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Veröffentlicht am 27.07.2020

Älter und ein bisschen weiser

Alter Hund, neue Tricks
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Der ,,katholische Bulle" Sean Duffy ist älter, etwas ruhiger und ein Familienmensch geworden. 1992 geht es auch in den Straßen von Belfast etwas weniger turbulent und gewalttätig zu, viele IRA-Funktionäre ...


Der ,,katholische Bulle" Sean Duffy ist älter, etwas ruhiger und ein Familienmensch geworden. 1992 geht es auch in den Straßen von Belfast etwas weniger turbulent und gewalttätig zu, viele IRA-Funktionäre befinden sich im Exil. Sean Duffy arbeitet als Teilzeitpolizist in Reserve nur noch 6 Tage im Monat beim Carrickfergus CID. Die übrige Zeit lebt er im nahen Schottland mit Frau und Kind. Doch als ein Landschaftsmaler bei einem Autodiebstahl zu Tode kommt, muss Duffy ein paar zusätzliche Tage Dienst tun, da sein Nachfolger Lawson im Urlaub ist. Mit seinem früheren Partner Crabbie, auch er inwischen Teilzeitreservist, macht sich Sean Duffy an die Ermittlungen. Und schon bald wird deutlich, dass der Autodiebstahl nur fingiert war, um einen Mord zu vertuschen. Der Landschaftsmaler führte offenbar eine Doppelexistenz. Immerhin hat er regelmäßig eine Telefonzelle in der Republik Irland angerufen und die Spuren führen zu IRA-Funktionären, die dort im Exil leben.
Sean Duffy, der zunächst nur widerwillig den Zusatzdienst übernimmt, findet doch wieder Gefallen am Außendienst. Und trotz seiner Gedanken an Frau und Kind begibt er sich - mal wieder auf eigene Faust - in Gefahr. Denn Duffy wäre nicht Duffy, wenn er nicht gegen alle Widerstände kämpfen würde. Heldenhaft und wunderbar selbstironisch will der ,,alte Hund", sich und anderen beweisen, dass er 's noch drauf hat. Dabei stolpert er allerdings auch über so manchen ,,neuen Trick" der jüngeren Generation. Als er dann noch auf den amerikanischen Geheimdienst stößt, wird es auch für Sean Duffy brenzlig.
Zu Beginn wirkt Sean Duffy resigniert und müde und es dauert auch etwas, bis die Spannung steigt. Doch dann zeigt sich, dass er zwar älter und etwas weiser, aber kein bisschen ruhiger geworden ist. Allerdings haben mir die Vorgängerbände mit dem Draufgänger Sean Duffy besser gefallen. Hier gerät der eigentliche Fall durch Duffys Gedankenspaziergänge bisweilen in den Hintergrund, teils sehr lange Dialoge mindern das Lesevergnügen.
Für mich ist ,,Alter Hund, neue Tricks" noch gute Krimiunterhaltung, allerdings schwächer als die Vorgänger.

Veröffentlicht am 04.06.2020

Spannend, trotz einiger Klischees

Dunkles Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 6)
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Die frühsommerliche Stimmung in Le Lavandou wird jäh unterbrochen, als unter einer Autobahnbrücke die Leiche einer jungen Frau gefunden wird. Zunächst weist alles auf einen Selbstmord hin. Die junge Frau ...

Die frühsommerliche Stimmung in Le Lavandou wird jäh unterbrochen, als unter einer Autobahnbrücke die Leiche einer jungen Frau gefunden wird. Zunächst weist alles auf einen Selbstmord hin. Die junge Frau war wohl von der Brücke in den Tod gesprungen und von einem LKW geradezu zermalmt worden. Doch der deutsche Pathologe Leon Ritter, der seit einigen Jahren in Le Lavandou lebt und arbeitet, findet heraus, dass die junge Frau schon vor dem Sprung tot war. Zudem weist die Leiche Verletzungen auf, die auf Folter und eine rituelle Tötung hinweisen. Doch Leon Ritters Verdacht nimmt außer seiner Lebensgefährtin Capitaine Isabelle Morell niemand so recht ernst. Immerhin geht der deutsche Rechtsmediziner mit seinen bisweilen recht eigenen Methoden den französischen Kollegen doch hin und wieder gehörig auf die Nerven! Bis wieder zwei junge Frauen verschwinden - und dieses Mal ist eine davon die Stieftochter des französischen Kultusministers. Neben dem Presserummel wird der Polizei von Le Lavandou auch noch ein Ermittler aus Paris vor die Nase gesetzt. Dieser ist natürlich nicht nur Isabelles ehrgeizigem Vorgesetzten Zerna ein Dorn im Auge. Er stört durch seine Inkompetenz nur die Ermittlungen und bringt sich selbst und andere in Gefahr.
Der Autor versteht es ausgezeichnet, das Städtchen Le Lavandou, seine Bewohner und die Region in ein besonderes Licht zu setzen. Man besucht gerne mit Leon Ritter die örtliche Bar, trinkt einen Rosé und fährt mit ihm im offenen Cabrio durchs malerische Hinterland.
Allerdings stört mich, dass Vorgesetzte meist als inkompetent, überehrgeizig und rechthaberisch dargestellt werden, besonders wenn sie dann auch noch aus einer größeren Stadt anreisen. Zudem scheint außer Leon Ritter kaum einer der Polizisten dazu in der Lage, Spuren korrekt zu deuten.
Der Fall an sich ist aber spannend, immer wieder werden andere Verdächtige ins Licht gerückt, sodass man sich mit dem Krimi trotz einiger Klischees gut unterhalten fühlt.

Veröffentlicht am 05.04.2020

Alte Schuld

Pandora
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,,Pandora" ist der Beginn einer Krimi-Reihe über die Nachkriegszeit in Berlin.

1948 ist Berlin noch deutlich vom Krieg gezeichnet und die Trennung in Ost- und Westsektor ist nicht nur eine räumliche, ...


,,Pandora" ist der Beginn einer Krimi-Reihe über die Nachkriegszeit in Berlin.

1948 ist Berlin noch deutlich vom Krieg gezeichnet und die Trennung in Ost- und Westsektor ist nicht nur eine räumliche, sondern auch eine, die die Bevölkerung spaltet.
Hans-Joachim Stein kehrt nach 15 Jahren als Ermittler bei Scotland Yard in seine Heimatstadt Berlin zurück. Dort arbeitet er als Kommissar an der neu gegründeten Mordinspektion des Westteils der Stadt. Als ,,Engländer", der den Krieg nicht in Deutschland erlebt hat, dazu immer elegant gekleidet, höflich und attraktiv, begegnen ihm die Kollegen mit Vorurteilen und Misstrauen. Außerdem kommt noch hinzu, dass Hans-Joachim Steins Vater ein hohes Tier bei der Polizeidirektion Ost ist, sodass er zudem noch dem Verdacht ausgesetzt ist, ein Spion seines Vaters zu sein.
Steins erster Fall führt ihn ins Milieu der Prostituierten und der feinen Herren, die die Dienste der Damen in Anspruch nehmen. Ein bekannter Schieberkönig wurde brutal ermordet, kurz darauf passiert ein Mord mit deutlichen Parallelen. Stein und sein etwas hemdsärmeliger Kollege Max Wuttke ermitteln, doch nicht nur Steins Vorgesetzter Krüger versucht, die Ermittlungen zu behindern. Parallel dazu geht Hans-Joachim Stein dem Schicksal von fünf Frauen aus einer psychiatrischen Klinik nach, die offenbar erst nach Kriegsende ermordet wurden. Auch hier werden Steins Ermittlungen vor allem durch seinen Vorgesetzten blockiert, doch das motiviert Stein umso mehr, seine Nachforschungen hartnäckig voranzutreiben.
Als Fremder in seiner Heimatstadt hat Hans-Joachim Steins eine ganz eigene Perspektive auf das Geschehen. Sein Blick ist nicht von alter Schuld und Verstrickung getrübt, aber auch kein Blick des Außenstehenden, des Feindes. Durch seine konfliktreiche Beziehung zu seinem Vater, aber auch seine Schwäche für das weibliche Geschlecht, wird Stein menschlich, sympathisch und nicht allzu sehr als Held dargestellt. Allerdings sind manche Figuren doch sehr schwarz-weiß dargestellt, wie z.B. Steins Vorgesetzter. Auch die Frauen dürfen nur eine eher klischeehafte Rolle spielen. Dennoch ist ,,Pandora" ein interessanter uns spannender Krimi und man darf auf die Fortsetzung gespannt sein.

Veröffentlicht am 03.04.2020

Win-Win-Situation

Rote Kreuze
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Zu Beginn der Lektüre begleitet man den 30-jährigen Alexander beim Bezug einer neuen Wohnung. Die Maklerin macht ihm die Wohnung damit schmackhaft, dass auf seinem Stockwerk nur eine alleinstehende 90-jährige ...

Zu Beginn der Lektüre begleitet man den 30-jährigen Alexander beim Bezug einer neuen Wohnung. Die Maklerin macht ihm die Wohnung damit schmackhaft, dass auf seinem Stockwerk nur eine alleinstehende 90-jährige Frau lebt, die an Alzheimer leidet. Doch Alexander ist wortkarg bis hin zur Unhöflichkeit. Nur aus einzelnen Andeutungen erfährt man, dass er eine dreimonatige Tochter hat, er aber allein in der Wohnung mit ihr leben wird. Man ahnt, dass ihn ein schwerer Schicksalsschlag getroffen hat.
Seine neue Nachbarin, Tatjana Alexejewna, versucht freundlich zu Alexander zu sein und ihn in Gespräche zu verwickeln, was dieser zunächst rüde abweist. Noch versteht man als Leser nicht, warum Alexander sich so schroff verhält. Doch nach und nach öffnet er sich und Tatjana, die immer vergesslicher wird, erzählt ihm ihre Lebensgeschichte, eben damit diese nicht in Vergessenheit gerät. Da Tatjana Alexejewna 1910 geboren wurde, umfasst ihr Leben fast das ganze 20. Jahrhundert. Und was sie in Russland, im Krieg, während der Stalinzeit, aber auch später erlebt hat, erfährt Alexander, und somit auch der Leser nach und nach. Und trotz aller Schrecken und unvorstellbaren Ungerechtigkeiten ist Tatjana Alexejewna keine gebrochene Frau, sondern eine Kämpfernatur, die weiß, dass Gott Angst hat vor ihr. ,,Zu viele unangenehme Fragen kommen da auf ihn zu." (S: 11)
Allmählich schließen Alexander und die alte Frau Freundschaft, und je mehr der junge Mann von Tatjanas Lebensgeschichte erfährt, desto mehr scheint er sich auch mit seinem persönlichen Schicksal zu arrangieren.
Schwierig an diesem Roman fand ich die sehr nüchterne, sachliche Darstellungsweise, die durch die Einbindung von authentischen Dokumenten noch verstärkt wurde.
,,Rote Kreuze" ist ein Roman, der weniger durch Emotionen als durch eine starke Protagonistin und eine wichtige Thematik überzeugen kann.

Veröffentlicht am 24.03.2020

Freundschaft auf den zweiten Blick

Das kann uns keiner nehmen
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Der sensible, zurückhaltende und vermeintlich tolerante und weltoffene Hans macht sich auf, den Kilimandscharos zu besteigen. Dort will er aber nicht nur den Gipfel erreichen, sondern auch noch im Krater ...




Der sensible, zurückhaltende und vermeintlich tolerante und weltoffene Hans macht sich auf, den Kilimandscharos zu besteigen. Dort will er aber nicht nur den Gipfel erreichen, sondern auch noch im Krater die Nacht verbringen. Mit dieser Reise will er mit sich und seiner Vergangenheit endlich ins Reine kommen. Offenbar hat er mit dem Berg, oder sogar mit ganz Afrika, noch eine persönliche Rechnung offen.
Doch obwohl normalerweise niemand im Krater nächtigt, steht dort bereits ein Zelt, und mit ihm ,,der Tscharli", ein von sich selbst eingenommener, lauter und aufdringlicher Ur-Bayer. Für Hans ein Alptraum! Doch der Schneesturm in der Nacht, der auch den Trägern und Reisebegleitern unheimlich ist, bringt die beiden zusammen , wenn auch von Hans Seite aus nur äußerst widerwillig. Doch so unsympathisch, respektlos und abstoßend Tscharli auch zunächst wirkt, so schafft er es doch, die Menschen um ihn herum in seinen Bann zu ziehen. Mit seinem Bayrisch-Phantasie-Suahelie hat er immer die Lacher auf seiner Seite, bekommt das, was er will und setzt sich, auch in Konfliktsituationen, durch. Und er kann das Leben in vollen Zügen genießen, alles Dinge, die Hans bisher im Leben nicht gelernt hat. Als dieser merkt, dass Tscharlie schwer krank ist und nur noch einmal richtig Spaß haben will, bevor es zu Ende geht, schließt Hans sich ihm auf eine abenteuerliche gemeinsame Reise an, die auch ihm ganz neue Horizonte eröffnet.
Die Geschichte einer Freundschaft auf den zweiten Blick ist berührend, traurig und witzig zugleich, allerdings nicht immer angenehm und unterhaltsam zu lesen. Tscharlies Redewendungen, die Hans allmählich übernimmt, nerven, auch wenn sich in ihnen eine gewisse Lebensweisheit manifestiert. Tscharlies Verhalten wirkt, auch nachdem Hans ihm einen gewissen Respekt zollt, nicht weniger unsympathisch bis teils sogar ekelhaft.
,,Das kann uns keiner nehmen" ist eine interessante Geschichte über Lebenslügen und Lebensweisheiten, Liebe und Freundschaft, die kein klischeehaftes Bild von Afrika zeigt, sondern eher das alltägliche Leben in verschiedenen Facetten.