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Veröffentlicht am 17.04.2020

Rettung für die „Tessitura di Asenza“

Die Seidenvilla
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2 Jahre hat der Kampf ihres Mannes gegen seine Erkrankung gedauert. 2 Jahre, in denen Angela Steeger zusehen musste, wie der Mensch, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben, nach und nach immer weniger ...

2 Jahre hat der Kampf ihres Mannes gegen seine Erkrankung gedauert. 2 Jahre, in denen Angela Steeger zusehen musste, wie der Mensch, den sie mehr liebte als ihr eigenes Leben, nach und nach immer weniger wurde. Mit gerade einmal 45 Jahren ist sie nun Witwe und am Abend nach Peters Beerdigung, fühlt sie sich fremd im eigenen Haus. Unter den vielen Kondolenzkarten findet Angela einen persönlichen Brief von Tess, einer Jugendfreundin ihrer Mutter, die für Angela immer wie eine Tante war.

Tess, die eigentlich Teresa heißt, hat vor 10 Jahren ein Haus im italienischen Veneto gekauft und verbringt nun dort ihren Lebensabend. Damit Angela auf andere Gedanken kommt, lädt Tess sie ein, nach Asenza zu kommen und ein paar Tage zu bleiben. Nathalie, Angelas 19jährige Tochter, bestärkt ihre Mutter darin, dieses Angebot anzunehmen, da sie selbst für ihre Seminararbeit in Kunstgeschichte dringend in der Institutsbibliothek in München recherchieren muss. Angela wird also schon kurz nach der Beerdigung wieder alleine in ihrem großen Haus sein. Sie erledigt all die bürokratischen Dinge, die einem Todesfall unweigerlich folgen, dann packt sie ihre Koffer und fährt nach Asenza.

Natürlich besuchen Angela und Tess die ortsansässige, 200 Jahre alte, Seidenweberei und kurze Zeit später erfährt Angela, dass die Weberei verkauft werden soll. Da sie vor der Geburt von Nathalie Angewandte Kunst mit Schwerpunkt Textildesign studiert hat, wächst in ihr der Wunsch, die „Seidenvilla“ zu retten. Als ihr dann auch noch der Kompagnon ihres verstorbenen Mannes vorschlägt, die Baufirma zu verkaufen, verfügt sie über die finanziellen Mittel und so trifft sie sich mit dem Besitzer, Lorenzo Rivalecca, um ihm ein Angebot zu unterbreiten. Der schrullige Rivalecca verknüpft ein paar ungewöhnliche Auflagen an den Verkauf, aber schon bald ist Angela die „Tedesca“ (die Deutsche), die neue Besitzerin der „Tessitura di Asenza“.

Mit Dario Monti, dem Architekten, der Tess‘ Villa renoviert, verbindet sie schon nach kurzer Zeit eine lockere Freundschaft, über ihn lernt sie seinen besten Freund Vittorio Fontarini kennen, der ihr erster Auftraggeber in Sachen Seidenstoffe ist.

Kann Angela mit ihrem neuen Konzept die Seidenweberei vor der Pleite retten? Angela beginnt in Italien ein neues Leben, sie steht vor neuen Herausforderungen und der Frage, ob sie schon wieder bereit ist, einen neuen Mann in ihr Leben zu lassen.

Nach der Trilogie um die Kamelien-Insel ist das Buch „Die Seidenvilla“ der Auftaktband zur „Seidenvilla-Saga“ der Autorin Tabea Bach, die ebenfalls als Trilogie erscheinen wird.

Wie gewohnt ist der Schreibstil der Autorin angenehm und flüssig zu lesen. Die Charaktere sind so schön ausgearbeitet, dass sie einem regelrecht ans Herz fliegen.

Angela und ihre Tochter Nathalie haben ein sehr schönes Verhältnis zueinander und auch wenn Angela in Italien ist, verlieren die Beiden nicht den Kontakt zueinander – im Gegenteil, Nathalie verlegt sogar einen Teil ihres Studiums nach Italien, damit sie sich nahe sein können.

Tess ist eine liebenswerte ältere Frau, die ganz genau weiß, wie Angela sich nach dem Tod ihres Mannes fühlt und sie lässt ihr den Raum, den sie braucht, um wieder ins Leben zurückzufinden.

Die Weberinnen sind natürlich nicht gleich Feuer und Flamme über ihre neue Chefin und hier hat mir insbesondere Lidia sehr gut gefallen, die sich zuerst einmal vehement gegen Angela stellt. Aber jede der Weberinnen hat ihr eigenes Päckchen zu tragen und diese Schicksale wurden von der Autorin wunderbar mit der Geschichte von Angela verwoben.
Auch der alte Rivalecca ist nicht ganz so bärbeißig, wie es am Anfang den Anschein erweckt.

Dario Monti und Vittorio Fontarini sind mir ebenfalls beide sehr sympathisch. Aber es erschließt sich mir gleich, dass 2 neue Männer in Angelas Leben nicht unbedingt Ruhe sondern eher Unruhe bringen. Ob sich mein Verdacht bestätigt?

Jedem einzelnen Charakter kommt eine ganz besondere Bedeutung zu und nur wenn alle an einem Strang ziehen, wird sich das Schicksal der Seidenweberei zum Guten wenden können.

Interessant finde ich die Hintergrundinformationen, die sich mit der Verarbeitung der Seide befassen. Hier kann man spüren, dass die Autorin eine sehr ausführliche Recherche betrieben hat. Die Informationen, die sie an ihre Leser weitergibt, sind in meinen Augen so gut dosiert, dass ich interessiert, aber nicht gelangweilt den Ausführungen folgen kann.

Alles in allem ist „Die Seidenvilla“ ein gelungener Auftakt zu einer neuen Buch-Reihe aus der Feder der Autorin Tabea Bach. Der 2. Band „Im Glanz der Seidenvilla“ erscheint am 29. Mai 2020. Der 3. Band „Das Vermächtnis der Seidenvilla“ folgt auch noch in diesem Jahr, nämlich am 28. Juli 2020.

Ich freue mich schon auf die Fortsetzung und bin gespannt, wie es Angela in Italien ergehen wird und ob sie sich mit den doch teuren Seidenprodukten auf dem Markt behaupten kann.

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Veröffentlicht am 25.02.2020

Stigmata – nichts bleibt verborgen

Stigmata
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Emma Bergmann, 17, lebt gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden Mutter. Agnes arbeitet als Krankenschwester und ist in ihrem Job sehr beliebt. Nach einem Streit mit Emma verlässt sie aufgebracht und wütend ...

Emma Bergmann, 17, lebt gemeinsam mit ihrer alleinerziehenden Mutter. Agnes arbeitet als Krankenschwester und ist in ihrem Job sehr beliebt. Nach einem Streit mit Emma verlässt sie aufgebracht und wütend die Wohnung. Ein paar Stunden später wird ihr Auto in einem Fluss gefunden – auf dem Beifahrersitz eine unbekannte weibliche Person mit einem markanten Ring am Finger; die Leiche von Agnes Bergmann bleibt jedoch verschwunden.

Da Emma glaubt, dass ihre Mutter durch ihr Verschulden in den Tod gerast ist, vergräbt sie sich in der gemeinsamen Wohnung. Sie isst nicht, sie pflegt sich nicht, sie dümpelt einfach so durch die Tage, bis sie ca. 14 Tage nach dem Tod ihrer Mutter ein Päckchen erhält. In diesem Päckchen befindet sich ein Fotoalbum. Alle Seiten sind leer, bzw. wurden die Fotos herausgenommen, nur auf der letzten Seite befindet sich ein Baby-Foto und der Satz „Wenn Du wissen willst, wer die Mörder deiner Mutter sind, dann meldest Du dich an. Am besten heute noch.“

Endlich etwas, das Emma aus ihrer Lethargie reißt und so meldet sie sich – wie aufgefordert – zum „Qualifikationscamp der Transnational Youth Foundation“ an. Ihre erste Qualifikationsaufgabe ist es, den Weg zum Schloss, in dem das Camp durchgeführt wird, alleine zu finden.

Empfangen wird sie von Dr. Michael Becker, den BetreuerInnen Nicoletta und Sebastian, die für die Transnational Youth Foundation arbeiten sowie den Jugendlichen Sophia, Philipp und Tom, die ebenso wie Emma das Camp absolvieren.

Das Schloss entpuppt sich als Ruine oder besser gesagt, als Bruchbude, denn überall bröckelt der Putz und findet sich Schimmel an den Wänden und Emma fragt sich, warum gerade hier ein so wichtiges Auswahlcamp durchgeführt wird. Aber … sie möchte die Mörder ihrer Mutter finden….sie hat keine andere Wahl, als hier zu bleiben.

Von Anfang an hat Emma das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Es passieren permanent merkwürdige Dinge, Emma findet im Haus verteilt Fotos, ähnlich dem, das im Fotoalbum war, die Jugendlichen müssen Herausforderungen bestehen, die sie an den Rand ihrer Kräfte bringen und immer haben die BetreuerInnen logischer Erklärungen für die Dinge, die sich im Schloss abspielen. Egal, wie schräg diese Vorkommnisse sind.

Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich beim Lesen ganz oft gedacht „Hau ab, Emma!! Lass die Mörder Deiner Mutter sein wo sie sind und verlasse schnellstmöglich dieses Haus!“.

Emma verlässt das Schloss natürlich nicht und so kommt sie nach und nach der Wahrheit um den Tod ihrer Mutter tatsächlich immer näher. Auf dem Weg dorthin stellt sie fest, dass sie ihre Mutter nie wirklich gekannt hat.

Bei „Stigmata – Nichts bleibt verborgen“ handelt es sich um einen Jugendroman der Autorin Beatrix Gurian. Empfohlenes Lesealter: 14 – 17 Jahre. Ich habe von Beatrix Gurian schon das Jugendbuch „Sommernachtsfunkeln“ gelesen, ebenso einige historische Romane, die die Autorin jedoch unter ihrem Pseudonym „Beatrix Mannel“ veröffentlicht hat.

Die Atmosphäre in diesem Roman ist ziemlich düster. Mich hätten in diesem Schloss und bei diesen Vorkommnissen keine 10 Pferde halten könne, ich hätte schnellstmöglich das Weite gesucht.

Die Figur der Emma ist sehr sympathisch angelegt worden, alle weiteren handelnden Personen stoßen bei mir eher auf Misstrauen und sogar auf Ablehnung. Es ist ziemlich hart, was Emma alles durchmachen muss, um den Tod ihrer Mutter aufzuklären, aber sie ist selbstbewusst und lässt sich nicht einschüchtern und macht durch die ganze Geschichte eine fortschreitende Entwicklung durch. Sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den BetreuerInnen weiß man nicht, wie man sie einschätzen soll. Mal sieht es so aus, als ob sie Emma helfen wollen, dann wiederum passiert etwas und es zeigt sich ein ganz anderes Bild. Die ganze Zeit über bleibt es spannend und die Autorin schafft es immer wieder, der Geschichte eine total andere Wendung zu geben.

Es gibt zwei Handlungsstränge. Die Geschichte von Emma spielt in der Gegenwart, die Geschichte von Agnes in der Zeit, als Agnes selbst noch ein Kind war und was ihr damals in diesem Haus widerfahren ist. Die Kapitel von Agnes beginnen immer mit einem zum Inhalt des Abschnitts passenden Bibelspruch. Zum Ende des Buches sind beide Handlungsstränge miteinander verknüpft und alle Fragen bezüglich des Todes von Agnes Bergmann aufgeklärt.

Die Illustrationen im Buch wurden von Erol Gurian angefertigt. Die Aufmachung der Fotos – sie sind alle grün eingefärbt – verleiht der Geschichte zusätzlich etwas schauriges.

Hier zeigt sich einmal wieder, dass man Jugendbücher auch durchaus spannend finden kann, wenn man dem Jugendalter entwachsen ist.

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Veröffentlicht am 15.01.2020

Kaffee - Das schwarze Gold

Der Duft der weiten Welt
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Wir schreiben das Jahr 1912 in Hamburg. Karl Deharde leitet in der Hamburger Speicherstadt ein florierendes Kaffeekontor und genau wie er, so hat auch seine älteste Tochter Wilhelmina (Mina) Kaffee im ...

Wir schreiben das Jahr 1912 in Hamburg. Karl Deharde leitet in der Hamburger Speicherstadt ein florierendes Kaffeekontor und genau wie er, so hat auch seine älteste Tochter Wilhelmina (Mina) Kaffee im Blut. Auch wenn Mina jede freie Minute im Kontor verbringt, so weiß sie doch genau, dass sie als Frau in diesem Beruf keine Chance hat, denn sie würde niemals Zugang zum Handel an der Kaffeebörse erhalten.

Mina träumt davon, nach dem bestandenen Abitur Medizin zu studieren. Aber auch das ist, zur damaligen Zeit, eine reine Männer-Domäne.

Mit Edo, einem Angestellten ihres Vaters, verbindet sie in letzter Zeit etwas mehr, als die seit Jahren bestehende innige Freundschaft und als feststeht, dass Edo für die Firma „Kopmann & Deharde“ nach Amerika gehen soll, bittet er Mina, mit ihm mitzugehen.

Minas Großmutter, bei der sie mit Vater und Schwester seit dem Tod ihrer Mutter lebt, und ihr Vater schicken Mina jedoch für 1 Jahr auf ein Pensionat für „Höhere Töchter“.

In den meisten Fällen macht einem das echte Leben einen Strich durch die Rechnung und als Minas Vater schwer krank wird, verlässt sie das Pensionat und übernimmt ohne zu zögern die Leitung des Kontors. Nach außen hin muss sie jedoch durch einen Mann vertreten werden und da kommt – durch Edos Weggang nach Amerika – nur der neue Mitarbeiter ihres Vaters, Leutnant Frederik Lohmeyer, in Betracht.

Schafft Mina es, das Kontor am Laufen zu halten?
Wird Karl Deharde wieder gesund?
Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Beziehung zwischen Mina und Edo?

„Der Duft der weiten Welt“ ist der Auftaktroman zur Trilogie der historischen Speicherstadt-Saga der Autorin Fenja Lüders. Das Buch beginnt mit einem Prolog, dessen Handlung sich im Jahr 1948 abspielt. Mina lässt die Möbel aus dem Kontor schaffen und nimmt Abschied von den Räumen. Aus welchem Grund sie das tut bleibt jedoch offen. Die eigentliche Handlung des Buches spielt in den Jahren 1912/1913 in Hamburg.

Die Hauptprotagonistin Mina ist eine sehr sympathische junge Dame. Sie ist ihrer Zeit weit voraus, hat keine Lust zu heiraten, möchte lieber das Kontor leiten oder studieren – muss sich letztendlich aber den Anordnungen von Großmutter und Vater beugen. Genau diese Frauen sind es aber, die die Vorreiterrolle für unsere heutigen Freiheiten übernommen haben. Ohne die Minas von früher hätten wir Frauen heute noch nicht die Rolle in der Gesellschaft, die wir haben.

Im Pensionat lernt sie Irma von Gusnar kennen. Irma entwickelt sich zu Minas bester Freundin, die Beiden werden fast unzertrennlich, sie verliert jedoch im Verlauf der Geschichte an Bedeutung. Ich hoffe, in den Nachfolgebänden noch einmal von ihr zu lesen.

Karl Deharde wird als sympathischer älterer Herr dargestellt, der einerseits seiner Tochter gerne jeden Wunsch von den Augen ablesen möchte, andererseits muss auch er sich den herrschenden Konventionen beugen. Die Großmutter, Karl Dehardes Mutter, wird anfangs als eine etwas strenge Person dargestellt, im Verlaufe der Geschichte merkt man jedoch, dass sie nur eines möchte – das Beste für Mina. Gegenüber Agnes, der jüngeren Schwester, ist die Großmutter nämlich nicht ganz so streng.

Edo ist seit vielen Jahren im Kontor von Karl Deharde angestellt, er hat dort schon seine Ausbildung gemacht, und mit Mina verbindet ihn eine tiefe Freundschaft. Aus dieser Freundschaft entwickelt sich dann auch mehr, aber die Pläne von Edo und der bevorstehende Auslandsaufenthalt stürzen Mina in große Zerrissenheit.

Leutnant Frederik Lohmeyer ist – für mich – der einzige unsympathische Charakter in dieser Geschichte. Nein, eigentlich ist er nicht unsympathisch, er ist undurchsichtig. Lohmeyer ist der Sohn eines Kaffeeplantagenbesitzers, aber sein älterer Bruder wird diese Plantage erben und so möchte Lohmeyer sich von Deharde in die Kunst des Kaffeehandels einführen lassen. Lohmeyer ist so ein Mensch, der gerne alles an sich reißt und es gefällt ihm nicht wirklich, dass Mina während der Krankheit ihres Vaters das Kontor leitet. Nach außen hin vertritt er jedoch die Firma. Mal schauen, ob mein merkwürdiges Gefühl ihn betreffend sich bewahrheitet.

Dann haben wir noch das Fräulein Brinkmann. Sie ist die Hauslehrerin von Agnes und Mina und ihre Rolle in der Geschichte wird erst in Zusammenhang mit der Krankheit von Karl Deharde näher erläutert.

Der Schreibstil von Fenja Lüders ist sehr angenehm. Das Buch lässt sich fließend lesen. Ich mag solche historischen Geschichten sehr gerne und so freue ich mich schon auf den 2. Band „Der Glanz der neuen Zeit“, der am 29.06.2020 erscheint und den 3. Band „Der Traum von Freiheit“, der am 30.10.2020 erscheint.

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Veröffentlicht am 01.09.2019

Kann man Schuld vergeben?

Der Schatten eines Sommertags
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Die 18jährige Tonya und ihr Freund verbringen am Bodensee einen schönen Tag im Kreise der Familie. Als die Geschwister aufbrechen um nach Hause zu fahren, beschließen Tonya und Dennis, noch eine Weile ...

Die 18jährige Tonya und ihr Freund verbringen am Bodensee einen schönen Tag im Kreise der Familie. Als die Geschwister aufbrechen um nach Hause zu fahren, beschließen Tonya und Dennis, noch eine Weile an diesem schönen Ort zu bleiben, um die Zweisamkeit zu genießen. Kurz nachdem die Beiden alleine sind wird ihre Idylle jedoch jäh zerstört – ein Motorradfahrer bedroht sie und verlangt die Herausgabe ihrer Wertsachen. Um Tonya zu schützen und ihr die Möglichkeit zur Flucht zu geben, stellt Dennis sich dem Angreifer entgegen. Tonya kann tatsächlich fliehen, aber Dennis bezahlt seinen Einsatz mit dem Leben. Was Tonya bleibt ist „der Schatten eines Sommertags“.

7 Jahre später arbeitet Tonya als IT-Spezialistin beim BKA. Diese Berufswahl hat teilweise etwas damit zu tun, dass sie sich seit 7 Jahren schuldig fühlt – schuldig am Tod ihres Freundes. Sie hofft, bei ihrer Jagd auf Verbrecher, Hinweise auf den damaligen Täter zu finden. Denn obwohl ihre Erfolgsquote generell sehr hoch ist, gibt es da immer noch den einen ungelösten Fall, dessen Akte einzig die Bezeichnung „D“ trägt.

Als in Tonyas Wohnung eingebrochen wird, gehen alle zuerst von einem ganz normalen Einbruch-Diebstahl aus. Schnell stellt sich aber heraus, dass dem hier nicht so ist, denn der Einbrecher hat nichts mitgenommen sondern, im Gegenteil, etwas hinterlassen. Beim 2. Mal greift der Täter körperlich an und jetzt steht 100%ig fest, dass er gezielt hinter Tonya her und das alles kein Zufall ist.

Wer möchte Tonya Schaden zufügen? Gibt es eine Verbindung zum Motorrad-Täter von damals? Hat sie beruflich einem „bösen Buben“ zu sehr auf die Füße getreten? Ist es ein zufälliger Stalker? Ihre Kollegen, zu der auch 2 ihrer Brüder gehören, arbeiten unter Hochdruck, um herauszufinden wer Tonya nachstellt und warum.

„Der Schatten eines Sommertags“ ist das 6. Buch, das die Autorin Elisabeth Büchle unter ihrem Pseudonym Noa C. Walker veröffentlicht hat und es ist das 6. Buch, welches ich von ihr gelesen habe.

Wie bei allen vorhergehenden Büchern hat die Autorin es auch hier wieder geschafft, eine fesselnde Geschichte mit Tiefgang zu schreiben. Im großen Ganzen geht es um Schuld – wer trägt die Schuld an etwas, was passiert? Lädt man trotzdem Schuld auf sich, auch wenn man für eine Situation überhaupt nichts kann? Wie schwer wiegt Schuld und was kann man dagegen tun, sich für etwas schuldig zu fühlen, was man nicht beeinflussen konnte? Kann man anderen, vor allem aber auch sich selbst, Schuld vergeben?

Die Geschichte um Tonya beginnt im Prolog an diesem unsagbar grausamen Tag, an dem Dennis sein Leben lassen musste. Nachdem nicht nur Tonya, sonder auch der Leser Zeuge dieses Verbrechens wurde, gibt es einen Zeitsprung von 7 Jahren und von da an begleiten wir Tonya in der Gegenwart. Die Autorin schont weder ihre Protagonisten noch ihre Leser und so heule ich mit Tonya um den Verlust ihres Hundes, ich halte mit ihr den Atem an, wenn es in ihrer Umgebung mitten in der Nacht mal wieder im Gebälk knackt und ich bin aufmerksam, wenn sie sich mit jemandem trifft, der genau so gut ihr Freund wie auch ihr Feind sein könnte.

Tonya ist eine sehr sympathische junge Frau, die in einer großen Familie aufgewachsen ist. Sie hat 2 Schwestern und 6 Brüder, von denen 2 auch noch den gleichen Job machen wie sie, und von allen wird sie behütet und beschützt. Für mich war die Über-Fürsorge ihrer Geschwister manchmal ein klein wenig zu viel, andererseits wünscht man sich doch genau das – eine Familie, die bedingungslos zusammenhält und füreinander da ist. Aufgrund ihrer Erlebnisse mit Dennis möchte Tonya jedoch nicht behütet werden. Sie hat Angst, dass wieder Menschen die sie beschützen ihretwegen leiden könnten oder schlimmeres. Nach außen hin mimt sie die toughe Frau, tief in ihrem Innersten leidet sie unter Selbstzweifeln und ist extrem verletzlich und angreifbar

Neben ihren Arbeitskollegen und ihren Brüdern, bekommt sie Jake Sturm an die Seite gestellt. Jake ist ebenfalls BKA-Mitarbeiter und versteht es seinen Job zu machen ohne Tonya dabei das Gefühl zu geben, überwacht oder gar beschützt zu werden. Zwangsläufig verbringen die Beiden viel Zeit miteinander und es tut gut, über Dinge zu reden, die vor Jahren passiert sind. Durch seine unaufdringliche und charmant-witzige Art schafft Jake es nach und nach, dass Tonya sich ein klein wenig öffnet und sich nicht mehr mit Krallen und Klauen dagegen wehrt, beschützt zu werden. Irgendwann wird ihr klar, dass auch sie die Menschen beschützt, die ihr wichtig sind.

Die Suche nach dem Angreifer gestaltet sich nicht sehr leicht, weil niemand weiß in welchem Umfeld man nach ihm suchen sollte. Hat es etwas mit dem Mord an Dennis zu tun oder ist Tonya jemandem bei ihren Ermittlungen zu sehr auf die Füße gestiegen oder ist es gar der nerdige IT-Arbeitskollege? Der Täter selbst äußert sich nur in 2 Buch-Abschnitten und die Gedanken geben keinerlei Hinweis auf seine Identität oder das Geschlecht. Auch wenn es sich nicht um einen Krimi handelt, so kann man als Leser sehr schön miträtseln und wird von der Autorin einige Male auf die falsche Fährte gelockt.

Ich bin sehr schlecht im „Täter raten“, aber an irgend einem Punkt in der Geschichte hatte ich dann doch die richtige Person im Visier – auch, wenn ich bis zuletzt nicht wirklich daran glauben wollte. Genau so überraschend wie die Enthüllung des Täters ist auch das Motiv.

Auch wenn mich der ein oder andere Bruder mit seiner Fürsorge für Tonya ebenfalls erdrückt hat, so fand ich die Charaktere allesamt sehr schön beschrieben. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen und doch halten sie als Familie oder als Arbeitskollegen zusammen. Durch die bildhaften Beschreibungen kann man sich jede einzelne Person vorstellen und alle handeln durchaus so, wie man im richtigen Leben wahrscheinlich auch handeln würde, wäre man in einer solchen Situation.

Wie auch schon mit ihren Büchern vorher, hat die Autorin es wieder einmal geschafft, mich einzufangen. Sie versteht es, ihre fiktiven Geschichten mit tiefgründigen Themen zu verweben, so dass man sich beim Lesen unweigerlich mit der Thematik beschäftigt. Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt flüssig, voller Emotionen und wenn man einmal in die Geschichte eingetaucht ist, möchte man erst wieder auftauchen, wenn man den letzten Satz gelesen hat. Ich habe in letzter Zeit öfter mal bei einem Buch bemängelt, dass mir in diesen etwas ganz wichtiges gefehlt hat – nämlich die Tatsache, dass Charaktere so angelegt wurden, dass man sich mit ihren identifizieren kann. Das ist Noa C. Walker hier wunderbar gelungen. Jeden einzelnen der Protagonisten konnte ich „fühlen“. Das ist es, was für mich ein gutes Buch ausmacht. Es braucht schon etwas mehr, dass ein Buch mich wirklich fesselt. Dieses hier hat es getan.

Veröffentlicht am 14.06.2019

Ein dunkler Teil deutscher Geschichte spannend verpackt

Die Vergessenen
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Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins ...

Vera Mändler ist Journalistin und arbeitet für „Amélie“, einer Frauenzeitschrift mit Zielgruppe fünfzig plus. Als ihre Tante mit einem Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert wird und Vera in Kathrins Wohnung etwas abholen soll, findet sie diese verwüstet vor. Hier hat definitiv jemand etwas gesucht – kurioserweise finden sich aber keinerlei Einbruchspuren. Auf dem Sofa im Wohnzimmer liegt ein geöffnetes Fotoalbum. Das Bild auf der aufgeschlagenen Seite zeigt eine Gruppe von Krankenschwestern und die Unterschrift unter dem Foto lautet „Adele und ich in Winkelberg“. Dem Zeitpunkt nach, zu dem dieses Foto aufgenommen wurde, kann es sich nur um die „Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg“ gehandelt haben. Selbst Veras Mutter - und somit Kathrins Schwester Annemie - weiß nichts darüber, dass Kathrin in dieser Anstalt gearbeitet haben soll. Was also hat Kathrin mit Winkelberg zu tun? Vera wäre nicht Journalistin, wenn sie diese Ungereimtheit auf sich beruhen lassen würde.

Manolis Lefteris ist Besitzer eines Autohauses, arbeitet ab und an jedoch auch als „Mann für besondere Fälle“ für einen befreundeten Anwalt. Er arbeitet unauffällig, korrekt und stellt nicht viele Fragen. Sein neuester Auftrag scheint einfach zu sein: Er soll jemanden überwachen, der auf der Suche nach einem Dossier ist. Sobald dieser das Dossier gefunden hat, soll Lefteris es ihm entwenden, an den Auftraggeber aushändigen und fertig. Doch so einfach wie es scheint, ist es nicht. Der Mann, den Lefteris überwachen soll, heißt Christian Wiesinger …….. und ist der Neffe von Vera Mändler.

„Die Vergessenen“ ist das 2. Buch der Autorin, welches ich gelesen habe, es war jedoch das 1. Buch, das die Autorin unter ihrem Pseudonym Ellen Sandberg veröffentlicht hat. Hinter dem Pseudonym verbirgt sich die Krimi-Autorin Inge Löhnig, die unter ihrem Klarnamen Kriminalromane um den Münchner Ermittler Konstantin Dühnfort schreibt.

In diesem Buch, das unter der Bezeichnung „Spannungsroman„ läuft, geht es um die juristische Aufarbeitung bzw. Nicht-Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Gibt es 70 Jahre nach Ausübung dieser Kriegsverbrechen überhaupt noch irgend eine Art von Gerechtigkeit?

Die Handlung in „Die Vergessenen“ spielt auf 2 Zeitebenen. Zum einen befindet sich der Leser im aktuellen Handlungsstrang um Vera und Kathrin Mändler, Christian Wiesinger und Manolis Lefteris im Jahr 2013 und parallel dazu der 2. Strang, der sich zu Zeiten des Nationalsozialismus abspielt und aus dem Leben der Kathrin Mändler erzählt, die 1944 ihren ersten Job nach Beendigung der Ausbildung angetreten hat. Dieser neue Job führt sie in die Heil- und Pflegeanstalt Winkelberg, in der man für behinderte/kranke Patienten eine ganz besondere Art der „Pflege“ anwendet. Ausgerechnet mit ihrem Vorgesetzten lässt Kathrin sich auf eine Beziehung ein; aber nicht jede Beziehung entsteht aus Liebe, manchmal ist es auch nur die Anziehungskraft zweier Menschen.

Während Manolis Lefteris sich der Frage widmet, was genau an diesem Dossier für seinen Auftraggeber so wichtig sein könnte, möchte Vera Mändler gerne wissen, welche Rolle ihre Tante in Zusammenhang mit diesen Vorkommnissen gespielt hat. Hatte sie eine aktive oder passive Rolle oder wusste sie von nichts? Da Kathrin im Koma liegt, kann sie selbst diese Fragen leider nicht beantworten.

Beide bringen auf ihre Art und Weise die Wahrheit ans Licht und zum Schluss gibt es eine Enthüllung, die wahrscheinlich so niemand erwartet hätte.

Es hat ein wenig gedauert, bis ich in der Handlung des Buches richtig drin war. Zu Beginn werden Fragmente aus dem Leben des Manolis Lefteris thematisiert, die 18 Jahre vor seiner Geburt stattgefunden haben und seinen Vater und dessen Familie in Griechenland betreffen. Zu diesem Zeitpunkt ist das alles noch nicht zu verstehen, der Sinn erschließt sich dem Leser erst in Richtung Ende des Buches. Man versteht dann aber auch Lefteris‘ Vorgehensweise in seinem aktuellen Fall. Also, auch wenn man sich durch die ersten Seiten ein wenig durch“quälen“ muss, lohnt es sich doch, diese Zeilen zu lesen und nicht zu überspringen.

Wie immer interessiert mich die Handlung in der Vergangenheit mehr, als die Gegenwart. Auch wenn die Geschichte der Kathrin Mändler und der sonstigen agierenden Personen fiktiv ist, stützt sie sich doch auf Geschehnisse, die im Nazideutschland tatsächlich passiert sind und einiges an Abscheulichkeit zu bieten haben.

Während des Lesens stellt man sich unweigerlich die Frage: Was hätte ich an Stelle von Kathrin Mändler gemacht? Hätte ich mein Leben riskiert um diese Greueltaten aufzudecken und öffentlich zu machen? Hätte ich mich gegen meinen Vorgesetzten gestellt, um dann auf direktem Wege in einem KZ zu landen? Hätte ich das Unrecht gedeckt und meinen Mund gehalten? Oder hätte ich sogar – zum Selbstschutz – diese abscheulichen Dinge ausgeführt? Vom Sofa aus ist es einfach, hier eine Antwort zu finden und Menschen „aus der Ferne“ zu verurteilen – damals war es sicherlich nicht ganz so einfach eine Entscheidung zu treffen.

Die Autorin hat alle Charaktere realistisch und lebensecht angelegt, so dass sie sich im Laufe der Geschichte entsprechend weiterentwickeln können. Die Geschehnisse zu Zeiten des 2. Weltkriegs sind gut recherchiert und schlüssig, wenn sie auch beim Leser eher ungute Gefühle entstehen lassen und meiner Meinung nach hat das Buch die Bezeichnung „Spannungsroman“ durchaus verdient.

Der Schreibstil der Autorin ist angenehm flüssig und auch wenn das Thema von Spaß weit entfernt ist, hat es mir großen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.