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Veröffentlicht am 06.06.2020

Mitreißende Familiengeschichte

Das Holländerhaus
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Cyril hat einen Traum – er möchte seiner Familie ein „besseres“ Leben bieten und dazu gehört nun mal das Wohnen in einer Villa. Doch das „Holländerhaus“ bringt ihm kein Glück, denn das Leben im Luxus ist ...

Cyril hat einen Traum – er möchte seiner Familie ein „besseres“ Leben bieten und dazu gehört nun mal das Wohnen in einer Villa. Doch das „Holländerhaus“ bringt ihm kein Glück, denn das Leben im Luxus ist für seine Frau nicht zu ertragen. Sie verlässt Cyril und die Kinder. Maeve hat von nun an die Rolle der Mutter inne und kümmert sich liebevoll um ihren jüngeren Bruder Danny. Bis Cyril sich wieder auf Freiersfüße befindet. Andrea ist ganz die böse Stiefmutter, will ihren beiden Töchtern das Erbe sichern und sie scheut nicht davor zurück, sich das Holländerhaus unter den Nagel zu reißen. Sie wirft nach Cyrils Tod Maeve und Danny aus dem Haus, nimmt ihnen alles, was ihnen lieb und teuer ist. Noch als Erwachsene kehren Maeve und Danny regelmäßig in die Straße zurück, in der sie einst das Paradies auf Erden hatten….

Für mich ist „Das Holländerhaus“ die Überraschung des Jahres!

Ann Patchett überzeugt mit einer wunderbar bildlichen Darstellung des charaktervollen Hauses, das mich mit seiner faszinierenden, geheimnisvollen Schönheit herzlich willkommen heißt und mich einlädt, Gast in seinen vier Wänden zu sein.
Die Liebe der Bewohner zum Haus ist aus jeder Zeile zu spüren und man wächst unweigerlich mit diesem Gebäude zusammen, fühlt sich wohl – bis, ja bis Andrea Einzug hält und alle Liebe aus dem Holländerhaus zu entweichen scheint. Mit gnadenlosem Kalkül und einer eisigen Kälte zieht sie ihr Vorhaben durch und ich frage mich, wie sich jemand so dermaßen gut verstellen kann, dass Cyril nicht gemerkt hat, welche falsche Schlange er sich ins Haus geholt hat.
Mein Herz blutet, wenn ich lese, wie Andrea Danny und Maeve behandelt und ihnen alles nimmt, sie ihren Wurzeln entreißt.
Die Entwicklung von Danny und Maeve ist von der Autorin mit eindrucksvollen Worten geschildert und ich schlüpfe in ihre Schuhe, gehe sowohl die beruflichen als auch die privaten Wege mit beiden mit. Die Charakterisierung aller Figuren ist hervorragend ausgearbeitet und man lässt sich nur zu gerne auf alle Personen ein, um ihnen zu folgen. Tränen der Trauer, aber auch des Zorns und der Wut sind meine Begleiter, wenn ich lese, wie Andrea hier ihren gnadenlosen Weg verfolgt und sich nimmt, was ihr nicht gehört.
Da die Geschichte aus der Sicht von Danny erzählt wird, hat man das Gefühl, dass er die Türen des Hauses und seiner Seele öffnet, um einen Einblick zu seiner Gefühls- & Gedankenwelt zu erhalten. Oft habe ich den Eindruck, dass die Autorin dem Leser vermitteln will, dass „zuhören“ im Leben, das Erkennen von Bedürfnissen derer, die einem am Herzen liegen, untrennbar mit der eigenen Entwicklung verbunden sind. Denn Danny wiederholt den Fehler seines Vaters und zwingt seine Freundin dazu, in einem Haus zu leben, das sie hasst. Die Folgen sind schon fast vorprogrammiert.
Man begegnet sich immer zweimal im Leben – diese Redewendung passt hier hervorragend, denn Ann Patchett lässt ihre Figuren im Erwachsenenalter erneut aufeinandertreffen und zeichnet hier den Weg des Schicksals mit klaren, aber einprägsamen Bildern nach.
Einzig mit dem Ende kann ich mit nicht ganz anfreunden, denn es kommt in meinen Augen zu abrupt und wirkt ein wenig unvollständig. Fast würde ich sagen, es fehlen noch ein paar Worte, um das ganze rund zu machen. Ansonsten aber eine durch und durch mitreißende Familiengeschichte.

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Veröffentlicht am 06.06.2020

Lesenswert

Der digitale Weltkrieg, den keiner bemerkt
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Huib Modderkolk hat sich mit dem fortwährenden Datenklau in der digitalen Welt beschäftigt und über Jahre eine Recherche betrieben, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Denn was der Journalist hier ...

Huib Modderkolk hat sich mit dem fortwährenden Datenklau in der digitalen Welt beschäftigt und über Jahre eine Recherche betrieben, die einem die Haare zu Berge stehen lässt. Denn was der Journalist hier an Behauptungen aufstellt, lässt einem mit Grauen in die (digitale) Zukunft schauen.
Er ist einer der wenigen, die sich mit d e m Whistleblower schlechthin, Edward Snowden, getroffen haben und die Schilderungen, bis es zu diesem Treffen kam, muten schon sehr abenteuerlich an.
Es gibt ja viele Verschwörungstheorien, aber keine ist so nahe dran wie der „Digitale Wellkrieg, den keiner bemerkt“.
Schon lange kursieren die Gerüchte, dass der amerikanische Wahlkampf von russischen Hackern manipuliert wurde, Modderkolk versucht hier den Beweis zu liefern, das dem so ist.
Seine Recherchen über die „Arbeit“ der Hacker ist zeit- und kräfteraubend, manchmal sogar dermaßen langwierig, dass man schon fast meint, die Spur verläuft im Sand. Aber der Schreibende gibt nicht auf, fasst immer wieder nach und bleibt am Ball.
Was er dabei erlebt, lässt alles bisher Dagewesene erblassen. Selbst technisch nicht sehr versiert, taucht Modderkolk tief ein in die Welt der Datenautobahnen, Bits und Bytes, verschlüsselten Codes und wird ein Teil der Machtmaschinerie aus Wissen und Spionage.
Zu Beginn seiner Recherche zu diesem Buch gerät er plötzlich selbst ins Visier von Datenschützern und Nachrichtendienst, denn warum sollte sonst sein Router plötzlich abstürzen und sein Handy nicht mehr funktionieren? An Zufälle glaubt er schon längst nicht mehr, denn dazu hat er schon zu viel über Datenklau und Spionage im Netz gelesen. Ist er bereits jetzt jemanden auf die Füße getreten, nur weil er sich mit diesem brisanten Thema befasst?
Diesen und vielen anderen Fragen geht Modderkolk auf den Grund, denn die Stolpersteine, die man ihm in den Weg legt, stacheln seinen Eifer und seine Neugier nur noch mehr an. Er versucht Antworten zu finden, in dem er immer wieder den Finger in die Wunde legt, nachbohrt und nachfragt.
Besonders hat mich der Freitod eines Hackers getroffen, der keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat, als seinem Leben ein Ende zu setzen. Das letzte Gespräch mit ihm, die Gespräche mit seinen Eltern und deren Selbstvorwürfe gehen mir ganz schön an die Nieren.
Das Buch liest sich wie ein Drehbuch zu einem aufregenden Film und man kommt nicht drumherum nachzudenken, mit welchen Daten man persönlich im Netz noch präsent sein will.
Ein absolut lesenswertes Buch über digitalen Datenklau im Netz, der als Geheimwaffe der Nachrichtenagenturen, Spionageabteilungen und Regierungen eingesetzt wird.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

In vino veritas

Tod in Perchtoldsdorf
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Was kann es schönere geben, als bei einem Glaserl Wein den "Sommernachtstraum" von Shakespeare zu genießen. Doch aus dem Traum wird ein Albtraum, denn während der Vorstellung wird ausgerechnet der Hauptdarsteller ...

Was kann es schönere geben, als bei einem Glaserl Wein den "Sommernachtstraum" von Shakespeare zu genießen. Doch aus dem Traum wird ein Albtraum, denn während der Vorstellung wird ausgerechnet der Hauptdarsteller Opfer eines hinterhältig geplanten Mordes. Charlotte, Neu-Winzern, wollte eigentlich ihren Frizzante ans illustre Publikum verkaufen, doch jetzt ist es vorbei mit der Ruhe. Ehe sie sich versieht, steckt sie mittendrin in den Ermittlungen und in einem Strudel aus Liebe, Lügen und Leidenschaft...

"Tod in Perchtoldsdorf" ist eine schräge Krimikomödie, die mit Herz und viel Lokalkolorit den Leser mitten in den elterlichen Weinbaubetrieb von Charlotte verpflanzt und ihn so ein Teil des Geschehens werden lässt.
Die Charaktere sind alle ein wenig überspitzt gezeichnet, aber genau das ist das salz in der Suppe dieses Krimis und so kann und darf man sie nicht alle bierernst nehmen
Einzig mit der Wahl des stilistischen Mittels habe ich ein weinig zu kämpfen - der Autor hat sich dafür entschieden, die Handlung so zu erzählen, als würde sie durch einen Dritten dem Leser geschildert, was dazu führt, dass es hier immer "die Charlotte", "die Andrea" etc. heißt. Es ist gewöhnungsbedürftig, hebt aber den Roman von vielen anderen Krimis ab und so sticht er, dank dieser ungewöhnlichen Erzählart, aus der breiten Masse heraus.
Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, liest es sich flüssig und die Handlung nimmt einen gefangen. Manchmal ufert die Schilderung der Umgebung und der Nebenschauplätze ein wenig aus, was zu Lasten der Spannung geht, aber zum Schuss hin fängt der Schreibende wieder den Leser ein, indem er mit Nervenkitzel und Action den Showdown einläutet. Und der hat es in sich - ein Drama, wie es Shakespeare nicht besser hätte inszenieren können
Die Figuren bewegen sich in einem Strudel aus Liebe, Lügen und Leidenschaft und es ist manchmal gar nicht so einfach für Charlotte, den Überblick zu behalten. Doch mit kühlem Kopf und einer genialen Kombinationsgabe rückt sie dem Täter immer mehr auf den Pelz, ist der Polizei immer eine Nasenlänge voraus und lässt den Leser an ihren Gedankengängen teilhaben.
Das wuselige Treiben und die doch heimelige Atmosphäre im Weinbaubetrieb von Charlotte führt dazu, dass man sich sofort wohl fühlt, sich das eine oder andere Gläschen Wein gönnt und nicht umhin kommt, dem Fazit der Römer beizupflichten: Im Wein liegt Wahrheit - in vino veritas

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Veröffentlicht am 30.05.2020

Romantik und Mühlenflair

Frühlingsglück im kleinen Café an der Mühle
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Der Frühling hat Einzug im kleinen Café an der Mühle gehalten und damit auch die Romantik. Sophie und Peter stehen kurz vor der standesamtlichen Hochzeit und die Planungen laufen auf Hochtouren. Aber dann ...

Der Frühling hat Einzug im kleinen Café an der Mühle gehalten und damit auch die Romantik. Sophie und Peter stehen kurz vor der standesamtlichen Hochzeit und die Planungen laufen auf Hochtouren. Aber dann geht ein Raunen durch den Ort, denn es sickert das Gerücht durch, dass ein TV-Sender sich angekündigt hat und Wümmerscheid-Sollensbach soll Drehort werden…doch für was? Eine Krimiserie? Eine Romanze? Die Dorfbewohner reden sich die Köpfe heiß und stellen ihre Mutmaßungen an. Doch erst muss noch ein dunkler Schatten aus der Vergangenheit beseitigt werden, denn das kleine Café steckt in Schwierigkeiten…

Auch der dritte Band der Mühlencafé -Reihe bietet wieder alles, was das kleine Romantikherzchen der Leserschaft begehrt – Blütenzauber, Frühlingsküsse, Schmetterlinge im Bauch und Herzklopfen. Das Autorenduo hat in „Frühlingsglück im kleinen Café an der Mühle“ wieder einmal gezeigt, was es heißt herzlich willkommen zu sein. Denn genau so fühlt es sich an, wenn man den Buchdeckel aufklappt und zu lesen beginnt. Man fühlt sich wieder liebevoll aufgenommen im Kreis der Wümmerscheid-Sollensbacher und gehört schon irgendwie dazu. Es ist, als würde man gute Freunde nach langer Zeit wiedertreffen und sich mit ihnen über die neuesten Neuigkeiten austauschen und am regen Dorfleben teilhaben.
Die Hochzeitsvorbereitungen wirken ansteckend und ich spüre das Kribbeln im Bauch, wenn Sophie immer wieder ihre Liebesgeschichte mit Peter Revue passieren lässt und sich ihrer Liebe zu ihm sicher ist.
Die Schmetterlinge flattern aufgeregt mit ihren Flügeln, wenn sich zwischen Leonie und Jan zarte Bande spinnen und beide noch einige Hürden nehmen müssen, bis das Happy -End geschrieben ist.
Die Aufregung rund um die Dreharbeiten entlocken mir das ein oder anderen Grinsebäckchen, denn die Mutmaßungen und Stilblüten, die hier ihren Weg finden, sind schon echt typisch für die Dorfbewohner. Das rege Treiben bekommt aber ein jähes Ende, weil ein Gauner sein Unwesen treibt und Sophie das Café abluchsen will. Diese Szenen sind mir leider ein bisschen zu weichgespült, denn kaum taucht der Bösewicht auf, ist er auch schon enttarnt. Ich hätte mir hier ein bisschen mehr Spannung und Nervenkitzel gewünscht.
Ansonsten wieder ein wunderschöner Roman mit viel Gefühl, Romantik und Mühlenflair.

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Veröffentlicht am 30.05.2020

Auf den Spuren des Lügenbarons

Die ganze Wahrheit über Münchhausen & Co.
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Den 300. Geburtstag des als „Lügenbaron“ bekanntgewordenen Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen hat sich Tina Breckwoldt zum Anlass genommen, um wirklich einmal die ganze Wahrheit über derer von Münchhausen, ...

Den 300. Geburtstag des als „Lügenbaron“ bekanntgewordenen Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen hat sich Tina Breckwoldt zum Anlass genommen, um wirklich einmal die ganze Wahrheit über derer von Münchhausen, den Lügenbaron selbst und all seine Geschichten aufzutischen.
Fundierte Recherche und sehr gut aufbereitete Daten sind hier in eine kurzeilige Lebensgeschichte eingebettet, die wirklich keine Fragen mehr offen lässt. Da gibt es Einblicke in das Familienleben, die Verwandtschaftsverhältnisse und die Liebschaften.
Die Autorin weiß die Leserschaft mit interessanten Fakten an die Seiten zu fesseln und so ein lebendiges Bild des Mannes zu projizieren, der mit seinen Geschichten heute noch Jung und Alt begeistert. Von Münchhausen ist ein richtig guter Geschichtenerzähler, hat eine blühende Fantasie und weiß mit gewissen Ausschmückungen auch noch die allerkleinste Szene so gekonnt zu präsentieren, dass man ihm regelrecht an den Lippen hängt und seinen Erzählungen lauscht.
Die als Schimpfwort verunglimpfte Bezeichnung „Lügenbaron“ sehen selbst seine Nachfahren nicht als Beschimpfung, sondern als Auszeichnung und es ist eine Ehre, mit dem wohl bekanntesten Geschichtenerzähler der Welt verwandt zu sein.
Doch sind wir mal ehrlich – was von Münchhausen einst in die Welt hinausgetragen hat, sind heute kleine und größere Alltagslügen, Fake-News und somit gang und gäbe. Ein prominentes Vorbild also, dass man sich immer wieder gerne, wenn auch unbewusst, zu Nutzen macht. Ist es denn so viel einfacher, heute in der digitalen Welt eine Lüge zu verbreiten als damals? Diese Frage habe ich mir oft gestellt.
Die Geschichte Münchhausens hat es sogar bin in Film und Oper geschafft, selbst Filmgrößen wie Hans Albers und Hans-Joachim Kulenkampff können sich der Anziehungskraft der Geschichte nicht entziehen.
Disney huldigt in der Entenhausener Weltbibliothek den Geschichtenerzähler und ermöglicht so Kindern und Kindgebliebenen den Zugang zu Münchhausen.
Das Buch wird abgerundet durch das Vorwort von Matthias Freiherr von Münchhausen, zahlreichen Bildern aus dem Leben von Münchhausen, Schriftverkehr, einem Personenglossar und einem ausführlichen Quellenverzeichnis.
Tina Breckwoldt hat dem „Lügenbaron“ ein wundervolles Geburtstagsgeschenk gemacht, denn so nah ist man Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen wohl noch nie gekommen.


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