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit ihrer Eltern. Ihre einzige Bezugsperson und Vertraute war ihre Nanny, so wünschte sie sich oft, dass Nanny ihre Mutter wäre. Sehr schnell wurde sie und ihre Schwester in ein Internat geschickt, Fluch und Segen zugleich, weil sie dort anfangs noch einsamer war, aber durch ein, zwei engagierte Lehrerinnen gefordert und angeleitet wurde und so die ersten Schritte zu ihrem späteren Lebenswerk machen sollte.
Die Kindheitserinnerungen sind leicht, manchmal humorvoll, aber doch sehr eindringlich erzählt. Ich spürte die Verlassenheit von Rose, die sich an die wenigen Zeichen von Zuneigung ihrer Eltern klammerte. Der Untertitel „Szenen aus einem verschwunden Leben“ weist schon auf die manchmal anekdotische Erzählweise hin und sicher veränderten sich ihre Erinnerungen im Laufe ihres Erwachsenenlebens. Sie reflektiert ihre Kindheit und kann ohne Verbitterung und ausgesprochenen Schuldzuweisungen zurückblicken.
Es bleibt für den Leser aber der Eindruck einer lieblosen Erwachsenenwelt, die sie umgab. Die Kinder wurden wohlgenährt und gut gekleidet, aber blieben ansonsten eher ein Störfaktor im gesellschaftlichen Leben der Eltern. Das erklärt sich auch durch die eigenen Kindheitserfahrungen der Mutter, die nie Liebe erfuhr und die deshalb auch ihren eigenen Töchtern nicht weitergeben konnte.
Ganz besonders interessant fand ich, dass aus ihren kindlichen Begegnungen und Erfahrungen auch schon der Grundstock an Figuren ihrer späteren Romane gelegt wurde. Sie weist in Fußnoten auch immer wieder darauf hin. Ihre Erinnerungen enden mit dem Beginn ihres Studiums an der Sorbonne und markieren damit auch die endgültige Lösung vom Elternhaus.
Sehr gut gefallen haben mir auch die Familienfotos, die diese Erinnerungen abrunden. Dass die Autorin das Buch ihrer Nanny Vera Sturt widmet, zeigt wie wichtig ihr diese einzige Vertraute ihrer Kindheit war.
Wieder ein Buch von Rose Tremain, das mir ausgesprochen gut gefallen hat. Sie kann einfach wunderbar schreiben.

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Veröffentlicht am 07.03.2020

Holland Krimi

Mord auf Vlieland
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Ihre neue Dienststelle in Friesland soll auch ein Neuanfang für die Kommissarin Griet Gerritsen werden. Allerdings wird sie nicht mit offenen Armen empfangen. Sie gilt als eigenwillig und teamunfähig und ...

Ihre neue Dienststelle in Friesland soll auch ein Neuanfang für die Kommissarin Griet Gerritsen werden. Allerdings wird sie nicht mit offenen Armen empfangen. Sie gilt als eigenwillig und teamunfähig und einer ihrer Alleingänge kostete auch einem Kollegen und Freund das Leben. Das hat Griet aus der Bahn geworfen.


Als auf Vlieland die Leiche des bekannten Hoteliers Vincent Bakker angespült wird, hat sie ihren ersten Fall. Zusammen mit den zugeteilten Kollegen, einer jungen, übereifrigen Anfängerin und dem „Pfannkuchenmann“, einem Mitarbeiter, der schon lange den Schreibtisch nicht mehr verlassen hat und mehr Wert auf regelmäßige Mahlzeiten als auf Fahndungserfolge legt, soll sie ermitteln.

Für Griet wird dieser Fall zur Bewährungsprobe.

Die Insel Vlieland als Schauplatz für einen Debütkrimi hat mich sofort angesprochen und Jan Jacobs schafft es mit Leichtigkeit die Atmosphäre einzufangen. Die friesische Provinz mit ihren Eigenheiten und Eigenbrötlern ist eine tolle Kulisse. Das Flair wird noch durch eingestreute niederländische Ausdrücke verstärkt.

Seine Figuren hat Jan Jacobs vielschichtig angelegt, die privaten Probleme von Griet wirken nicht überzogen, sondern sind wichtig für ihre Entwicklung und ihre Entscheidungen. Deshalb gehören sie auch zu den Ermittlungen und runden ihre Charakterzeichnung ab. Das gilt auch für die beiden Kollegen im Team.

Auch wenn es Griet nicht leicht hat, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, merkt sie schon bald, dass Vincent Bakker auch eine umstrittene Figur ist. Nicht jeder Bewohner ist mit seinen Expansionsplänen einverstanden gewesen und er hatte viele Feinde. Besonders in der Familie gibt es Spannungen. Gut, dass Griet mit Henk van der Waal einen sympathischen Ortspolizisten zur Seite hat.

Mir hat der Auftakt zu der neuen Serie sehr gut gefallen, er lässt auch Raum für die weitere Entwicklung der Figuren und ich bin schon gespannt, wie Griet an neue Fälle herangehen wird.

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Veröffentlicht am 01.03.2020

King of Fulalu

Das kann uns keiner nehmen
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Der Erzähler reist nach gut 20 Jahren noch einmal nach Afrika um den Kilimandscharo zu besteigen. Er hat noch eine Rechnung offen, seine erste Reise endete in einem Desaster, das auch seine Beziehung zu ...

Der Erzähler reist nach gut 20 Jahren noch einmal nach Afrika um den Kilimandscharo zu besteigen. Er hat noch eine Rechnung offen, seine erste Reise endete in einem Desaster, das auch seine Beziehung zu Mara zerstörte. Er will dieses Kapitel abschließen und es stört ihn gewaltig, dass er bei seiner geplanten Übernachtung im Krater nicht allein ist. Ein Zelt ist bereits aufgebaut und er lernt Tscharli kennen. Einen ausgemergelten Bayer, laut, prollig und unangenehm. Ein Schneesturm schweißt die beiden Reisenden wider Willen aneinander und Hans, ein gebildeter, polyglotter Hamburger, von Tscharli stets nur als „Hornbrillenwürschtl“ oder wegen seines Tuches „Windelhans“ genannt, setzt seine Reise mit ihm fort.

Die gemeinsame Woche wird beide Männer verändern, vielleicht sogar eine Freundschaft entstehen lassen…..

Beide Reisegefährten haben eine tragische, zerbrochene Liebesgeschichte im Rucksack und die zwei abwesenden Frauen sind in Gedanken und Gesprächen im Hintergrund präsent. Tscharli ist – neben seinem exzessiven Alkoholgenuss - gesundheitlich schwer angeschlagen und Hans merkt bald, dass er der Begleiter auf einer letzten Reise ist, die Tscharli noch einmal nach Daressalam und in seine Vergangenheit führt.

Politycki hat einen unnachahmlichen Erzählstil. Die Geschichte dieser beiden so unterschiedlichen Männer ist einfach wunderbar erzählt. Der afrikanische Hintergrund sehr aktuell und kenntnisreich in Szene gesetzt. Ganz allmählich machte ich als Leserin die gleiche Wandlung wie Hans durch. Meine Abneigung gegen Tscharli wandelte sich allmählich in Empathie zur Sympathie. Wenn er in seinem Bayrisch-Suaheli Pidgin redet, sich Hans voll Peinlichkeit windet und zu seinem großen Erstaunen merkt, wieviel Respekt, ja Freundschaft Tscharli von den Einheimischen entgegengebracht wird, hat das auch großen Unterhaltungwert.

Ich habe die Reise mit Spannung verfolgt und bin manchmal zwischen Abscheu und Sympathie hin und her gerissen gewesen, aber immer hat mich der Autor voll in seinen erzählerischen Bann geschlagen. Es war mein erstes Buch dieses Autors und es wird sicher nicht mein letzter Text von ihm sein.

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Veröffentlicht am 18.02.2020

Ländliche Abgründe

Oberschwaben Krimi / Mord im Dörfle
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Kommissar Tobias Wellmann ist aus Stuttgart zurück in die Provinz Dienststelle in Oberschwaben. Nicht ganz freiwillig, wie wir bald erfahren. Drogen und Medikamentenmissbrauch waren der Grund. Wellmann ...

Kommissar Tobias Wellmann ist aus Stuttgart zurück in die Provinz Dienststelle in Oberschwaben. Nicht ganz freiwillig, wie wir bald erfahren. Drogen und Medikamentenmissbrauch waren der Grund. Wellmann hat eigentlich nie den Tod seiner ersten Liebe verwunden.

Jetzt kurz vor einem Winterurlaub wird er von Kollegin Linda zu einem Leichenfundort gerufen, ein jugendliches Liebespaar hat gemeinsam Suizid begangen. So jedenfalls der erste Augenschein, aber Lindas Gefühl sagt etwas anderes. Für Tobias ist der Fundort ein Schock, denn genau hier hat sich auch vor mehr als 20 Jahren seine Freundin das Leben genommen. Aber trotz des Schocks und des ersten Augenscheins muss er Linda Recht geben. Irgendetwas ist faul an der Sache – wenn er nur den Gedanken fassen könnte.

Erste Spuren zeigen, dass es im beschaulichen Oberschwaben wohl seit einiger Zeit ein Drogen Hotspot gibt, aber auch Ereignisse aus der Vergangenheit scheinen eine Rolle zu spielen.

Ein Dorf im Fasnachtsfieber. Die alemannische Fasnacht ist am Höhepunkt. Gruppen mit ihren traditionellen Masken nehmen an den Umzügen teil und an den Straßen stehen die Zuschauer dichtgedrängt. In dieser dörflichen Gemeinschaft wirken Mord und Drogen fast unvorstellbar. Dieser Gegensatz macht einen großen Reiz bei diesem regionalen Krimi aus. Ermittlerarbeit und Spurensuche werden immer wieder von dörflichen Szenen in Mundart aufgelockert. Tobias Wellmann als Hauptfigur ist ein vielschichtiger gezeichneter Charakter. Seine Vergangenheit lässt ihn nicht los und auch seine Ehe ist daran gescheitert. Trotzdem überlagern die privaten Probleme nicht Handlung des Krimis. Sie sind ein unverzichtbarer Teil der Geschichte und machen den Plot besonders interessant.

Mit Jana und Robert, den beiden toten Jugendlichen wird eine immer wieder aufgegriffene Verbindung zu Shakespeares Romeo und Julia gezogen und letztendlich auch die Lösung des Falls angeschoben.

Aber ganz besonders gefallen hat mir, wie die Honoratioren des Dorfes dargestellt werden. Biedere Ehrenmänner, in der Gesellschaft verwurzelt, aber nicht immer halten sie einem genaueren Blick stand. Ein kleines Detail am Rande: es ist letztendlich die oft zitierte schwäbische Sparsamkeit die ein entscheidendes Indiz liefert.

Der Kriminalroman von Matthias Ernst hat mir sehr gefallen, ich habe wirklich kaum aufhören können zu lesen, so sehr hat mich die Geschichte gepackt. Ein wirklich gelungener Regio-Krimi aus dem Emons Verlag und ich werde den Autor im Auge behalten. Vielleicht darf Tobias Wellmann weiter ermitteln.

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