Profilbild von Girdin

Girdin

Lesejury Star
offline

Girdin ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Girdin über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.04.2020

Roman über eine folgenschwere Schwindelei und die Schwierigkeit, sie richtig zu stellen

Das Beste kommt noch
0

In seinem Debütroman „Das Beste kommt noch“ thematisiert der Engländer Richard Roper die Einsamkeit im Alter, oft verbunden mit Altersarmut, auf eine besondere Art und Weise. Dazu nutzt er die Figur seines ...

In seinem Debütroman „Das Beste kommt noch“ thematisiert der Engländer Richard Roper die Einsamkeit im Alter, oft verbunden mit Altersarmut, auf eine besondere Art und Weise. Dazu nutzt er die Figur seines Protagonisten Andrew Smith, der Nachlassverwalter bei der Stadtverwaltung in London ist. Damit verbunden hat er eine Geschichte über die weitreichenden Folgen einer Flunkerei von Andrew. Nach einigen Jahren in einer gedanklichen Parallelwelt wartet eventuell, nach Bekennen seiner Lüge, ein Neuanfang auf Andrew, bei dem in seinem Leben vieles sich zum Besseren ändern könnte. So richtig will er aber nicht daran glauben.

Andrew ist 42 Jahre alt und Single. Er wohnt schon sehr lange allein in einer kleinen Wohnung. Alle drei Monate ruft seine ältere Schwester an, das ist sein einziger Bezug zur Familie. Nachdem seine letzte Arbeitsstelle wegrationalisiert wurde hat er sich bei der Stadtverwaltung im Nachlassamt beworben. Leider ist ihm dabei ein Missgeschick unterlaufen und durch eine Fügung hat er seinem Chef von einer Ehefrau, zwei Kindern und einem Haus, das die Familie bewohnt, erzählt. Nie war der richtige Zeitpunkt gekommen, um das richtig zu stellen. Jetzt plant sein Chef eine neue teambildende Maßnahme, bei der nacheinander jeder seine Kollegen nach Hause zu einem Essen einladen soll. Bald schon wird Andrew an der Reihe sein. Doch inzwischen wird das Team durch eine neue Kollegin, mit einer Frisur wie sie auf dem Cover abgebildet ist, ergänzt und er versteht sich von Beginn an bestens mit ich. Es entwickelt sich zwischen ihnen mehr wie eine berufliche Beziehung. Aber beide sind nach eigenen Angaben glücklich verheiratet …

Zu Andrews Aufgaben gehört es, die Wohnung der Verstorbenen nach Hinweisen auf Bezugspersonen und finanzielle Mittel zur Begleichung der Beerdigungskosten zu suchen. Er versieht seine Arbeit mit viel Respekt für die Toten und erscheint daher auch zu deren Begräbnis, zu dem sonst meist nur der Pfarrer anwesend ist. Die Einsamkeit, in der die Gestorbenen lebten, kann er aufgrund seiner eigenen Lebensweise gut nachvollziehen und fühlt sich ihnen dadurch auf gewisse Art verbunden. Der Gedanke, dass er sich irgendwann in einer ähnlichen Situation befinden wird, ist ihm nah. Damit er in Kontakt mit anderen die richtigen Gesten und Worte findet, beobachtet er andere sehr genau, versucht sich in die Betrachteten einzufühlen und merkt sich deren Verhalten, so dass er meist ein angenehmer Gesprächspartner ist.

Richard Roper schreibt ohne Sentimentalität über einen Umstand unserer heutigen Gesellschaft, bei der viele Senioren sehr zurückgezogen leben und ihr Tod lange Zeit unbemerkt bleibt. Die Geschichte ist bewegend, die dabei aufkommende Traurigkeit wird aber von den teils amüsanten Schilderungen der Begebenheiten rund um Andrew übertönt, die vor allem dadurch entstehen, dass er so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit über sein Privatleben reden möchte.

Schon nach kurzer Zeit wurde mir als Leser deutlich, dass etwas in der Vergangenheit von Andrew geschehen sein muss, dass auf ihn verstörend gewesen ist. Die seltenen Anrufe seiner Schwester und seine fehlende Initiative, selbst anzurufen oder sie zu treffen, warfen Fragen auf, genauso wie seine Reaktion auf einen ganz bestimmten Song. Erst im Laufe der Zeit entstand das Bild eines Menschen, der mehrfach in seinem Leben beängstigende Erlebnisse hatte und nun versucht weitere Verletzungen seiner Gefühle zu vermeiden. Schließlich erklärte sich dadurch auch seine Lüge beim Vorstellungsgespräch. Als sich zwischen Peggy und ihm eine starke Zuneigung entwickelt, begann ich Mitleid mit ihm zu haben und hoffte für ihn auf eine Lösung für sein Dilemma.

Richard Roper erzählt mit viel Einfühlungsvermögen in seinem Roman „Das Beste kommt noch“ von einer folgenschweren Schwindelei und der Schwierigkeit sie richtig zu stellen. Dabei verknüpft er den Beruf seines Protagonisten Andrews mit einem Blick auf das Alleinsein im Alter und stimmt dadurch nachdenklich. Aufgrund einiger aufheiternder Szenengestaltungen ist die Erzählung berührend, aber nicht bedrückend. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.03.2020

Der zweite Fall für Pellegrini von der Polizia di Stato Como - noch besser als der erste

Der tote Carabiniere
0

„Der tote Carabiniere“ ist der zweite Fall für Marco Pellegrini von der Polizia di Stato von Como in Italien im gleichnamigen Kriminalroman des deutschen Autors Dino Minardi. Er spielt etwa fünf Monate ...

„Der tote Carabiniere“ ist der zweite Fall für Marco Pellegrini von der Polizia di Stato von Como in Italien im gleichnamigen Kriminalroman des deutschen Autors Dino Minardi. Er spielt etwa fünf Monate nach den Ereignissen des ersten Teils, dessen Kenntnis man für das Lesen nicht unbedingt benötigt, es allerdings das Lesevergnügen steigert. Einen Blick über den Comer See und die schöne Landschaft, in der die Handlung angesiedelt ist, bietet das Cover. Der Titel deutet bereits auf das geschehene und aufzuklärende Verbrechen hin. Doch Pellegrini ist nicht mit den Ermittlungen beauftragt.

Marco Pellegrini wohnt in Brunate, einem Ort unweit von Como entfernt, auf einer Anhöhe gelegen. Um zu seinem Dienstsitz zu gelangen, nimmt er fast immer die Funiculare, die Standseilbahn, die eines morgens abrupt stoppt. Ursache dafür ist der Körper eines Toten, der die Gleise blockiert. Pellegrini kennt den Verstorbenen, es ist ein örtlicher Carabiniere mit dem er bisher regelmäßig einen Kaffee getrunken hat. In Italien gibt es zwei Polizeiorgane, daher ergibt es sich, dass Pellegrini nicht mit den Ermittlungen betraut wird, sondern die Aufklärung des Falls von den Carabinieri übernommen wird. Aber es kann ihm keiner verbieten, mit den Einheimischen über den Fall zu reden und dabei auf Hinweise zu achten.

Pellegrini ist als Sohn eines örtlichen Hoteliers im Dorf bekannt, beliebt und in die Dorfgemeinschaft integriert. Man vertraut einander und hilft sich auch mal gegenseitig. Daher ist es umso unfassbarer, dass einer von ihnen unter so tragischen Umständen ums Leben gekommen ist. Dino Minardi verbirgt den Täter geschickt und legt mehrere Fährten aus zu Tatverdächtigen, so dass der Krimi bis zum Ende spannend bleibt.

Der Autor führte mich an sehenswerte Orte in und um Como und ließ mich seine eigene Begeisterung für diese Gegend spüren. Gerne hätte ich mich manchmal mit den Figuren zu Tisch gesetzt und die angebotenen Speisen gekostet. Die Handlungen seiner Charaktere beschreibt er authentisch, so dass ich mir die Szenarien gut vorstellen konnte. Auch das Privatleben von Pellegrini kommt nicht zu kurz. Gerade weil er diesmal nicht selbst ermittelt, erlebte ich ihn umso häufiger in privaten Kontakten. Zwar verhält er sich nicht immer vorbildlich, doch das macht ihn umso sympathischer.

„Der tote Carabiniere“ von Dino Minardi hält durchgehend seine Spannungskurve. Es hat mir insgesamt noch etwas besser gefallen als der erste Fall. Gerne empfehle ich das Buch daher an alle weiter, die gerne Krimis lesen.

Veröffentlicht am 27.03.2020

Wirklichkeitsnahe Gestaltung mit Witz und Drama

Hin und nicht weg
0

Der Roman „Hin und nicht weg“ von Lisa Keil ist die Fortsetzung ihres Debüts „Bleib doch, wo ich bin“. Zum Lesen benötigt man aber keine Vorkenntnisse des ersten Teils, bei dem Kaya und Lasse im Mittelpunkt ...

Der Roman „Hin und nicht weg“ von Lisa Keil ist die Fortsetzung ihres Debüts „Bleib doch, wo ich bin“. Zum Lesen benötigt man aber keine Vorkenntnisse des ersten Teils, bei dem Kaya und Lasse im Mittelpunkt standen. Diesmal fokussiert die Erzählung auf Rob, Kayas bestem Freund von Kindertagen an und Anabel, einer Cousine von Lasse. Wieder spielt die Geschichte im fiktiven Neuberg, ländlich gelegen und etwa zwei Stunden von Köln entfernt.

Rob und Anabel lernen sich auf der Hochzeit von Kaya und Lasse kennen. Rob ist Tierarzt und hat vor einigen Jahren die Praxis seines verstorbenen Vaters übernommen. In Berlin hat Anabel einige Zeit in einer Wohngemeinschaft gelebt und als Kellnerin gejobt. Davon kann sie allerdings nicht leben und es reicht auch nicht aus, um ihre Schulden beim Vater zurückzuzahlen. Es kommt ihr daher gerade recht, vertretungsweise als Praxishilfe bei Rob einzuspringen. Immer wieder müssen die beiden beruflich neue Situationen meistern und kommen sich dabei näher. Aber vielleicht bildet Anabel, die im kleinen Neuberg mit ihren lila gefärbten Haaren, ihrem Piercing und ihren bunten Tattoos auffällt, sich das nur ein und Rob wird auf ewig seiner verflossenen Liebe Kaya nachhängen …

Mit Anabel und Rob hat Lisa Keil zwei gegensätzliche Charaktere geschaffen. Während Anabel nicht nur äußerlich auffällt, sondern auch selbstbewusst wirkt, punktet Rob mit seinem guten Aussehen und seiner liebenswerten Art. Er ist in Neuberg bekannt für seine Hilfs- und seiner beinahe ständigen Einsatzbereitschaft. Die lebenslustige Anabel verdeutlicht ihm, dass er zu wenig an seine eigenen Bedürfnisse denkt. Anabel weiß, wovon sie spricht, denn in dieser Hinsicht hat sie selbst eigene Erfahrungen gemacht. Beiden gemeinsam sind ihre Probleme zu den Eltern beziehungsweise zur Mutter, zu denen man im Laufe der Zeit mehr erfährt.

Lisa Keil gelingt eine realistische Ausgestaltung ihres Romans. Ihre Charaktere sind wandelbar. Man spürt ihre Freude am Schreiben vor allem in den Situationen, in denen sie aus dem Alltag des Tierarztes erzählt, in denen sie ihre eigenen Erfahrungen aus diesem Beruf einfließen lässt. Auch ihre Begeisterung für das ländliche Leben spiegelt sich in ihrer Erzählung. Der Grundton der Geschichte ist heiter, aber dennoch geraten die beiden Protagonisten in manch heikle Verwicklungen, die auch mich als Leser berührten. Die Kapitel wechseln mit einer Ausnahme zwischen Rob und Anabel als Ich-Erzähler, so dass ich ihre Gedankengänge sehr gut nachvollziehen konnte. Durch einige unvorhersehbaren Ereignissen ist der Roman abwechslungsreich gestaltet.

Die wirklichkeitsnahe Gestaltung der Figuren und Handlungen, angereichert mit Witz und Drama trägt dazu bei, dass die romantische Liebeskomödie „Hin und nicht weg“ von Lisa Keil für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Gerne vergebe ich daher eine Leseempfehlung und freue mich auf die Fortsetzung im nächsten Jahr.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.03.2020

Ungewöhnliches Plädoyer für die Selbstbestimmung der Frauen in Nigeria

Meine Schwester, die Serienmörderin
0

Der Debütroman „Meine Schwester, die Serienmörderin“ der in Nigeria geborenen Autorin Oyinkan Braithwaite spielt in ihrer Heimat. Die Geschwister Korede und Ayoola sind junge Frauen, die in Lagos leben. ...

Der Debütroman „Meine Schwester, die Serienmörderin“ der in Nigeria geborenen Autorin Oyinkan Braithwaite spielt in ihrer Heimat. Die Geschwister Korede und Ayoola sind junge Frauen, die in Lagos leben. Während die ältere von ihnen, Korede, als Krankenschwester arbeitet, entwirft Ayoola von zu Hause aus eine Modelinie, die sie selber schneidert und in den Sozialen Medien präsentiert. Die beiden sind auch vom Äußeren her sehr unterschiedlich, Korede ist einen Kopf größer als ihre Schwester und ihre Haut ist dunkler. Ayoola fällt allgemein durch ihre Schönheit auf.

Eines Tages erhält Korede einen Anruf ihrer Schwester in dem diese ihr lapidar mitteilt, dass sie ihren derzeitigen Freund umgebracht hat. Nach drei Morden zählt jemand als Serienmörder, wie Korede als Ich-Erzählerin der Geschichte mir als Leserin mitteilt und ich konnte es kaum glauben, aber genau das ist jetzt der Fall. Wer dazu zählt, bleibt zunächst verborgen, doch es ist nicht der erste Freund, den Ayoola umgebracht hat. Korede eilt Ayoola zu Hilfe, denn sie weiß am besten, wie man alle Spuren und die Leiche beseitigt.

Am Anfang wusste ich nicht, wie ich das Verhalten beurteilen sollte, denn immerhin handelt es sich um schwere Straftaten, die die beiden Schwestern vertuschen möchten. Korede erscheint über das neue Verbrechen von Ayoola kaum entsetzt, sondern macht sich eher Gedanken dazu, wie sie weiteren Delikten vorbeugen kann. Brisant wird die Situation, als Ayoola sich in den Arzt Tade auf der Station verliebt, auf der Korede arbeitet. Korede ist eifersüchtig, aber sie fühlt sich auch dem allgemeinen Verständnis verpflichtet, als ältere Schwester für die jüngere verantwortlich zu sein. Die Frage steht im Raum, ob es Korede gelingen wird, die Beziehung zwischen Ayoola und Tade zu beenden.

Die Geschichte ist bitterböse. Zunächst wirkte es auf mich, als ob Korede einfach ihrer beschützenden Rolle nachkommt. Ich glaubte, sie würde aus Solidarität alles für Ayoola tun. Korede schildert die Umstände eher schicksalergebenen und kann der Situation dennoch etwas Aufhellendes abgewinnen. Erst nach und nach, jedoch beständig erfuhr ich die Hintergründe, nicht nur für ihre Stimmungslage, sondern vor allem, warum Ayoola so schnell ihren Partnern gegenüber zu ihrer eigenen Verteidigung mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bereit ist.

In Nebenhandlungen, durch einige Rückblicke und der Schilderung des Alltags ihrer Protagonistinnen, gewährte Oyinkan Braithwaite mir kulturelle Einblicke. Die Schwestern sind aus gut betuchtem Haus und rebellieren auf ihre eigene Art gegen das patriarchale gesellschaftliche System. Ihre Handlungen wurden für mich dadurch verständlicher, obwohl sie natürlich verwerflich sind. Die Geschichte bleibt durch eine unerwartete Wendung spannend bis zum Schluss.

Oyinkan Braithwaite hat in ihrem Roman „Meine Schwester, die Serienmörderin“ verschiedene Genres ungewöhnlich miteinander gemixt. Während ich als Leser darauf gespannt wartete, ob man der Mörderin auf die Schliche kommt, plädierte die Autorin in geschickt gesetzten Schilderungen von misslichen Handlungen für die Selbstbestimmung der Frauen in ihrer Heimat. Dem Roman kommt ein hoher Lesegenuss zu und darum empfehle ich ihn gerne weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.03.2020

Von Schein und Sein und der Flüchtigkeit der Dinge

Da sind wir
0

Im Roman „Da sind wir“ des Engländers Graham Swift wird die 25-jährige Revuetänzerin und Protagonistin Evie White von zwei Männern geliebt. Einer von ihnen ist Jack Robinson, 28 Jahre alt und bereits eine ...

Im Roman „Da sind wir“ des Engländers Graham Swift wird die 25-jährige Revuetänzerin und Protagonistin Evie White von zwei Männern geliebt. Einer von ihnen ist Jack Robinson, 28 Jahre alt und bereits eine Saison lang als Conférencier im Theater auf dem Brighton Palace Pier erfolgreich. Sein gleichaltriger Freund Ronnie Deane, den er beim Militärdienst kennengelernt hat, interessiert sich schon seit seiner Kindheit für die Zauberei, ist bei der Ausübung seiner Künste aber weniger erfolgsverwöhnt. Bei seinen Auftritten nennt er sich „Pablo“ wie der Papagei, der ihm einmal sehr nahe war und den er vermisst.

Jack bietet ihm eine Shownummer im aktuellen Programm unter der Bedingung an, dass er mit einer Assistentin auftritt. Ronnie und Evie lernen sich beim Vorstellungsgespräch kennen. Die gemeinsamen Proben bringen sie einander näher. Während das Publikum immer begeisterter von den Auftritten des Paars ist, beginnen Evie und Jack während einer Abwesenheit von Ronnie eine Liebesbeziehung.

Die Haupthandlung spielt Ende der 1950er. Die langen Schatten des Krieges sind verblasst, Kleinkunst und Kino erfreuen sich großer Beliebtheit. Im Seebad Brighton vergnügen sich die Menschen und genießen die entspannte Atmosphäre. Einen besonderen Anziehungspunkt bildet das auf einem der Piers gelegene Theater. Während man auf der Bühne von Gesang, Zauberei, Tanz und Akrobatik mit viel Glitzer und Glanz verwöhnt wird, atmet der Gast vor und nach seinem Besuch die Seeluft ein und hört das Rauschen des Meeres. Gleiches konnte ich bei meinem Aufenthalt vor einiger Zeit auch erfahren. Leider gibt es das Theater heute nicht mehr, aber ebendort bieten sich einige andere Vergnügungen an.

Während ich als Leser wenig über die Kindheit von Jack und Evie erfahren konnte, folgte ich Ronnie zu einer für ihn entscheidenden Zeit Anfang der 1940er Jahre. Damals erlebte er eine ganz andere Seite von Familie und Erziehung als die, in der er heranwuchs. Diese Zeit hat sein Denken und Handeln nachhaltig geprägt. Der Ausspruch „Da bin ich“ oder auch „Da sind wir“, den er damals oft gehört hat, vermittelte ihm, dass Glück möglich, aber auch flüchtig ist. Das hat ihn geerdet und nicht nur durch seine Zauberkunst weiß er, dass nicht immer alles, was man zu sehen glaubt, der Realität entspricht. Gleichzeitig hat er es geschafft, einen seiner Träume zu leben und Evie ergänzt nicht nur seine Auftritte, sondern er wünscht sie sich an seiner Seite zur Verwirklichung eines weiteren. Bis er erkennt, was wirklich wichtig ist im Leben.

Im Buch „Da sind wir“ erzählt Graham Swift von Schein und Sein und der Flüchtigkeit der Dinge, von glanzvollen Bühnenauftritten und der Zeit jenseits der öffentlichen Bewunderung, in dem die Maskerade abgelegt wird und die Alltagsrollen eingenommen werden. Sein einfühlsam geschriebener Roman verknüpft heitere und tragische Momente, die zeigen, wie schmerzlich und freudig Leben ist. Gerne empfehle ich den Roman weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere