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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.07.2020

Psychodrama

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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"After the fire" hat mich sehr überrascht. Ich hatte mit einem Jugendroman gerechnet und einem Mädchen, welches ein dunkles Geheimnis verbirgt aber das wäre wirklich sehr oberflächlich, das Buch darauf ...

"After the fire" hat mich sehr überrascht. Ich hatte mit einem Jugendroman gerechnet und einem Mädchen, welches ein dunkles Geheimnis verbirgt aber das wäre wirklich sehr oberflächlich, das Buch darauf zu reduzieren, denn es hat einen vielschichtigen und sehr ernsten Kern und die Psychologie und Struktur, die in einer Glaubenssekte steckt, wird sehr intensiv geschildert.

Im Grunde geht es um den Zerfall einer Sekte irgendwo in Amerika. Man fühlt sich beim Lesen an Berichte von "Colonia Dignidad" und vor allem an das blutige Ende der Sekte 1993 in Waco erinnert. Ich denke auf letztere Geschehnisse geht dieses Buch auch im weitesten Sinne ein.

Moonbeam war seit ihrer Kindheit ein Mitglied der Sekte "Heilige Legion Gottes". Deren Camp ist zu Schutt und Asche verbrannt und bis auf wenige Kinder und Jugendliche wie Moonbeam hat niemand den Brand überlebt. Die Behörden wollen den Überlebenden nicht nur psychologisch helfen sondern sie wollen auch genau wissen, was im Lager all die Jahre geschehen und wie es zu dem Feuer gekommen ist. Also werden alle Kinder mit einem Psychater und FBI-Agenten täglich verhört und Stück für Stück setzt sich so ein Puzzle zusammen.

Moonbeam und ihre Sichtweise stehen im Zentrum. Sie erzählt in einem "Davor" und "Dachach" wie es war, dort zu leben, vom Sektenführer maipuliert, von dessen Helfern gemaßregelt, von den anderen Sektenmitgliedern misstrauisch beäugt zu werden. Nach und nach entwickelt sich darauf ein erschreckendes Bild, wie die jungen Menschen und ihr gesunder Geist geformt und oft auch gebrochen werden, bis sie willfährige Mitglieder einer verrückt-religiösen Sekte sind. Und obwohl sie jetzt ja in Sicherheit sind, sind sie weiterhin schwer traumatisiert und können nur schwer aus den Gedankenmustern der Sekte herausfinden. Einige schaffen es gar nicht.

Ein schwieriges Thema welches hier sehr autentisch und eindringlich erzählt wird. Die Frage, ob Moonbeam mit Schuld am Feuer war und damit mit Schuld am Tod vieler Menschen, steht immer als großes Fragezeichen im Hintergrund. Gleichzeitig bewundert man ihre Stärke und spürt, dass ohne sie alles noch viel schlimmer gekommen wäre. Wie die Frage am Ende beantwortet wird, muss jeder selber entdecken.

Ich kann "After the fire" sehr empfehlen. Ein ausgefeiltes Psychogramm.

Veröffentlicht am 21.06.2020

Pandatage

Pandatage
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Danny Maloony ist Witwer und versucht seinem kleinen Sohn Will ein normales Leben zu ermöglichen. Aber nach dem Tod seiner Frau gelingt ihm das nicht mehr. Er scheitert an seinem Beruf, am Alltag, an der ...

Danny Maloony ist Witwer und versucht seinem kleinen Sohn Will ein normales Leben zu ermöglichen. Aber nach dem Tod seiner Frau gelingt ihm das nicht mehr. Er scheitert an seinem Beruf, am Alltag, an der Verantwortung. Anfangs nervte mich dieser Mann, der unreif und unfähig war, der sein Kind alleine ließ mit dem Tod der Mutter. Das Selbstmitleid, die Planlosigkeit, vor allem das Phlegma von Danny sind erschreckend und waren mir eigentlich unverständlich. Aber nach und nach kommt Bewegung in Dannys Gedankenwelt. Und das ist die Stärke der Geschichte. Hier wird sehr emphatisch erzählt, wie ein Mann sein Schicksal endlich in die Hand nimmt und erkennt, wie er und sein Sohn wieder glücklich werden können und auch müssen.

Der Schreibstil ist humorvoll und oft leicht sarkastisch. Man kann sich viele Szenen gut in einer Slapstick-Komödie vorstellen, aber es gibt auch leise und traurige Töne.

Eine Geschichte die ihren eigenen Charme entwickelt. Das Cover ist toll und am Ende habe ich mich auch mit Danny versöhnt.

Veröffentlicht am 20.05.2020

Kuisl und die Pest

Die Henkerstochter und der Fluch der Pest (Die Henkerstochter-Saga 8)
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Den neuen Roman von Oliver Pötzsch musste ich gleich aus mehreren Gründen lesen. Ich kenne natürlich den Henker Kuisl, seine Tochter und den patenten Schiwegersohn. Habe aber nicht alle Fälle gelesen. ...

Den neuen Roman von Oliver Pötzsch musste ich gleich aus mehreren Gründen lesen. Ich kenne natürlich den Henker Kuisl, seine Tochter und den patenten Schiwegersohn. Habe aber nicht alle Fälle gelesen. Aber diesmal geht es nach Kaufbeuren, wo Teile meiner Verwandtschaft herkommen. Und die Pest spielt auch eine Gastrolle. In Zeiten einer Pandemie liest sich so was noch intensiver.

Bekommen habe ich genau das gewünschte Potpourri. Einen historischen Krimi mit einigen geschichtlichen Leckerbissen, einem Kuisl, der mal wieder zur Höchstform aufläuft und einen Mordfall auf unkonventionelle Weise mit Hilfe von Magdalena löst. Die Rolle der Pest ist eine am Rande drohende Gefahr aber nicht vordergründig.

Besonders angenehm war wieder der lockere Erzählstil, der auch mal zum Schmunzeln bringt und in dem das bajuwarische Lokalkolorit und die Bärbeissigkeit eine gewisse Rolle spielen. Etwas, was ich einfach mag in Pötzsch’s Büchern.

Veröffentlicht am 20.05.2020

Thriller und Flüchtlingsdrama zugleich

American Dirt
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Lydia ist Buchhändlerin und die Frau eines Journalisten. Bei einer großen Familienfeier kommen Killer des ansässigen Kartells und erschießen die ganze Familie. Nur Lydia und ihr Sohn Luca können durch ...

Lydia ist Buchhändlerin und die Frau eines Journalisten. Bei einer großen Familienfeier kommen Killer des ansässigen Kartells und erschießen die ganze Familie. Nur Lydia und ihr Sohn Luca können durch einen mehr als glücklichen Zufall fliehen. Wie jeder in Mexico weiß, gibt es im ganzen Land kein Entrinnen, wenn das Kartell jemanden sucht. Also heißt es, das Land verlassen. Wie Tausende Mexikaner auch, versuchen die beiden also, sich über die Grenze in die USA abzusetzen. Diese abenteuerliche Flucht ist es, die den Rahmen für die Geschichte bildet.

Im Grunde wird kein Thriller erzählt, auch wenn die Spannung hoch ist. Es geht mehr um das Dilemma, dem Flüchtlinge auf der ganzen Welt ausgesetzt sind. Der Angst, die sie zur Flucht treibt. Der Sehnsucht nach Frieden und Freiheit und einem Leben – vor allem für die Kinder – ohne Gefahr. Aber der Weg, den sie gehen ist illegal und der Staat in den sie flüchten wollen, möchte dies verhindern, ebenso wie die Menschen die sie verfolgen.

Wer sich einlässt auf die gefühlsbetonte Sprache, die zwischen den zwei Hauptdarstellern wechselt. Und wer sich für das Thema frei von Vorurteilen interessiert, der ist in einer starken und glaubwürdig erzählten Geschichte gelandet. Das Buch liest sich schnell und gibt Einblicke in eine Welt, wie wir sie nur aus den Nachrichten oberflächlich kennen.

Veröffentlicht am 12.04.2020

gelungener Erstling

Unsere glücklichen Tage
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Der Titel „Unsere glücklichen Tage“ und das Cover der drei jungen Frauen am Meer trifft bereits den leicht melancholischen und unterschwellig traurigen Ton, der sich durch die Geschichte zieht. Melancholisch, ...

Der Titel „Unsere glücklichen Tage“ und das Cover der drei jungen Frauen am Meer trifft bereits den leicht melancholischen und unterschwellig traurigen Ton, der sich durch die Geschichte zieht. Melancholisch, da vier Freundinnen so schöne Sommer erlebt haben. Voll intensiver Nähe, voll Wärme und jugendlich hoffnungsvoll. Traurig, da etwas ihre Freundschaft zerstört hat und man ohne zu wissen, was es war, bereits von der ersten Seite an spürt, dass die Hauptdarstellerin Elas sich nach den vergangenen glücklichen Zeiten sehnt, auch wenn sie es selber gar nicht zugeben will.

Mir hat vor allem die Sprache des Buches sehr gefallen. Wie die Emotionen und vor allem die Gefühle und Charaktere der Menschen beschrieben werden. Das war es, was für mich das Besondere dieser Story ausgemacht hat. Es ist weniger der tatsächliche Plot, in dem es vor allem um die erste große Liebe, um Eifersucht und Enttäuschung geht. Es ist mehr das Ausloten der menschlichen Untiefen, das Hinterfragen der Beziehungsgeflechte und der Werte. Hier sehe ich die großen Stärken des Romans. Die Darsteller sind nicht schwarz oder weiß, handeln nicht immer, wie man es sich wünscht. Es ist kein seichter Liebesroman und das Ganze steuert auch nicht auf ein großes rosarotes Happyend zu.

Wie würde ich mich verhalten, wenn meine große Jugendliebe plötzlich wieder vor der Türe stände? Ist es möglich, Verletzungen zu vergessen und neu anzufangen? Fragen, die mich auch schon in meinem Leben beschäftigt haben. Deshalb hat mir das Buch gut gefallen und mich an vielen Stellen abholen können. Diese Autorin werde ich im Blick behalten.