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Veröffentlicht am 11.04.2020

Wie wir lernen und wie besser nicht mehr

Speed Learning
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Sven Franks Sachbuch Speedlearning knöpft sich auf kaum mehr als 200 Seiten sowohl die Mängel des Bildungssystems vor, führt theoretisch und praktisch an alternative Lernmethoden heran und bleibt dabei ...

Sven Franks Sachbuch Speedlearning knöpft sich auf kaum mehr als 200 Seiten sowohl die Mängel des Bildungssystems vor, führt theoretisch und praktisch an alternative Lernmethoden heran und bleibt dabei erfrischend klar zu lesen.

In nur 10 Wochen ein Instrument oder eine Sprache lernen oder sich einen ganz anderen Wissensbereich erschließen. Was waghalsig und schwer vorstellbar klingt, zerlegt Frank in seinem Buch Speedlearning in einzelne Schritte, die plötzlich gar nicht mehr so unbewältigbar erscheinen.

Dafür holt er den Leser bei der Art zu lernen ab, die ihm aus der Schule, dem Studium oder anderen Lebensbereichen bekannt ist – und führt anhand lerntheoretischer Annahmen deren Schwächen vor. Mehrere Stunden am Tag ein Fach nach dem anderen lernen, obwohl das Gehirn doch bereits nach 20 Minuten Aufnahme am Stück wieder zu überschreiben beginnt – nicht bei Frank. Seine in Speedlearning beschriebene und gelehrte Technik nimmt eben solche Prozesse des Lernens ernst und baut sich auf dem Wissen über Lern- und Vergessensprozessen auf.

Die Methoden, auf die er dabei zurückgreift, sind zum Teil modern, zum Teil alt bewährt. So greift er beispielsweise als erste konkrete Mnemotechnik eine Methode auf, die auf die Antike zurückgeht und Zahlen Bilder zuteilt. Nur die verwendeten Bilder sind zum Teil an die Neuzeit angepasst.

Obwohl Frank erst nach 100 Seiten zum Übungsteil übergeht und sich davor mit der Theorie auseinandersetzt, lässt er immer wieder Beispiele aus seiner Berufserfahrung einfließen. Dem Leser bleibt zu wünschen, dass sich dieser Theorieteil an die 20 Minuten-Einheiten des Speedlearnings halten würde, jedoch stellt der eigenständige Transfer wohl bereits den ersten Übungsschritt dar und tut dem Buch somit keinen Abbruch.

Obwohl 10 Wochen ein ehrgeiziges Ziel zu sein scheinen, um etwas so komplexes wie eine neue Sprache zu lernen, versucht Frank ein realistisches Bild dessen aufzuzeigen, was dies für den Lernenden bedeutet. Er bricht das zu Lernende auf das Wesentliche herunter, das nötig ist, um sich in einem Wissensbereich zurechtzufinden und konzentriert sich darauf. Dabei ist vor allem der Grund, warum man etwas lernen möchte im Auge zu behalten, um sich für diesen Zeitraum gegen etwaige Probleme und Ablenkungen zu wappnen: Die fünf ‚Apokalyptischen Reitern‘, wie Frank sie nennt.

Sven Franks Speedlearning rüttelt an all jenen Methoden, durch die der durchschnittliche Leser bisher sein Wissen erworben hat. Wer bereit ist, sich auf neue Lerntechniken einzulassen und seine bisherige Art zu lernen zu hinterfragen, dem kann Speedlearning wärmstens empfohlen werden.


Rezension erstmals erschienen auf LizzyNet

Veröffentlicht am 11.04.2020

Gedichte aus den Jahren 1942–1967

Liebe: Dunkler Erdteil
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Es dauerte nach dem Tod von Ingeborg Bachmann im Jahre 1973 kaum vier Jahre, bis der nach ihr benannte Ingeborg-Bachmann-Preis 1977 zum ersten Mal verliehen wurde.

Seitdem wird der Preis einmal im Jahr ...

Es dauerte nach dem Tod von Ingeborg Bachmann im Jahre 1973 kaum vier Jahre, bis der nach ihr benannte Ingeborg-Bachmann-Preis 1977 zum ersten Mal verliehen wurde.

Seitdem wird der Preis einmal im Jahr verliehen und ist zu einer der bedeutendsten literarischen Auszeichnungen im deutschen Sprachraum geworden.

Liebe: Dunkler Erdteil enthält Gedichte des Zeitraums als Bachmann ungefähr 16 Jahre alt war bis hin zu Gedichten, die sechs Jahre vor ihrem Tod entstanden sind. Viele der Gedichte des Buches sind bislang noch nicht veröffentlicht gewesen und aus ihrem Nachlass entnommen. Im Anmerkungsteil des Buches ist jedoch für jedes Gedicht angegeben, woher es stammte und ob andere Bearbeitungsstufen vorliegen.

Der chronologische Aufbau des Gedichtbandes ermöglicht es, den Veränderungen der Gedichte über die Jahrzehnte beizuwohnen. Doch fallen neben der Veränderung der Gedichte vor allem die ihnen gleichbleibenden Elemente auf.

Ingeborg Bachmanns Gedichte scheinen stets gefüllt zu sein von einem Lyrischen Ich, dessen Gedanken und Gefühle ihren Gedichten Struktur und Leben geben.

Bachmanns Gedichte sind gleichzeitig von Leichtigkeit und einer Schwere erfüllt. Während die Leichtigkeit vor allem durch ihre klare Struktur und ungekünstelte Form kommt, erwächst die Schwere aus ihrem Inhalt. Das Dunkle, Verlorene, nicht recht dazugehörende findet in einigen ihrer Gedichte Gestalt.
So laden die in diesem Band zum Teil erstmals abgedruckten Werke auch heute, über 45 Jahre nach ihren Tod, noch dazu ein, gelesen zu werden.

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Veröffentlicht am 11.04.2020

Von einem Mann, der auszog, um Theologie zu studieren, und zu einem Magier wurde

Beerholms Vorstellung
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Ein junger Mann will Theologie studieren und Priester sein, bis er es nicht mehr sein will. Ein junger Mann will sich der Zauberei widmen und Magier werden, bis er es nicht mehr will.

Arthur Beerholm ...

Ein junger Mann will Theologie studieren und Priester sein, bis er es nicht mehr sein will. Ein junger Mann will sich der Zauberei widmen und Magier werden, bis er es nicht mehr will.

Arthur Beerholm hat diese beiden Leben gelebt. Und umso unterschiedlicher sie in ihrem Wesen auch klingen, desto stärker fallen die Dinge auf, die bei Beerholm über beide Berufe hinweg konstant geblieben sind.

Zum einen Beerholms Vorliebe für Schlaftabletten. Manchmal scheint es, als wäre seine Lebensgeschichte von nichts so stark begleitet, als von seinem Tablettenmissbrauch. Zum anderen gesundheitliche Probleme, die mehrmals mit seiner Wahrnehmung zu spielen scheinen.

»Weißt du eigentlich, daß man ununterbrochen auf sich selbst einredet? In einem Winkel unseres Kopfes sitzt ein Schwätzer und spricht, spricht, spricht vom Augenblick unseres Aufwachens bis in die letzten im Dunkel verschwimmenden Regungen vor dem Einschlafen.«

Kehlmanns Debütroman Beerholms Vorstellung ist ein Kippbild: In manchen Momenten ist er voll wundersamer Ereignisse, der Zauberei scheint echte Magie innezuwohnen. In anderen Momenten tauscht er seinen Zauber gegen Alternativerklärungen, wie Träume, Fieberwahn, Tablettenmissbrauch. Existiert Magie in Beerholms Vorstellung oder handelt es sich in vielen Momenten lediglich um außergewöhnliche Zufälle, die den Anschein von Bedingtheit und Vorbestimmung erwecken? Schafft Wahrscheinlichkeit Realität?

Bereits in seinem Erstlingswerk sind einige der Themen angelegt, die auch für Kehlmanns späteres Werk maßgebend sein werden, wie F oder Tyll. Die Wirklichkeit und ihre Wahrnehmung werden spielerisch auf die Probe gestellt. Doch scheint es Beerholms Vorstellung im Vergleich zu seinen späteren Werken noch an Schliff zu fehlen, diese Themen sind noch nicht so präzise herausgearbeitet, wie es ihm in späteren Romanen gelingen wird, ohne, dass sein virtuoser Umgang mit Wirklichkeit darunter zu leiden hätte. Doch verfliegt dies nach 50 Seiten wieder und übrig bleibt ein Roman, der sich auch am Ende nicht in die Enge drängen lässt.

Denn die eigene Wahl, ob Magie in Beerholms Lebenswirklichkeit existiert oder nicht, bleibt für den Romanverlauf nicht folgenlos.

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Veröffentlicht am 11.04.2020

Von der Liebe zu Tierwesen

Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind: Das Originaldrehbuch
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Wie viele, viele andere in meiner Generation (und nicht nur dieser) bin ich ein riesiger Fan von Harry Potter und alles, was J. K. Rowling zum Harry Potter-Universum schreibt, landet früher oder später ...

Wie viele, viele andere in meiner Generation (und nicht nur dieser) bin ich ein riesiger Fan von Harry Potter und alles, was J. K. Rowling zum Harry Potter-Universum schreibt, landet früher oder später auf meinem Lesestapel.

Ihre Geschichten um den jungen Harry Potter und seine Freunde haben meine Welt ein großes Stück magischer und wärmer gemacht.

Es überrascht somit nicht, dass ich auch Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind. Das Originaldrehbuch gelesen habe. Was mich hingegen überrascht hat, war, dass ich es erst dieses Jahr getan habe. Als der Film Ende 2016 in die deutschen Kinos kam, musste ich unbedingt rein. Normalerweise hätte ich zuerst das Buch gelesen, aber irgendwie hatte es sich in diesem Jahr anders ergeben.

Ich weiß nicht, was ich von dem Film erwartet habe, aber es war von Anfang an klar, dass er nur schwer würde an meine Liebe zu den Harry Potter-Büchern anknüpfen können. An sich gesehen ist der Film schön: Die Tierwesen sind liebevoll ausgearbeitet auf die Leinwand gezaubert worden, einige der Schauspieler wie Eddie Redmayne gehörten bereits vor dem Film zu meinen Lieblingen.

Trotzdem konnte der Film mich nicht ganz überzeugen. Vermutlich, weil die Harry Potter-Bücher mit jedem weiteren Band an unglaublicher Intensität zugenommen hatten und mit Phantastische Tierwesen erst wieder etwas Neues beginnen musste, das Zeit brauchen würde, eine ähnliche Intensität zu entwickeln. Als ich 2019 dann tatsächlich das Originaldrehbuch zum Film las, hat sich dieses Gefühl bestätigt. Der alteingesessene Fan in mir musste erst lernen, dass sie zwar ein Stück weit zusammengehörten, Phantastische Tierwesen jedoch erst einmal seine eigene Geschichte erzählen musste.

Die Geschichte des Tierwesenliebhabers Newt Scamander, der Autorin Tina und ihren Freunden und Verbündeten. Doch sind bereits im ersten Band von Phantastische Tierwesen einige Hinweise versteckt, die die Verbundenheit zu den Harry Potter-Bänden, die chronologisch nach Phantastische Tierwesen angesiedelt sind, erahnen lassen.

Zum Ende hin verdichtet sich die Geschichte um Newt und Tina und macht große Lust, den nächsten Band von Phantastische TierwesenGrindelwalds Verbrechen – in die Hände zu bekommen. Die deutschsprachige Ausgabe, die bei Carlsen erschienen ist, macht das Buch auf jeden Fall auch zu einem optischen Hingucker, dem vermutlich kein Niffler widerstehen könnte.

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Veröffentlicht am 11.04.2020

Von Hexen und Birken

Ensel und Krete
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Ich kann nicht genau sagen, warum, aber bei den Büchern von Walter Moers habe ich auf den ersten ca. 100 Seiten oft das Gefühl, dass dieses Buch diesmal nichts für mich ist. So ging es mir bei den großen ...

Ich kann nicht genau sagen, warum, aber bei den Büchern von Walter Moers habe ich auf den ersten ca. 100 Seiten oft das Gefühl, dass dieses Buch diesmal nichts für mich ist. So ging es mir bei den großen Zamonien-Romanen und jetzt auch bei Ensel und Krete.

Zwar mag ich in diesen Momenten die besondere Welt und die Figuren, die er erschaffen hat, aber irgendwie können mich seine Bücher auf den ersten Seiten nicht für sich gewinnen.

Und dann lese ich weiter, anfangs wegen Empfehlungen, mittlerweile weil ich die Erfahrung schon kenne, und bin super froh darüber. In Walter Moers Romanen gibt es für mich immer diesen einen Punkt, bei dem plötzlich alles ineinander greift: die Beschreibungen nicht mehr für sich stehen, die Figuren Eigenleben entwickeln und das Konzept der Geschichte aufgeht. Und dann hat Moers mich komplett in seinem Bann.

Bei Ensel und Krete wurde mein anfänglicher Eindruck, dass dieses Buch von Moers dieses Mal nichts für mich sei, durch die Besonderheiten des Textes, wie erklärende Fußnoten und Einschübe einer Autorfiktion, noch verstärkt. Doch auch dieses Mal fügte sich für mich alles wieder zu einer tollen und einzigartigen Geschichte, Fußnoten und Einschübe inbegriffen.

Ein Geschwisterpaar entscheidet sich bei ihrem Urlaub in Bauming, einer liebevoll beschriebenen Lebenswelt der Buntbären, von den zugelassenen Wegen abzugehen und findet den Weg nicht mehr zurück. Was bekannt klingt, formt Moers zu einem völlig neuen Abenteuer.

»Der Natur sind die Tragödien, die sich in ihr abspielen, egal. Noch kein Galgenbaum hat sich darüber aufgeregt, daß Unschuldige an ihm aufgeknüpft wurden. Kein Grashalm eines Schlachtfeldes trauert den Gefallenen nach.«

Und somit ist Ensel und Krete nicht nur ein
spannendes Spiel mit bekannten und neu angewandten Märchenelementen – was durch den Buchtitel sicherlich nicht überrascht –, sondern eines mit Intertextualität und Autorfiktion. Denn der „Autor “ Hildegunst von Mythenmetz unterbricht den Text nicht nur mit für das unmittelbare Verständnis wichtigen Einschüben, sondern auch mit Seitenhieben auf seine zamonischen Kritiker.

Ensel und Krete hat mich daran erinnert, wie wichtig es oft ist, der Geschichte eines Buches seine Zeit zu geben, um sich zu entfalten. Denn die Geduld ist in diesem Fall definitiv belohnt worden.

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