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Veröffentlicht am 25.10.2021

Emotionen für Kinder nachvollziehbar auf den Punkt gebracht

Da sein
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Neben den Basisemotionen Freude, Trauer, Wut und Angst beschreibt Kathrin Schärer weitere Gefühle, die auf 30 tierischen Bildern festgehalten werden. Elefanten, Bären, Erdmännchen, Hasen und Co. werden ...

Neben den Basisemotionen Freude, Trauer, Wut und Angst beschreibt Kathrin Schärer weitere Gefühle, die auf 30 tierischen Bildern festgehalten werden. Elefanten, Bären, Erdmännchen, Hasen und Co. werden in unterschiedlichen Gefühlslagen portraitiert.

Die Illustrationen fallen bei diesem Buch primär ins Auge. Kathrin Schärer vermenschlicht die hier dargestellten Tierfiguren und schafft so ein tieferes Verständnis für Gefühle und Emotionen bei Kindern. Bei der großen Bandbreite an Empfindungen fällt es ihnen viel schwerer als den meisten Erwachsenen Gefühle korrekt zu deuten und sie einzuordnen. Sehr liebevoll schafft Schärer mit diesem Buch Abhilfe, indem die Grafiken unkompliziert und eindeutig abgebildet sind. Die Gefühlsausdrücke sind in stimmigen Situationen sehr süß und ansprechend gezeichnet. Mein absolutes Highlight, das sei hier vorweg gesagt, sind die Zeichnungen zu unentschlossen sein und ungeduldig sein. Dabei handelt es sich um Gegenüberstellungen, das heißt die gleiche Zeichnung von vorne und dann von hinten. So werden hier zwei Emotionen gekonnt miteinander verbunden. Ich kenne kein vergleichbares Kinderbuch zum Thema Gefühle und bin begeistert.

Schärer zeigt wie einfach es sein kann und bringt Emotionen anhand von zauberhaften Illustrationen für Kinder nachvollziehbar auf den Punkt.

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Veröffentlicht am 28.09.2021

Vom Schein und Sein

Eine redliche Lüge
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Die junge Deutsche Elise verbringt einen Sommer im Ferienhaus der Eheleute Margaux und Philippe Leclerc in der Normandie. Dort verrichtet sie hauswirtschaftliche Tätigkeiten und freundet sich schnell mit ...

Die junge Deutsche Elise verbringt einen Sommer im Ferienhaus der Eheleute Margaux und Philippe Leclerc in der Normandie. Dort verrichtet sie hauswirtschaftliche Tätigkeiten und freundet sich schnell mit Margaux an. Sie ist fasziniert von den regelmäßig stattfindenden Dinner-Abenden und ihren Gästen, als auch der Ehe und den Persönlichkeiten des Paares selbst. Durch ihre Anstellung wird sie immer häufiger Beobachterin und Zuhörerin verschiedenster Situationen. Ein einziger Abend lässt für Elise plötzlich alles in neuem Licht erscheinen und erschüttert ihre Zeit in Frankreich nachhaltig.

Ein unglaubliches, ein genial geschriebenes Buch, das sich immer auf höchstem Niveau bewegt. Husch Josten ist mit »Eine redliche Lüge« ein Gesellschaftsroman gelungen, der durch seinen Intellekt und seinen unerwartet dramatischen Ausgang besticht. Elise ist vierundzwanzig Jahre alt und hat kürzlich ihr Studium beendet. Sie bewirbt sich als Haushälterin bei einem französischen Ehepaar und darf dieses kurz darauf in sein Ferienhaus in die Normandie begleiten. Elise mag Margaux und Philippe auf Anhieb und ist fasziniert von deren Weltoffenheit und großer Zuneigung füreinander. Die beiden sind gesellige Leute und so veranstalten sie während dieses Sommers immer wieder Feste und Abendessen in ihrer Villa.

Elise ist während der Dinner-Abende für das Essen zuständig. Sie kocht, schenkt den Gästen Getränke nach und bekommt zwangsläufig Gespräche der feinen Gesellschaften mit. Die Gesprächsthemen sind vielfältig und reichen von Politik, Literatur, Sexualität bis hin zu Liebe, Identität und Untreue. Elise genießt diese Abende und die unbeschwerte Zeit und schließt Margaux und Philippe innerhalb kürzester Zeit ins Herz. Besonders die Hausherrin wird ihr eine gute Freundin. Gegen Ende des Sommers, es ist der 25. August taucht ein unerwünschter Gast im Ferienhaus auf, der die Scheinwelt der Leclercs zum Bröckeln bringt und eine Lebenslüge offenbart.

Husch Josten schreibt in einer sehr schönen Sprache, die ich beim Lesen nur so in mich aufsog. Schon zu Beginn baut sich ein großer Spannungsbogen auf, der bis zum Ende der Geschichte gehalten werden kann und am Ende in einer Katastrophe mündet. Ich fühlte mich während der Tischgespräche immer an den Ort des Geschehens versetzt und mochte die geistreichen Themen und nicht zuletzt die Beschreibungen der köstlichen französischen Speisen. Josten schafft es, ihre Leser:innen gemeinsam mit ihren Figuren am Tisch Platz nehmen zu lassen und hinter die Fassaden zu blicken. Zeitgleich bleiben einem die Leclercs lange ein Rätsel und ich war bis zum Schluss neugierig auf das tragische Ende.

Und trotz dieses Umstandes spürte ich nach dem Lesen noch tagelang die unbeschwerte Leichtigkeit und den Sommer in der Normandie. Das liegt auch daran, dass Josten nicht verurteilt, dass sie die die Menschen als das sieht, was sie sind. Dass die Lügen in ihrer Geschichte viel Dramatik bergen, verletzen und zerstören, es am Ende jedoch nicht die Unwahrheit ist, die im Kopf hängen bleibt, sondern die menschlichen Beweggründe dahinter, die Liebe zweier Menschen füreinander. Mich hat der Roman begeistert und mitfühlen lassen.

Vom wunderschönen Setting des Romans und seinen Figuren, in die ich mich verliebt habe, werde ich noch lange zehren.

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Veröffentlicht am 20.09.2021

Sprachgewaltig

Auf Erden sind wir kurz grandios
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Ein langer Brief eines Sohnes an seine Mutter. Sie ist die Tochter eines amerikanischen Soldaten und einer vietnamesischen Bauerntochter. Lesen und schreiben kann sie nicht und spricht kaum Englisch. Sie ...

Ein langer Brief eines Sohnes an seine Mutter. Sie ist die Tochter eines amerikanischen Soldaten und einer vietnamesischen Bauerntochter. Lesen und schreiben kann sie nicht und spricht kaum Englisch. Sie verdient ihren Lebensunterhalt mit einem Nagelstudio. Ihr zierlicher Sohn ist ein Einzelgänger, der sich in einen amerikanischen Jungen verliebt. Er berichtet von den prügelnden Händen seiner Mutter, der kranken Oma und den Herausforderungen, die das Leben eines vietnamesischen Jungen in den Staaten so mit sich bringen.

Das sprachgewaltigste Buch, das ich bisher gelesen habe. Erschütternd brutal und zart zugleich beschreibt der Protagonist seine Kindheit und Jugend in Briefen an seine Mutter. Die intensiven Erinnerungen und tiefen Einblicke in sein Leben erschaffen sofort Bilder im Kopf eines jeden Lesers. Die Bandbreite an heftigen Themen könnte größer nicht sein. Die Geschichte wird getragen von ihren Emotionen und Metaphern. Die Sprache ist kunstvoll, ästhetisch und die große Stärke des Buches. Dass Vuong bereits für seine lyrischen Texte ausgezeichnet wurde, verwundert nicht. Inhaltlich keine leichte Kost und gleichsam wunderschön geschrieben. Der Autor springt in den Zeiten, ein Element, das hier bewusst eingesetzt wird. So verzichtet er auf chronologische Abläufe. Die autobiografischen Einflüsse sind klar erkennbar.

Der Junge durchlebt eine schwierige Kindheit in ärmlichen Verhältnissen bei Mutter und Großmutter. Liebe und Schmerz liegen nah beieinander und prägen den Heranwachsenden auf vielen Ebenen. Er setzt sich mit seiner eigenen Sexualität auseinander und verliebt sich in den gleichaltrigen Trevor. Eine Verbindung zweier traumatisierter Jugendlicher, bei der ich nie ganz wusste, was sie dem Einzelnen bedeutete. Ocean Vuong lässt keine Situation aus und wagt sich auch an unangenehme Textstellen. Der poetische Schreibstil zieht sich durch das gesamte Buch und trägt die Geschichte auf eine sehr zärtliche Weise durch die Zeit. Er beschreibt die Folgen des vietnamesischen Krieges für seine Bewohner anhand des Lebens der Familie des Erzählers. Seine Mutter, geprägt von den schrecklichen Erfahrungen, liebt ihren Sohn und erhebt dennoch die Hand gegen ihn. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn geht nahe und lässt sich schwer einordnen.

Wie ein langes Gedicht, so beschreiben viele Leser:innen ihre Eindrücke über »Auf Erden sind wir kurz grandios« und dem kann ich voll und ganz zustimmen. Eine Mutter-Sohn-Beziehung, schwankend zwischen Verbundenheit und Ablehnung, schonungslos erzählt. Den Platz im eigenen Leben suchend, muss der Junge viel Grausamkeit erfahren. Und trotz dieser Umstände gelingt es dem Schriftsteller auf grandiose Weise diese Wucht an Emotionen auf kompakten 272 Seiten unterzubringen und stets den Balanceakt zwischen Gnadenlosigkeit und Hingabe zu halten. In mir wird das Gelesene noch lange nachhallen und jeder Verfechter:in der Literatur sollte dieses Debüt von Vuong gelesen haben.

Das Buch lebt vor allem von seiner sprachlichen Schönheit, die schon außergewöhnlich ist. Ich habe selten so viele Zitate aus nur einem Roman herausgeschrieben. Die Briefe, die der Protagonist seiner Mutter schreibt, sind authentisch und so lebendig, dass ich mir vorstellen kann, dass der Autor aus seinem eigenen Leben erzählt.

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Veröffentlicht am 08.09.2021

Weckt Kindheitserinnerungen

Abenteuer im Mumintal
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Darum geht es

Muminmutter und ihr Kind wandern nach einer großen Überschwemmung durch den Wald, auf der Suche nach einem trockenen und ruhigen Schlafplatz für die Nacht. Auf ihrem Weg treffen sie auf ...

Darum geht es

Muminmutter und ihr Kind wandern nach einer großen Überschwemmung durch den Wald, auf der Suche nach einem trockenen und ruhigen Schlafplatz für die Nacht. Auf ihrem Weg treffen sie auf Schnüferl und Schnupferich. Während letzterer wieder seiner Wege geht, finden die drei mit Hilfe des Marabus den verloren geglaubten Muminvater. Bald erreichen sie ein wunderschönes Tal, in dem sie ihr blaues Turmhaus wieder entdecken und taufen den Ort deshalb Mumintal. Dort lernen sie die kleine Mü und das Snorkfräulein kennen. Die weiteren Geschichten handeln von den Hattifnatten, fantastischen Wesen, die durch Elektrizität zum Leben erweckt werden und einem Hut, der Zauberkräfte besitzt.



Meine Meinung

Als kleines Kind liebte ich die Geschichten rund um die Mumins, sodass mich das Buch gar nicht enttäuschen konnte. Die drei Abenteuer erinnerten mich an Kindheitstage und es gibt doch kaum etwas Schöneres, als sich mit Büchern zu umgeben, die an Wohlfühlmomente in der Kindheit erinnern. Besonders die Charaktere haben es mir angetan und ich habe mich sehr gefreut, hier allen wieder zu begegnen. Damals habe ich sowohl die Bücher vorgelesen bekommen, als auch die Serie im Fernsehen verfolgt. Besonders unerfahrenen Mumin-Lesern wird dieser Band gefallen, denn er stellt zu Beginn alle handelnden Figuren genau vor und berichtet in der ersten Geschichte von den Anfängen des Mumintals. Neben den drei Mumins lernen die Betrachter und Leser des Buches auch die kleine Mü kennen, die keine Gefahr scheut, Schnüferl, der alles liebt was glänzt, den weisen Schnupferich, der nichts auf der Welt besitzen möchte und das Snorkfräulein, das alles bewundert was schön ist.

Die Illustrationen gefallen mir sehr, denn sie erscheinen mir vertraut und zeigen die Figuren so, wie ich sie in Erinnerung habe. Die Bilder sind sowohl farbig als auch schwarzweiss abgebildet. Den Einband möchte ich hervorheben, denn besonders die grüne Bindung fällt sofort ins Auge. Die Geschichten eignen sich für Kinder von 4 bis 6 Jahren. Aber auch Ältere werden ihre Freude mit den Abenteuern der Muminfamilie und ihrer Freunde haben. Die einzelnen Geschichten erzählen von immer neuen Herausforderungen, denen sich die Charaktere stellen müssen und schaffen so große Spannung und viel Raum für Fantasie. Ich mochte das Buch sehr und werde in jedem Fall auch die weiteren Bände aus dem Urachhaus lesen.



Drei fantastische Geschichten der beliebten Mumintrolle, die von den Anfängen erzählen und es neuen Lesern erleichtern, in die Welt der liebenswürdigen Wesen einzutauchen. Der Einband ist besonders gelungen.



Ich danke dem Urachhaus-Verlag für das Rezensionsexemplar.

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Veröffentlicht am 10.06.2020

Ein unglaubliches Buch

Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt
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Mein Book-Blind-Date Mai war »Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt« von Jesmyn Ward und hat mich zwar sehr fesseln können, dennoch musste ich immer wieder Pausen einlegen, um das Gelesene sacken zu ...

Mein Book-Blind-Date Mai war »Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt« von Jesmyn Ward und hat mich zwar sehr fesseln können, dennoch musste ich immer wieder Pausen einlegen, um das Gelesene sacken zu lassen. Heute bin ich fertig geworden und möchte meine Besprechung zum Buch mit euch teilen.


Jojo ist dreizehn Jahre alt und lebt mit seiner kleinen Schwester Kayla bei seinen Großeltern in Bois, Mississippi. Seine Mutter Leonie ist drogensüchtig und nicht in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern. Michael, der Vater von Jojo und Kayla, sitzt im Gefängnis. Seine Eltern wollen mit ihrer Schwiegertochter und ihren Enkeln keinen Kontakt, weil sie schwarz sind. Als Michael entlassen werden soll, fährt Leonie mit ihren Kindern und ihrer Freundin Misty los, um ihn von der Parchment Farm abzuholen. Auf ihrem Weg werden sie von den Geistern der Vergangenheit begleitet.


Was für ein Buch! Es geht um Armut und Drogen, um Rassismus und die Geister, die von den schlimmen Taten der Einwohner des Landstriches erzählen. Schon nach wenigen Seiten war klar, dass die Geschichte keine leichte Kost werden würde. In den ersten Szenen des Buches muss der dreizehnjährige Jojo seinem Großvater Pop beim Schlachten und Häuten einer Ziege helfen. Das ging mir als Leserin schon nah und das sollte nur ein Auszug des Lebens einer schwarzen Familie in den Südstaaten sein. Ward zeichnet drei Generationen einer Familie, die in ärmlichen Verhältnissen und in einer von Rassismus geprägten Gesellschaft leben.

Sehr berührt hat mich die tiefe Verbindung der beiden Geschwister Jojo und Kayla, die von ihren Eltern keine Liebe erfahren. Jojo ist der einzige, der Kayla trösten kann und er schützt sie vor allen Gefahren. Ihre Mutter Leonie ist selten da und scheint nur in Anwesenheit des Vaters ihrer Kinder aufzublühen, dessen Cousin ihren eignen Bruder tötete. Der Großteil des Buches berichtet von dem anstrengenden Roadtrip durch Mississippi bei starker Hitze. Leonie fährt mit ihren Kindern und ihrer Freundin Misty in den Norden des Staates, um Michael abzuholen, der aus dem Gefängnis entlassen wird. Jojo und Kayla haben Hunger und Durst, während ihre Mutter gedanklich nur bei ihrem Lebensgefährten und der Droge Crystal Meth ist.

Auf dem Weg zur Haftanstalt Parchment Farm, muss Jojo zudem seine Schwester beruhigen, die sich immer wieder übergeben muss. Als ein Polizist die vier anhält, wird er von diesem mit einer Pistole bedroht und kann sich auch in dieser ausweglosen Situation nicht auf den Rückhalt seiner Mutter verlassen, die nur das Verschwinden der geschmuggelten Drogen im Sinn hat. Während der Fahrt sieht Jojo immer wieder einen Jungen mit dem Namen Richie, der ihm als Geist erscheint. Von seiner Großmutter hat Jojo die Gabe vererbt, Tote sehen zu können. Richie saß vor Jahrzehnten mit Jojos Großvater Pop in Parchment Farm ein, in welcher beide grausamen Misshandlungen ausgesetzt waren. Bei der Flucht aus dem Gefängnis verlor Richie sein Leben und sein Geist sucht nun nach Antworten. Die besondere Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, haben neben Jojo auch seine Mutter Leonie und Kayla. Ihnen erscheinen die Geister Verstorbener, so auch der des toten Bruder bzw. Onkels Given.

Für »Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt« braucht es gute Nerven. Jesmyn Ward überzeugte mich jedoch von Beginn an mit ihrer sanften, teils poetischen Erzählweise, die im krassen Kontrast zum Inhalt steht. Die Lebensgeschichten ihrer Figuren erzählt sie mit soviel Wucht und Emotionen, dass im Kopf permanent Bilder entstehen. Ich konnte mir die Charaktere und das Setting immer gut vor Augen führen und fühlte mich an den Ort des Geschehens versetzt. Die Vorstellung der elenden Verhältnisse, unter denen besonders Jojo und Kayla leben müssen, tut beim Lesen weh. Einzig ihr Großvater Pop und ihre im Sterben liegende Großmutter geben den Kindern Halt. Der radikal grausame Umgang ihrer Mutter war für mich oft schwer auszuhalten.

Ward versteht es, die Ereignisse und Beschreibungen bildhaft darzustellen, sodass man als Leser glaubt, die Natur riechen und das Essen schmecken zu können. Der alteingesessene Rassismus der Großeltern väterlicherseits führt dazu, dass diese mit ihren dunkelhäutigen Enkeln nichts zu tun haben wollen. In der fiktiven Ortschaft gerät man fast zwangsläufig in den Strudel von Gewalt und Drogen. Die Kapitel werden in der Ich-Form erzählt. Dabei wechseln die Charaktere zwischen Jojo, Leonie und Richie. Die Dialoge sind kurz aber rasant und inhaltsvoll. Die Schriftstellerin schreibt von den Lebenden und Toten, von denen, die sich ihrem Schicksal nicht ergeben wollen.

Die Atmosphäre wird beachtlich gut eingefangen, die Figuren und deren Handlungen fühlen sich erschreckend real an und die gesellschaftliche Grausamkeit und Brutalität lässt beim Lesen oft erschaudern. Mich hat die Geschichte wie kaum eine andere schockiert und doch auch aufmerksam gemacht auf die Missstände in vielen Orten Amerikas und der Welt. Die menschliche Verdorbenheit und ihre Folgen arbeitet Ward eindrucksvoll heraus. Den bedeutendsten Literaturpreis Amerikas hat sie sich redlich verdient – und das zum zweiten Mal.

Eine erschütternde und beispiellose Südstaatengeschichte voller Erbarmungslosigkeit und Hass und mittendrin eine rührende Geschwisterliebe, die bei all der Gnadenlosigkeit ein wenig Hoffnung schenkt.

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