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Veröffentlicht am 15.05.2020

Sprachlich auf hohem Niveau

Was wir voneinander wissen
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Ich habe heute meine aktuelle Lektüre zu Ende gelesen und möchte direkt darüber schreiben. »Was wir voneinander wissen« von Jessie Greengrass ist im Mai diesen Jahres im Verlag Kiepenheuer und Witsch erschienen. ...

Ich habe heute meine aktuelle Lektüre zu Ende gelesen und möchte direkt darüber schreiben. »Was wir voneinander wissen« von Jessie Greengrass ist im Mai diesen Jahres im Verlag Kiepenheuer und Witsch erschienen. Auch wenn es sich um einen Roman handelt, hat es wenig von dieser Gattung. Viel mehr verbirgt sich hinter der Geschichte viel Wissenschaft und Philosophie, gespickt mit emotionalen Momenten.

Die Erzählerin ist eine junge Frau, die zum zweiten Mal schwanger ist. Auf sehr philosophische Weise überdenkt sie lebensverändernde Entscheidungen und ihre Position als Mutter und Partnerin. Sie flechtet dabei die Entdeckungen und Erfolge bekannter Wissenschaftler ein, um den Sinn des Lebens nachvollziehen zu können. In ihre Überlegungen bezieht sie sowohl ihren Partner, als auch ihre Kinder, ihre Mutter und Großmutter ein. Sie sucht nach Antworten auf drängende Fragen, die für das Leben entscheidend sind.

Zentral ist in der Erzählung von Jessie Greengrass die Suche nach der Erkenntnis, die das Miteinander greifbarer macht und hilft, sich und andere besser zu verstehen. Um diesem Ziel näher zu kommen, reflektiert die Ich-Erzählerin sich selbst, ihre Beziehungen zu nahe stehenden Personen und ihren Umgang mit Schicksalsschlägen, wie den Tod ihrer Mutter und auch ihre eigene Rolle als Mutter zweier Kinder. Im Wechsel berichtet sie von Kindheitserinnerungen, in denen vor allem ihre Großmutter, eine Psychoanalytikerin, ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens war, als auch die Monate vor der Entscheidung, ein Kind zu bekommen und die gegenwärtige Situation.

Immer noch tief verwundet durch den Tod der Mutter, fällt es der jungen Frau schwer, sich mit dem Gedanken anzufreunden, selbst ein Kind zu bekommen und dieser Rolle gerecht zu werden. Die Geschichte ist in drei Kapitel eingeteilt und wird verknüpft mit den Durchbrüchen dreier weltbekannter Wissenschaftler, nämlich: Wilhelm Röntgen, Sigmund Freud und John Hunter. Alle hatten es sich zur Aufgabe gemacht, auf die ein oder andere Weise “in den Menschen hineinzuschauen”. Es lässt sich möglicherweise schon erahnen, dass »Was wir voneinander wissen« kein Roman im klassischen Sinne ist. Vielmehr lebt die Handlung fast ausschließlich von ihren philosophischen Gedankengängen.

Wer also eine konstruierte Familiengeschichte erwartet, wird nicht das finden, wonach er sucht, denn Greengrass präsentiert sich insbesondere als gute Beobachterin, die es versteht, gelungene Metaphern zu schaffen und wortgewaltig zu formulieren. Die Frage danach, was und wer wir sind und wodurch wir es werden, ist konstant präsent und sprachlich bewegt sich das Erzählte durchweg auf sehr hohem Niveau. Im Gesamten hätte ich mir mehr Handlung gewünscht, denke aber, dass dieses Buch einen ganz eigenen Wert hat. Besonders das Ende berührte mich noch einmal sehr.

»Was wir voneinander wissen« war ganz anders als zuvor von mir erwartet. Philosophisch und sprachlich ist das Buch ein Hochgenuss, mir persönlich fehlten hin und wieder die typischen Merkmale eines Romans. Alles in allem ist es jedoch ein durchaus gelungenes Buch der etwas anderen Art, das zum Nachdenken anregt und am Ende noch einmal ungeahnte Emotionen freisetzt.

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Veröffentlicht am 08.04.2020

Überraschend gut

Neujahr
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Ihr Lieben, ich freue mich, euch heute wieder eine Buchrezension vorstellen zu dürfen. Für 2020 habe ich mir vorgenommen, siebzig Bücher zu lesen und die ersten zwei sind geschafft. Zuletzt gelesen habe ...

Ihr Lieben, ich freue mich, euch heute wieder eine Buchrezension vorstellen zu dürfen. Für 2020 habe ich mir vorgenommen, siebzig Bücher zu lesen und die ersten zwei sind geschafft. Zuletzt gelesen habe ich »Neujahr« von Juli Zeh, welches mich, soviel kann ich bereits sagen, positiv überrascht hat. Ich gehöre zu denjenigen, die sich zu allererst durch das Cover für ein Buch begeistern lassen. Wenn mich dieses nicht anspricht, dann ist das Interesse meist schon verflogen. In dem Fall aber, war das Buch ein Weihnachtsgeschenk und so landete Zeh´s neuer Roman doch noch in meinem Bücherregal. Vom Cover her, hat es mich im Laden bisher nie überzeugen können. Aber einmal mehr ist mir bewusst geworden, dass dies nicht entscheidend ist.

Neujahrsmorgen in Lanzarote, Spanien: Der Familienvater Henning ist mit dem Fahrrad unterwegs. Ohne Proviant, geeignete Ausrüstung und bei fortwährender Steigung, wird es immer schwerer für ihn, sein Ziel zu erreichen. Während seiner anstrengenden Fahrt spielt er sein Leben gedanklich durch. Obwohl er mit seiner Ehefrau Theresa und seinen Kindern Bibbi und Jonas glücklich sein könnte, fühlt sich Henning immer öfter überfordert. Es geht ihm so mies, dass er seit geraumer Zeit unter immer wiederkehrenden Panikattacken leidet, die ihn stark mitnehmen. Kurz vor dem Gipfel, stellt Henning fest, dass er bereits als Kind an dem Ferienort in Lanzarote war und sich damals etwas Tragisches ereignet haben muss. Die Erinnerungen an den früheren Aufenthalt brechen ungefiltert über ihm herein.

Der Roman beschreibt die Rolle eines überforderten Mannes in heutiger Zeit und macht die Geschichte dadurch anders, besonders. Von Müttern, die ihre Familienrolle überdenken, ausbrechen wollen und sich leer und nutzlos fühlen, kann man in großer Anzahl lesen. Zeh stellt den Familienvater in den Mittelpunkt dieser Überforderung und das ist neu. So ist »Neujahr« ein moderner Roman, der es auch Männern zugesteht in ihrer Position als Vater und Ehemann Schwäche zu zeigen. Mir gefällt die Kombination aus persönlichem Drama und den Merkmalen eines Psychothrillers. Die wechselnden zeitlichen Ebenen und die unterschiedlichen Wahrnehmungen bringen Rasanz und Tragik in die Geschichte.

Juli Zeh macht deutlich, wie sehr die Kindheit uns prägt und welche Folgen dieser Umstand mit sich bringen kann. Das Buch umfasst lediglich 190 Seiten und ist somit kompakt und zügig lesbar. Die inhaltlichen Ereignisse gehen nah, die Erinnerungen des Protagonisten verschwimmen hin und wieder, sodass die Realität nicht ganz greifbar scheint. Deshalb ist mir nicht immer klar gewesen, wie sich die Situationen wirklich zugetragen haben. Besonders die Mitte und das Ende der Erzählung haben mich beeindruckt. Der sprachliche Stil, inklusive seiner ausgewählten Metaphern, sind auf großartige Weise gelungen.

»Neujahr« besticht durch seine fesselnden Darstellungen und trifft durch seine menschliche Seite bis ins Mark. Ein gesellschaftlich relevanter Roman über die prägenden Ereignisse der Kindheit, die bis ins Erwachsenensein nachhallen.

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Veröffentlicht am 05.04.2020

Gelungener Roman über familiäre Nähe und das Vergessen

Der vergessliche Riese
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Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet ...

Guten Morgen ihr Buchliebenden, ich möchte euch David Wagners »Der vergessliche Riese« aus dem Rowohlt-Verlag vorstellen, das im Hochsommer 2019 veröffentlicht und mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet wurde.

Ein Vater, 73 Jahre alt und zweifach verwitwet braucht eine enge Betreuung, denn er vergisst viel. In seinem Haus im nordrhein-westfälischen Meckenheim lebt er ganz allein. Sein Sohn besucht ihn nach langer Zeit wieder und muss feststellen, dass der Zustand des Vaters sich verschlechtert hat. Fortan besuchen er und seine Schwester Miriam ihn immer wieder, um ihn zu unterstützen und die Erinnerungslücken zu schließen. Gemeinsam begeben sich Vater und Sohn auf einer ganz neuen Ebene, die viel Nähe schafft.
Für diese Geschichte muss man in der Verfassung sein, denn sie birgt neben großem Humor und Lebensfreude auch eine unterschwellige Tragik, die aber nie die Führung einnimmt. Ein alter Mann scheint wieder Kind geworden, vergisst sofort, was eben noch geschehen ist. Seine umfangreiche Lebensgeschichte, die er wiederholt erzählt, schmückt er mit Phantasie aus, sodass nicht immer klar ist, was wahr ist und was nicht. Leise schreitet die Demenz des Vaters voran und obwohl dieser sich seiner Krankheit bewusst ist, verliert er sich nicht in Traurigkeit. Die wiederholt gestellten Nachfragen an seinen Sohn wirken weniger störend, als viel mehr charmant und erinnern an das klassische Warum? eines Kindes.

Ich mochte die Figuren, die größtenteils eher blass bleiben, doch sehr. Im Mittelpunkt steht die zunehmende Demenz des Vaters und somit ist der Umgang mit dieser vorrangig. Die Liebe eines Sohnes zu seinem Vater berührte mich ebenso wie der Zusammenhalt der ganzen Familie, der immer wieder durchdringt. Der Schreibstil von Wagner harmoniert ganz und gar mit der sensiblen Thematik und kommt auch meist ohne Schwermut aus. Häufig musste ich lachen und finde die Rolle des Vaters auch sehr liebenswert.

Die tiefe Verbindung zwischen Vater und Sohn mach »Der vergessliche Riese« zu einer meisterhaften Erzählung über das Vergessen.

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Veröffentlicht am 09.02.2020

Bewegende Erzählungen

Alles ist möglich
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Ich bin im Leserausch und das tatsächlich schon seit Beginn des Jahres. Gelesen habe ich in den letzten fünf Wochen schon acht Bücher und bin gerade beim neunten. Ich denke, damit kann ich bisher ganz ...

Ich bin im Leserausch und das tatsächlich schon seit Beginn des Jahres. Gelesen habe ich in den letzten fünf Wochen schon acht Bücher und bin gerade beim neunten. Ich denke, damit kann ich bisher ganz zufrieden sein. Es gilt immerhin aber auch, die angepeilten siebzig Bücher zu knacken. Ein Roman, der mich zuletzt sehr bewegt hat, war »Alles ist möglich« von der US-Amerikanerin Elizabeth Strout. Das Buch ist hierzulande 2019 im btb-Verlag erschienen.

Im Mittelpunkt des Romans stehen die aktuellen und ehemaligen Bewohner einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Illinois. Die Menschen unterschiedlicher Generationen, berichten von Vergangenem und Erlebtem. Sie alle haben eines gemeinsam: sie such(t)en ihre Erfüllung im Leben und mussten sich vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten stellen, um annähernd eine solche zu finden. Nicht jedem ist dies gelungen und jeder trägt sein Schicksal auf andere Weise.

Nach den ersten Seiten wusste ich mit »Alles ist möglich« noch wenig anzufangen, da mich sowohl die beschriebene Handlung, als auch die betreffenden Figuren nicht packen konnten. Kurz darauf aber änderte sich dieser Umstand und meine Aufmerksamkeit war vollständig hergestellt. Die Kapitel sind so miteinander verknüpft, dass die erwähnten Protagonisten dem Leser kurz darauf wieder begegnen. So werden die Geschichten aus den individuellen Blickwinkeln erzählt und immer wieder neue Personen eingeflochten. So waren mir schnell viele Namen geläufig und ich konnte mir Gesichter zu den Figuren erdenken. Die nüchterne Erzählweise von Strout ermöglicht es dem Leser, alle Charaktere unvoreingenommen kennen zu lernen und ein eigenes Bild von diesen zu entwickeln.

Der kluge und schnörkellose Sprachstil, sowie das gute Empfinden für menschliche Seelenlagen bereichern das Lesen des ohnehin ansprechenden Romans ungemein. Die Bewohner der Provinzstadt sind Menschen mitten aus dem Leben, sie werden geplagt von Eifersucht, Neid, Armut, Wut und Verbitterung. Sie suchen Erfüllung, die wahre Liebe und Zusammenhalt. Nach und nach fügen sich die kurzen Abschnitte zu einem Ganzen zusammen und es entsteht eine gelungenes Werk über die menschliche Seele und deren Abgründe.

Elizabeth Strout überzeugt durch ihr gutes Gespür für menschliche Emotionen und eine feine Sprache. Ihr gelingt es, ihre Charaktere authentisch und mit ihren Schwächen darzustellen und ihre Leser dennoch nicht zu beeinflussen.

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Veröffentlicht am 29.01.2020

Gelungenes Kinderbuch mit witzigem Protagonisten

Unterwegs mit Söckchen
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Hallo, hallo! Direkt nach meiner letzten Rezension, einem Kinderbuch, folgt eine weitere aus diesem Genre. In diesem Fall ist es aber eine niedliche, fröhliche Bilderbuchgeschichte für kleine Abenteurer. ...

Hallo, hallo! Direkt nach meiner letzten Rezension, einem Kinderbuch, folgt eine weitere aus diesem Genre. In diesem Fall ist es aber eine niedliche, fröhliche Bilderbuchgeschichte für kleine Abenteurer. »Unterwegs mit Söckchen« steht schon seit einigen Wochen in meinem Bücherregal und nun habe ich es endlich geschafft, es zu lesen. Das Buch erschien im Aladin-Verlag 2018.

Söckchen ist, wie der Name schon vermuten lässt, eine Socke. Aber nicht irgendeine. Söckchen genießt die Ruhe in seinem Haus am Strand, er sammelt liebend gern Muscheln und braucht morgens seine Lieblingstasse voll Kaffee. Völlig unerwartet wird eines Tages Fiete in sein Haus gespült und vorbei ist es mit der grenzenlosen Entspannung des Einzelgängers. Auf Söckchen und seinen neuen Freund warten einige Abenteuer.

So ganz war mir nicht klar, was mich in der Geschichte erwarten würde und auch beim ersten Reinblättern änderte sich das noch nicht. Der Protagonist, eine Socke, führt ein eigenbrödlerisches und stilles Leben allein in seinem Strandhaus. Ihm sind seine täglichen Rituale und seine Ruhe äußerst wichtig, sodass er zunächst nicht begeistert von seinem neuen Weggefährten ist, der sein Leben lauter und verrückter macht. Nach dem ersten Lesen fand ich die Geschichte solide, war bezüglich der Charaktere noch unschlüssig und mochte die Art der Zeichnungen.

Besonders für die Kleinen sind Abenteuergeschichten großes Kino, vor allem dann, wenn in der Handlung lustige Charaktere und witzige Szenen vorkommen. Und so ist das Buch für mich abschließend durchaus gelungen, denn die Zielgruppe ist begeistert gewesen. Die Illustrationen sind ansprechend und somit kindgerecht und farbenfroh gestaltet. Für mich hätte die Geschichte nicht in Kapitel eingeteilt werden müssen, da die Menge an Text nicht übermäßig ist und die Geschichte zusammenhängend erzählt wird.

Alles in allem überzeugt »Unterwegs mit Söckchen« durch seinen kindlichen Humor und die Wahl seiner Figuren. Zudem harmonieren die Zeichnungen mit dem Text.

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