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Veröffentlicht am 26.07.2020

Warte, warte, nur ein Weilchen.....

Haarmann
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In den 1920ern erschütterte eine Mordserie Hannover, die nie ganz aufgeklärt werden konnte. Bis heute sind die genaue Anzahl der Opfer sowie die Rolle zweier Mitangeklagter nicht erwiesen. Mindestens 24 ...

In den 1920ern erschütterte eine Mordserie Hannover, die nie ganz aufgeklärt werden konnte. Bis heute sind die genaue Anzahl der Opfer sowie die Rolle zweier Mitangeklagter nicht erwiesen. Mindestens 24 Jungen und junge Männer wurden von Fritz Haarmann in seine Wohnung gelockt und ermordet, ihre Kleider verkauft und ihr Fleisch – vermutlich – verarbeitet und ebenfalls verkauft.

In seinem Roman „Haarmann“ lässt Dirk Kurbjuweit den fiktiven Kriminalisten Lahnstein, erst vor kurzem aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen und noch unter dem Verlust von Frau und Kind leidend, aus Bochum nach Hannover kommen, um dort das reihenweise Verschwinden der jungen Männer aufzuklären. Dabei stößt Lahnstein auf eine Mauer des Schweigens und Ablehnung von seinen Polizeikollegen; der Verdacht, der Polizei-Informant Haarmann wird geschützt, drängt sich auf. Erst durch einen Zufall gelingt es, den Serienmörder zu fassen.

Haarmannn ist nicht nur ein spannender Kriminalroman, er zeigt vor allem das Leben vor 100 Jahren. Der schreckliche erste Weltkrieg ist erst kurz vorbei, viele ehemalige Soldaten sind immer noch traumatisiert, Gewalt ist an der Tagesordnung. Die spanische Grippe hat bereits gewütet, die Wirtschaft liegt am Boden, die Menschen sind arm, verzweifelt, Homosexualität ist ein Verbrechen. Zudem herrscht in der Weimarer Republik politische Unsicherheit, die Nazis stehen kurz vor ihrem Durchbruch. Vor diesem Hintergrund konnte ein Serienkiller wie Haarmann leicht an seine Opfer kommen und die Polizei lange an der Nase herumführen. Abgerundet wird der Roman durch eingestreute Passagen, Erzählungen aus Opfersicht, das Originalgeständnis von Haarmann.

Mein Fazit: Kurbjuweit ist ein spannender Roman und gleichzeitig ein beeindruckendes Zeitzeugnis gelungen. Absolut lesenswert.

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Veröffentlicht am 07.05.2020

Von Freundschfat, Lügen und Wahnsinn

Sieben Lügen
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Jane und Marnie sind beste Freundinnen seit Schultagen, zwei Frauen, die einander kennen wie Schwestern, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen, Schicksalsschlägen wie den Tod von Janes Ehemann gemeinsam ...

Jane und Marnie sind beste Freundinnen seit Schultagen, zwei Frauen, die einander kennen wie Schwestern, die gemeinsam durch Dick und Dünn gehen, Schicksalsschlägen wie den Tod von Janes Ehemann gemeinsam durchstehen – eine Freundschaft, die nichts zerstören kann. Doch dann tritt Charles in Maries Leben und alles ändert sich. Jane spielt nur noch die zweite Geige und mit einer kleinen Notlüge „Natürlich passen Du und Charles gut zusammen“ beginnt eine tödliche Spirale aus Liebe, Misstrauen, Lügen und Besessenheit, die an Wahnsinn grenzt.

Janes Innenleben, ihre Verzweiflung, diese wichtigste Person in ihrem Leben – Marnie – zu verlieren, ist sehr gut erzählt und stellen weise sogar nachvollziehbar. Unaufhaltsam gerät Jane tiefer in den Strudel, den ihre Lügen verursacht haben, und die Spannung steigt. Aber die anderen Personen des Romans, allen voran Marnie, sind für meinen Geschmack etwas zu flach geblieben.

Auch das Ende des Romans hätte ich mir etwas packender gewünscht.

Sieben Lügen ist auf jeden Fall spannender, gut zu lesender Thriller, genau richtig während dieser „WirbleibenZuhause“-Tage.

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Veröffentlicht am 07.05.2020

Ein verstörendes Stück Zeitgeschichte

Stella
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Als Friedrich, ein junger, in sich gekehrter, künstlerisch begabter Mann im Jahr 1942 aus der Schweiz nach Berlin reist, um dort die Wahrheit zu finden, ahnt er nicht, dass sich sein Leben für immer verändern ...

Als Friedrich, ein junger, in sich gekehrter, künstlerisch begabter Mann im Jahr 1942 aus der Schweiz nach Berlin reist, um dort die Wahrheit zu finden, ahnt er nicht, dass sich sein Leben für immer verändern wird. Denn er trifft dort auf eine hübsche Blondine, eine kesse Berlinerin, die sich im als Kristin vorstellt und die er sich Hals über Kopf verliebt. Sie zeigt ihm die verbotenen Jazz-Spelunken Berlins, macht ihn mit Tristan von Appen, einem Lebemann – und SS-Offizier – bekannt. Doch schlagartig ändert sich alles, nachdem Kristin mitsamt ihrer Familie gefangen genommen und ins Lager Große Hamburger Straße gebracht wird. Denn Kristin heißt in Wahrheit Stella Goldschlag und ist Jüdin. Um sich und ihre Familie zu retten arbeitet sie ab diesem Zeitpunkt als „Greiferin“ und geht täglich für die Nazis auf Jagd nach Juden.
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Von der Kritik wurde Stella verrissen, zu romantisch die Liebesgeschichte, zu schwach die Frage nach der Schuld, überhaupt kann man sich einem solchen Thema nicht auf diese Art nähern.

Mich persönlich hat Takis Würger mit seinem Roman gefesselt. Ich fand es faszinierend, wie er in 12 Kapiteln – für jeden Monat des Jahres 1942 – die unfassbare Geschichte der Stella Goldschlag und das Leben im Berlin jener Zeit, eingebettet in eine fiktive Liebesgeschichte und immer wieder unterbrochen durch Vernehmungsprotokolle, erzählt hat. Für mich ein absolut lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Der Ball der Verrückten

Die Tanzenden
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Im Jahr 1885 wird die junge, intelligente und vor allem sehr unangepasste Eugénie, Tochter aus gutem Hause, aufgrund einer außergewöhnlichen Gabe von ihrem eigenen Vater in die Salpêtrière eingeliefert, ...

Im Jahr 1885 wird die junge, intelligente und vor allem sehr unangepasste Eugénie, Tochter aus gutem Hause, aufgrund einer außergewöhnlichen Gabe von ihrem eigenen Vater in die Salpêtrière eingeliefert, die wohl bekannte psychiatrische Anstalt Europas. Hier werden die „Irren“, die „Hysterikerin“ oder einfach nur unbequeme Frauen entsorgt oder einfach nur zum Schweigen gebracht.

Victoria Mas erzählt von den unterschiedlichen Frauen, die es hierhin verschlagen hat: da ist Louise, die fest daran glaubt, durch die Hochzeit mit einem jungen Arzt diesem Ort bald entfliehen zu können; Therese, die fast ihr ganzes Leben in der Anstalt verbracht hat und sich ein Leben außerhalb dieser Mauern nicht mehr vorstellen kann und da ist Genévieve, die Oberschwester, deren Welt durch die Begegnung mit der jungen Eugénie komplett auf den Kopf gestellt wird.

Und da sind die Ärzte, allen voran der berühmte Jean-Martin Charcot, denen es in erster Linie um den eigenen Ruhm geht und weniger um die Heilung der Frauen. So werden diese allwöchentliche vor Publikum zur Schau gestellt, mit Hypnose zu Anfällen getrieben und mit fragwürdigen Mitteln wieder zur Ruhe gebracht.

Der Höhepunkt aber ist der alljährlich stattfindende Ball der Verrückten, dem die Patientinnen der Anstalt entgegenfiebern und bei dem die Pariser Oberschicht sich dem Nervenkitzel hingibt, die „Verrückten“ wie Tiere im Zoo zu begaffen.

Gekonnt verwebt Mas Fiktion mit wahren Begebenheiten und schafft es dabei mit einer bewundernswerten Leichtigkeit, dieses schwere Thema unterhaltsam und fesselnd zu vermitteln.

Ein absolut lesenswerter, zum Nachdenken anregender, berührender Roman.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Die Schule auf der Insel

Die Schule am Meer
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1925 gründete eine Schar hochmotivierter Lehrer um Martin Luserke und das Ehepaar Anni und Paul Reiner auf der Nordseeinsel Juist die Schule am Meer, die erste reformpädagogische Schule Deutschlands auf ...

1925 gründete eine Schar hochmotivierter Lehrer um Martin Luserke und das Ehepaar Anni und Paul Reiner auf der Nordseeinsel Juist die Schule am Meer, die erste reformpädagogische Schule Deutschlands auf einer Insel. Naturnahe Erziehung, Sportliche Betätigung, Handwerkliches Können und Musische Bildung und sowie Darstellende Kunst standen im Mittelpunkt dieses für die damalige Zeit ungewöhnlichen Schulprojektes. Unter den Lehrern befand sich u.a. Eduard Zuckmayer, bei den Schülern fanden sich illustre Namen wie Peter Döblin, Beate Uhse oder die Schauspielerin Maria Becker.

In ihrem Roman Die Schule am Meer beschreibt Sandra Lüpkes die gesamte Zeitspanne der Schule mit vielen kleinen Anekdoten, die mal aus der Sicht der Lehrer, der Schüler aber auch der Insulaner erzählt werden. So begleiten wir z.B. den Schüler Maximilian, genannt Mücke, von der Überfahrt zur Insel bis zu seinem Abitur, erleben Abenteuer wie die gefährliche Überquerung der zugefrorenen Nordsee, den Bau der großen Theaterhalle, Freundschaft und Rivalität und nicht zuletzt die Spannungen zwischen den eingeschworenen Inselbewohnern und den mit Misstrauen beäugten Bewohnern des Internats, der „Judenschule“ und „Kommunistenschmiede“.

Es ist ein beeindruckendes und bedrückendes Stück Zeitgeschichte, das Sandra Lüpkes in ihrem wunderbaren Roman auf 570 Seiten darbietet. Mein Fazit: absolut lesenswert


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