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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 01.06.2020

Genial!

Mode und andere Neurosen
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„Die Ambivalenz ist die Essenz des menschlichen Daseins, und sie ist auch die Essenz der Mode. Genau das macht das Leben so schön – und diese Schönheit gilt es auszuhalten.“ (Der letzte Satz des Buches.)

Mode ...

„Die Ambivalenz ist die Essenz des menschlichen Daseins, und sie ist auch die Essenz der Mode. Genau das macht das Leben so schön – und diese Schönheit gilt es auszuhalten.“ (Der letzte Satz des Buches.)

Mode - ein glamouröses Thema, dem immer auch Oberflächlichkeit und vielleicht ein Hauch Hysterie anhaftet. Kommt also ein Buch zu diesem Thema heraus, kann das doch kein relevantes und noch dazu blitzgescheites sein, oder?

Oh doch! Katja Eichinger hat ein sehr kluges und wichtiges Buch geschrieben! Und ich muss zugeben, dass sie auch mich damit überrascht hat. Ein charmantes, kurzweiliges Buch über Mode - ein Thema, an dem ich generell interessiert bin - hatte ich erwartet; aber kein aufrüttelndes oder politisches.
Doch Eichinger bringt die unterschiedlichsten Modephänomene zur Sprache und deckt auf, warum Mode niemals oberflächlich ist, sondern immer auch politisch ist und gesellschaftlich relevante Angelegenheiten zum Ausdruck bringt. 
Aktuelle und wichtige Themen wie Fast Fashion (mit einem positiven Blick in die Zukunft - danke!), Feminismus und die Einflüsse des Patriarchats auf die Mode (die doch heute eher als weibliches Metier gilt) werden angesprochen. Und auch Modeerscheinungen in Subkulturen und der High Society werden unter die Lupe genommen.

Dabei schreibt die Autorin auf unterhaltende und sehr intelligente Art. Dieses Buch ist voll kluger Gedanken. Und übrigens auch kein Buch, das nur Frauen ansprechen sollte.

Abgerundet wird es durch spannende Fotos von Christian Werner. Auch hier darf man keine klassischen Modefotografien erwarten, sondern bekommt Bilder präsentiert, auf die man länger schauen muss und die teilweise verwirren.

„Mode und andere Neurosen“ ist eine Perle unter den aktuellen Sachbüchern. Lest dieses Buch - ich kann es euch nur empfehlen!

„Egal wie en vogue Gleichberechtigung und Frauenrechte derzeit scheinen, egal wie prominent Themen wie Gender und nicht-binäre Gender-Identität gehandelt werden, der männliche Blick dominiert.“ (90%)

„Die Fleeceweste ist das nächste an der Pille-für-den-Mann, was derzeit auf dem Markt ist.“ (74%)

„Leben ist das Gegenteil von Luxus.“ (84%)

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.03.2020

Fantasie- und stimmungsvoll

Max und Mux und der Riesenwunschpilz
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„Und was macht den Fabelwald wohl noch so besonders? Natürlich Max und Mux, die zwei besten Freunde der Welt.“ (5)

Max und Mux wohnen beide in fantasievollen Baumhäusern im Fabelwald. Eines Tages finden ...

„Und was macht den Fabelwald wohl noch so besonders? Natürlich Max und Mux, die zwei besten Freunde der Welt.“ (5)

Max und Mux wohnen beide in fantasievollen Baumhäusern im Fabelwald. Eines Tages finden sie ein groooßes Buch über Pilze, in dem sie etwas über einen blau-weißen Wunschpilz lesen. Abenteuerlustig machen sie sich auf die Suche nach diesem Pilz. Der eine sehr mutig (Max), der andere eher vorsichtig (Mux). Was sie auf ihrer Suche erleben, lesen wir in diesem kreativen Kinderbuch.

„Max und Mux und der Riesenwunschpilz“ ist großformatig wie ein Bilderbuch und jede Seite ist üppig illustriert, aber es ist ein recht lange Geschichte mit viel Text. Das empfohlene Lesealter von vier Jahren ist gut getroffen.

Mein Sohn war sofort angetan von den fabelhaften Waldillustrationen. Auch die Geschichte um Max und Mux findet er spannend und mag sie sehr. Deshalb haben wir das Buch nun auch schon einige Male gelesen.

Auch mir gefallen besonders die Illustrationen, die eine schöne Wald- und Märchenstimmung ausstrahlen. Und die so detailliert sind, dass sich dauernd etwas neues entdecken lässt. Die Geschichte finde ich auch sehr fantasievoll und charmant. Aber es gibt auch ein paar Ungereimtheiten. Manches bleibt unausgesprochen. Sind Max und Mux Wichtelchen? Mein Sohn nennt sie immer Schweinchen wegen ihrer Knollennasen. In der Geschichte wird es nicht weiter erwähnt. Im Titel wird bereits verraten, dass es sich um einen RIESENwunschpilz handelt. In der Geschichte weiß man das zunächst ist - mit dieser Information würde sie auch nicht funktionieren für die beiden Helden. Was ist Fabelwald und was Dunkelwald? Mein Sohn behauptet steif und fest, dass die Riesen im Fabelwald leben (weil das in der Einleitung erwähnt wird), Max und Mux aber nicht. Und dann gibt es ja auch noch das Riesengebierge und das Waldlabyrinth.

Die Schrift passt sehr gut zu den Illustrationen, ist aber beim Vorlesen ein bisschen von Nachteil (mit meiner Kurzsichtigkeit muss ich recht nah ans Buch ran ). Die durch Farbe und Schriftgröße gesetzten Betonungen irritieren auch etwas.

Schön finde ich die unterschiedlichen Charaktere, die hier ganz selbstverständlich auftreten. Max ist ziemlich unerschrocken und abenteuerlustig. Mux ist eine eher ängstlich und zurückhaltend und liebt Bücher. Das Krawuschel ist ein lustiges Monster, das es sich nicht nehmen lässt, Max und Mux zu erschrecken, obwohl es ihnen dankbar ist. ;) Und auch die Riesen sind ganz interessante Persönlichkeiten, die wir aber nur am Rande kennen lernen.

Trotz meiner kleinen Kritik möchte ich dem Buch fünf Sterne geben. Denn es ist ein wirklich ganz besonders fantasie- und stimmungsvolles Bilderbuch und mein Sohn liebt es

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  • Spaß
Veröffentlicht am 05.03.2020

Ein herausragendes Mutmachbuch

Billy mit den Bambusbeinen
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„Du hast echt coole Beine!“,
ruft die Wanze Billy zu.
„Supertolle Bambusbeine
und Schuhe noch dazu!“

Als Billy seinen ersten Aus-Flug macht, lernt er viele andere Insekten kennen: Einen Marienkäfer, ...

„Du hast echt coole Beine!“,
ruft die Wanze Billy zu.
„Supertolle Bambusbeine
und Schuhe noch dazu!“

Als Billy seinen ersten Aus-Flug macht, lernt er viele andere Insekten kennen: Einen Marienkäfer, der mit seinen Punkten prahlt und Billy uncool findet. Oder auch eine Wespe, die mit ihrem Stachel kokettiert. Billy beneidet die anderen. Doch dann trifft er auf eine Wanze, die ihn um seine schönen Beine beneidet. Dieses Kompliment tut Billy gut, nachdem er von all den selbstverliebten Kommentaren zuvor sehr eingeschüchtert wurde.

„Billy mit den Bambusbeinen“ ist eines von den Kinderbüchern, die es schaffen, aus der Menge herauszuragen. Und ich finde, dass es viele richtig gute und schöne Kinderbücher gibt.

Wenn man die Zeichnungen sieht, denkt man direkt an die Olchis. Und tatsächlich: Billy ist vom Olchi-Autoren Erhard Dietl. Die Illustrationen sind also schon mal ausnehmend gut. Die Figuren haben meist einen etwas trägen Gesichtsausdruck, es gibt so viele lustige Details. Billys schlaksige Bambusbeine, seine coolen Schuhe, sein langer Saugrüssel und sein vorwitziges Gesicht - sehr gelungen! Hinten im Buch gibt es eine Suchseite: Die lustigen Insekten sind in der Geschichte versteckt, nur wo? Darüber nimmt man noch mehr Details wahr.

Hinzu kommt, dass Billys Geschichte wunderbar ist! Ein unsicherer junger Kerl, der das erste Mal allein in die Welt hinausfliegen darf. Und dann trifft er erstmal nur auf die lauten Angeber, die herablassend und eingebildet sind. Das trifft den eh schon unsicheren Billy natürlich sehr. Doch dann bekommt er ein Kompliment und ist schwer begeistert. Ja, er hat lange, dürre Bambusbeine - sind die nicht einfach supertoll?

Erzählt wird in Reimform. Das finde ich sehr angenehm und melodisch vorzulesen. Und mein Sohn hört Reimen besonders gerne zu. Es werden lustige Worte benutzt. So spricht die Wespe Rachel von ihrem Stachel als „Hammerteil am Po“.

Einfach herrlich. Ich möchte dieses Buch jedem jungen Leser ans Herz legen. Ganz besonders aber den unsicheren Kindern, die viel über sich und ihre Andersartigkeit nachdenken.

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Veröffentlicht am 18.02.2020

Kleine Menschen, große Träume

Hannah Arendt
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„Endlich hatte sie wieder das Recht, Rechte zu haben, und das gehört doch zum Menschsein dazu.“

Hannah Arendt ist schon als kleines Mädchen eigenwillig und rebellisch. Aber sie lässt sich nicht einschüchtern ...

„Endlich hatte sie wieder das Recht, Rechte zu haben, und das gehört doch zum Menschsein dazu.“

Hannah Arendt ist schon als kleines Mädchen eigenwillig und rebellisch. Aber sie lässt sich nicht einschüchtern und geht ihren Weg. Das intelligente Mädchen macht trotz einiger Widrigkeiten ihr Abitur, beginnt ein Philosophiestudium und muss dann nach Frankreich und schließlich Amerika fliehen. Selbst Opfer der Judenverfolgung in Deutschland geworden, bleibt es ihr stets ein wichtiges Anliegen über politische Machtmissbräuche und gefährliche Minderheiten-Verfolgungen zu sprechen und zu schreiben.

Diese Ausgabe von „Little People, Big Dreams“ ist mein zweites Buch aus der Serie. Wie schon bei meiner Rezension zur Jane Austen Ausgabe, möchte ich auch hier darauf hinweisen, dass es sich meiner Meinung nach nicht um Kinderbücher handelt. Wobei Hannahs Lebensweg schon nachvollziehbarer dargestellt ist als der von Jane und diese Ausgabe damit ein bisschen kindgerechter ist.

Aber es seien auch hier wieder die tollen Illustrationen und die kunstvolle Aufmachung des Buches erwähnt. Die Zeichnungen sind sehr klar und kindlich-leicht. Das etwas raue Papier, der Textileinband und das schlicht-farbige Cover mit dem handschriftlichen Titel: Die Bände sind als Teil der Serie erkennbar. Sie sind hochwertige und hübsche Kunstbände über starke Persönlichkeiten. Mir gefallen sie sehr gut.

Hier der Link zu meiner Rezension über den Jane Austen Band aus der „Little People, Big Dreams“ Serie:
http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/270565/User

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Veröffentlicht am 18.02.2020

Phantasie ist wichtiger als Wissen

Der Sommer, in dem Einstein verschwand
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„Einstein sagt, die Zeit ist nicht das, was wir glauben, sie ist etwas ganz anderes. Sie ist nichts Absolutes. Sie ist eine Illusion, ein Zaubertrick für unseren gutgläubigen Blick." (7)

Ein alter Mann ...

„Einstein sagt, die Zeit ist nicht das, was wir glauben, sie ist etwas ganz anderes. Sie ist nichts Absolutes. Sie ist eine Illusion, ein Zaubertrick für unseren gutgläubigen Blick." (7)

Ein alter Mann namens Otto erinnert sich zurück an die Jubiläumsausstellung in Göteborg im Jahr 1923. Damals ist er dreizehn Jahre alt und ein Waisenkind, das auf dem Gutshof eines reichen Mannes lebt und sich dort um den widerspenstigen Esel Bella kümmert. Als für das Kinderparadies der Ausstellung ein Esel benötigt wird, darf Otto mit Bella nach Göteborg reisen.

Zur selben Zeit ist auch Albert Einstein in Göteborg, denn er soll hier seine Vorlesung zum Erhalt seines Nobelpreises nachholen. Einstein ist damals bereits ein prominenter Wissenschaftler und gern geladener, charismatischer Redner. Doch er hat auch seine Feinde.

Und dann gibt es noch zwei weitere Figuren in der Geschichte: Die junge Journalistin Ellen, die für die Ausstellungszeitung schreibt und der Polizist Nils, die gemeinsam versuchen, Einstein vor einem Angriff zu schützen.

Die Erzählperspektive wechselt zwischen diesen vier Personen und die Geschenisse sind eingebettet in Ottos „Erinnerungen“ - so weit man das bei einem demenzkranken 92-Jährigen so nennen kann. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen:

„Und das Vergessen ist auch nicht das, was wir glauben: eine ätzende Flüssigkeit, die alles auflöst und vernichtet. Es ist reine Dunkelheit. Alles Geschehene ist noch da, wenn auch unsichtbar, wie Möbel in einem Zimmer in der Nacht. (...) Was ich erleb, ist so viel mehr. Es hat nichts Plattes oder Steifes, sondern eine lebendige Welt, mit Tiefe und Bewegung, Farben und Schatten, Stimmen und Gerüchen.“ (7/8)

Dieses Zitat beschreibt sehr gut, wie besonders die Erzählstruktur in diesem Roman ist. Am Ende laufen auf herrlich ironische Weise alle Handlungsfäden wieder zusammen. Ganz elegant und fast nebensächlich.

Schweden, die Zwanziger Jahre und Einstein - "Der Sommer, in dem Einstein verschwand" sprach mich direkt mehrfach an und hat meine hohen Erwartungen noch übertroffen. Es werden auch viele weitere Themen behandelt: Das neue Frauenbild, Stadt versus Land, die modernen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik, die Schere zwischen arm und reich. Verschwörungstheoretiker, Betrüger, die Polizeiarbeit, der Journalismus - auch diese Themen finden Erwähnung.

Zeitgeschichtliche Ereignisse werden mit einer fiktiven Kriminalgeschichte verwoben und ergeben einen wunderbaren Unterhaltungsroman. Spannend, intelligent, atmosphärisch und einfach nur schön. Vielleicht habe ich eine neue Lieblingsautorin entdeckt…!

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