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Veröffentlicht am 29.07.2020

Was ist Wahrheit und was Lüge?

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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Die siebzehnjährige Moonbeam hat fast ihr ganzes Leben im Lager der Heiligen Kirche der Legion Gottes verbracht. Nach einer bewaffneten Auseinandersetzung der Sektenmitglieder mit der Polizei findet sie ...

Die siebzehnjährige Moonbeam hat fast ihr ganzes Leben im Lager der Heiligen Kirche der Legion Gottes verbracht. Nach einer bewaffneten Auseinandersetzung der Sektenmitglieder mit der Polizei findet sie sich in einer geschlossenen Abteilung wieder, in der ein Psychiater versucht, in täglichen Sitzungen zu ihr durchzudringen. Doch Father John hat ihr und den anderen immer wieder eingeschärft, dass alle Menschen außerhalb des Lagers Diener der Schlange sind, denen sie kein Wort sagen und kein Wort glauben darf. Was ist Wahrheit und was Lüge? Ist sie aus einer gefährlichen Situaton in eine sichere gekommen, oder ist es genau umgekehrt?

Das Buch beginnt mit einem rasanten Prolog, in dem die Protagonistin Todesängste durchleidet. Ihre Welt steht in Flammen, Schüsse peitschen und sie wird von dem Ziel angetrieben, Kinder aus den brennenden Baracken zu befreien. Wie kam es zu dieser Situation, und was sind ihre Konsequenzen? Genau um diese Aufarbeitung geht es in der nachfolgenden Geschichte.

Moonbeams Gedanken werden zu Beginn stark von den Sätzen geprägt, die ihr Sektenführer Father John über Jahre hinweg gepredigt hat. Alle Menschen außerhalb des Lagers wurden als Feinde angesehen, weshalb sie das Gelände in den letzten Jahren gar nicht mehr verlassen hat. Und nun soll alles, was er gesagt hat, eine Lüge gewesen sein? In Moonbeams Kopf tönt weiterhin Father Johns Stimme und sie hüllt sich überfordert von der Situation in Schweigen.

Diese fiktive Geschichte setzt sich gelungen damit auseinander, was in einer Jugendlichen vorgehen könnte, die ihr ganzes Leben isoliert in einer Sekte verbracht hat und nun mit dem Leben außerhalb konfrontiert wird. Allmählich teilt Moonbeam erste Erinnerungen mit dem Psychiater und damit auch dem Leser. Man ist in den täglichen Sitzungen an ihrer Seite und folgt ihr in die einzelnen Erinnerungen. Sie schildert den Sektenalltag und die Verbrechen, die sie erlebt, aber selbst nicht als solche eingeordnet hat. Gleichzeitig gibt es auch Erinnerungen an Freundschaft und Zusammenhalt, die verdeutlichen, warum ihr an manchen Personen nach wie vor viel liegt.

Moonbeam fragt früh in der Geschichte nach ihrer Mutter, von der sie vor einiger Zeit getrennt wurde. Außerdem plagen sie schwere Schuldgefühle, wobei sie die Erinnerung an deren Ursprung nicht zulässt. Diese Themen trugen dazu bei, dass ich mich bis zum Schluss neugierig durch die Einzel- und Gruppensitzungen und die damit verbundenen Erinnerungen las. Was mir thematisch fehlte war die Heranführung Moonbeams an ein Leben außerhalb der Sekte, denn sie ist nie zur Schule oder in den Supermarkt gegangen und viele Entscheidungen wurden für sie getroffen. Gerne hätte ich erlebt, wie sie mit dieser neugewonnenen Freiheit umzugehen lernt. Die Beantwortung der drängendsten Fragen hebt die Geschichte sich bis zum Schluss auf und tut dies schließlich in einem stimmigen Rahmen.

„After the fire“ ist ein Roman, der sich mit der Aufarbeitung einer umfassenden Gehirnwäsche durch eine fiktive Sekte auseinandersetzt. Der Leser begleitet die Protagonistin Moonbeam auf diesem schmerzhaften und gleichzeitig reinigenden Prozess, dessen Verlauf durch einige ungeklärte Fragen spannend bleibt. Gerne empfehle ich das Buch an psychologisch interessierte Leser weiter!

Veröffentlicht am 20.07.2020

Vom Schreiben und Lieben

Writers & Lovers
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Casey ist Schriftstellerin und arbeitet schon seit einer Weile an ihrem Roman, der inzwischen gut zweihundert Seiten umfasst. Mit Anfang 30 haben die meisten ihrer ehemaligen Schriftsteller-Freunde ihre ...

Casey ist Schriftstellerin und arbeitet schon seit einer Weile an ihrem Roman, der inzwischen gut zweihundert Seiten umfasst. Mit Anfang 30 haben die meisten ihrer ehemaligen Schriftsteller-Freunde ihre Ambition zugunsten von Jobs mit festem Gehalt aufgegeben. Immer wieder wird sie gefragt, warum sie an diesem Leben festhält - mit hohen Studienschulden im Nacken, einem Kellnerjob und einem winzigen Zimmer in einem ehemaligen Gartenschuppen in Boston. Der Tod ihrer Mutter ist für sie ein einschneidendes Erlebnis, und während des kurz darauf stattfindenden Schreib-Stipendium verliebt sie sich und bringt nichts zu Papier. Aller Widrigkeiten zum Trotz will sie ihr Leben als Schriftstellerin nicht aufgeben und ihren Roman fertigstellen.

Meinem Leseexemplar ist ein Statement der Autorin vorangestellt, in dem sie berichtet, dass in den Roman zahlreiche ihrer eigenen Erfahrungen aus ihren frühen Jahren als Schriftstellerin eingeflossen sind. Das Unverständnis des Umfelds im Hinblick auf ihre Tätigkeit, permanente Schulden und häufige Selbstzweifel. Sie las Bücher über junge und später erfolgreiche Schriftsteller, die sich mit und ihrer Tätigkeit rangen, fand aber keine entsprechenden über Schriftstellerinnen. Mit diesem Roman hat die Autorin geschrieben, was ihr jüngeres Ich gerne gelesen hätte. Er ist im Jahr 1997 angesiedelt.

Die Protagonistin Casey macht emotional eine schwierige Zeit durch. Der rätselhafte Tod ihrer Mutter beschäftigt sie sehr, dazu kommt eine gerade beendete Romanze und ihr anstengender Kellnerinnen-Job, den sie braucht, um wenigstens ihre Miete, wenn schon nicht ihre Schulden zu bezahlen. Ihre Freunde sind in den letzten Jahren auf eine übersichtliche Zahl zusammengeschrumpft, da sie kein Geld hat, um sich auf ihren Hochzeiten blicken zu lassen. Doch für Casey steht aber außer Frage, dass sie weiterhin an ihrem Roman arbeitet.

Der Leser durchlebt an der Seite von Casey eine große Bandbreite an Gefühlen. Die Liebe zum Schreiben ist auf jeder Seite spürbar, gleichzeitig wird Caseys Ringen mit sich selbst nachvollziehbar beschrieben. Immer wieder holen sie Zweifel, Unsicherheit und Trauer ein. Der Roman setzt sich gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen damit auseinander, wie manche Männer mit Frauen umgehen und sich dabei gegenseitig Rückendeckung geben und spricht wichtige feministische Themen an.

In Caseys Leben kommt Bewegung, als Muriel, ihre einzige verbleibende Schriftsteller-Freundin, sie mit zur Buchpräsentation eines Autors nimmt. In der Folge lernt sie zwei Männer kennen, die in Sachen Selbstsicherheit, Lebenserfahrung und Erfolg nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch wer von ihnen tut ihr wirklich gut? Während der Roman auf mich zunächst wie eine Bestandsaufnahme ihres Lebens wirkte, fokussiert er sich immer stärker auf die Arbeit am Roman und die Entscheidung zwischen den beiden Männern, was in Wechselwirkung zueinander steht.

„Writers & Lovers“ ist ein intensiver Roman übers Schreiben und Lieben mit all seinen Höhen und Tiefen, den ich sehr gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 28.06.2020

Der perfekte Einstieg in die Welt des Hexers

Der letzte Wunsch
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Nachdem ich im letzten Jahr mit großer Begeisterung die Serie „The Witcher“ geschaut habe, wollte ich nun auch die Bücher lesen. „Der letzte Wunsch“ ist die erste von drei Vorgeschichten-Bänden, außerdem ...

Nachdem ich im letzten Jahr mit großer Begeisterung die Serie „The Witcher“ geschaut habe, wollte ich nun auch die Bücher lesen. „Der letzte Wunsch“ ist die erste von drei Vorgeschichten-Bänden, außerdem gibt es die Hexer-Pentalogie beginnend mit „Das Erbe der Elfen“.

Ich mag den Schreibstil des Autors sehr und konnte schnell in die Welt des Hexers eintauchen. Schon in er ersten Geschichte, die einfach nur „Der Hexer“ heißt, wird erklärt, was ein Hexer überhaupt ist und wie speziell der Progatonist Geralt seine Rolle versteht. Die Geschichte wurde in der Serie verarbeitet und kann hier noch mal in ausführlicherer Form genossen werden.

Wer die Serie geschaut hat, dem werden fünf der sechs Kurzgeschichten bekannt vorkommen. Es gibt jedoch einige Unterschiede, die zu entdecken ich interessant fand. Die Geschichte „Ein Körnchen Wahrheit“ war mir noch nicht bekannt, ich fand sie aber genauso gut wie den Rest und kann mir vorstellen, dass sie noch in einer der zukünftigen Staffeln aufgegriffen wird.

„Der letzte Wunsch“ ist der perfekte Einstieg in die Welt des Hexers - sowohl für Serien-Fans als auch alle, die noch keine Bekanntschaft mit Gerald von Riva gemacht haben.

Veröffentlicht am 27.06.2020

Gelungener Reihenabschluss der Spiegelreisenden!

Die Spiegelreisende
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Die Welt der Archen scheint dem Untergang nahe zu sein: Immer häufiger verschwinden Stücke und mit ihnen all ihre Bewohner. Ophelia und Thorn sind fest entschlossen, das Geheimnis von Eulalia Gort und ...

Die Welt der Archen scheint dem Untergang nahe zu sein: Immer häufiger verschwinden Stücke und mit ihnen all ihre Bewohner. Ophelia und Thorn sind fest entschlossen, das Geheimnis von Eulalia Gort und dem Anderen endlich zu lüften und die Zerstörung aufzuhalten. Ihr Weg führt sie ins mysteriöse Beobachtungsinstitut der Arche Babel, über dessen Aktivitäten hinter den Mauern nur wenig nach außen dringt. Doch die Situation unter Kontrolle zu halten wird zur Herausforderung, denn die Beobachter im Institut haben ihre eigenen Pläne...

Endlich ist er da, der finale Band der Spiegelreisenden! Nach den Enthüllungen am Ende des vorherigen Bandes hoffte ich darauf, nun endlich zu erfahren, wie Eulalia zu dem wurde, was sie heute ist und was es nun mit dem Anderen auf sich hat. Die Situation auf Babel verschärft sich zunehmend, denn immer mehr Stücke verschwinden plötzlich. Die weltoffene Arche wirft im Nu ihre Prinzipien über Bord und beginnt mit drastischen Maßnahmen, die dem Schutz der Einheimischen dienen sollen.

Inmitten dieses zunehmenden Chaos sind Ophelia und Thorn endlich wieder vereint und schmieden gemeinsam einen Plan, wie sie die Geheimnisse lüften und die Katastrophe aufhalten können. Ich fand es schön, die beiden zusammen zu erleben. Ihre Beziehung hat sich weiterentwickelt und ihre unterschiedlichen Ansätze bei der Suche nach der Wahrheit ergänzen sich gut. Nach außen hin müssen sie jedoch weiterhin ihre jeweilige Rolle spielen und niemand darf wissen, dass sie verheiratet sind.

Der vierte Band spielt wie sein Vorgänger hauptsächlich auf der Arche Babel, wobei mit dem Beobachtungsinstitut ein neuer Ort in den Fokus rückt. Ophelia hat nur eine rudimentäre Vorstellung, was sie dort erwartet. Ich fieberte mit, ob sie dort entscheidende Dinge herausfinden kann, ohne den Verstand oder gar ihr Leben zu verlieren. Denn das Beobachtungsinstitut erweist sich schnell als ein Ort, der noch gefährlicher ist als der Pol oder das Konservatorium - und das will schon etwas heißen!

Es werden in diesem Band nur wenige neue Charaktere eingeführt, dafür gibt es ein Wiedersehen mit vielen bereits bekannten Gesichtern. Diese haben noch einige Überraschungen in petto, welche vieles in neuem Licht erscheinen lassen. Das Tempo ist vergleichbar mit den Vorgängern - mal gibt es ruhigere Phasen, dann überschlagen sich die Ereignisse. Das Geheimnis rund um Gott, die Familiengeister, die Echos und den Anderen entpuppt sich als komplexe Angelegenheit, die zu verstehen Zeit benötigt und bei der mache Aspekte bewusst mysteriös und rätselhaft bleiben. Auch auf einige emotionale Momente sollte man sich einstellen. Spannend und dramatisch näherte sich das Buch seinem Ende, das die Reihe für mich gelungen abschließt.

Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für die ganze Reihe rund um die Spiegelreisende Ophelia!

Veröffentlicht am 05.06.2020

Ein kreatives Feuerwerk der Phantastik

Das sternenlose Meer
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Zachary Ezra Rawlins studiert Neue Medien mit Fokus auf Videospieldesign. Er liest jedoch auch gerne, und so fällt ihm eines Tages in der College-Bibliothek ein altes, in weinrotes Leinen gebundenes Buch ...

Zachary Ezra Rawlins studiert Neue Medien mit Fokus auf Videospieldesign. Er liest jedoch auch gerne, und so fällt ihm eines Tages in der College-Bibliothek ein altes, in weinrotes Leinen gebundenes Buch auf, dessen Buchrücken und Vorderseite leer sind. Es gibt keinerlei Hinweis auf den Verfasser, nur einen Titel: „Süßes Leid“. Neugierig leiht Zachary das Buch aus und staunt nicht schlecht, als zwischen Geschichten über Piraten und Puppenhäuser ein Kapitel abgedruckt ist, das von ihm handelt. Es beschreibt haargenau, wie er vor Jahren eine aufgemalte Tür gefunden und keinen Versuch unternommen hat, sie zu öffnen. Laut Buch hätte sie ihn zum sternenlosen Meer geführt, einem faszinierenden Ort, der ihm auf den Buchseiten beschrieben wird. Wer hat „Süßes Leid“ verfasst? Zacharys einziger Anhaltspunkt sind drei Symbole: Biene, Schwert und Schlüssel. Er begibt sich auf die Suche und stürzt geradewegs in ein fantastisches und gefährliches Abenteuer hinein.

Die Autorin Erin Morgenstern hat mich vor einigen Jahren mit ihrem Debüt „Der Nachtzirkus“ begeistern können. Jetzt ist endlich ihr neuer Roman erschienen, ein rund 600 Seiten starker Einzelband, der zum Schmökern einlädt. Die ersten Kapitel sind Kurzgeschichten, die mit „Süßes Leid“ übertitelt sind und keinen Zusammenhang zu haben scheinen: Erst geht es um einen Piraten und ein Mädchen, dann um einen von drei Pfaden in einem Refugium der Geschichten und schließlich um den Sohn der Wahrsagerin, der eine Tür findet und nicht öffnet.

Den Protagonisten Zachary lernt man kennen, als er „Süßes Leid“ findet, also genau das Buch, aus dem man selbst gerade einige Seiten gelesen hat. Er erkennt sich im Kapitel über den Sohn der Wahrsagerin wieder und ist erstaunt, wie jemand diese Szene offensichtlich vor langer Zeit niederschreiben konnte. Wie ist das möglich, und was aus diesem Buch ist noch wahr? Sein einziger Anhaltspunkt führt ihn nach New York, wo ein Maskenball ganz anders verläuft als gedacht und er plötzlich mittendrin im Geschehen ist. Zachary ist ein sehr sympathischer Charakter, mit dem ich mich gerne ins Abenteuer stürzte.

Der Handlungsstrang rund um Zachary wird immer wieder unterbrochen. Erst sind weitere Kapitel aus „Süßes Leid“ abgedruckt und danach aus anderen Büchern, die Zachary liest. Man kann als Leser mit diesen Geschichten zunächst wenig anfangen. Hier ist Geduld gefragt, sie gewinnen erst später an Bedeutung. Wer aufmerksam gelesen hat, wird dann so manchen Aha-Effekt erleben. Mir hat dieser kluge Aufbau sehr gefallen und ich fand es toll, die Geheimnisse nach und nach zu entschlüsseln.

Zachary ist nicht auf sich allein gestellt, sondern erhält während seiner Suche die Unterstützung von alten und neuen Freunden. Die Zahl der handelnden Charaktere bleibt übersichtlich und seine neuen Bekanntschaften umgibt etwas Rätselhaftes, das meine Neugier weckte. Kann Zachary ihnen trauen, und warum geben sie sich so geheimnisvoll? Im Laufe der Geschichte müssen Loyalitäten unter Beweis gestellt werden, das Vertrauen wächst und es gibt mehrere geschickt eingeflochtene Liebesgeschichten, die ich sehr schön fand.

Was als bodenständige Geschichte mit mysteriösen Elementen beginnt, wird mit Fortschreiten der Handlung immer mehr zu einem kreativen Feuerwerk der Phantastik. Der Leser taucht ein in eine wunderbare Welt, in der hinter jeder Ecke eine neue Überraschung wartet. Die Gesetze von Raum und Zeit werden außer Kraft gesetzt und Unvorstellbares wird möglich. Ich habe es genossen, mich von der Geschichte verzaubern zu lassen. Dieses Buch ist eine Perle, die ich allen Fantasy-Lesern ans Herz legen möchte!