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Veröffentlicht am 15.06.2020

Leichte Methoden, konkrete Handlungsempfehlungen und eine klare Struktur

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte
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Aufbau: Trotz der angerissenen Hintergrundgeschichte liest sich der Roman weniger wie eine Geschichte und mehr wie ein ausgeschmückter Ratgeber in Dialogform. Die Figuren erhalten keine Tiefe, der Ich-Erzähler ...

Aufbau: Trotz der angerissenen Hintergrundgeschichte liest sich der Roman weniger wie eine Geschichte und mehr wie ein ausgeschmückter Ratgeber in Dialogform. Die Figuren erhalten keine Tiefe, der Ich-Erzähler ist häufig nur Stichwortgeber und Julian Mantle Lehrer und Positivbeispiel in Einem. Sehr positiv muss man aber anmerken, dass das Gespräch nicht einfach vor sich hinplätschert, sondern die klare Struktur entlang der "sieben Weisheiten des richtigen Lebens", Merkhilfen, Übersichten, sowie eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte und Methoden nach jedem Kapitel das Lesen in Portionen vereinfacht und dem Leser ein größerer, leicht zu merkender Leitfaden an die Hand gibt, der mehr enthält als eine Aneinanderreihung von Lebensweisheiten.

Schreibstil: Wie so viele Selbsthilfe-Bücher dieser Art schreibt Robin S. Sharma in sehr einfacher Sprache und nutzt leicht zu verstehende Beispiele und Analogien aus dem täglichen Leben. Immer wieder fließen auch Zitate von Philosophen oder Denker mit ein und es gibt etliche Verweise auf andere Werke, die das Gesagte untermauern. Dabei fußt das Grundgerüst auch klar auf der Philosophie und den Lehren des Buddhismus, durch viele nette Geschichten und kleine Parabeln wird aber gewährleistet, dass sich nicht alles schon bekannt oder kopiert liest.

Inhalt: Das Beste jedoch, weshalb mir dieses Büchlein viel mehr gebracht hat, als andere des Genres ist, dass wir hier nicht nur 208 Seiten ideologisches, schwammiges Geschwafel, sondern klare Methoden, Handlungsempfehlungen und Alltagsbeispiele erhalten. Hier geht es nicht darum, "irgendwie denn Sinn seines Lebens zu finden", "durch spirituelle Erfahrungen seine Bestimmung zu finden" oder ähnlich Ungenaues, sondern vielmehr, wie wir durch einfache Techniken unseren Alltag so anpassen können, dass wir auf Dauer glücklicher, ausgeglichener, gesünder und leistungsstärker werden.

_________________________
Die Zitate:

"Man darf nicht zulassen, dass einen die Uhr und der Kalender für die Tatsache blind machen, dass jeder Augenblick des Lebens ein Wunder ist - und ein unergründliches Geheimnis."

"Die Angst ist nicht mehr als ein von dir selbst erschaffenes Monster, ein negativer Bewusstseinsstrom."

_________________________
Das Urteil:

Leichte Methoden, konkrete Handlungsempfehlungen eine klare Struktur und nützliche Merkhilfen - "Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte" ist für mich das bisher das logischste, bodenständigste und praxisnahste Ratgeberbuch, das ich je gelesen habe.


PS: Wer sich noch nie mit Fragen über das eigene Leben beschäftigt hat, sollte vielleicht mit der einfacheren Einstiegslektüre "Das Café am Rande der Welt" anfangen. Fans der buddhistischen Lehren kann ich außerdem Siddharta von Hermann Hesse empfehlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.06.2020

Leichte Methoden, konkrete Handlungsempfehlungen und eine klare Struktur

Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte
0

Aufbau: Trotz der angerissenen Hintergrundgeschichte liest sich der Roman weniger wie eine Geschichte und mehr wie ein ausgeschmückter Ratgeber in Dialogform. Die Figuren erhalten keine Tiefe, der Ich-Erzähler ...

Aufbau: Trotz der angerissenen Hintergrundgeschichte liest sich der Roman weniger wie eine Geschichte und mehr wie ein ausgeschmückter Ratgeber in Dialogform. Die Figuren erhalten keine Tiefe, der Ich-Erzähler ist häufig nur Stichwortgeber und Julian Mantle Lehrer und Positivbeispiel in Einem. Sehr positiv muss man aber anmerken, dass das Gespräch nicht einfach vor sich hinplätschert, sondern die klare Struktur entlang der "sieben Weisheiten des richtigen Lebens", Merkhilfen, Übersichten, sowie eine Zusammenfassung der wichtigsten Inhalte und Methoden nach jedem Kapitel das Lesen in Portionen vereinfacht und dem Leser ein größerer, leicht zu merkender Leitfaden an die Hand gibt, der mehr enthält als eine Aneinanderreihung von Lebensweisheiten.

Schreibstil: Wie so viele Selbsthilfe-Bücher dieser Art schreibt Robin S. Sharma in sehr einfacher Sprache und nutzt leicht zu verstehende Beispiele und Analogien aus dem täglichen Leben. Immer wieder fließen auch Zitate von Philosophen oder Denker mit ein und es gibt etliche Verweise auf andere Werke, die das Gesagte untermauern. Dabei fußt das Grundgerüst auch klar auf der Philosophie und den Lehren des Buddhismus, durch viele nette Geschichten und kleine Parabeln wird aber gewährleistet, dass sich nicht alles schon bekannt oder kopiert liest.

Inhalt: Das Beste jedoch, weshalb mir dieses Büchlein viel mehr gebracht hat, als andere des Genres ist, dass wir hier nicht nur 208 Seiten ideologisches, schwammiges Geschwafel, sondern klare Methoden, Handlungsempfehlungen und Alltagsbeispiele erhalten. Hier geht es nicht darum, "irgendwie denn Sinn seines Lebens zu finden", "durch spirituelle Erfahrungen seine Bestimmung zu finden" oder ähnlich Ungenaues, sondern vielmehr, wie wir durch einfache Techniken unseren Alltag so anpassen können, dass wir auf Dauer glücklicher, ausgeglichener, gesünder und leistungsstärker werden.

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Die Zitate:

"Man darf nicht zulassen, dass einen die Uhr und der Kalender für die Tatsache blind machen, dass jeder Augenblick des Lebens ein Wunder ist - und ein unergründliches Geheimnis."

"Die Angst ist nicht mehr als ein von dir selbst erschaffenes Monster, ein negativer Bewusstseinsstrom."

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Das Urteil:

Leichte Methoden, konkrete Handlungsempfehlungen eine klare Struktur und nützliche Merkhilfen - "Der Mönch, der seinen Ferrari verkaufte" ist für mich das bisher das logischste, bodenständigste und praxisnahste Ratgeberbuch, das ich je gelesen habe.


PS: Wer sich noch nie mit Fragen über das eigene Leben beschäftigt hat, sollte vielleicht mit der einfacheren Einstiegslektüre "Das Café am Rande der Welt" anfangen. Fans der buddhistischen Lehren kann ich außerdem Siddharta von Hermann Hesse empfehlen.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.05.2020

Eine einfühlsame aber gleichzeitig erstaunlich leichte Geschichte über Tod, Trauer, Verlust und Liebe.

Die Sache mit dem Glücklichsein
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"Love oder meine schönsten Beerdigungen" wurde vor drei Jahren von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum "Jugendbuch des Monats Mai 2017" gewählt. Vor einigen Tagen erschien der Jugendroman ...

"Love oder meine schönsten Beerdigungen" wurde vor drei Jahren von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum "Jugendbuch des Monats Mai 2017" gewählt. Vor einigen Tagen erschien der Jugendroman von Erfolgsautor Jason Reynolds in einer neuen Auflage und unter neuem Titel. "Die Sache mit dem Glücklichsein" heißt es nun und erzählt eine schöne und zugleich traurige Geschichte über einen Jungen zwischen Liebe und Trauer.


"Ausnahmslos alle in der Kirche standen auf und klatschten Beifall für Love (…). Ich fragte mich, was sie so stark machte. Was sie so anders machte. "


Das Cover ist eine riesige Verbesserung zur alten Auflage und auch wenn ich den Originaltitel "The Boy in the Black Suit" für den treffendsten halte, gefällt mir der gesamte Auftritt der neuen Ausgabe sehr. Die übereinander gelegten Köpfe der beiden Hauptprotagonisten, die Kontraste aus blau und rosa und der weiße Titel wirken zwar ein wenig mädchenhafter als die männliche Erzählstimme und die offene Zielgruppe vermuten lassen würden, sehen aber wunderschön aus und treffen den Kern der Geschichte: durch Love kommt endlich wieder ein bisschen Freude in Matts Leben und durch ihre neue Sichtweise, ihre Stärke und ihr Vertrauen, kann er seine Trauer überwinden und nach vorne blicken.


Erster Satz: "Es war der erste Schultag."


Doch auch wenn Jason Reynolds hier eine tröstliche Geschichte über Hoffnung, Lebensfreude und Liebe erzählt, ist der Beginn überraschend deprimierend. Wir werden an Matts ersten Schultag nach dem Tod seiner Mutter in die Handlung eingeführt und leiden zusammen mit ihm nicht nur an der Leere, die seine Mutter in seinem Leben hinterlassen hat, den seltsamen Blicken seiner Klassenkameraden und der emotionalen Distanz seines Vaters, der immer wieder zur Flasche greift, sondern auch an dem Gefühl, sein ganzes Leben laufe rückwärts. Als er von einem Freund der Familie einen Job in einem Beerdigungsinstitut angeboten bekommt, weiß er zuerst nicht, ob er weitere Beerdigungen verkraftet.


"Das ist der Beweis, dass das Leben nicht immer läuft, wie geplant. Aber ich musste mir nicht seine Wände anschauen, um das zu wissen. Ich musste mir nur meinen Vater anschauen. Oder nachts in unserem leeren Haus sitzen."


Als er dann jedoch in der ersten Trauerfeier sitzt, findet er genau das, was er insgeheim in seinem abwesenden Vater gesucht hat: die Bestätigung, dass auch für andere Menschen die Welt zusammenbricht, dass auch das Herz von anderen bricht wenn ein geliebter Mensch plötzlich nicht mehr da ist. Neben seinem besten Freund Chris und dem väterlichen Leiter des Bestattungsinstituts Mr. Ray hilft ihm von da an vor allem der Anblick der leidenden Menschen auf den Trauerfeiern dabei, seine Trauer zu bewältigen. Als er dann eines Tages auf einer der Beerdigungen die junge Love trifft, die anders als all seine beobachteten Trauernden zuvor nicht zusammenbricht, ist er sofort von ihrer Stärke und ihrer Lebensfreude fasziniert. Und so entwächst seinem Faible für Beerdigungen noch eine andere Bewältigungsstrategie, die ihn zurück ins Leben holt: Love/Liebe.


"Mir gefiel es, anderen Leuten dabei zuzusehen, wie sie mit ihrem Verlust umgingen, nicht weil ich es genoss, ihren Schmerz zu sehen, sondern weil ich mich irgendwie besser fühlte, wenn ich wusste, dass mein Schmerz nicht nur meiner war. Dass mein Leben nicht das einzige war, dem etwas fehlte, das es nie mehr zurück bekommen würde."


Da sowohl auf dem Cover als auch auf dem Klapptext eine Liebesgeschichte angepriesen wird, war ich zuerst überrascht, dass Love erst in der zweiten Hälfte des Buches auftaucht. Sehr bald habe ich aber festgestellt, dass durch die behutsame Einführung der Liebesgeschichte das Hauptthema des Romans genügend Raum bekommt: Matts Trauer. Anders als ich es erwartet hatte, beschäftigen wir uns zunächst ausführlich mit seinen Gefühlen, Gedanken und den Reaktionen seines Umfelds, wobei Matt sich als sehr reifer Ich-Erzähler herausstellt, der authentisch und gerne auch mal selbstironisch über sein Innenleben reflektiert. Durch die einfühlsame Erzählperspektive und die teilweise witzig-skurrilen Situationen, in die Matt sich manövriert, gelingt Jason Reynolds die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz spielerisch und die Geschichte wird traurig und schön zugleich. Auch wenn sich manche Übersetzungen des Brooklyn-Slangs sich etwas seltsam lesen, treffen sowohl Autor als auch Übersetzer wunderbar den Ton eines 17jährigen und sorgen für gelegentliches direktes Ansprechen des Lesers für eine Auflösung der emotionalen Distanz zu Matt.


"So viele Beerdigungen und hier war ich und wünschte, ich könnte ein paar Dinge von mir beerdigen. Die Tatsache beerdigen, dass ich am Grab meiner Mutter stand, nachdem sie mich in der Welt zurückgelassen hatte, wo ich selbst für mich sorgen musste. Die Tatsache beerdigen, dass mein Vater ein Trinker war und jetzt nicht mal mehr gehen konnte und mir deshalb nicht helfen konnte. Die Tatsache beerdigen, dass fast jeder in meiner Schule glaubte, ich sei ein verdammter Spinner. Die Tatsache beerdigen, dass ich leer war. Leer. Leer! Ich wünschte, ich könnte all diese verfluchten Dinge beerdigen."


Neben dem Schreibstil und dem leichten Umgang mit den schwierigen Themen, sind vor allem die Protagonisten Träger des Romans. Matt ist ein sehr angenehmer und sympathischer Protagonist, da er den Leser bereitwillig an seinen Gedanken teilhaben lässt und trotz seiner Unsicherheit und Orientierungslosigkeit sehr reif erscheint. An "Love" ist nicht nur ihr Name besonders, auch ansonsten ist sie eine eigenwillige Figur, die sowohl Matt als auch dem Leser ein Rätsel ist. Da hier vor allem Matts Gefühle im Vordergrund stehen, bleibt das leider auch bis zum recht offenen Ende so. Dafür rücken aber tolle Nebenfiguren wie der Bestatter Mr. Ray, der für Matt zum Ersatzvater wird, als sein eigener für ihn nicht da sein kann oder sein bester Freund, den wir als Frauenheld und Muttis Liebling kennenlernen, der aber insgeheim Angst vor der Dunkelheit hat, immer mehr ins Licht der Aufmerksamkeit. Gegen Ende verbinden sich die losen Fäden der Erzählung immer mehr zu einem runden Bild, auch wenn einige Zufälle und Zusammenhänge vielleicht etwas konstruiert wirken.

Zum Schluss noch mein Lieblingszitat, das gleichzeitig eine der wichtigsten Hauptmessages des Romans zu sein scheint:

"Ich hab erkannt, dass es nicht so ist, dass der Tod schlimm ist. Das ist es nicht. Es ist nur so, dass das Leben so gut ist. So verdammt gut, dass du dich einfach daran festhalten möchtest und an allen, die da sind. Doch das können wir nicht. Aber was wir tun können, ist, es mehr schätzen zu lernen."




Fazit:

Eine einfühlsame aber gleichzeitig erstaunlich leichte Geschichte über Tod, Trauer, Verlust, Liebe, Weiterleben und die Schönheit von Beerdigungen. Jason Reynolds gelingt die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz spielerisch und macht die Geschichte somit traurig und schön zugleich.

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Veröffentlicht am 27.05.2020

Eine einfühlsame aber gleichzeitig erstaunlich leichte Geschichte über Tod, Trauer, Verlust und Liebe.

Die Sache mit dem Glücklichsein
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"Love oder meine schönsten Beerdigungen" wurde vor drei Jahren von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum "Jugendbuch des Monats Mai 2017" gewählt. Vor einigen Tagen erschien der Jugendroman ...

"Love oder meine schönsten Beerdigungen" wurde vor drei Jahren von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum "Jugendbuch des Monats Mai 2017" gewählt. Vor einigen Tagen erschien der Jugendroman von Erfolgsautor Jason Reynolds in einer neuen Auflage und unter neuem Titel. "Die Sache mit dem Glücklichsein" heißt es nun und erzählt eine schöne und zugleich traurige Geschichte über einen Jungen zwischen Liebe und Trauer.


"Ausnahmslos alle in der Kirche standen auf und klatschten Beifall für Love (…). Ich fragte mich, was sie so stark machte. Was sie so anders machte. "


Das Cover ist eine riesige Verbesserung zur alten Auflage und auch wenn ich den Originaltitel "The Boy in the Black Suit" für den treffendsten halte, gefällt mir der gesamte Auftritt der neuen Ausgabe sehr. Die übereinander gelegten Köpfe der beiden Hauptprotagonisten, die Kontraste aus blau und rosa und der weiße Titel wirken zwar ein wenig mädchenhafter als die männliche Erzählstimme und die offene Zielgruppe vermuten lassen würden, sehen aber wunderschön aus und treffen den Kern der Geschichte: durch Love kommt endlich wieder ein bisschen Freude in Matts Leben und durch ihre neue Sichtweise, ihre Stärke und ihr Vertrauen, kann er seine Trauer überwinden und nach vorne blicken.


Erster Satz: "Es war der erste Schultag."


Doch auch wenn Jason Reynolds hier eine tröstliche Geschichte über Hoffnung, Lebensfreude und Liebe erzählt, ist der Beginn überraschend deprimierend. Wir werden an Matts ersten Schultag nach dem Tod seiner Mutter in die Handlung eingeführt und leiden zusammen mit ihm nicht nur an der Leere, die seine Mutter in seinem Leben hinterlassen hat, den seltsamen Blicken seiner Klassenkameraden und der emotionalen Distanz seines Vaters, der immer wieder zur Flasche greift, sondern auch an dem Gefühl, sein ganzes Leben laufe rückwärts. Als er von einem Freund der Familie einen Job in einem Beerdigungsinstitut angeboten bekommt, weiß er zuerst nicht, ob er weitere Beerdigungen verkraftet.


"Das ist der Beweis, dass das Leben nicht immer läuft, wie geplant. Aber ich musste mir nicht seine Wände anschauen, um das zu wissen. Ich musste mir nur meinen Vater anschauen. Oder nachts in unserem leeren Haus sitzen."


Als er dann jedoch in der ersten Trauerfeier sitzt, findet er genau das, was er insgeheim in seinem abwesenden Vater gesucht hat: die Bestätigung, dass auch für andere Menschen die Welt zusammenbricht, dass auch das Herz von anderen bricht wenn ein geliebter Mensch plötzlich nicht mehr da ist. Neben seinem besten Freund Chris und dem väterlichen Leiter des Bestattungsinstituts Mr. Ray hilft ihm von da an vor allem der Anblick der leidenden Menschen auf den Trauerfeiern dabei, seine Trauer zu bewältigen. Als er dann eines Tages auf einer der Beerdigungen die junge Love trifft, die anders als all seine beobachteten Trauernden zuvor nicht zusammenbricht, ist er sofort von ihrer Stärke und ihrer Lebensfreude fasziniert. Und so entwächst seinem Faible für Beerdigungen noch eine andere Bewältigungsstrategie, die ihn zurück ins Leben holt: Love/Liebe.


"Mir gefiel es, anderen Leuten dabei zuzusehen, wie sie mit ihrem Verlust umgingen, nicht weil ich es genoss, ihren Schmerz zu sehen, sondern weil ich mich irgendwie besser fühlte, wenn ich wusste, dass mein Schmerz nicht nur meiner war. Dass mein Leben nicht das einzige war, dem etwas fehlte, das es nie mehr zurück bekommen würde."


Da sowohl auf dem Cover als auch auf dem Klapptext eine Liebesgeschichte angepriesen wird, war ich zuerst überrascht, dass Love erst in der zweiten Hälfte des Buches auftaucht. Sehr bald habe ich aber festgestellt, dass durch die behutsame Einführung der Liebesgeschichte das Hauptthema des Romans genügend Raum bekommt: Matts Trauer. Anders als ich es erwartet hatte, beschäftigen wir uns zunächst ausführlich mit seinen Gefühlen, Gedanken und den Reaktionen seines Umfelds, wobei Matt sich als sehr reifer Ich-Erzähler herausstellt, der authentisch und gerne auch mal selbstironisch über sein Innenleben reflektiert. Durch die einfühlsame Erzählperspektive und die teilweise witzig-skurrilen Situationen, in die Matt sich manövriert, gelingt Jason Reynolds die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz spielerisch und die Geschichte wird traurig und schön zugleich. Auch wenn sich manche Übersetzungen des Brooklyn-Slangs sich etwas seltsam lesen, treffen sowohl Autor als auch Übersetzer wunderbar den Ton eines 17jährigen und sorgen für gelegentliches direktes Ansprechen des Lesers für eine Auflösung der emotionalen Distanz zu Matt.


"So viele Beerdigungen und hier war ich und wünschte, ich könnte ein paar Dinge von mir beerdigen. Die Tatsache beerdigen, dass ich am Grab meiner Mutter stand, nachdem sie mich in der Welt zurückgelassen hatte, wo ich selbst für mich sorgen musste. Die Tatsache beerdigen, dass mein Vater ein Trinker war und jetzt nicht mal mehr gehen konnte und mir deshalb nicht helfen konnte. Die Tatsache beerdigen, dass fast jeder in meiner Schule glaubte, ich sei ein verdammter Spinner. Die Tatsache beerdigen, dass ich leer war. Leer. Leer! Ich wünschte, ich könnte all diese verfluchten Dinge beerdigen."


Neben dem Schreibstil und dem leichten Umgang mit den schwierigen Themen, sind vor allem die Protagonisten Träger des Romans. Matt ist ein sehr angenehmer und sympathischer Protagonist, da er den Leser bereitwillig an seinen Gedanken teilhaben lässt und trotz seiner Unsicherheit und Orientierungslosigkeit sehr reif erscheint. An "Love" ist nicht nur ihr Name besonders, auch ansonsten ist sie eine eigenwillige Figur, die sowohl Matt als auch dem Leser ein Rätsel ist. Da hier vor allem Matts Gefühle im Vordergrund stehen, bleibt das leider auch bis zum recht offenen Ende so. Dafür rücken aber tolle Nebenfiguren wie der Bestatter Mr. Ray, der für Matt zum Ersatzvater wird, als sein eigener für ihn nicht da sein kann oder sein bester Freund, den wir als Frauenheld und Muttis Liebling kennenlernen, der aber insgeheim Angst vor der Dunkelheit hat, immer mehr ins Licht der Aufmerksamkeit. Gegen Ende verbinden sich die losen Fäden der Erzählung immer mehr zu einem runden Bild, auch wenn einige Zufälle und Zusammenhänge vielleicht etwas konstruiert wirken.

Zum Schluss noch mein Lieblingszitat, das gleichzeitig eine der wichtigsten Hauptmessages des Romans zu sein scheint:

"Ich hab erkannt, dass es nicht so ist, dass der Tod schlimm ist. Das ist es nicht. Es ist nur so, dass das Leben so gut ist. So verdammt gut, dass du dich einfach daran festhalten möchtest und an allen, die da sind. Doch das können wir nicht. Aber was wir tun können, ist, es mehr schätzen zu lernen."




Fazit:

Eine einfühlsame aber gleichzeitig erstaunlich leichte Geschichte über Tod, Trauer, Verlust, Liebe, Weiterleben und die Schönheit von Beerdigungen. Jason Reynolds gelingt die schwere Gradwanderung zwischen Ernsthaftigkeit und Unterhaltsamkeit, Trauer und Freude, Emotionen und Witz spielerisch und macht die Geschichte somit traurig und schön zugleich.

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Veröffentlicht am 27.05.2020

Ein Fantasy-Epos der Extraklasse: dynamisch, spannend, mitreißend!

Children of Virtue and Vengeance
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Schon der erste Teil "Children of Blood and Bone - Goldener Zorn" von Tomi Adeyemis Fantasy-Trilogie ist eine Klasse für sich: Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch lesen ...

Schon der erste Teil "Children of Blood and Bone - Goldener Zorn" von Tomi Adeyemis Fantasy-Trilogie ist eine Klasse für sich: Beeindruckend intensiv, exotisch-kunterbunt und absolut authentisch lesen wir über eine besondere Fantasy-Welt, in der verschiedene starke Protagonisten für eine bessere Zukunft kämpfen. Dass ich nach dem miesen Cliffhanger des ersten Teils unbedingt wissen wollte, wie es mit Zélie, Amari und den anderen weitergeht, ist klar - umso mehr habe ich mich gefreut, dass mir der Fischer Verlag ein Vorab-Exemplar zur Verfügung gestellt hat, weshalb ich euch heute, pünktlich zum Erscheinungstermin meine Meinung zum zweiten Teil der Reihe erzählen kann.


Amari: "Orïsha wartet auf niemanden, Amari.
Ich habe geschworen eine bessere Königin zu sein. Wenn Mutter wirklich tot sein sollte, ist nun die Zeit gekommen, meinen Schwur zu halten."


Auch das Cover des zweiten Teils ist wunderschön, beeindruckend und ein wirklicher Eye-Catcher. Leider passt der Grafikstil des Hauptmotivs meiner Meinung nach nicht ganz zum ersten Teil, doch dennoch bin ich mir sicher, dass mit dem Mädchen mit der wunderschönen, dunklen Haut, den wallenden, weißen Haaren und dem stechenden Blick das wohl passendste Motiv überhaupt gefunden wurde. Die starken Kontraste der weißen Haare zum Hintergrund, zum Titel und zur Hautfarbe des Mädchens sowie die farbigen Akzente bereiten gut auf die ausdrucksstarke, kraftvolle und exotische Geschichte vor, die sich zwischen den Buchdeckeln verbirgt. Auch der Titel passt gut und lässt den Zusammenhang zur Reihe erkennen. Unter dem Schutzumschlag ist das Buch gewohnt wundervoll gestaltet: Neben der Karte von Orïsha und einer Übersicht über die Maji-Clans finden sich 90 wundervoll verzierte Kapitelanfänge und ein kurzer Epilog, der es aber ganz schön ins sich hat.


Erster Satz: "Ich versuche, nicht an ihn zu denken."


Mit diesem Satz steigen wir in die Geschichte ein, doch leider ist mir jetzt erst nach Beenden des Buches klar, wen Zélie damit meint. Denn auch wenn ich den Vorgänger erst vor relativ genau fünfzehn Monaten gelesen habe, hatte ich zu Beginn Probleme, in die Geschichte hineinzufinden und den Beginn gedanklich mit den Geschehnissen auf dem ersten Teil zu verknüpfen. Die ganzen fremdartigen Begriffe der Ausdrücke, Orte, Titel, Gottheiten und Protagonistennamen machten es mir schon im ersten Teil schwer, den Überblick zu behalten und sorgten nun dafür, dass ich mich nur schwer an die komplexe Handlung des Vorgängers erinnerte. Außerdem startet "Children of Virtue and Vengeance" eher unübersichtlich mit einer Reise durch Orïsha, dem Auftreten einer neuen Rebellengruppe aus dem Nichts, dem plötzlichen Aufsteigen der Monarchie mit einer neuen Antagonistin und dem Wiederauftritt eines todgeglaubten Protagonisten. So erscheint der Beginn ein wenig verwirrend, überhastet und erleichterte den Einstieg ins komplexe Orïsha nach der langen Pause nicht gerade.

Inan: "Ich bin es müde, leiden zu müssen, weil die Menschen in unserem Königreich sich weigern, an den Frieden zu glauben. Ich weiß, dass es eine Welt gibt, in der wir es schaffen können. Ein Orïsha, in dem Maji, Tîtánen und Kosidán friedlich nebeneinander existieren. Ich glaube noch immer an das Orïsha meiner Träume, selbst wenn mir die Realität Albträume beschert."


Doch als ich dann wieder ganz in Orïsha angekommen war, hat sich die Anziehungskraft der bunten, lebendigen Welt, inspiriert von der Kultur und den Mythen Westafrikas, wieder voll entfaltet. Durch den Aufenthalt der Protagonisten bei den Rebellen lernen wir hier mehr über die Magie, die einzelnen Clans und die Geschichte Orïshas. Die große Stärke der Geschichte ist, dass neben viel Fantasie und innovativen Ideen auch eine Menge Wahrheit im Setting steckt, was eine einmalige Atmosphäre kreiert, die den Leser dankbar über jede Logiklücke und Durststrecke hinwegsehen lässt. Das Land Orïsha, wurde nach den Orïshas benannt, den Göttern und Göttinnen der Yoruba-Religion, welche wiederum den Namen für die Sprache der Maji bereitgestellt hat. Die Meere und Berge tragen die Namen von Tomi Adeyemis verstorbenen Großeltern, auch Essen, Klima und Kleidung erinnern stark an die Westafrikanische Kultur. Aber das ist nicht die einzige Botschaft, die die Autorin in dieser Geschichte von altem Hass, neuen Wunden, dem versengenden Wunsch nach Rache und grausamem Blutvergießen, obwohl der Frieden so nah scheint, versteckt hat. Beim Lesen muss man immer im Hinterkopf behalten, dass Tomi Adeyemi diesen Roman als Kampfansage gegen Rassismus und Unterdrückung aber vor allem gegen die Ignoranz der Menschen geschrieben hat. Und auch wenn das nicht die einzige Bedeutungsebene dieses Romans umfasst finde ich es doch wichtig, dass die Autorin real existierende Probleme, Missverständnisse und lange verschleppten Hass in einer Fantasy-Geschichte kanalisiert und ausformuliert hat.


Zélie: "Ich habe mich schon einmal in ein Ungeheuer verliebt. Das wird mir nicht noch mal passieren."
(…) "Es war nicht dein Fehler, dass du dich in ein Ungeheuer verliebt hast, Zïtsol, sondern dass es das falsche war."


Ansonsten ist die Welt frei erfunden und erzählt die Geschichte eines unterdrückten Volks, den Maji und ihren Kindern, den Divînés. Einst gab es zehn verschiedene Maji-Clans in Orïsha, die die mit unterschiedlichen Gaben gesegnet waren und in direkter Verbindung mit der Himmelsmutter und ihren Göttern Magie üben konnten. Doch aus Hass und Machtgier des herrschenden Königspaars wurde aus Angst vor der Magie der Maji in der sogenannten Blutnacht die Ermordung aller erwachsenen Magienutzer veranlasst, was die Magie verschwinden ließ und die Divînés zu Waisen machte. Auf sich alleingestellt wanderten viele der Kinder, ihrer magischen Zukunft und ihrer Würde beraubt in Arbeitslager und mussten in ständigem Angst und Schrecken vor der Willkür der privilegierten Kosidán, also der Menschen ohne magisches Talent und der Unterdrückung des Regimes leben. Ihr einst stolzes Erbe, ausgedrückt durch ihre weißen Haare und ihre dunkle Haut, ist ein Zeichen der Schande und des Schmerzes geworden. Zusammen mit ihren Mitstreitern hat die junge Maji Zélie durch eine magische Schriftrolle, ein heiliges Ritual und viel Kraft die Magie nach Orïsha zurückgebracht. Doch auch wenn sie dachte, dass die Maji durch die Rückkehr der Magie wieder zu ihrer Macht und Würde finden würden, ist ihr Schicksal durch das Ritual nur noch schlimmer geworden. Denn nun haben nicht nur die Kinder der Götter sondern auch die Adligen magische Kräfte erhalten und die neu erwachten Tîtánen sind sogar noch stärker als die Maji. Um die Monarchie endlich zu besiegen und die Maji zu befreien, schließt sich Zélie deshalb der Widerstandsgruppe Iyika an und führt die Maji geeint in einen Krieg, den sie eigentlich nicht gewinnen können...


Zélie: "Jeder Pulsschlag fährt wie ein Blitz durch mein Blut. Die Kraft von zehn Herzen, die wie eins schlagen. Ich drücke die Hand auf meine Brust und sehe hoch. Irgendwie kann ich den Puls von Mama Agbas Liebe spüren. Tränen rinnen mir über die Wangen, dennoch muss ich lächeln. Ich werde dich nicht enttäuschen."


Neben der politischen Relevanz, die man in der Geschichte sehen kann oder eben nicht, geht es ganz klar um Themen wie Unschuld, Zerbrechlichkeit, Macht, innere Stärke, Glaube und Vertrauen, Unterdrückung, Demütigung und Respekt, was durch die starken Protagonisten eindrücklich vermittelt wird. Die drei Hauptprotagonisten, die wieder abwechselnd aus ihrer Perspektive berichten, werden dabei durch etliche liebenswerte (und auch sehr hassenswerte) Nebencharaktere unterstützt, die bunter und lebendiger nicht sein könnten. Leider geht die Autorin auch hier wieder mit ihren Besten besonders verschwenderisch um, sodass sie mir das ein oder andere Mal fast das Herz gebrochen hat. Mit Zélie haben wir eine starke Hauptprotagonistin, deren Innenleben sehr von Hass und Wut auf das Königshaus von Orïsha und vor allem den neu ausgerufenen König geprägt ist, der sich erst in ihr Herz geschlichen und es dann verraten hat. Um in dem neuen Kampf zu bestehen, die Maji hinter sich zu vereinen und ihre volle Kraft auszuschöpfen, muss sie an ihre Grenzen gehen, ihre Schmerzen überwinden, über ihren Hass hinwegsehen und Opfer bringen. Auch hier ist ihr Weg von vielen Hindernissen versperrt, mit schmerzhaften Verlusten und Zweifeln gepflastert und alles andere als unbeschwerlich. Durch Zélies Leiden und ihre fehlerhaften Entscheidungen schafft die Autorin aber im Endeffekt genau das, an was viele anderen Fantasy-Autoren scheitern: sie hält ihre Protagonistin trotz immenser Fähigkeiten und Führungsqualitäten menschlich und lässt sie nicht zur Überheldin werden.

Zélie: "Lügen und gebrochene Versprechen, das war Inan. Träume, die niemals wahr werden konnten. Roen und ich spielen uns nichts vor. Wir kennen uns."

Genauso ist es mit Amari. Schon im ersten Teil hat sie von der schwachen, verwöhnten Prinzessin bis zur selbstbewussten Kämpferin eine beeindruckende Entwicklung durchgemacht. Auch hier versucht sie wieder, in eine neue Rolle hineinzuwachsen und die Königin zu werden, die Orïsha braucht. Dass sie sich oftmals verrennt, ihren Gefühlen erliegt oder ihr Urteilsvermögen getrübt wird, macht sie sehr authentisch, auch wenn man ihr ab und zu gerne mal die Meinung sagen würde. Zélies Bruder und Amaris Geliebter Tzain tritt hier stark in den Hintergrund, dafür erhalten wir aber bei den Idyka-Rebellen viele neue Protagonisten und treffen alte Bekannte wieder. (Spoiler: Auch Inan hat hier sein großes Comeback und gibt nach wie vor sein Bestes, zwischen den Fronten zu vermitteln. Auch in diesem zweiten Band trifft er hin und her gerissen zwischen den Ratschlägen seiner Mutter, der Verantwortung gegenüber den Bewohnern seiner Hauptstadt, der Rechenschaft seinen Generälen gegenüber und der Loyalität zu seiner Schwester, der Liebe zu Zélie und seinem Wunsch nach Frieden falsche Entscheidungen.). Dabei zerriss es mir beim Lesen fast das Herz, dass die Protagonisten mehr gegeneinander als miteinander arbeiten und blind vor Zorn und von ihren Narben und ihrem Schmerz geleitet immer wieder den Weg des Krieges wählen, anstatt sich endlich zusammenzuraufen und aufeinander zuzugehen. Durch diese ständigen Rückfälle, bei denen Wut, Hass, Zorn und der Wunsch nach Rache die Bestrebungen nach Frieden immer wieder zerstören, sind einige Passagen auch eher frustrierend zu lesen und die gesamte Geschichte liest sich deutlich düsterer als der erste Teil.


Zélie: "Wir werden in jedem Atemzug von dir leben. In jeder Beschwörung, die du singst."
Ein Lächeln zieht sich über ihr dunkles Gesicht und legt die Haut um ihre Augen in Falten.
"Ihr seid die Kinder der Götter. Ihr werdet nie allein sein."


Nichtsdestotrotz erinnern das rasante Erzähltempo und der bildhafte, fesselnde und leidenschaftliche Schreibstil Tomi Adeyemis stark an den ersten Teil und auch hier können leichte Zeitsprünge und Logiklücken sowie die zwar schöne aber arg gewollt wirkende Liebesgeschichte ausgeglichen werden (Spoiler: Da das mit Inan und Zélie wohl nichts mehr wird, bastelt die Autorin einfach eine neue Liebesgeschichte zu dem Söldner Roen. Außerdem verschwindet die Löwenesse Nailah einfach plötzlich aus dem Handlungsgefüge, ohne dass ich mitbekommen hätte, dass sie tot ist. Ebenfalls unklar war mir, warum Amaris und Inans Mutter und Amari plötzlich ungeahnte Fähigkeiten erlangen, Inan jedoch nicht...). So wird das eher mittelalterlich geprägte Setting immer wieder durch seltsame Dinge wie Sauerstoffflaschen oder Brandbomben unterbrochen, die sich mir in dem Zusammenhang mit Schwertern und Kutschen nicht ganz erschlossen. Die Art und Weise, wie die Autorin hier kraftvoll und zornig durch den Schmerz ihrer Protagonisten anklagend die Stimme erhebt und dabei bei einem lockeren und flüssigen Stil bleibt, der nie gezwungen oder übertrieben wirkt, hat mir jedoch sehr gut gefallen. Durch magische Träume, Visionen, spirituelle Begegnungen mit Göttern und die Liebesbeziehungen kommt noch eine atmosphärische Note hinzu, die sich wunderbar in den berührenden, majestätischen Grundton einfindet.


Zélie: "Es wurde unsere Heimat, weil sie alles gemeinsam gebraut haben. Das Land selbst, die Tempel - sie sind nicht so wichtig. Solange wir uns haben, tragen wir Orïsha in unserem Blut. Das kann uns keiner nehmen." (…)
Ich lasse mich auf den Blutstein sinken. In meinen Ohren tobt der Krieg.
Wir holen uns zurück, was uns gehört."


So schreitet, nein rennt, die Story mit den großen Sprüngen einer Löwenesse voran und gipfelt am Ende in einem explosiven und sehr emotionalen Showdown, der mich noch einmal mitriss, beeindruckte, am Ende aber wütend zurückließ. Wütend deshalb weil Tomi Adeyemi uns so ein Ende vorsetzt wo doch erst frühestens in zwei Jahren eine Fortsetzung erscheint - wirklich mies von ihr! Das Ende war episch, herzzerreißend, spannend aber der undurchsichtige und miese Cliffhanger und Epilog am Ende lässt viele Fragen offen, sodass ich am liebsten weiterlesen würde.



Fazit:


Starke Protagonisten, ein exotisches Setting, eine berührende Botschaft, ein leidenschaftlicher Schreibstil und innovative Ideen - dieser Nachfolger ist trotz Einstiegsprobleme, kleinen Logiklücken und dem etwas zu schnellen Erzähltempo ein Fantasy-Epos der Extraklasse. Dynamisch, spannend, mitreißend!

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