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Veröffentlicht am 21.10.2020

Ein Buch, das seiner Zeit hoffentlich nicht voraus ist

Cleanland
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Inhalt:

Cleanland ist das Science-Fiction-Szenario einer Gesundheitsdiktatur.

Die fünf Gesetze der absoluten Reinheit (GaR) sorgen für Gesundheit und Sauberkeit in Cleanland. Schilo trägt, wie jeder ...

Inhalt:

Cleanland ist das Science-Fiction-Szenario einer Gesundheitsdiktatur.

Die fünf Gesetze der absoluten Reinheit (GaR) sorgen für Gesundheit und Sauberkeit in Cleanland. Schilo trägt, wie jeder andere auch, täglich einen Schutzanzug und einen Controller, der rund um die Uhr ihren Herzschlag, den Blutdruck und die Körpertemperatur misst. Das Gesetz sieht vor, dass jeder Bewohner eine Person registrieren darf, die zwar nicht zur Familie gehört, mit der man aber dennoch seine Freizeit verbringen darf. Schilo hat sich dafür entschieden, ihre beste Freundin Samira hierfür zu qualifizieren.

Gemeinsam verbringen Samira und Schilo ihre Tage miteinander. In diesen Zeiten ist man zurückgeworfen in die eigenen vier Wände. Für die Schule nutzen sie Homelearning, was Social Distancing ermöglicht. Sie gehen in einer Discothek feiern (eine für eine bestimmte Zeit angemietete Tanzfläche sorgt für genügend Abstand zu anderen Menschen) und sie tauschen auch ihre Sorgen und Ängste miteinander aus. Während Samira schon mal kleine Regeln der GaR bricht, hält sich Schilo streng an die Vorgaben des Systems. Schließlich arbeitet ihre Mutter im Ministerium für Reinheit.

Doch eines Nachts ändert sich das. Denn Schilo erwacht mitten in der Nacht und lernt den Cleaner kennen, der für die elterliche Wohnung zuständig ist. Das Erlebnis einen anderen Menschen kennenzulernen, ist aufregend. Als dann auch noch die Oma immer wieder das Gespräch auf den jungen Mann richtet, der des nachts die Zimmer desinfiziert, gerät Schilo ins Nachdenken. Sie überlegt, die streng vorgeschriebene Einnahme der Schlaftabletten auszusetzen. Und das ist nur der Anfang einer Reihe von Ereignissen, die Schilos heile Welt ins Wanken bringen. Ist das System vielleicht doch nicht so perfekt, wie sie immer gedacht hat? Was würde eine Veränderung herbeiführen und was würde eine kleine Rebellion für Folgen haben?


Meinung:

Ist das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit ein absoluter Wert, der über allem steht? Oder beschränken Grundrechte sich gegenseitig?

Mit „Cleanland“ widmet sich Martin Schäuble diesem in diesen Zeiten der Pandemie brandaktuellen Thema.

Ein Gemeinwesen muss, das hört man zur Zeit vielerorts, an der absolut geltenden Schutzpflicht für Menschen festhalten.

In dieser fiktiven Geschichte spinnt der Autor das Szenario weiter. Er stellt ein totalitäres System zur Schau. Die Bewohner tragen rund um die Uhr einen Schutzanzug - den Protector - und einen Controller, der nicht nur in der Lage ist, die tägliche Gesundheit und Fitness, sondern auch den Aufenthaltsort des Trägers zu bestimmen. Öffentliche Orte wie z.B. Parkbänke oder Toiletten sind mit einem Timer versehen. Der Nutzer wird informiert, wenn etwas frei ist und kann es dann für eine bestimmte Zeit für sich buchen. Ältere und besonders gefährdete Menschen werden isoliert. So verhält es sich auch bei Schilos Oma. Im familiären Haushalt gibt es einen gesonderten Raum. Eine Glasscheibe ermöglicht, dass Enkelin, Mutter und Großmutter sich dennoch täglich sehen können. Eine Tischplatte, die auf der einen Seite anfängt und auf der anderen endet, lässt sogar zu, dass man sich gemeinsam zum Frühstück trifft und bei einer Tasse Kaffee Erlebnisse austauscht.

Während Schilo und ihre Mutter jedoch das Haus jederzeit verlassen können, muss sich die Oma mit Spaziergängen durch eine virtuelle Welt begnügen oder das Treffen mit ihren Freundinnen in den „eigenen“ vier Wänden über eine Leinwand per Videoübertragung abhalten. Natürlich ist diese Maßnahme nur zum eigenen Schutz. Und dennoch ist die Glaswand verriegelt, so dass die Großmutter eigeninitiativ den Raum nicht verlassen kann. Die Menschen von Cleanland akzeptieren ihr Schicksal und sind sogar zum größten Teil dankbar für die Sicherheit, die das System ihnen bietet.

Und dennoch rebelliert die Oma ganz zaghaft, wenn sie z.B. in Gesprächen mit Schilo über die Vergangenheit spricht oder die ein oder andere Schlaftablette absetzt, um – verbotenerweise – ein nächtliches Gespräch mit dem Cleaner herbeizuführen.

Der Leser dieses Buchs fürchtet und ängstigt sich, weil er sich in die Figuren hineinversetzt und mit ihnen Dinge erlebt, die erschreckend aktuell erscheinen.

Natürlich müssen die verdrehten moralischen Regeln des Systems ins Wanken geraten.
Schilos Leben verändert sich peu a peu. So lernt sie z.B. unerwartet einen anderen Menschen kennen – was eigentlich verboten ist. Auch muss sie feststellen, was passiert, wenn man kleine Regeln bricht.

Martin Schäuble legt mit seiner Geschichte einen unglaublich fesselnden Start hin und treibt seine Geschichte rasant und gekonnt voran. Aber je näher wir zum Ende kommen, desto mehr Details werden vom Hauptstrang der Ereignisse zurückgelassen. Wenig wird auserzählt und die Kunst der Auslassung will dem Autor nicht immer gelingen.


Fazit:

In seinem neuen Roman "Cleanland" zeichnet Marin Schäuble ein Science-Fiction-Szenario eines körperdatenbezogenem Überwachungsstaates, ja einer Gesundheitsdiktatur. Er setzt sich mit den ethischen und anthropologischen Auswirkung auseinander, wenn Lebens- und Gesundheitsschutz als absoluter Wert über der Würde des Menschen steht.

Dies macht er so gut, dass man das Buch anfangs gar nicht mehr aus der Hand legen, sondern sofort auslesen möchte. Die zweite Hälfte hingegen reißt den Leser zum Ende hin nicht mehr so ins Geschehen hinein. Es wird zu schnell, oft gleichsam atemlos erzählt. Ein paar Seiten mehr hätten dem Buch gut getan.

Dennoch handelt es sich um ein aktuelles Thema, dem das Buch hoffentlich nicht voraus ist.

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Veröffentlicht am 19.06.2020

Leseempfehlung trotz kleiner Kritikpunkte

Broken Darkness: So verführerisch
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Inhalt:

Annie hat es geschafft. Sie ist endlich vor ihrem Ehemann geflohen und möchte sich nun eine neue Existenz aufbauen. Ein eigener Wohnwagen und ein Job als Hausmeisterin in einem heruntergekommenen ...

Inhalt:

Annie hat es geschafft. Sie ist endlich vor ihrem Ehemann geflohen und möchte sich nun eine neue Existenz aufbauen. Ein eigener Wohnwagen und ein Job als Hausmeisterin in einem heruntergekommenen Trailerpark ist alles, was sie braucht, um neu anzufangen.

Während der ersten Begutachtung ihrer neuen „Wohnung“ vernimmt Annie ein Klingeln. Es scheint zwischen den Ritzen der Sitzbänke zu kommen. Voller Hoffnung vielleicht neben Unrat auch noch ein paar Münzen zu finden, fischt Annie ein Handy aus der Polsterung hervor. Kurzentschlossen nimmt sie den Anruf an. Am anderen Ende verlangt eine männliche Stimme ohne zu zögern nach der ursprünglichen Besitzerin des Smartphones. Annie klärt das Missverständnis auf. Ein lockeres Gespräch mit dem Fremden erscheint ihr als eine nette Abwechslung. Doch bald schon wird die Unterhaltung intim. Der ominöse Anrufer stellt sich als Dylan vor. Er fragt, ob Annie sich im Trailerpark sicher fühlt, und bietet ihr bald schon einen Auftrag an. In einem der Wohnwagen wohnt ein Mann, den die Vorbesitzerin für ihn im Auge behalten hat. Dieser Job sei nun neu zu besetzen. Kurzerhand willigt Annie in dieses sonderbare Angebot ein.

Während der nächsten Tage lebt sich Annie im Trailerpark ein. Ein bunter Schal soll die Blutergüsse am Hals verdecken. Eine Sonnenbrille schützt zumindest imaginiert vor den Blicken der „Nachbarn“. Doch schnell muss Annie feststellen, dass ihre Verkleidung alles andere als unauffällig wirkt und dass auch die anderen Menschen, die hier im Trailerpark wohnen, eine düstere Vergangenheit haben, über die sie nicht immer sprechen wollen. Gerade aber der Mann, vor dem Dylan sie kürzlich noch gewarnt hat, scheint Annie am nettesten von allen zu sein.



Meinung:

Bereits auf den ersten Seiten des Buches wird klar, dass es Annie in ihrem Leben nicht immer einfach gehabt hat. Ihre körperlichen Verletzungen sind kaum verheilt, die seelischen Folgen erheblich.

Schnell wird klar, dass in dem neuen Umfeld, in dem die junge Frau nun Fuß fassen möchte, Menschen mit ähnlichen Problemen leben. Es sind die Menschen mit dunklen Geheimnissen und starken Gefühlen.

Als Annie ein Telefonat von einem vergessenen Handy annimmt, meldet sich am anderen Ende ein Mann, der sie unvermittelt nach ihrer Sicherheit fragt und ihr zugleich einen Job anbietet. Nämlich den, einen Trailerparknachbarn zu beobachten. Dieser sehe harmloser aus, als er in Wirklichkeit sei. Hier läuten bei jedem klar denkenden Menschen die Alarmglocken. Annie jedoch nahm die Botschaft des Fremden relativ locker. Auch Warnungen vor der Gefährlichkeit ihres Nachbarn schlägt sie in den Wind. Das Telefonat mit Dylan geht der attraktiven, aber einsamen Frau nicht so schnell aus dem Kopf.

Dylan meldet sich kurz darauf auch erneut bei Annie. Die beiden bauen eine Bindung zueinander auf, die sich im Wesentlichen auf Telefonsex beschränkt. Doch zwischen den Zeilen merkt Annie, dass der Fremde zu einer Bezugsperson wird, die sie in ihrem Leben so dringend benötigt. Dylan schenkt ihr, für den Leser schwer nachvollziehbar, ein Gefühl von Sicherheit.

Nach und nach lernt Annie weitere Menschen kennen. Die Bewohner des Trailerparks haben allesamt ihre eigenen Geheimnisse. Und auch, wenn Annie das gar nicht unbedingt geplant hat, gerät sie immer mehr in das Leben der neuen Nachbarn hinein.



Fazit:

In „Broken Darkness“ entspinnt sich eine spannende Geschichte, getragen von einer oft allzu naiven und weltfremden, aber herzensguten Protagonistin.

Dennoch gelingt es dem Leser schnell Annie ins Herz zu schließen. Die Autorin lässt die chaotische Lebensweise schließlich nicht naiv, sondern lebensbejahend, als Überlebensmöglichkeit wirken.

Für mich ist sie Musterbeispiel für Resilienz. Damit ist jenes Phänomen gemeint, dass es manchen Menschen gelingt, trotz erlebter Widrigkeiten oder Traumata psychisch gesund zu bleiben.

Die unvermeidliche „prickelnde Erotik“ gibt's natürlich auch. Manchmal scheint das Buch sogar mit erotischen Szenen überladen.

Beim Lesen fällt auch der gekonnte Sprachgebrauch sofort auf: Der Schreibstil ist flüssig und leicht. Der Auftakt von Broken Darkness lässt sich nicht so schnell beiseitelegen.

Von mir gibt es daher – trotz kleiner Kritikpunkte – eine Leseempfehlung.


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Veröffentlicht am 01.05.2020

Eine Mischung aus Romance und Thriller

Der Bodyguard
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Inhalt:

Als der Personenschützer Maik den Auftrag erhält, das Escortmädchen des reichen Industriellen Peter van Holland zu bewachen, ahnt er noch nicht, was ihn erwartet. Bereits ein kurzes Zusammentreffen ...

Inhalt:

Als der Personenschützer Maik den Auftrag erhält, das Escortmädchen des reichen Industriellen Peter van Holland zu bewachen, ahnt er noch nicht, was ihn erwartet. Bereits ein kurzes Zusammentreffen mit Lynn reicht aus, um Maiks Gefühlswelt gründlich durcheinanderzuwirbeln. Die junge Frau wirkt tough und lässt sich nichts sagen. Sie macht Maik schnell klar, dass nicht alles so laufen wird, wie Peter van Holland es gerne hätte.

Statt brav zu Hause zu sitzen, verabredet Lynn sich mit Freundinnen zu Partys. Oft ist sie schwerer zu hüten als ein Sack Flöhe. Maik und sein Team haben alle Hand damit zu tun, die kleinen Geheimnisse des Mädchens zu schützen, und zugleich ihrem Job so gut es geht nachzukommen.

Bald schon merkt Maik, dass seine Gefühle für Peter van Hollands Liebling nicht nur oberflächlicher Natur sind. Auch wenn Lynn vielleicht nicht auf seine Anweisungen hört, so scheint sie doch mehr für ihn zu empfinden. Es beginnt ein gefährliches Spiel, das zu eskalieren droht, als die junge Frau entführt wird.



Meinung:

Mit Maik stellt die Autorin dem Leser einen Protagonisten vor, dem es die Frauen sehr leicht machen. Trifft er auf jemanden, der Hilfe benötigt, so kann er nicht die Augen verschließen. Er schreitet ein. Diese Hilfsbereitschaft hat ihm schon des Öfteren ein Date eingebracht. Doch Maik weiß, dass sein Job nicht viel Freizeit zulässt. Zudem gerät er immer wieder an die falsche Sorte Frau.

Kurz nachdem Maik seinen neuen Job als Personenschützer bei der Familie van Holland in einem Team von fünfzehn weiteren Bodyguards angetreten hat, lernt er durch einen Zufall die Frau kennen, für deren Schutz er demnächst verantwortlich sein soll. Lynn reagiert auf dieses zufälliges, intimes Zusammentreffen im Bad der Familie van Holland eher locker. Schnell spüren beide einen Draht zueinander.

Stunden später geht Maik Lynn nicht mehr aus dem Kopf. Bei einem gemeinsamen Treffen mit seinen engsten Freunden in einer Bar kommt es zu einem „Notfall“. Eine junge Frau wird von ihrem Date gedemütigt. Der alkoholisierte Mann scheint gewaltaffin. Maik steigt als weißer Ritter ein, deeskaliert die Situation und rettet Andrea, so der Name, der in Not geratenen Frau, den Abend. Den gewonnenen Heldenstatus will Maiks beste Freundin nutzen, um die beiden zu verkuppeln.
If you can't be with the one you love; love the one you are with. Doch kann Andrea Lynn wirklich ersetzen? Diesem Gefühlschaos muss sich der Personenschützer im ersten Drittel des Buches stellen.

Jede Geschichte braucht eine Exposition. Sonja Rüthers Buch nimmt sich viel Zeit, um die Figuren langsam und bedachtsam zu entwickeln. Äußerst rasant entwickelt sich allerdings der "Glücksschock", den die Liebe auf den ersten Blick auslösen kann. Maiks Gefühle für seine Schutzbefohlene entwickeln sich schon atemberaubend schnell. Positiv zu erwähnen ist, dass das Buch hierüber selbst kritisch reflektiert.

Nach und nach kommt heraus, dass Lynn Geheimnisse hat, über die sie nur ungern spricht. Nach dem ersten Drittel des Buches webt die Autorin dann erste Thrillerelemente in ihre Geschichte ein. Ab der Hälfte des Buches wird es an Spannung nicht mehr fehlen. Allein schon dadurch, dass das Buch auf einmal viel mehr Geschichte zu erzählen hat. Die Figuren bekommen eigene Plots. Die Anlage des Buches wird dadurch erstmals wirklich multiperspektivisch.

Zu den großen Stärken des Buches zählen seine Figuren. Bei denen es viel Entwicklung gibt. Und der Leser oft überraschende Seiten entdecken kann.



Fazit:

Der Bodyguard deckt ein breites Feld von Genres ab: Action, Thriller, Romantik.

Der Protagonist Maik ist neu in einem Team Personenschützer, die für einen reichen Industriellen arbeiten, und verliebt sich in seine Schutzbefohlene.

Ob die "Bodyguard"-Geschichte neu geschrieben werden musste, sei dahingestellt. Sonja Rüther schreibt jedenfalls gekonnt. Effektvoll werden Vorausdeutungen und Rückblenden eingesetzt, die Aufmerksamkeitsspanne des Lesers wird nie überdehnt. Die Geschichte ist äußerst lebendig und kurzweilig, was die Lektüre spannend macht.

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Veröffentlicht am 10.03.2020

Reichsbürger

Sein Reich
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Inhalt:

Bei einem Schulprojekt sollen Juri und seine Klassenkameraden auf einer Landkarte mit Klebezetteln markieren, welche Länder sie in ihrem nächsten Urlaub bereisen werden. Nach und nach füllt sich ...

Inhalt:

Bei einem Schulprojekt sollen Juri und seine Klassenkameraden auf einer Landkarte mit Klebezetteln markieren, welche Länder sie in ihrem nächsten Urlaub bereisen werden. Nach und nach füllt sich das Board an der Wand mit allerhand gelben Zettelchen. Als Juri an der Reihe ist, ist seine Laune nicht mehr die beste. Er scheint als einziger wieder einmal die Sommerferien zu Hause bei seiner Mutter und ihrem neuen Freund Hauke verbringen zu müssen. Auch der Trost des Lehrers, Juri sei damit der Schüler mit dem niedrigsten CO²-Fußabdruck, kann nicht recht verfangen. Auf dem Heimweg fasst Juri daher einen Entschluss: Zu Hause verkündet er seiner Mutter, dass er die Sommerferien bei seinem leiblichen Vater im Schwarzwald verbringen wird.

Gesagt getan. Das Zugticket ist schnell gebucht. Juri erreicht die ländliche Gegend, in der sein Vater wohnt, mit gemischten Gefühlen. Bei seinem letzten Besuch stand er vor verschlossener Tür. Dieses Mal gelingt es ihm aber seinen Vater zu überraschen. Zwar spricht dieser nicht wirklich viel, aber er weist ihm zumindest einen Platz zum Schlafen zu.

Anschluss findet Juri auch ziemlich schnell. Schon kurz nach der Ankunft lernt er Jessy kennen, die, schließlich ist das Dorf klein, Juri gleich zu einem gemeinsamen Treffen mit ihren Freunden einlädt. Auch Achim, ein Freund von Juris Vater, hat Kinder, mit denen Juri Zeit verbringen kann.

Der Urlaub scheint gar nicht so schlecht zu werden. Juris wortkarger Vater bindet den Sohn in sein Leben ein. Er zeigt ihm sein geheimes Projekt im Wald. Juri darf Achim und ihm bei Arbeiten helfen. Zu sehr schmerzt die vakante Vaterrolle, als dass Juri die freundliche Indoktrination sofort bemerken würde. Kann der trotz der politisch-ideologischen Vereinnahmung für sich einen freien Handlungsspielraum beanspruchten?



Meinung:

Schon auf den ersten Seiten des Buches wird deutlich, dass es Juri in seinem Leben nicht immer einfach hat. Die Mutter sucht sich immer wieder schwierige neue Partner, mit denen der Sohn klarkommen muss.
Eine Familiengeschichte, die geprägt ist von Gewalt, Alkohol, Resignation und ein klein bisschen Liebe. Dass die Mutter zu allem Überfluss auch noch ständig an Juri herumnörgelt, macht die Entscheidung, dem Vater in den Sommerferien einen Besuch abzustatten, einfach.

Doch auch Juris leiblicher Vater ist ziemlich seltsam. Er gibt sich konspirativ und linkisch,
arbeitet an einem Geheimprojekt. Auch versucht er seinen Nachwuchs für seine Sache zu vereinnahmen. Der Vater ist Reichsbürger und schwer interessiert an all den politischen Abgründen unserer Welt. Juri schlittert langsam in die trübe Szene von Preppern, Reichs- und Wutbürgern, abgestoßen und fasziniert zugleich.

Genauso wie seine Freunde glaubt Juris Vater nicht an die Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Die sei eine Firma, deren Bürger das Personal. Deswegen hieße der Ausweis, den jeder mit sich herumträgt schließlich auch Personalausweis. Hier in der Provinz glaubt man an die Geheimhaltung außerirdischen Lebens und die Existenz der ominösen „Chemtrails“. Diese Theorie handelt davon, dass die Kondensstreifen der Flugzeuge in Wahrheit Chemiewolken sind, mit denen eine Handvoll Auserwählte um die Weltherrschaft kämpfen. Auch der Glaube an die Mutter aller Verschwörungstheorien, an eine inszenierte Mondlandung, wird von Juris Vater gepflegt. Solche und andere Verschwörungstheorien schießen ins Kraut, Misstrauen herrscht allerorten, Lüge und Wirklichkeit scheinen ununterscheidbar.



Fazit:

Marin Schäuble zeigt in seinem Buch, „Sein Reich“, wie aus einer radikalen Haltung eine „fanatische“ wird.

Schäubles Buch hat Mehrwert – weil es zeigt, warum manche Menschen mit erlebter Unsicherheit besser zurechtkommen als andere. Es zeigt am Beispiel seiner Protagonisten, welche Ressourcen vor Radikalisierung schützen – den Einzelnen, aber auch die Zivilgesellschaft selbst. Wichtig in einer Gesellschaft, die Gefahr läuft, immer weiter in radikale Sub-Milieus zu zersplittern.



Buchzitate:

„Keine Behörde kann uns etwas vorschreiben, die haben alle keine Berechtigung. Die BRD ist eine Firma. Mehr nicht.“

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Veröffentlicht am 19.11.2019

Krimi mit kauzigen Charakteren

Perchtenjagd
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Inhalt:

Es geschah kurz vor Weihnachten auf dem Adventsmarkt in St. Wolfgang, gerade zu dem Zeitpunkt, als die Perchtenläufer durch die Straßen zogen. Die fünfjährige Marie wurde Opfer einer Entführung. ...

Inhalt:

Es geschah kurz vor Weihnachten auf dem Adventsmarkt in St. Wolfgang, gerade zu dem Zeitpunkt, als die Perchtenläufer durch die Straßen zogen. Die fünfjährige Marie wurde Opfer einer Entführung. Die aufgeregte Mutter informierte sofort die Polizei.
Und so kam es, dass der Psychologe Meiberger mit dem Fall betraut wurde. Meibergers persönliche Betroffenheit entsteht durch seine eigenen Erfahrungen: Sein einziger Sohn verschwand mit siebzehn Jahren ebenfalls spurlos. Er will den Täter finden. Unbedingt.
Nur kurz nach dem Geschehen ereignet sich ein zweiter Vorfall. Ein Bergsteigerehepaar entdeckt bei einer Wanderung unter einem Schneeberg eine Leiche mit einem Teddy im Arm. Es handelt sich, wie die Polizei kurz darauf recherchiert, um genau den Bären, den auch die kleine Marie am Tag ihrer Entführung bei sich hatte. Kurze Zeit später entdeckte Meiberger im Obduktionsbericht ein Detail, das ihn sofort an einen Fall aus der Vergangenheit erinnert. Der Täter hatte ein Zeichen hinterlassen, eine in die Stirn des Opfers eingeritzte Krone.


Im Detail:

Meiberger hat es nicht einfach. In seiner Karriere als Gerichtspsychologe hat er schon viele Fälle lösen können. Unter seinen Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzen und sonstigen, ist Meiberger angemessen unbeliebt.

Direkt nach der Entführung der kleinen Marie ist Meiberger sofort in höchster Alarmbereitschaft. Er weiß, dass in solchen Fällen jede Sekunde zählt. Während Meiberger also bereits über erste Zusammenhänge nachdenkt und Indizien zu finden versucht, widmet sich sein Chef und bester Freund, Oberstleutnant Nepomuk, dem Genuss einer Käsekrainer an einem der Adventsmarktstände.
Als wäre das alles nicht schon nervig genug, beschließt Nepo nur kurze Zeit später Meiberger auch noch von dem Fall abzuziehen. Meiberger ist geschockt. Seine Kollegen sind in seinen Augen eine seltsame Mischung aus Selbstgefälligkeit, Vulnerabilität und Inkompetenz. So beschließen Meiberger das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und ermittelt einfach undercover.



Eigene Meinung:

Maja und Wolfgang Brandstetter schreiben Drehbücher. Das merkt man ihrem Erstlingswerk an.
Meibergers Erlebnisse wurden bereits auf dem TV-Sender Servus im Fernsehen ausgestrahlt. „Perchtenjagd“ ist nun der erste Meiberger-Krimi in Buchform.

In erster Linie ein Detektivroman, enthält das Werk durchaus Elemente eines Thrillers à la Hollywood, flankiert von fantastischen Passagen in den mystischen Gegenden Österreichs.

In einigen Rezensionen habe ich, bereits vor dem Lesen des Buches, Kritiken bezüglich eines unrealistischen Endes gelesen. Um nicht zu spoilern möchte ich mich hierzu nicht in Details verlieren. Im Nachwort erwähnen die Autoren, dass sie für ihre Buchrecherche auf die Hilfe eines gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und forensischen Psychologen zurückgegriffen haben, der für Authentizität bürgt.

Ein Krimi war für mich bis vor kurzem darauf ausgelegt, aus Beobachtungen, Aussagen und Indizien schlussendlich eine nachvollziehbare Narration (über den Tathergang bis zum Ende) zu ergeben. Das vorliegende Werk setzt andere Prioritäten und misst alles an seiner erzählerischen Verwertbarkeit.

Dennoch wusste mich der erste Meibergerkrimi in Buchform von Maja und Wolfgang Brandstetter (mit Ausnahme des Endes) von sich zu überzeugen; gerade indem sie ihre Figuren als liebenswert abgerockte Existenzen zeigen.
So hat Meiberger seine Frau an seinen besten Freund verloren, sein einziger Sohn ist vor Jahren spurlos verschwunden. Auch muss er sich stets mit seinen unfähigen Kollegen herumschlagen.



Fazit:

Das Autorenduo Maja und Wolfgang Brandstetter schreibt schon seit geraumer Zeit Drehbücher für die auf Servus TV ausgestrahlte Krimiserie rund um den Gerichtspsychologen Meiberger. Mit „Perchtenjagd“ haben sie nun ihren ersten Krimi in Buchform herausgebracht.

Für all diejenigen Krimifreunde, denen es Vergnügen bereitet, eine spannungsgeladene Geschichte hautnah an den Figuren mitzuerleben, ist das Werk eine handfeste Empfehlung.

Besonders das Personengefüge im Roman ist gelungen: kauzig, stimmig und äußerst unterhaltsam.
Sprachlich ist das alles durchaus ambitioniert. Das Ende enttäuscht allerdings ein wenig.