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Veröffentlicht am 25.05.2020

Humorvoll und aktuell

The Dating Coach
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„...Das Reden ist das größte Problem. Wenn ich etwas Dummes sage, dann gibt es kein zweites Date. Ich frage einfach meine Agentin...“

Der 51 jährige Stefan Krönlein ist alleinstehend und Versicherungsmathematiker. ...

„...Das Reden ist das größte Problem. Wenn ich etwas Dummes sage, dann gibt es kein zweites Date. Ich frage einfach meine Agentin...“

Der 51 jährige Stefan Krönlein ist alleinstehend und Versicherungsmathematiker. Er möchte gern eine Frau kennenlernen und will dazu eine Anzeige aufgeben. Obwohl er in seinem Beruf Spitze ist, hat er im Zwischenmenschlichen Problem. Deshalb wendet er sich an eine Dating – Agentur. Die verspricht ein all inklusive Paket: Formulierung der Anzeige und hilfreiche Hinweise vor den Dates.
Der Autor hat eine humorvolle Geschichte geschrieben. Das Buch lässt sich flott lesen.
Der Schriftstil sorgt für einen angenehmen Lesefluss. Dazu trägt bei, dass die Antworten auf die Anzeige in kursiv gesetzt sind. Der Protagonist wird gut charakterisiert, weniger durch Worte, mehr durch sein Verhalten. Medien interessieren ihn nicht. Dadurch kommt es für ihn völlig unerwaretet, als er eine Reisewarnung liest und beim achten Date von Kontaktbeschränkungen überrascht wird.
Nach den ersten Misserfolgen verordnen der Coach eine Farb- und Stilberatung. Stephans Eindruck liest sich so:

„...Um meinen Hals legte sie ein Tuch nach dem anderen. Sie schaut ein meine Augen. Sie schaut auf meine Haare. […] Das geht fast eine halbe Stunde. Ich hätte nie gedacht, dass man sich so lange mit Tüchern beschäftigen kann...“

Für jedes Date lässt er sich einen ersten Satz geben. Dummerweise hat der meistens nichts mit ihm zu tun. So schadet die Gesprächseröffnung mehr, als sie hilft.
Wenn man mit dem Satz

„..Die Schlagzeile in der Bildzeitung heute Morgen hat mir gar nicht gefallen...“

beginnt, sollte man diese Schlagzeile zumindest gelesen haben.
Gekonnt wird in den letzten drei Dates die aktuelle Situation integriert. Dann aber zeigt sich für Stephans zweiten Frühling eine völlig unerwartete Lösung.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Sie setzt auf gelungene Situationskomik.

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Veröffentlicht am 14.05.2020

Abwechslungsreicher historischer Roman

Die Muskatprinzessin
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„...Ein Gefühl tiefer Fremdheit und Verlassenheit ergriff sie, doch gerade da begannen die Glocken zu läuten. Eva konnte zwar keinen Kirchturm erkennen, aber dies Klänge waren ihr vertraut...“

Die 18jährige ...

„...Ein Gefühl tiefer Fremdheit und Verlassenheit ergriff sie, doch gerade da begannen die Glocken zu läuten. Eva konnte zwar keinen Kirchturm erkennen, aber dies Klänge waren ihr vertraut...“

Die 18jährige Eva Ment ist die Tochter eines Amsterdamer Bierbrauers. Seit dem Tod der Mutter kümmert sie sich auch um den 17jährigen Bruder Gerrit. Der gibt sich dem leichten Leben hin.
Dann eröffnet der Vater Eva, dass der Generalgouverneur der Vereinigten Ostindischen Compagnie um ihre Hand angehalten hat. Jan Pieterdzoon Coen ist mehr als zwanzig Jahre älter als sie. Erst will Eva nicht, doch zwei Ereignisse zwingen sie, der Heirat zuzustimmen.
Der Autor hat einen spannenden und abwechslungsreichen historischen Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen.
Die Personen werden gut charakterisiert. Evas Markenzeichen sind ihre rote Haare. Ich hatte fast den Eindruck, dass die einer der Grüne waren, warum Jan um Eva geworben hat. Liebe konnte es jedenfalls nicht sein. Eva sieht sich selbst so:

„...Sie war weder schön noch hässlich, weder schlau noch dumm, weder gut noch schlecht. Ihr Französischlehrer […] hatte ihr einmal gesagt, das sei ganz normal; ihre Persönlichkeit müsse sich im Laufe ihres Lebens erst noch herausbilden...“

Letzteres wird im Laufe der Handlung geschehen. Eva lässt sich nicht verbiegen. Sie bringt ihre Empathie ein.
Jan Coen ist eine ehrgeiziger Mann. Seine Frau ist für ihn Mittel zum Zweck. Sie hat sich allein nach seinen Wünschen zu richten. Zärtlichkeit ist kein Thema.
Kurz nach der Hochzeit hat es Jan eilig, nach Bavaria in Ostindien abzureisen. Es ist sein Traum, die Stadt und ihre Umgebung zu einer blühenden niederländischen Kolonie zu machen. Für Eva bedeutet das einerseits Repräsentationspflichten wahrzunehmen, andererseits wird ihre Freiheit stark eingeschränkt.
Sehr anschaulich stellt der Autor die Zeitverhältnisse da. So erlebe ich, dass die Erkenntnisse über den weiblichen Körper auch im frühen 17. Jahrhundert nicht allzu weit fortgeschritten waren.
In Bavaria lebt ein vielschichtiges Völkergemisch. Dort wird Eva erstmals mit Sklaven konfrontiert. Das widerstrebt ihrem Gerechtigkeitssinn.
Spannend war die Schiffsreise. Der kurze Aufenthalt am Kap der Guten Hoffnung sorgt für einen Ruhepunkt, denn die Reise war für Eva alles andere als ein Vergnügen.

„...Es stampfte unter ihr in der Hölle. Ein gleichmäßiges, quälendes Stampfen. […] Die Hölle stand nicht still. Sie war in Bewegung...“

Nicht nur bei diesem Aufenthalt wird die Überheblichkeit des weißen Mannes deutlich. Das Eingangszitat beschreibt die Ankunft des Schiffes in Batavia.
In Batavia wird Eva bestaunt.

„...Rote Haare sind in Asien in der Tat völlig außergewöhnlich. Außerdem ist Rot für die Chinesen, von denen hier sehr viele leben, die wichtigste Farbe überhaupt. Es ist die Farbe des Glücks und der Freude...“

Für die Freiheit, die sich Eva nimmt, zahlt sie einen hohen Preis. Doch sie hat Menschen an ihrer Seite, die sie mögen. Ein positiver Lichtblick ist der dortige Pfarrer. Er prangert ungeniert die Sünden der Compagnie an, auch wenn ihm Coen unverblümt droht, denn für den Profit ist jeder Weg recht. Da kann man auch mal ein ganzes Volk ausrotten. Dann aber kommt es zum Krieg um Batavia. Er mischt die Karten neu.
Ein inhaltsreiches Nachwort trennt Realität von Fiktion.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, welchen Preis schon damals die einheimischen Völker für die Gewürze zahlen mussten, die in Europa teuer verkauft wurden.

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Veröffentlicht am 01.05.2020

Auf der Suche nach dem Weg ins Leben

Was der Igel weiß
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„...Es gibt ein Gesetz, das alles zusammenhält. Das die Erscheinungen strukturiert. Das alles durchwebt. Dem bin ich auf der Spur. Der Fuchs weiß viele Dinge. Doch der Igel weiß die eine große Sache...“

Tom ...

„...Es gibt ein Gesetz, das alles zusammenhält. Das die Erscheinungen strukturiert. Das alles durchwebt. Dem bin ich auf der Spur. Der Fuchs weiß viele Dinge. Doch der Igel weiß die eine große Sache...“

Tom lebt in Bern. Er hat eine Nachricht bekommen und wartet nun auf Patrick. Der lebt in London und ist zur Beerdigung seiner Mutter erschienen. Tom und Patrick haben sich viele Jahre nicht gesehen. Die Begegnung ist eigenartig. Ein Geheimnis überschattet ihr Wiedersehen. Und wenige Worte machen deutlich, dass keiner von ihnen das erreicht hat, von dem sie in ihrer Jugend träumten. Warum nicht? Was war geschehen?
Der Autor hat einen spannenden Jugendroman geschrieben, wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob das Buch als Jugendroman gedacht ist. Doch außer der Rahmenhandlung spielt die Geschichte in den Jugendjahren der Protagonisten. Tom erzählt, was damals geschah.
Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Er spiegelt die Befindlichkeiten der jungen Leute gut wider.
Tom fällt schon in der Schule durch sein empathisches Verhalten auf. Er hilft Schwächeren. Das gefällt manch Mitschüler gar nicht. Einer aber wendet sich ihm zu. Das ist Patrick. An den traut sich keiner in der Klasse ran.

„...Patrick streckte mir die Hand entgegen und zog mich hoch. Sie fühlte sich gut an, groß und kräftig, wie die eines Erwachsenen...“

Zwischen den Jungen entwickelt sich eine Freundschaft, obwohl beide aus unterschiedlichen Milieu kommen und in wesentlichen Punkten nicht der gleichen Meinung sind. Natürlich sind auch Mädchen ein Thema. Das folgende Zitat zeigt, dass der Autor die Sprache der Altersgruppe der 15 und 16jährigen beherrscht:

„...Die tut, als wäre sie gleichzeitig Model und Genie. Dabei ist sie nicht gerade die hellste Laterne im Umzug, wenn du mich fragst...“

Anfangs ist Patrick derjenige, der das Sagen bei. Bei beiden aber wird deutlich, dass sie auf der Suche sind, auf der Suche nach ihrem Weg ins Leben. Und beide wollen auf keinen Fall so leben wie ihre Altvorderen.
Als sich Tom Jasmin zuwendet, die sich für Tierschutz einsetzt, bekommt die Freundschaft erste Risse. Plötzlich sind ihm anderen Dinge wichtig als die Unternehmungen mit Patrick.
Im Roman wird auf die prekäre Situation in der Tierhaltung aufmerksam gemacht. Wie Jasmin das allerdings macht, führt zu Widerspruch, denn es ist ziemlich heftig.
Bei den Tierschützern herrscht ebenfalls keine Einigkeit. Einige haben hohe moralische Ideale.

„...Wer eine Aktion durchführt, ist Teil der Bewegung. Die Bewegung ist gewaltfrei. Punkt...“

Sachbeschädigung scheint aber nicht unter Gewalt zu fallen. Und wie verhält man sich, wen Gewaltlosigkeit und Einschaltung der Behörden zu keinem Ergebnis führt? Es ist jugendlicher Leichtsinn, der Patrick und Tom für Jahrzehnte trennt und ihren Lebenswegen neue Richtungen gibt. Und es geht um Schuld und Verantwortung.
Zu den besonderen Szenen gehört die Begegnung von Tom mit seinem Onkel Bruno. Der ist ein Freigeist. Von ihm stammt das Eingangszitat.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie eine Fehlentscheidung das ganze Leben prägt.

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Veröffentlicht am 26.04.2020

Spannender Thriller mit Glaubensfragen kombiniert

Deep Dream
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„...Er ist in einem Deep Dream. Er träumt, dass er wach ist...“

Wir befinden uns im Jahre 2043. In der Nähe von San Francisco gibt es auf Biophysical Island einen Patienten, über den der behandelnde Arzt ...

„...Er ist in einem Deep Dream. Er träumt, dass er wach ist...“

Wir befinden uns im Jahre 2043. In der Nähe von San Francisco gibt es auf Biophysical Island einen Patienten, über den der behandelnde Arzt den obigen Satz sagt.
Wie kam es dazu? Die Firma stellt neuronale Implantate da. Dem Patienten wurde eines ins Gehirn eingepflanzt, dass seine Fähigkeiten als Chirurg verbessern soll. Doch die Operation hatte unerwartete Nebenwirkungen.
Auch Laura und John leben in San Francisco. John ist eigentlich Ingenieur bei Biophysical Implants. Er bekommt das Angebot, sich ebenfalls diesen Chip einsetzen zu lassen – und sagt zu. Obwohl er darüber schweigen soll, informiert er Laura. Sie ist dagegen. Sie hat Angst.
Der Autor hat einen fesselnden Thriller geschrieben. Ich darf die Handlung einmal aus der Sicht von John, einmal aus der von Laura kennenlernen. Für einige Kapitel gibt es auch einen neutralen Erzähler.
Der Schriftstil lässt sich flott lesen.
Meine ersten Ausführungen zeigen nur einen Teil des Geschehens. Laura wendet sich in ihrer Not an Pastor Tim. Damit erhalten Glaubensfragen einen hohen Stellenwert in der Handlung.

„...Ich bin kein Arzt. […] Aber so viel ist sicher: jede Operation ist ein Eingriff in den Körper, der auch die Psyche und den Geist verändern kann...“

Hinzu kommt, dass Laura über mehrere Tage einen Traum hatte, der sich jedes Mal weiter entwickelte. Der Pastor findet dazu eine passende Bibelstelle.
Gekonnt wird herausgearbeitet, wie beruflicher Ehrgeiz sämtliche ethische Werte ausklammert. Menschen werden zu Versuchstieren. Der Projektleiter belügt außerdem seinen Vorgesetzten. Allerdings nehme ich dem trotzdem nicht ab, dass er wirklich so ahnungslos war, wie er später behauptet. Immerhin stand er am Krankenbett des Operierten. Hier hätte er sich Fragen stellen müssen.
Diese wechselseitige Betrachtung am Anfang macht klar, dass Laura und John den jeweils anderen falsch einschätzen. John glaubt zu Beginn, dass Laura das Projekt beeindruckt hat. Sie fühlt sich übergangen. Es ist spannend zu lesen, wie sich das Verhältnis im Laufe der Zeit ändert.
Auch im Bereich des Glaubens zeichnet der Autor ein differenziertes Bild. Pastor Tim lebt seinen Glauben, ist trotzdem weltoffen und einfallsreich. Auffallend ist sein feiner Humor:

„...Der Gottesdienst ist doch kein Supermarkt, wo wir uns aus dem Wohlstand heraus schöne Worte in den Einkaufswagen packen...“

Pastor Wayne dagegen reagiert verschnupft, wenn es nicht ganz so läuft, wie er gedacht hat. Dafür kann er exzellente Predigten halten. Aber stimmt sein Handeln immer damit überein?
Eines ist in der Geschichte spürbar. Wenn es um medizinische Fragen geht, weiß der Autor, wovon er spricht. Nachdenkenswert finde ich das folgende Zitat:

„...Intelligent ist, was dem Leben dient. Dem eigenen und dem der anderen...“

Angesprochen werden auch das Thema Vergebung. Hinzu kommt, dass die Welt im Jahre 2043 in den USA nicht die ist, die wir heute kennen.
Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

Spannend und tiefgründig

Die Verstoßene
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„...Ja, er meint, Lügen haben kurze Beine. Aber das verstehe ich nicht. Lügen können doch gar nicht laufen...“

Wir befinden uns im Juli des Jahres 1914. Baronesse Lydia von Gedigk unterrichtet in einem ...

„...Ja, er meint, Lügen haben kurze Beine. Aber das verstehe ich nicht. Lügen können doch gar nicht laufen...“

Wir befinden uns im Juli des Jahres 1914. Baronesse Lydia von Gedigk unterrichtet in einem Pensionat. Da bekommt sie die Stelle als Erzieherin für die Nichte des Grafen Claus Ferdinand Grüning von Wedell angeboten. Schnell wird klar, dass die Leiterin des Pensionats sie loswerden will. Der Grund liegt in Lydias Vergangenheit. Sie hat einen Fehler gemacht und das wirft ein schlechtes Licht auf das Pensionat. Allerdings verhindert die Leiterin gekonnt, dass Lydia mit den Graf über eben diesen Fehler spricht.
Der Autor hat einen spannenden historischen Roman geschrieben. Es ist der fünfte Teil der Hochwald – Saga. Wie seine Vorgänger zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es christliche Aspekte in den Mittelpunkt stellt.
Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Mal darf ich das Geschehen aus Lydias Sicht, mal aus der des Grafen verfolgen.
Viola, die Nichte des Grafen, ist die Tochter von Franziska. Sie und Lydia kennen sich, haben sich aber seit Jahren aus den Augen verloren, da Franziska nun in Afrika lebt. Viola ist eine aufgeschlossenes Kind, was sagt, was sie denkt. Das Eingangszitat stammt von ihr.
Lydia hadert mit den Folgen ihrer Vergangenheit. Sie hat ihre Schuld bekannt und weiß sie vergeben – von Gott, aber nicht von den Menschen. Bevor sie mit dem Grafen darüber sprechen kann, wird der Graf von Erika von Steinbach, der Pensionsleiterin, informiert. Das hat Lydias Entlassung zum Jahresende zur Folge. Der Graf reagiert knallhart und sehr selbstherrlich.
Bis zu dieser Stelle war mir Lydia sympathisch. Was geht andere ihre Vergangenheit an? Und wer hat das Recht, ihr Dinge vorzuwerfen, die vor Gott vergeben waren?
Dann aber kommt der Krieg und jetzt reagiert Lydia irrational. Dass sie völlig unerfahren als Schwester an die Front geht, ist noch nachvollziehbar. Dass sie aber Franzi, die aus Afrika zurück ist, überredet, mitzukommen, obwohl die zweifache Mutter ist, finde ich unüberlegt. Gut, dass Franzi ihren trockenen Humor nicht verliert:

„...Es ist noch nie gut ausgegangen, wenn ich als blinder Passagier gereist bin...“

Die Szenen des Kriegsgeschehens werden sehr realistisch wiedergegeben. Graf Wedell bleibt sich anfangs treu, muss aber feststellen, dass moralische Werte an der Front schnell den Berg hinuntergehen. Auch er muss begreifen, dass Befehl Befehl ist.
Eines kommt mir zu kurz, obwohl es an mehreren Stellen eine Rolle spielt. Wenn die personellen Ressourcen begrenzt sind und die Zeit nicht für alle reicht, wem wird dann geholfen und wem nicht? Hier hatte ich oftmals den Eindruck, dass die persönliche Einstellung und der Egoismus entscheidend sind.
Die beeindruckendste Protagonistin ist für mich die französische Krankenschwester Denise. Sie lebt ihren Glauben ohne Wenn und Aber. Sie macht keine Unterschiede im Lazarett zwischen Freund und Feind. Und sie zeigt Graf Wedell, was Vergebungsbereitschaft heißt. Wenn es ein muss, spricht sie auch Klartext:

„...Vielleicht haben Sie das Leben eines Menschen durch ihr Misstrauen und ihre Unversöhnlichkeit verletzt. […] Vielleicht haben Sie das Leben dieses Menschen zerstört, vielleicht krankt er daran – und Sie könnten es mit einem Satz heilen. Stattdessen bemitleiden Sie sich selbst...“

Sehr informativ fand ich das Gespräch zu Weihnachten zwischen Graf Wedell und einem französischen Offizier, wo es einerseits um den Glauben ging, andererseits über den Sinn des Krieges debattiert wurde. Was beide sehr ernsthaft diskutieren, klingt bei Viola so:

„...Warum muss es denn diesen dummen Krieg geben? Ich will, dass Onkel Claudinand zurückkommt...“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie wichtig Vergebung für beide Seiten ist, dem, der vergibt, und dem, dem vergeben wird.

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