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Veröffentlicht am 05.06.2020

Für die Enttabuisierung der Menstruation

Periode ist politisch
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Eigentlich wollte Franka Frei nur ihre Bachelorarbeit verfassen. Doch als sich zunehmend Professoren und auch Professorinnen weigerten, das Thema Menstruation zu genehmigen und zu begleiten und sie außerdem ...

Eigentlich wollte Franka Frei nur ihre Bachelorarbeit verfassen. Doch als sich zunehmend Professoren und auch Professorinnen weigerten, das Thema Menstruation zu genehmigen und zu begleiten und sie außerdem darauf hinwiesen, es habe keinerlei aktuelle Relevanz, begann die Autorin nachzuforschen. Aus einer rein wissenschaftlichen Recherche wurde ein weit größeres Anliegen, aus der Studentin Franka Frei eine Aktivistin für das Thema Menstruation - eine Tätigkeit, die sie rund um den Globus zu vielen spannenden Frauen schicken sollte. Von diesen Erlebnissen berichtet sie nun in "Periode ist politisch", nimmt sich aber auch wissenswerten Fakten und Zahlen an. Ihr Schreibstil ist zuweilen sehr flapsig, das erleichtert aber den Zugang zu einer Materie, die mit unglaublich vielen Tabus und Vorurteilen belegt ist.

Das Thema Menstruation betrifft etwa die Hälfte der Weltbevölkerung. Dennoch wird dazu kaum geforscht und wenig darüber gesprochen. Frauen verbergen ihre Monatsblutung so gut es geht, schmuggeln Binden und Tampons heimlich auf die Toilette im Büro oder Restaurant. Auch die Werbung für Periodenartikel suggeriert Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen. Menstruationsblut wird als klare bläuliche Flüssigkeit dargestellt und die gezeigten vornehmlich jungen hübschen Frauen sprühen während ihrer Periode geradzu vor Energie, um Reiten, Wandern oder Tennis spielen zu gehen. Die Realität sieht da ganz anders aus. Viele Frauen leiden an (teilweise undiagnostizierten) Leiden wie Zysten oder Endometriose. Ihre Periode ist so schmerzhaft, dass sie sich nur mit Mühe zur Arbeit schleppen können. An Freizeitaktivitäten ist nicht zu denken. Zusätzlich müssen sie noch neunmalkluge Bemerkungen über sich ergehen lassen: "Die Periode ist doch keine Krankheit!" oder "Ach, bist Du heute wieder schwierig, Du hast wohl Deine Tage" - mal ehrlich, welche Frau hat das noch nicht gehört? Dabei sind die Ausprägungen von Frau zu Frau unterschiedlich und, wie Franka Frei richtig bemerkt, es menstruieren nicht nur Frauen; eine Feststellung, die sie durch Verwendung des Gendersternchens im gesamten Text noch unterstreicht.

Auch der Blick in andere Länder darf in diesem Buch nicht fehlen. So trifft die Autorin Frauen aus Indien, Pakistan oder Bangladesh, die es sich zum Ziel gesetzt haben, mit dem Tabu der Menstruation aufzuräumen. Während für deutsche Frauen die Periode zwar lästig und schmerzhaft sein kann, bedeutet sie in anderswo auf der Welt den Verlust der Arbeitskraft und damit des dringend benötigten Einkommens. Oft gilt die Frau während ihrer Tage als unrein und darf entsprechend nicht mit anderen in Berührung kommen. Dies führt sogar dazu, dass Mädchen ab der ersten Blutung häufig nicht mehr zur Schule gehen können, weil Periodenartikel zu teuer für die Familie sind. Zudem müssen sie für die Dauer ihrer Menstruation isoliert von ihrer Familie im Freien oder extra dafür gebauten Menstuationshütten verbringen. Was es für diese jungen Mädchen bedeutet, ohne den Schutz ihrer Familie ständig Angst vor Vergewaltigungen haben zu müssen und welche Chancen ihnen ohne Schulbildung bleiben, das kann man sich gut ausrechnen. Ein Thema ohne aktuelle Relevanz? Wohl kaum.

Doch Franka Frei leistet in ihrem Buch noch mehr. Sie nimmt Trumps Wahlkampf ebenso unter die Lupe wie die verschiedensten historischen Theorien zum Wesen der Frau. Sie räumt mit Mythen rund um das Thema auf und erklärt noch einmal die biologischen Grundlagen. Ein wichtiges und spannendes Buch über einen ganz natürlichen Vorgang, dem wir alle unsere Existenz verdanken und der daher dringend enttabuisiert werden muss. Denn Periode, das beweist die Autorin, ist mehr als nur eklig und unbequem, sie ist politisch.

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Gestalterisch und inhaltlich sehr ansprechend

Kochen wie in Japan
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Im Jahr 2013 wurde Japans traditionelle Küche zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt - zu recht, denn sie ist sowohl schmackhaft als auch gesund. Mit "Kochen wie in Japan" legt Kaoru Iriyama nun ein ansprechendes ...

Im Jahr 2013 wurde Japans traditionelle Küche zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt - zu recht, denn sie ist sowohl schmackhaft als auch gesund. Mit "Kochen wie in Japan" legt Kaoru Iriyama nun ein ansprechendes und informatives Kochbuch zu diesem Thema vor. Beim ersten Durchblättern fallen zunächst die vielen qualititativ hochwertigen und ästethisch aufgenommenen Fotos auf, die die Gerichte, aber auch Japan als Gesamtthema illustrieren.

Das Buch beginnt zunächst mit einer kleinen Einleitung zum Thema und stellt eine Bucketlist auf, welche Dinge ein Japanreisender unbedingt unternehmen sollte. Danach folgen Fakten zur japanischen Küche sowie die Top 5-Grundbausteine: Reis, Meeresalgen, Sojasauce, Miso und Ingwer. Kleine Exkurse zur japanischen Esskultur oder bestimmten Traditionen runden das Ganze mit Fachwissen ab.

Im anschließenden Rezepteil sind dann die folgenden Kapitel zu finden: Suppen und Nudeln, Reisgerichte, Hauptspeisen, Beilagen und Salate, Bento, Hotpot und Streetfood sowie Süßes. Dabei darf natürlich keiner der Klassiker fehlen - Ramen, Misosuppe, Sushi, Okonomiyaki, Yakitori und Mochi, das alles ist enthalten. Es werden aber auch neue kreative Rezeptideen präsentiert. Der Schwierigkeitsgrad ist dabei sehr angenehm - wer möchte, darf sich aber auch an der Herstellung von Nudeln versuchen.

Fazit: Ein gestalterisch und inhaltlich sehr ansprechendes Buch - einzig ein kleiner Exkurs zu passenden traditionellen Getränken wäre noch interessant gewesen.

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Veröffentlicht am 12.05.2020

Niemand gewinnt einen Krieg wirklich

Offene See
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Frühjahr 1946. Dem sechzehnjährigen Robert ist seine Welt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands zu eng geworden. Die Erwartung, wie all seine männlichen Vorfahren unter Tage zu arbeiten, ...

Frühjahr 1946. Dem sechzehnjährigen Robert ist seine Welt in einer kleinen Bergarbeiterstadt im Norden Englands zu eng geworden. Die Erwartung, wie all seine männlichen Vorfahren unter Tage zu arbeiten, kann er noch nicht erfüllen. Um endlich einmal Freiheit zu spüren, begibt er sich auf Wanderschaft durch seine vom Krieg noch stark mitgenommene Heimat. Sein Weg führt ihn schließlich zum kleinen Cottage von Dulcie Piper - eine ältere Dame, die sein Leben für immer verändern soll.

Mit "Offene See" ist Benjamin Myers ein großartiger Coming of Age-Roman gelungen, der so viel mehr als dieses eine Label zu bieten an. Die Sprache ist von unglaublicher Poesie und fängt die Küstenlandschaft und ihre Bewohner perfekt ein. Robert ist ein stiller Junge, der seinen Weg im Leben erst noch finden muss. Der Krieg hat auch ihn geprägt und seine Wut auf die Deutschen geschürt. Das Aufeinandertreffen mit Dulcie verändert jedoch etwas in ihm. Im Gegensatz zum klassischen Frauenbild der Zeit nimmt sie kein Blatt vor den Mund, lebt, wie sie es für richtig hält und hat auch zum Kriegsgeschehen eine klare Meinung: Niemand gewinnt einen Krieg wirklich, im Grund gibt es nur Verlierer und auf beiden Seiten stehen menschliche Wesen. Eine wichtige Botschaft, auch und gerade in der heutigen Zeit.

Nach und nach begreift Robert, dass Dulcies Leben ein Geheimnis birgt, eine Wunde, die immerzu schmerzt und nicht heilen will. Bei gemeinsamen Essen und langen Gesprächen kommen die beiden sich näher und öffnen sich einander. Dabei ist es schön zu spüren, dass Dulcie als die Ältere sich nie überlegen gibt, sondern auch die Chance nutzt, etwas von Robert zu lernen. Der hingegen erhält durch Dulcie einen völlig neuen Blickwinkel auf sein Leben und was er damit anzufangen gedenkt. Ein fabelhafter Roman, der auf jeden Fall zu meinen Highlights in 2020 gehört!

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Realität und Fiktion

Die Herren der Zeit
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Vitoria, 2019. Wieder erschüttert eine grausame Mordserie die baskische Stadt. Die Opfer und Todesarten ähneln dabei denjenigen des Romans "Die Herren der Zeit", einer auf waren Begebenheiten beruhenden ...

Vitoria, 2019. Wieder erschüttert eine grausame Mordserie die baskische Stadt. Die Opfer und Todesarten ähneln dabei denjenigen des Romans "Die Herren der Zeit", einer auf waren Begebenheiten beruhenden Geschichte aus dem 12. Jahrhundert. Inspector Ayala macht sich zugleich auf die Suche nach dem anonymen Autor und dem Mörder - oder sind beide etwa ein- und dieselbe Person? Dabei ahnt er noch nicht, dass dieser Fall ihn erneut persönlich betreffen soll und sein Leben für immer verändern wird.

Mit "Die Herren der Zeit" legt die Autorin den dritten und somit letzten Band der Trilogie um den "Kraken" vor. Das Schema bleibt dabei gleich: Es wird in der Gegenwart des Jahres 2019 erzählt, aber immer wieder auch Rückblenden, vor allem in die 1192 beginnende Romanhandlung, eingeflochten. Auf drastische Weise werden so die Parallelen zwischen Fiktion und den sehr realen Morden im Jetzt deutlich. Protagonist Unai zeigt sich dabei von den Ereignissen der letzten beiden Bände deutlich mitgenommen und beginnt, seine Berufswahl und seine Fähigkeiten immer mehr in Frage zu stellen.

In den Mittelpunkt der Ermittlungen gerät zusehends Ramiro Alvar, ein schüchterner, aber gleichzeitig furchteinflößender junger Mann, der sich in seinem Museumsturm vor der Außenwelt verschanzt. In ihm vermutet Unai den Schriftsteller von "Die Herren der Zeit" und als sich zwischen diesem und seiner Kollegin Estíbaliz eine Beziehung anbahnt, nehmen die Ereignissen einen fatalen Lauf. Dabei gelingt es der Autorin, den Leser erneut an der Nase herumzuführen. Über lange Zeit war ich von der Handlung enttäuscht, schien mir alles doch zu offensichtlich. Das Ende des Romans und auch dieser gesamten Trilogie lies mich jedoch absolut überrascht zurück. Chapeau!

Fazit: Ein gelungener, höchst spannender Abschluss der Trilogie um Unai López de Ayala

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Veröffentlicht am 27.04.2020

Spannendes Jugendbuch mit wichtiger Botschaft

A. S. Tory
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Es ist der Beginn der Herbstferien und der 15-jährige Siegmund, genannt Sid, langweilt sich. Da kommt eine E-Mail mit dem geheimnisvollen Absender "A.S. Tory" gerade recht. Dieser schickt ihn noch mitten ...

Es ist der Beginn der Herbstferien und der 15-jährige Siegmund, genannt Sid, langweilt sich. Da kommt eine E-Mail mit dem geheimnisvollen Absender "A.S. Tory" gerade recht. Dieser schickt ihn noch mitten in der Nacht auf eine Reise, die ihn auf der Suche nach einer Schallplatte von London in die Toskana, nach Frankreich und schließlich nach Marrakesch führen wird. Begleitet wird er die meiste Zeit von der 19-jährigen Chiara, die er auf der zweiten Station seiner Reise kennenlernt. Werden die beiden die gesuchte Schallplatte tatsächlich finden und das Rätsel um Torys Identität lösen?

Zunächst muss ich zugeben, dass ich den zweiten Band der Reihe vor dem ersten gelesen habe. Das hat tatsächlich ganz gut funktioniert und mich unglaublich neugierig auf die Vorgeschichte der Protagonisten Sid und Chiara gemacht. Jedem, der neu mit der Reihe beginnt, empfehle ich aber dringend, mit Band 1 zu starten - so hat mein einfach viel mehr Spannung vor sich. Bei der vorliegenden Ausgabe handelt es sich übrigens um eine überarbeitete Version, sowohl was das Cover als auch den textlichen Inhalt betrifft.

Sid und Chiara sind ganz unterschiedliche Charaktere. Er für sein Alter untypisch ruhig und (meistens) sehr ernsthaft, sie übersprudelnd vor Energie und südländischem Temperament. Von Beginn an ergänzen sich beide gut, es macht Freude, ihnen auf ihrer gemeinsamen Reise zu folgen. Das Thema Musik spielt dabei eine besondere Rolle, denn Sid soll für A.S. Tory eine sehr seltene Single finden, die eine zerstrittene marokkanische Familie vor dem Tod des Vaters wieder versöhnen soll. Auch Sid hört auf der Reise immer wieder verschiedene Songs und unterhält sich mit Chiara darüber - am Ende des Buches ist auch seine Playlist zu finden. Schön, dass die Autorin der Handlung so einen Rahmen gegeben hat.

Natürlich mutet es zunächst recht seltsam an, dass ein Junge sich aufgrund einer E-Mail eines Fremden so ins Abenteuer stürzt: in der heutigen Zeit unverantwortlich, möchte man meinen. Aber ganz ehrlich? Beginnen nicht viele gute Geschichten damit, dass jemand etwas Überraschendes und Unverantwortliches tut? Viele spannende Dinge würden gar nicht erst geschehen, wenn man nicht wie Sid manchmal ein wenig verrückt ist. Und ich verspreche, dass sich letztlich alles schlüssig auflösen wird.

Neben all dem Abenteuer und den Reisen gelingt es der Autorin auch, der Handlung einen ernsten Kern zu geben. Durch die unterschiedlichen Begegnungen, die Sid im Laufe der Geschichte macht, lernt er vieles über die Weltreligionen, über Streit und Hass und überwindet räumliche und sprachliche Grenzen, in dem er sich zum Beispiel mit dem Sohn einer Restaurantbesitzerin in Londons Chinatown anfreundet oder in Frankreich in einem Kloster übernachtet.

Fazit: Ein Jugendbuch, das mehr ist, als es auf den ersten Blick erscheint

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