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Veröffentlicht am 15.05.2020

Nach Anfangsschwierigkeiten konnte ich diese außergewöhnliche Geschichte richtig genießen!

Schattengeister
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Mit historischer Fantasy bin ich bisher noch nicht oft in Berührung gekommen, umso mehr habe ich mich auf Frances Hardinges ‚Schattengeister‘ gefreut. Nach einer anfänglichen Durststrecke, die mich kurz ...

Mit historischer Fantasy bin ich bisher noch nicht oft in Berührung gekommen, umso mehr habe ich mich auf Frances Hardinges ‚Schattengeister‘ gefreut. Nach einer anfänglichen Durststrecke, die mich kurz vor die Entscheidung des Abbruchs gestellt hat, hat sich die Geschichte doch noch gemacht – und wie. Ich habe ein Jugendfantasybuch bekommen, wie ich es so noch nie gelesen habe. Atmosphärisch, außergewöhnlich und definitiv empfehlenswert!


Anfangs fand ich unglaublich schwer ins Buch. Wir folgen als Leser einem jungen Mädchen namens Makepeace. Und das ist glaube ich der ungewöhnlichste Name, den eine Protagonistin je hatte. Aber egal, man gewöhnt sich an alles, selbst an puritanische Namen. Man merkt also schon mit den ersten Seiten, dass wir uns im 17. Jahrhunderts befinden, als der Puritanismus in England Einzug hielt.
Makepeace wohnt zusammen mit ihrer Mutter in einer kleinen Stadt nahe London, in einer sehr gottesfürchtigen Gemeinde, in der Makepeace noch der harmloseste Name ist. Neben What-God-Will, Forsaken und Kill-Sin. Das war mir auch alles noch verständlich. Doch das Verstehen hat aufgehört, als Makepeace‘ Mutter sie über Nacht in einer Friedhofskapelle einsperrt um ihr ihre Albträume auszutreiben. Und damit sie sich gegen die Toten zur Wehr zu setzt. Und das nicht nur einmal. Im Nachhinein macht wirklich alles Sinn, doch während des Lesens dachte ich mir nur „Hä?“. Generell find ich das Handeln von Makepeace‘ Mutter ziemlich konfus und mir gefällt nicht wirklich, was ich lese. Selbst als sich der Schauplatz ändert und Makepeace zur Familie ihres Vaters, den sie nie kennengelernt hat, zieht, sträube ich mich immer noch gegen die Geschichte. Ich verstehe auch hier einfach nicht, um was es geht. Selten war bin ich so schlecht in ein Buch gestartet und ich weiß wirklich nicht, ob ich nicht abgebrochen hätte, hätte es sich nicht um ein Rezensionsexemplar gehandelt. Da andere Meinungen jedoch nicht von Einstiegsschwierigkeiten schreiben habe ich mich durchgebissen und es einfach mal auf mich zukommen lassen. Ahnungslos, aber voller Hoffnung quasi.


Und siehe da, mit (weitem) Fortschreiten der Handlung eröffnet sich mir immer mehr, was vor sich geht und warum Makepeace‘ Mutter sich so verhalten hat, wie sie es getan hat. Und warum sie Makepeace von der Familie ihres Vaters fernhalten wollte. Und als ich dann soweit war und für mich alles einen Sinn ergab, ich alles richtig einordnen konnte, habe ich das Buch richtig genossen. Denn es ist ein sehr außergewöhnliches Buch.


Denn zum einen finde ich die Idee hinter dem Buch ziemlich toll. Geister von Toten suchen Zuflucht bei den Lebenden. Dabei ist die Interaktion der Geister mit den Besessenen so vielseitig wie es die Menschen selbst sind. Das hat mir gut gefallen und enorm viele Möglichkeiten eröffnet. Denn als Person, die Geister in sich aufnimmt, eignet sie sich deren Wissen an und kann sogar mit ihnen kommunizieren. Somit erreicht der Geist quasi Unsterblichkeit in einem fremden Körper. Und wenn man als Geist einmal davon profitiert hat, möchte man diese „Freiheit“ natürlich mit allen Mitteln verteidigen.


Zum anderen fand ich die Zeit, in der die Geschichte spielt, ungemein interessant. England während der Herrschaft des Stuart-Königs Karl I., der versucht hat, absolut zu regieren und das Parlament aufzulösen. Er sah seine Herrschaft als göttliches Recht an und ein Parlament störte dabei natürlich. Es kam zum Bürgerkrieg und Makepeace fand sich zwischen Königstreuen und Parlamentariern wieder, verlor ihre Mutter, schmuggelte sich durch Feindesgebiet, spielte eine Spionin, traf sogar den König.


Makepeace hat also nicht nur viele Abenteuer erlebt, sondern sich auch toll entwickelt. Anfangs war sie einfach ein kleines Mädchen, doch mit den Herausforderungen, denen sie sich stellen musste, ist sie gewachsen und hat sich zu einer Persönlichkeit entwickelt, die ich sehr mochte: neugierig, loyal, empathisch. Auch mit ihrer übersinnlichen Fähigkeit, Geister aufzunehmen, ging sie fast von Anfang an rational um, auch wenn sie natürlich zuerst versucht hat, gegen ihren ersten Bewohner, Bär, zu kämpfen. So wie ihre Mutter es ihr beigebracht hat. Doch als Bär und sie sich arrangiert hatten, gar Freunde wurden, hat Makepeace aus freiem Willen weitere Geister aufgenommen. Denn um in den von Kriegswirren zerrütteten England gegen eine mächtige Familie anzutreten, muss man jede Hilfe annehmen, die man bekommen kann. Und wieso sollte man den Feind nicht mit seinen eigenen Waffen schlagen?


So hat sich also aus einer wirren Geschichte etwas entfaltet, das ich sehr gerne gelesen habe. So gerne, dass ich die Anlaufschwierigkeiten fast vergessen konnte. Da diese aber an mir und meinem fehlenden Durchblick gelegen haben, möchte ich euch unbedingt ans Herz legen, es trotzdem mit dem Buch zu versuchen. Denn die Idee ist grandios, die historischen Begebenheiten sehr interessant und die Geschichte eigentlich auch. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Wir lernen die Welt der Märchen kennen und was passiert, wenn das Böse daraus entkommt und in unsere Welt gelangt.

Das Vermächtnis der Grimms
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‚Das Vermächtnis der Grimms‘ lag lange auf meinem SuB und das, obwohl die Meinungen eigentlich überwiegend positiv sind. Was natürlich nichts heißt, aber irgendwie hatte ich nie so recht Lust darauf. Meine ...

‚Das Vermächtnis der Grimms‘ lag lange auf meinem SuB und das, obwohl die Meinungen eigentlich überwiegend positiv sind. Was natürlich nichts heißt, aber irgendwie hatte ich nie so recht Lust darauf. Meine „Angst“ war, dass es sich um eine Märchenadaption handelt und mit denen habe ich oft schlechte Erfahrungen gemacht. Aber die Grimms sind keine Adaption eines Märchens, nein, sie thematisieren zwar unzählige Märchen, aber das nur sehr oberflächlich und dann noch in einer Art und Weise, wie es auch mir Spaß macht. Um jedoch von einer außergewöhnlichen Idee zu sprechen, erinnert es mich ein bißchen zu sehr an die erfolgreiche Serie ‚Grimm‘. Ich fühlte mich nichtsdestotrotz gut unterhalten, auch wenn es ein paar Kleinigkeiten gab, die mich gestört haben.

Der Dilogieauftakt wird aus drei Perspektiven erzählt. Kristin lebt in der Gegenwart und hat Visionen, die sie oftmals einfach überfallen. Visionen, die ihr ermöglichen, aus Geschriebenem oder Gesehenem die Wahrheit herauszufiltern, also zum einen, was die eigentliche Intention dahinter ist bzw. unter welchen Umständen es geschrieben oder aufgenommen wurde. Kris ist eine coole Protagonistin, mit einem Hang zum Alkohol und witzigen Sprüchen. Ihre Gabe ist vielleicht der Schlüssel zur Aufklärung der Grimmmorde, die die Welt erschüttern. Ihr erster Auftritt liest sich jedoch anders, als ich es vom Buch erwartet habe. Denn ich erwarte eine erwachsene und düstere Geschichte. Kris sitzt an einer Bar, kippt einen Drink nach dem anderen und schimpft über einen Mann, brabbelt vor sich hin und schüttet dem Barkeeper ihr Herz aus. Puh, dachte ich mir, hoffentlich wird das nicht so ein Romance-New-Adult-Ding. Aber Gott sei Dank wird ihr Verhalten mit der Zeit erwachsener, denn ein anderes hätte für mich nicht gepasst.

Zweite Erzählebene ist die der Masali und sie beginnt 1210 n. Chr. Anfangs fragte ich mich, ob die Zeitangabe stimmte. Denn der Stil der Kapitel, die Wortwahl der Charaktere, das passt für mich kein bißchen ins 13. Jahrhundert. Als dann auch noch von ‚Deutschland‘ die Rede ist.. Aber man gewöhnt sich daran, wenn man alles der künstlerischen Freiheit zuordnet. Aber es hat mich eigentlich durch’s ganze Buch hinweg gestört.
Der Orden der Masali schreibt jedenfalls die Geschichten, die wir als Märchen kennenlernen. Dornröschen, Hänsel und Gretel, Aschenputtel und wie sie alle heißen. Ist die Geschichte erst mal geschrieben, muss sie von oberster Stelle freigegeben werden, bevor sie in Welt der Menschen gelangen darf. Die Charaktere und Wesen der Geschichten, Sagen und Fabeln erwachen dann in Abalion zum Leben. Doch was ist, wenn das Böse seinen Weg in die Menschenwelt findet?

Ash ist Protagonist der dritten Sichtweise. Er ist Bewohner von Abalion und ein rechter Chaot. Dieb, Überlebenskünstler, Sich-um-Kopf-und-Kragen-Redner. Durch ihn lernen wir Abalion kennen. Es gibt auch eine hübsche Karte im Buch, diese hätte es aber meiner Meinung nach nicht gebraucht.
Abalion ist unübersichtlich aufgrund der vielen, vielen verschiedenen Völker, die es besiedeln. Gnome, Zwerge, Rumpelstilzchen, Prinzen.. Doch auch Ashs Weg kreuzen diverse Personen, die man erst mit der Zeit einordnen kann. Dieser Handlungsstrang gefiel mir anfangs am wenigsten, das hat sich aber im Verlauf der Geschichte geändert. Jedoch hätte man meiner Meinung nach vor allem bei Ashs Perspektive viele Seiten weglassen können, die gefühlt nur geschrieben wurden, um ein paar witzige Szenen und coole Sprüche einzubauen und die die Geschichte nicht voran gebracht haben.

Ja, die Geschichte. An sich ziemlich einfach. Drei Zeitebenen, die am Ende irgendwie zusammengeführt werden. Ha, falsche gedacht. Denn sie hängen schon längst zusammen, und zwar ohne, dass ich als Leser allzu schnell gemerkt habe, wie. Ich hatte hier und da eine Ahnung, doch das Ausmaß der tatsächlichen Verbindungen lässt meinen Kopf tatsächlich ein bißchen schwurbeln. Überraschungseffekte gibt es noch und nöcher, das mag ich sehr. Vor allem, da man die betroffenen Personen schon längst kennt und sich denk: Aaaah, so ist das.

Neben diesen ganzen Verbindungen ist für mich die Haupterzählperspektive um Kris sehr spannend aufgebaut. Wir erfahren erst gar nichts bzw. nur das allernötigste und stehen somit genauso ahnungslos da wie Kris selbst. Wir wissen quasi nur, dass auf der ganzen Welt einige Morde passieren, die an Grimms Märchen angelehnt sind. Doch je mehr Wissen wir mit Kris‘ Visionen erlangen, je mehr das Ermittlungsteam um die Grimmmorde preisgibt und je weiter die Handlung in den anderen Erzählsträngen schreitet, desto klüger werden wir. Es macht wirklich richtig Spaß zu erkunden, wie alles zusammenhängt, zumal der Spannungsbogen erkennbar ist und alles auf den unvermeidlichen Höhepunkt hinausläuft, der einige Überraschungen bereithält und den Weg für den zweiten Band ebnet.
Die vermeintliche Parallelität der Handlungsstränge verwirrt manchmal, da ja der um die Masali eigentlich einige hundert Jahre davor spielt und abgeschlossen ist, aber trotzdem direkte Auswirkungen auf die anderen Handlungsstränge hat. Zuletzt hatte ich dieses Art der Erzählung in ‚Der Untergang der Könige‘ von Jenn Lyons, da war es mir jedoch ein Graus und hat mich aufgrund der Ähnlichkeit der verschiedenen Erzählebenen nur verwirrt. Aber hier sind die drei Sichtweisen ohne Probleme auseinanderzuhalten und eine schöne Abwechslung zu den sonst gängigeren Rückblenden. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Historischer Roman, der fast schon Thrillerelemente aufweist. Gewöhnungsbedürftiger Schreibstil, aber mit der Zeit dann ziemlich spannend.

The Doll Factory
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Was ist eigentlich das Gegenteil zu einem Happy End? Ein trauriges Ende? Ein offenes? Diese Frage habe ich mir während des Lesens von ‚The Doll Factory‘ von Elizabeth Macneal gestellt, denn die Vorstellung ...

Was ist eigentlich das Gegenteil zu einem Happy End? Ein trauriges Ende? Ein offenes? Diese Frage habe ich mir während des Lesens von ‚The Doll Factory‘ von Elizabeth Macneal gestellt, denn die Vorstellung eines unglücklichen Endes hätte mich nicht überrascht. Und das war tatsächlich das erste Mal, dass ich mir ein unglückliches Ende vorstellen konnte. Nicht, weil ich es den Charakteren gewünscht hätte. Sondern einfach weil es selten Geschichten gibt, die ein anderes Ende als ein glückliches verkraften. Ob es tatsächlich unglücklich war oder nicht, solltet ihr aber am besten selbst herausfinden! Denn auch wenn der Schreibstil wirklich sehr gewöhnungsbedürftig ist, hat mich die Geschichte mit der Zeit völlig eingenommen. Schon allein deswegen, weil der im Klappentext erwähnte Verehrer mit dem dunklen Plan eine fast schon thrillerartige Atmosphäre schafft.

Der Schreibstil Macneals ist sehr flüssig zu lesen, wenn auch unglaublich detailliert. Manchmal zu detailliert. So meine ich nach wenigen Seiten zu wissen, wie man ein Tier präpariert. Nicht unbedingt Kenntnisse, die ich hätte haben müssen, aber sei’s drum. Doch die ausschweifenden Beschreibungen bringen mir das London von 1850 nahe und zeigen es sehr nüchtern: Seinen Dreck, seinen Gestank, seine Gestalten, aber auch schöne Dinge wie den Kristallpalast, welcher zur Weltausstellung 1851 gebaut wird und in den 1930ern einem Feuer zum Opfer fällt. Oder den feinen Pinselstrich auf dickem, kaltgepresstem Papier, präzise gesetzt, die Form eines Kinns darstellend.
Die Geschichte selbst wird im Präsens erzählt. Das fällt sofort auf, man ist als Leser eher das meist verwendete Präteritum gewöhnt. Aber hat man sich erst an die vielen, vielen Details, mit denen man konfrontiert wird, gewöhnt, kann man sie richtig genießen und aufsaugen.

Es geht so farbenfroh zu wie in einem erstklassigen Bordell, überall leuchten Nester aus gefärbten Federn, obszön geschwollene Hüte, spitze Sonnenschirmchen und Bollwerke aus steifen Krinolinen. Zwischen Ulmen, Skulpturen und fleischigen Topfpflanzen hängen unzählige Kristallleuchter. Der Anblick ist ein rotierendes Kaleidoskop, unmöglich anzuhalten oder zu begreifen.

‚The Doll Factory‘ erzählt von Iris, einer jungen Frau, die ihrer Anstellung in Mrs. Salters Puppenmanufaktur überdrüssig ist. Sie möchte malen, frei sein. Doch sie fühlt sich ihrer Schwester Rose verpflichtet, die durch Pockennarben und einem milchigen Auge entstellt ist und wohl nie einen Ehemann finden wird. Und ihren Eltern, die auf Moral und Anstand pochen. Iris selbst nimmt sich wegen eines verformten Schlüsselbeins nicht als attraktiv oder gar begehrenswert wahr, hat Angst vor der Welt und möchte bloß nicht auffallen. Bis der Maler Louis Frost an ihre Tür klopft und sie überredet, für ihn Modell zu stehen. Er wird sie nicht nur im Malen unterrichten, sondern verspricht auch eine Freiheit, von der Iris bisher nur träumen konnte. Schnell findet sie Anschluss in Frosts Künstlergruppe PRB, der Präraffaelitischen Bruderschaft, fühlt sich wohl in dieser Bohème mit ihrem Geld und ihrer Verschwendungssucht. Es ist eine wahre Freude Iris‘ Entwicklung nachzuverfolgen, ihren Weg in die Unabhängigkeit, weg von ihrer Familie, die sie nur eingeengt hat.
Iris und Louis Frost sind zwar fiktive Figuren, doch hat es die Künstlergruppe PRB wirklich gegeben. Elizabeth Macneal war vor allem fasziniert von Lizzie Siddal, der Lieblingsmuse der Präraffaeliten. Als Vorbild für Iris wurde auch Lizzie in diese schillernde und exzentrische Welt der Künstler geworfen, lernte das Malen und verliebte sich in Dante Gabriel Rossetti. Und fand ihr Ende durch eine Überdosis Laudanum.

Die Flocken fallen stetig und verwischen Schuhabdrücke und Reifenspuren wie ein effizienter Pinsel. Vom Dachfenster aus betrachtet ist die ganze Welt zu einer Miniatur geschrumpft. Die Pferde trippeln durch den Schnee wie pummelige, mit Puderzucker bestäubte Mäuse, die Straßenhändler flitzen umher wie blechernes Aufziehspielzeug. Ein Mann hackt Feuerholz, seine Axt kaum größer als ein Zahnstocher.

Doch diese neue Freiheit Iris‘ birgt eine Gefahr. Denn nicht nur Frost hat ein Auge auf sie geworfen, sondern auch der skurille Silas, ein Einzelgänger und Tierpräparator in seinem Kuriositätenladen. Ein heimlicher Verehrer, der sich durch seine Obsession und Wahnvorstellungen eine eigene Welt spinnt, in der Iris seine Königin ist. Er sorgt mit seinen Gedanken und Handlungen für eine unterschwellige Bedrohung, für eine Spannung, die mit der Zeit immer greifbarer wird. Es fühlt sich fast an wie ein Thriller, bei dem man auf den großen Showdown wartet..

Und so befindet man sich mitten im viktorianischen London, schaut Malern über die Schulter, beobachtet Huren mit ihren Freiern, verfolgt den Bau des Kristallpalasts zur Weltausstellung 1851 und auch wenn manche Textpassagen zu detailliert beschrieben werden und sich Ekel breitmacht, denke ich mir doch oft, was für eine authentische Atmosphäre Macneal mit ihren Worten schafft. Und wie sie den Weg einer Frau skizziert, die in einer Zeit lebt, in der Frauen den Männern nicht gleichgestellt sind. Die für ihre Träume kämpfen muss, gegen gesellschaftliche Zwänge und Vorurteile. Für ihre Freiheit. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Ernster als 'Wintervanille' und noch gefühlvoller. Der Wunsch nach Süßem bleibt gleich hoch. Tolle Reihe!

Orangenträume
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Manuela Inusas ‚Orangenträume‘ ist anders als der Vorgängerband ‚Wintervanille‘. Er ist noch gefühlvoller, aber auch ernsthafter. Es steht keine neue Liebe im Vordergrund sondern tiefgehende Vertrautheit ...

Manuela Inusas ‚Orangenträume‘ ist anders als der Vorgängerband ‚Wintervanille‘. Er ist noch gefühlvoller, aber auch ernsthafter. Es steht keine neue Liebe im Vordergrund sondern tiefgehende Vertrautheit und die Verbundenheit, die daraus erwächst. Garniert mit einer Orangenscheibe ist der zweite Teil der Reihe ‚Kalifornische Träume‘ ein richtiges Wohlfühlbuch und eine Ode auf die Freundschaft. Und auf Süßes!

Lucinda lädt jedes Jahr ihre drei besten Freundinnen auf ihre Orangenfarm ein. Zu viert möchten sie ein Wochenende lang den Alltag vergessen, albern sein und auch ein bißchen verrückt, drei Tage lang die Probleme, die jede mit sich trägt, einfach ausblenden. Sei es eine Krankheit, Bindungsängste, häusliche Gewalt oder Existenzängste, keine der vier Frauen möchte mit ihren Angelegenheiten die gelöste Stimmung trüben. Doch was wäre es für eine Freundschaft, wenn die anderen nichts merken oder kein Verständnis zeigen würden? Zumal alle vier seit ihren Jugendjahren befreundet sind und durch ein tragisches Ereignis zusammengeschweißt wurden. Dieser Vorfall im Jahr 2000 wird durch Rückblenden in eigenen Kapiteln erzählt, doch ist man schnell dahinter gekommen, was passiert sein muss. Die Hinweise die die Autorin streut sind ziemlich eindeutig, das mindert aber die Spannung nicht. In diesem Buch ist der Weg das Ziel. Auch die verschiedenen Probleme, mit denen die Frauen zu kämpfen haben, werden recht bald offensichtlich. Hilfreich ist dabei, dass der personale Erzähler die Sichtweise aller vier Frauen einnimmt und man so als LeserIn in die jeweilige Gefühls- und Gedankenwelt eintauchen kann. Das fand ich sehr abwechslungsreich und interessant, denn es sind Probleme, die überall allgegenwärtig sind und mit denen man sich wohl – ob nun selbst betroffen oder nicht – im Laufe seines Lebens in irgendeiner Art und Weise auseinandersetzen muss. Dabei hat Manuela Inusa genau die richtige Tiefe erwischt. Denn ich habe nicht zu ‚Orangenträume‘ gegriffen, um mich mit den unzweifelhaft sehr ernsten Probleme, die hier thematisiert werden, tiefgehend auseinanderzusetzen. Denn ja, man hätte sich mit den Themen definitiv noch ernsthafter und tiefgründiger beschäftigen können. Und ja, die Problemlösungen erscheinen vielleicht zu leicht. Doch habe ich gar nicht den Anspruch an das Buch, dass dieser Weg eingeschlagen hätte werden sollen. Es passt genau so, wie es ist, um die Geschichte rund zu machen. Um zu demonstrieren, wie die Freundschaft der Frauen funktioniert. Um zu zeigen, was Ehrlichkeit und Loyalität bewirken. Und um den Zusammenhalt noch mehr zu festigen.

Denn dieser Zusammenhalt funktioniert, auch wenn sich die vier teilweise nur einmal im Jahr zu diesem Wochenende, den Orangentagen wie sie es nennen, sehen. Und auch wenn sie so grundverschieden sind. Die unterschiedlichen Charaktere werden von Manuela Inusa sehr authentisch und realistisch dargestellt, man kann sich als LeserIn in jede der Frauen hineinversetzen und ihr Verhalten und ihre Gedanken gut nachvollziehen. Sie alle sind Mitte 30, mit Job und/oder Familie und die Tage auf der Farm stellen eine Auszeit dar, die sie herbeisehnen. Ich kann mir die Freude darauf richtig vorstellen: Ein Mädelswochenende, kochen, essen, trinken, Filme schauen, ratschen, einfach nur Spaß haben. Und den haben sie, sei es nun beim Baden, während des Schwelgens in Erinnerungen an die gemeinsame Jugend, auf einem Dorffest oder auch beim gemeinsamen Kochen. Wo wir schon beim genau richtigen Thema wären. Vor allem die Demonstration der vielseitigen Verwendung der titelgebenden Zutat hat die Autorin wieder toll hinbekommen. Orangenmarmelade, Orangenbonbons, -kekse, -chutneys und und und. Es werden durch die detaillierten und bildhaften Beschreibungen abermals sämtliche Sinne angesprochen und ich bin kurz davor, erneut eines der Rezept auszuprobieren, welche im Buch abgedruckt sind. Die Vanillekekse aus dem ersten Teil der Reihe waren nämlich unglaublich lecker! Und wer kann schon Schoko-Orangen-Kekse widerstehen? Also ich nicht. 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 13.05.2020

Witziges und überwiegend spannendes Fantasyabenteuer mit liebenswerten Charakteren

Die FROST-Chroniken 1: Krieg und Kröten
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Darf ich vorstellen? Yuriko Mandorak Doragon Frost, Meister der Siegel, Krötenflüsterer, Feuerbeschwörer, Windreiter, Bezwinger der Schicksalsschlange und größtes Geschenk der Götter an die Frauen. Protagonist ...

Darf ich vorstellen? Yuriko Mandorak Doragon Frost, Meister der Siegel, Krötenflüsterer, Feuerbeschwörer, Windreiter, Bezwinger der Schicksalsschlange und größtes Geschenk der Götter an die Frauen. Protagonist von Susanne Pavlovics ‚Krieg und Kröten‘, dem Auftakt der Frost-Chroniken. Ja, das würde Yuri gefallen. Ganze Chroniken über ihn. Denn er ist vieles. Aber nicht bescheiden. Oder zurückhaltend. Oder in sich ruhend. Doch der Reihe nach.

Yuri kehrt nach fünf Jahren Abwesenheit in seine Heimatstadt zurück. Dabei wollte er nur kurz Zigaretten holen. Wo er war, erfährt man nicht wirklich. Aber nun ist er da und möchte seinen Posten als Zirkelmeister für Siegelkunde an der örtlichen Arkania zurück. Was, dieser ist schon wieder besetzt worden? Allerhand! Ohne Anstellung und auch ohne Geld (Tote brauchen keinen schnöden Mammon) ist er auf der Suche nach einem Job – und richtet mehr Chaos an, als dass er hilft. Als er dann noch Arkadis, ein stummes Mädchen (oder ein stummer Junge?), in seinem Haus entdeckt, nimmt die Geschichte ihren Lauf..

Yuri Frost ist ein gewöhnungsbedürftiger Charakter. Ich mochte ihn, das gleich vorweg. Doch er ist nicht gerade das, was man als Frau gutheißen kann. Oberflächlich, sexistisch und Kommentare wie: „Du bist morgen entweder jung und hübsch oder entlassen“ lassen mich kurz bestürzt kucken. Doch irgendwie kann man ihm nicht böse sein. Denn neben seiner zugegebenermaßen antiquierten Einstellung Frauen gegenüber, liebt er sie. Alle. Fast alle. Okay, die jungen und hübschen, die mit Rundungen. Und er will, dass möglichst viele Damen in den Genuss seiner Gesellschaft kommen. Großzügig, nicht? Witzig, unbescheiden und sehr charmant erschleicht er sich trotz alledem meine Sympathien. Vor allem, da er allen Frauengeschichten zum Trotz einer unerwiderten Liebe hinterher trauert.. Und weil moralische Verderbtheit viel Potential bietet, um sich zu bessern. Alles andere wäre ja langweilig. Aber: Yuri wird die LeserInnen spalten, da bin ich mir sicher. Nicht so Padda, sein treuer Krötengefährte, der zeigt, dass Yuri sein Herz doch am rechten Fleck hat. Denn wer kann schon einer Kröte widerstehen, die ihre Zunge immer wieder ausstreckt und sich über’s Auge leckt? Eben, niemand.

Bei Galina bin ich mir hingegen ziemlich sicher, dass sie alle Herzen im Sturm erobert. Galina war Yuris Schülerin, bis er sich von einen Tag auf den anderen aus dem Staub gemacht hat. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich als Hausmeisterin an der Arkania ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Oh ja, sie ist mal richtig sauer auf Yuri. Herrlich, ihren verbalen und nicht so verbalen Schlagabtauschen zu folgen, Galinas Schlagfertigkeit (in jeder Hinsicht) oder auch wie sie Yuri dazu bringt, dass zu tun, was sie will. Notfalls, indem sie ihn betäubt. Eine tolle Frau, die für all das steht, für das Yuri mit seinen Ü50 zu altmodisch ist: Kämpfende Frauen, homosexuelle Frauen, Frauen in HOSEN!! Obwohl er schlimmeres sehen wird, so viel kann ich verraten.

Arkadis, das Mädchen (oder der Junge), das (oder der) bei Yuri Zuflucht gesucht hat, ist weniger zu durchschauen. Sie (oder er) spricht nicht, was an dem geheimnisvollen Siegel auf ihrer (oder seiner) Zunge liegen mag. Doch was ist, wenn der beste Siegelmeister des Landes das Zeichen nicht entschlüsseln kann? Er muss sich eingestehen, dass er vielleicht nur der zweitbeste ist. Also ab auf die Suche nach dem besten Siegelmeister. Wo auch immer dieser sich befindet. Denn nicht nur Yuri hat seine Schülerin einfach im Stich gelassen, ihm selbst ist vor Jahren das Gleiche passiert, als sein Meister eines Tages einfach seine Sachen gepackt hat und gegangen ist.

Yuri, Galina und Arkadis begeben sich auf eine Reise, die allerlei Gefahren birgt. Vor allem, da nicht nur auf dem Weg Bedrohungen lauern, sondern Zauberinnen, die die Gruppe verfolgen, da sie es auf Arkadis abgesehen haben. Ich liebe es ja, wenn die Protagonisten eines Buches auf Reisen gehen. Noch mehr, wenn es eine Karte im Buch gibt, die ich aber bei ‚Krieg und Kröten‘ nicht nur einmal schmerzlich vermisst habe. Die Schauplätze sind vielfältig, jedoch alle sehr bildhaft und detailliert geschrieben. Genauso wie die zahlreichen Kämpfe und Widrigkeiten, mit denen sich das Trio rumschlagen muss. Dass hier die ein oder andere Länge aufkommt, trübt aber das Lesevergnügen nur minimal. Ich fühlte mich sehr gut unterhalten, der Humor des Buches lockert unglaublich auf und Action findet man hier fast auf jeder zweiten Seite. Darum mochte ich das Buch und freue mich schon auf die Fortsetzung im nächsten Jahr. Zwar ist diese Reise vom Gefühl her in sich abgeschlossen und das Ende grundsätzlich sehr zufriedenstellend. Doch während Yuri auf Reisen ist, lauert die Gefahr in seiner Heimatstadt.. Und es wäre doch auch eine Schande, Yuri vor allem den Leserinnen vorzuenthalten. Denn er ist schließlich das größte Geschenk der Götter an die Frauen, Jungfrauenbeschützer, Besitzer des Schlüssels zu den Herzen der holden Weiblichkeit… 4 Sterne.

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