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Veröffentlicht am 27.03.2020

Glückauf!

Ein Traum vom Glück
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1951 Essen. Katharina lebt mit ihren beiden Töchtern Inge und Bärbel seit ihrer Flucht aus Berlin bei ihrer Schwiegermutter Mine in Essen. Während Mine noch immer an die Rückkehr ihres Sohnes glaubt, ist ...

1951 Essen. Katharina lebt mit ihren beiden Töchtern Inge und Bärbel seit ihrer Flucht aus Berlin bei ihrer Schwiegermutter Mine in Essen. Während Mine noch immer an die Rückkehr ihres Sohnes glaubt, ist Katharina vom Tod ihres Mannes Karl überzeugt. Die Nachkriegszeit verlangt der Bevölkerung eines ab, die zurückgekehrten Männer steigen in die Minen hinab, um Kohle zu schürfen, während die Frauen sich um die Familie und die Nahrungsbeschaffung kümmern. Katharina näht die schönsten Kleider für die Frauen, die es sich leisten können und träumt insgeheim von einem eigenen Atelier und ein gutes Auskommen für sich und ihre Mädchen. Eines Tages steht Mines Enkel Johannes als Kriegsrückkehrer vor der Tür und wird sofort in den Frauenhaushalt aufgenommen, wo er sich nicht nur um viele Neuerungen und Reparaturen im Haushalt kümmert, sondern auch bald Katharinas Herz und das ihrer Töchter erobert. Während die beiden glauben, ihre Liebe geheim halten zu können, kommt ihnen Mine schon bald auf die Schliche…
Eva Völler hat mit „Ein Traum vom Glück“ den ersten Teil ihrer „Ruhrpott-Saga“ einen furiosen Auftaktband vorgelegt, der nicht nur durch eine wunderbar-flüssige und bildliche Erzählweise besticht, sondern den Leser von Beginn an als unsichtbaren Gast in die Geschichte mit einbezieht. Spannend wie gefühlvoll lässt die Autorin die schwierige Nachkriegszeit und die Arbeit in den Kohleminen ebenso wieder aufleben wie die vorsichtige Hoffnung auf bessere Zeiten nach all den Entbehrungen der Nachkriegszeit oder die sich nun bahnbrechenden Kriegstraumata der Heimkehrer. Nicht nur die historische Hintergrundrecherche ist hier hervorzuheben, auch der vereinzelt in den Dialogen vorkommende Ruhrpott-Slang ist authentisch und spiegelt die damalige Bevölkerung gut wieder. Wer selbst aus dem Ruhrgebiet stammt, findet vieles aus der eigenen Kindheit wieder, Erinnerungen an die erste Kirmes, in der Not angelegte Gemüsegärten, eingekochte Marmelade, Pfannkuchen und so manches Leibgericht steigen hoch und vermitteln ein Gefühl von geliebter Heimat. Auch das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Kumpels sowie der Bevölkerung wird wunderbar dargestellt, aber auch die Tratscherei und die Verdrängung von Schuld in der Nazizeit finden Erwähnung. Mit einem Knall entlässt die Autorin den Leser aus der Geschichte und macht ihn geradezu süchtig auf den zweiten Teil.
Lebendige Charaktere sind liebevoll inszeniert und spiegeln eine Bevölkerung wieder, die der Leser aus Erzählungen oder eigener Erfahrung kennt und sich gut mit ihnen identifizieren kann aufgrund ihrer Authentizität. Hier fällt es leicht, mit den Protagonisten auf Tuchfüllung zu gehen und mit ihnen zu bangen, zu hoffen und zu fiebern. Katharina ist eine eher zurückhaltende und hart arbeitende Frau, die aber einen Vulkan in sich birgt, der kurz vor dem Ausbruch zu stehen scheint. Sie ist fleißig, mitfühlend und hungert nach einem besseren Leben. Schwiegermutter Mine ist nicht unbedingt die Geselligste, allerdings hat sie für alle ein offenes Ohr und besitzt zudem den siebten Sinn. Praktisch veranlagt, bringt sie ihre Lieben alle durch eine schwere Zeit und zeigt zwischendurch immer wieder, wie groß ihr Herz eigentlich ist. Der vom Krieg traumatisierte Johannes ist ein Multitalent, fleißig und mit dem nötigen Einfühlungsvermögen gesegnet. Katharinas Freunde Stan und Hanna sind immer ein sicherer Hafen, um sich abzulenken oder etwas zu unternehmen. Katharinas Töchter Inge und Bärbel sind grundverschieden, aber in der Not halten sie zusammen. Aber auch Elfriede, Hagemann, Karl oder Clemens spielen eine große Rolle in diesem Epos und halten die Spannung auf hohem Niveau.
„Ein Traum vom Glück“ ist ein Buch, das den Leser mitten ins Herz trifft. Es berührt, macht atemlos und lässt alte Erinnerungen an die Oberfläche kommen. Die Autorin hat mit ihrer Geschichte genau den richtigen Mix aus Nostalgie, Drama, Liebe, Familiengeschichte und dem Hunger nach Leben gefunden, den sie äußerst spannend und mit viel Fingerspitzengefühl präsentiert und den Leser nach Mehr lechzen lässt, während sie ihm einen Ritt auf dem Gefühlsbarometer spendiert. Wunderbar erzählt und jede Minute wert, Chapeau – besser geht es nicht!

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Paris ist immer eine Reise wert

Sommerzauber in Paris
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Zur Feier ihrer Silberhochzeit plant Grace für sich und ihren Mann einen romantischen Sommertrip nach Paris. Aber dann fällt ihre heile Welt von einem Moment auf den anderen in tausend Scherben, denn ihr ...

Zur Feier ihrer Silberhochzeit plant Grace für sich und ihren Mann einen romantischen Sommertrip nach Paris. Aber dann fällt ihre heile Welt von einem Moment auf den anderen in tausend Scherben, denn ihr Mann David möchte sich von ihr trennen, um fortan mit seiner Affäre zusammen zu sein. Um die Contenance zu wahren und sich abzulenken, macht sich Grace allein auf die gebuchte Reise nach Paris, wo sie schon bald die Engländerin Audrey kennenlernt, die ohne jegliche Französischkenntnisse in einem Buchladen jobbt. Audrey lebt mehr oder weniger von der Hand in den Mund, ist wegen Liebeskummer nach Frankreich gekommen und hat noch keinen Plan, wie es weitergehen soll. Zwischen den beiden recht unterschiedlichen Frauen entsteht aufgrund ihrer Nachbarschaft nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern es entwickelt sich eine wunderbare Freundschaft, während sie den Pariser Sommer gemeinsam erleben…
Sarah Morgan hat mit „Sommerzauber in Paris“ erneut ihr Talent bewiesen, einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman mit viel Charme und Witz zu erzählen, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und einen abenteuerlichen Sommer mit den beiden Frauen in der berühmten Stadt der Liebe erleben darf. Der locker-leichte und gefühlvolle Erzählstil ist mit einigem Humor gespickt und lässt die Geschichte nicht nur besonders kurzweilig vor dem inneren Auge des Lesers vorbeiziehen, sondern sorgt mit einigen getroffenen Entscheidungen auch für manchen AHA-Effekt. Der Leser fühlt sich während der Handlung nicht nur dabei nicht nur als unsichtbarer Zuschauer, sondern darf den beiden Frauen mitten in Herz und Seele schauen und erfahren, was sie bewegt und welches Resümee sie für sich und ihr weiteres Leben ziehen. Gleichzeitig bringt die Autorin dem Leser die Stadt Paris mit vielen bildhaften Beschreibungen so nah, dass man die wunderschöne Metropole direkt vor Augen hat, durch die Straßen wandelt und sich der zauberhaften Atmosphäre dieser Stadt nicht entziehen kann.
Den Charakteren wurde liebevoll Leben eingehaucht, sie versprühen Authentizität und Glaubwürdigkeit, die den Leser schnell für sie einnehmen und sich ihnen verbunden fühlen lässt. Grace ist eine Frau, die nichts dem Zufall überlässt. Sie ist gut strukturiert, hält nichts von Überraschungen und geht immer auf Nummer sicher. Den Schlag, den ihr Mann ihr versetzt, steckt sie nach außen bemerkenswert weg, aber innerlich ist sie völlig verunsichert und weiß nicht, wie es weitergehen soll. Audrey ist wesentlich jünger als Grace und hat sich wegen Liebeskummer ohne Plan aus England nach Paris geflüchtet. Sie hangelt sich von einem Moment zum anderen, ist aber mutig genug, sich ohne Sprachkenntnisse einen Job in einem Buchladen zu suchen, wobei sie als Legasthenikerin noch zusätzliche Probleme hat. Sowohl Grace als auch Audrey scheinen sich gesucht und gefunden zu haben. Die eine hat mehr Lebenserfahrung, die andere ist ungewollt mutig. Beide Frauen wachsen in diesem Sommer nicht nur sehr eng zusammen, sondern profitieren auch von der jeweils anderen. Die Entwicklung ist wunderschön zu beobachten, am Ende wirken beide irgendwie gereift und zuversichtlicher in Hinblick auf ihr zukünftiges Leben.
„Sommerzauber in Paris“ bringt den Leser nicht nur auf gefühlvolle und unterhaltsame Weise in die wunderschöne französische Metropole, sondern gibt ihm einen Platz in der ersten Reihe, um die Entwicklung einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft mitzuerleben. Ein Buch für Herz und Gemüt, unbedingt lesen!

Veröffentlicht am 25.03.2020

„Eine Frau, die sich verführen lässt, kapituliert vor sich selbst, nicht vor dem Mann.“ (Carola Neher)

Die Königin von Berlin
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Carola Neher wuchs in der rheinland-pfälzischen Provinz auf und ihr Leben scheint vorgezeichnet zu sein. Doch Carola rebelliert gegen die an sie gestellten Anforderungen aus der Familie und macht sich ...

Carola Neher wuchs in der rheinland-pfälzischen Provinz auf und ihr Leben scheint vorgezeichnet zu sein. Doch Carola rebelliert gegen die an sie gestellten Anforderungen aus der Familie und macht sich nach ein paar kleineren Engagements in der Provinz Anfang der 1920er Jahre auf nach Berlin, wo sie als Schauspielerin und Sängerin am Theater Erfolg haben möchte. Doch auch in Berlin macht sie erst einmal eine Durststrecke durch, bis sie den berühmten Autor Bertold Brecht kennenlernt, der sie schon bald zu seiner Muse und Geliebten macht, ihr zu Ruhm und Ansehen verhilft und in dessen „Dreigroschenoper“ er sie unsterblich machen will. Neher jedoch hat Brecht schnell durchschaut, der sich nimmt, was er kriegen kann und nicht gemacht ist für eine dauerhafte Beziehung. Stattdessen findet sie in dem feingeistigen Dichter Klabund ihre Liebe und heiratet ihn. Die Premiere der Dreigroschenoper wird sie nicht bestreiten, denn sie eilt nach Davos in die Schweiz, wo ihr Mann an Tuberkulose stirbt…
Charlotte Roth hat mit „Die Königin von Berlin“ wieder einmal ihr großartiges Können in die Waagschale geworfen, um Carola Neher, die bekannteste Theaterkünstlerin der Weimarer Republik, wieder lebendig werden zu lassen. Fesselnd und gefühlvoll zugleich lässt sie den Leser in das vergangene Jahrhundert abtauchen, um eine außergewöhnliche Frau kennenzulernen, die für die Dinge kämpft, die sie liebt und ihr Leben in vollen Zügen auskostet. Roth hält sich sehr eng an die Autobiographie Nehers, doch drückt sie ihrer Geschichte mit ihrer besonderen Art, sie zu erzählen, und einer gelungenen fiktiven Mischung ihren ganz eigenen Stempel auf. Nicht nur Nehers Werdegang wurde akribisch recherchiert, sondern auch ihre Weggefährten, Liebschaften und zeitgenössische Künstler, die ihren Weg kreuzten. Gleichzeitig gelingt es ihr, den Leser in die Welt des Theaters zu entführen, wo er nicht als Zuschauer, sondern eher als Statist fungiert, der sich mit Neher eine Bühne teilt und sie bei ihrem Spiel beobachtet. Auch das damalige Lebensgefühl projiziert Roth einmalig, bringt die 20er Jahre wieder in die Gegenwart zurück und erlaubt einen Streifzug durchs Berlin der damaligen Zeit. Farbenprächtig und bildgewaltig wirkt die Geschichte wie ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann, wobei auch die unterschiedlich gewählten Perspektiven dies forcieren.
Roth lässt viele berühmte Persönlichkeiten wieder lebendig werden, damit der Leser sie in Aktion verfolgen und ihnen nachspüren kann. Carola Neher ist eine Frau mit eisernem Willen, Disziplin, Stärke und vor allem Mut, denn sie wagt sich aus einer biederen Welt hinaus ins Rampenlicht. Sie setzt auf Risiko, um ihren Traum zu leben. Carola ist nicht auf den Mund gefallen und recht selbstbewusst, was ihr einiges an Respekt einbringt. Brecht ist ein selbstverliebter und vor allem von sich selbst überzeugter Egomane und Frauenheld, der sich nicht anbinden lässt. Aber er ist auch eine künstlerische Größe, dem das Theater noch heute einiges zu verdanken hat. Klabund oder besser Alfred Henschke ist ein feingeistiger und sensibler Mann, der eher unscheinbar im Hintergrund bleibt. Aber auch Lion Feuchtwanger, Elisabeth Bergner, Kurt Weill oder Hermann Scherchen bereichern die Geschichte mit ihren Auftritten.
„Die Königin von Berlin“ ist eine Homage an eine in Vergessenheit geratene faszinierende und talentierte Künstlerin, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts die Theaterwelt auf den Kopf stellte. Lebendig, authentisch und jede Zeile wert. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.03.2020

"Das Leben ist kurz. Nimm dir Zeit für Meer." (Anne Barns)

Kirschkuchen am Meer
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Marie hat nicht geglaubt, dass die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters Enno sie so sehr aus der Bahn werfen würde, schließlich hat sie ihn vor 3 Jahren zuletzt gesehen und der Kontakt zu ihm war ...

Marie hat nicht geglaubt, dass die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Vaters Enno sie so sehr aus der Bahn werfen würde, schließlich hat sie ihn vor 3 Jahren zuletzt gesehen und der Kontakt zu ihm war in den letzten 18 Jahren eher spärlich, seit er ihre Mutter, sie und ihre ältere Schwester Lena wegen der unerträglichen Ilonka verlassen hat. Nun kann Marie nur noch bei der Beerdigung von ihm Abschied nehmen. So reist sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Oma nach Hooksiel, um der Seebestattung beizuwohnen, da ihre hochschwangere Schwester Lena dazu nicht mehr in der Lage ist. An der Anlegestelle des Trauerschiffes treffen die drei Frauen nicht nur auf die verhasste Ilonka und deren Sohn Hannes, sondern Marie fällt auch eine abseits stehende weinende Frau mit roten Haaren auf, von der sie später über den Kapitän eine Tasche erhält, in der sich allerlei Erinnerungen finden. Bevor Marie die Frau ansprechen kann, ist diese spurlos verschwunden. Doch Marie will unbedingt herausfinden, welche Bedeutung sie für Enno gehabt hat und beginnt Nachforschungen anzustellen…
Mit „Kirschkuchen am Meer“ hat Anne Barns wieder einen Volltreffer gelandet, denn der Roman lebt nicht nur von einem flüssig-leichten und gefühlvollen Erzählstil, sondern nimmt den Leser mit auf eine emotionale Reise, bei der sich im Verlauf nicht nur so einige Geheimnisse an die Oberfläche wagen, sondern der Leser während der Lektüre auch einen Augen- und Gaumenschmaus besonderer Art erleben darf. Mit farbenfrohen Beschreibungen entführt die Autorin den Leser an die Nordsee, erst auf die Insel Norderney und dann nach Juist, wobei sie nicht nur jede Menge Meeresbrise und Wellenglitzern versprüht, sondern auch die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander und zu den Inselbewohnern wunderbar in Szene setzt. Vor allem Marie und ihre Familie halten wie ein Knoten zusammen, da passt kein Blatt Papier dazwischen und hilft so manches Unheil zu umschiffen oder zu bekämpfen. Das aufzuspürende Geheimnis wird nach und nach ebenso aufgedeckt wie so manche Entscheidung, die unterbewusst schon lange schwelte und sich nun Bahn bricht. Und neben der Handlung mit herrlichem Wohlfühlcharakter sind es die Köstlichkeiten, die die Autorin wieder einmal auf den imaginären Tisch zaubert, sei es warmer Hefezopf, Käsekuchen mit salziger Karamellsauce oder aber auch das Kirschkompott aus dem Backofen. Der Magen knurrt und die Seele seufzt ob der Leckereien, die im Anhang mit Rezepten Gott-sei-Dank zum Nachmachen anregen.
Liebevoll zum Einsatz gebrachte sympathische Charaktere wachsen dem Leser gleich ans Herz, denn ihre menschlichen und realistischen Züge erinnern an alte Freunde, die man gern um sich hat. So wird der Leser schnell zum Teil des Gespanns um Marie und ist erpicht darauf, nicht nur Geheimnisse zu lüften, sondern auch wichtige Entscheidungen mitzuerleben. Die knapp 30.jährige Marie ist offen, ehrlich und freundlich. Sie arbeitet als Drogistin, doch ihre wahre Passion ist das Backen. Das Zusammenleben mit Freund Marc ist auch nicht mehr das Optimum. Schwester Lena ist Maries engste Vertraute, aber sie hat auch ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter und Großmutter. Auf Ilonka passt der Ausdruck Hexe genau, denn sie ist eiskalt und berechnend, ihr Sohn Hannes steht ihr da in nichts nach. Matthias und Stephan schleichen sich nicht nur mit ihrer Kaffeerösterei in Maries Herz, sondern schweben mit ihr auf der gleichen Wellenlänge. Aber auch Frau Visser, Merle, Jutta oder der Kapitän des Trauerschiffs sind einen tieferen Blick wert, sind ihre Auftritte doch entscheidend für den Handlungsverlauf.
„Kirschkuchen am Meer“ überzeugt mit viel Inselflair, Familiensinn, Wohlfühlatmosphäre und das Gefühl, mittendrin statt nur dabei zu sein. Anne Barns weiß genau, wie sie ihre Leser glücklich machen kann. Absolute Leseempfehlung für einen Kurzurlaub nicht nur der kulinarischen Art!

Veröffentlicht am 23.03.2020

Geheimnisse kommen ans Licht

Das Herz des Ozeans
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1915. Während des ersten Weltkrieges begleitet Caroline Telfair Hochstetter ihren Ehemann auf eine Geschäftsreise auf der RMS Lusitania von New York nach London, um dort einen bisher unbekannte Strauß-Walzer ...

1915. Während des ersten Weltkrieges begleitet Caroline Telfair Hochstetter ihren Ehemann auf eine Geschäftsreise auf der RMS Lusitania von New York nach London, um dort einen bisher unbekannte Strauß-Walzer meistbietend zu verkaufen. Auch die aus ärmlichsten Verhältnissen stammende Tess Fairweather macht die Überfahrt gemeinsam mit ihrer Schwester, allerdings planen sie einen größeren Diebstahl, der vor allem Tess den Neustart in England ermöglichen soll. An Bord des Schiffes treffen sowohl Caroline als auch Tess auf Robert Langford, der einst Carolines Jugendliebe war und Tess nun den Kopf verdreht. Das Schicksal aller drei wird sich mit dieser Reise dramatisch verändern. Knapp 100 Jahre später im Jahr 2013 deckt die New Yorker Schriftstellerin Sarah Blake mit Hilfe von alten Dokumenten und der Unterstützung des adligen John Langford auf, welche Beziehung ihr Urgroßvater zu Robert Langford hatte und welches Geheimnis sie verband…
Das Autorinnentrio Beatriz Williams, Karen White und Lauren Willig hat mit „Das Herz des Ozeans“ einen wunderschönen und unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt. Der flüssige und gefühlvolle Erzählstil ist geprägt von einer vielen Bildern und nimmt den Leser schnell mit in die Handlung hinein, wo er anhand von wechselnden Perspektiven nicht nur alle Protagonistinnen sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt genau kennenlernt, sondern sich auch anhand von unterschiedlichen Zeitebenen mal in der Gegenwart bei der Recherche, mal in der Vergangenheit an Bord der Lusitania befindet, um die Ereignisse hautnah mitzuerleben, während der erste Weltkrieg tobt. Sehr geschickt haben die drei Autorinnen Fiktion mit wahren historischen Begebenheiten gemischt, was die Handlung absolut glaubwürdig und real erscheinen lässt. Sehr authentisch werden die unterschiedlichen Klassen und die Menschen auf dem Schiff beschrieben, aber auch der Schiffsuntergang war spannend inszeniert. Überhaupt war die Handlung durchweg mit einem höheren Spannungslevel durchzogen, so dass dem Leser die Seiten regelrecht um die Ohren flogen, um atemlos den Protagonisten und ihrem Lebensweg zu folgen.
Die Charaktere sind wunderbar in Szene gesetzt und überzeugen mit ihren individuellen Eigenschaften von Beginn an. Lebendig und glaubwürdig schleichen sie sich in das Herz des Lesers, der ihren Spuren aufgeregt folgt und mit ihnen fühlt, bangt und hofft. Sarah ist eine ehrgeizige Frau, die händeringend neuen Stoff für ein Buch braucht. Sie besitzt eine gesunde Neugier und die richtige Spürnase. Caroline ist eine Südstaatenschönheit aus wohlhabendem Hause, die sich das Leben mit ihrem Ehemann anders vorgestellt hat. Tess entstammt ärmlichsten Verhältnissen und bewegt sich schon seit Jahren am Rande der Legalität, obwohl sie sich damit gar nicht wohlfühlt. Sie ist schlagfertig und gewitzt, besitzt aber auch ein Gewissen, das ihr im Wege steht. Robert Langford ist ein Charmeur, aber ebenso intelligent und nicht auf den Mund gefallen. John Langford ist ein Politiker, der sich vor der Presse versteckt. Er hat einen trockenen Humor und fängt schnell Feuer für Sarahs Geschichte. Auch die zahlreichen Nebendarsteller bereichern die Geschichte mit ihren Episoden und machen sie rundum gelungen.
„Das Herz des Ozeans“ ist eine wundervolle Lektüre voller Spannung, Romantik, Dramatik und Tragik- Der Roman reißt von der ersten Zeile an mit und überzeugt mit einem tollen Setting und einer durchweg schlüssigen Geschichte. Ein toller Schmöker, den man nicht aus der Hand legen mag. Absolute Leseempfehlung!