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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.07.2020

Mädchenpower und aus klein und allein wird bald ganz viel

Jella hat genug!
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Jella ist 11 Jahre alt und ein Mädchen mit jeder Menge Power. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, der voll in Ordnung ist, im dritten Stock eines Hauses. Vom ihrem Zimmer aus sieht sie gerade ...

Jella ist 11 Jahre alt und ein Mädchen mit jeder Menge Power. Sie wohnt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, der voll in Ordnung ist, im dritten Stock eines Hauses. Vom ihrem Zimmer aus sieht sie gerade noch die Krone einer alten Kastanie, die ihr immer anzeigt, welche Jahreszeit gerade ist. Ein Handball haut sie zwar von den Beinen, aber sie steht auch gleich wieder auf. Und wenn mal keiner zuhause ist und sie Hunger hat, backt sie sich mit dem Restteig vom Vortag auch selbst ein paar Pfannkuchen und Pausenbrote schmieren ist sowieso ihre leichteste Übung. Was sie allerdings richtig nervt, ist der viele Abfall, den die Leute neben den Papierkorb werfen, anstatt hinein. Und auf dem Weg von der Schule nach Hause hat sie gerade eine richtige kleine Müllkippe entdeckt, mit einem alten Kühlschrank und allem möglichen anderen drumherum. Sie hat das der Müllabfuhr gemeldet und die haben auch reagiert, aber trotzdem ist Jella nicht zufrieden. Sie möchte, dass man sorgsamer mit unserer Welt umgeht und das will sie auch laut sagen, mit einem Streik und einem großen Protestschild, ein wenig so wie Greta Thunberg. Die hat auch ganz klein angefangen. Erst ist Jella wirklich ganz allein mit ihrem Anliegen. Sogar ihre beste Freundin traut sich nicht, sich einfach so öffentlich vor andere Menschen hinzustellen. Und dann krempelt die ein oder andere Überraschung in ihrer Familie Jellas Leben erst einmal ganz schön um. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben und bald bietet sich ihr die Gelegenheit, ihr Anliegen tatsächlich 'zu leben' und allein ist sie dabei auch nicht mehr.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es ist ein Aufruf für junge Leser, sich der Dinge anzunehmen und das auf eine Art, die sehr gut ankommt und die eigentliche Leseunterhaltung kein bisschen schmälert. Die Altersempfehlung ab 10 Jahren finde ich sehr passend, allerdings sollte man schon Freude am Lesen haben, bei 280 gut gefüllten Seiten.
Dann also, an alle, viel Spaß dabei und macht was draus.

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Veröffentlicht am 24.06.2020

Es betritt einer den Raum und die Fassade zerbricht

Wozu wir fähig sind
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Patrick und Alina sind ein sehr präsentes junges Paar und in ihrer Clique schon die prägenden Figuren. Beide studieren an der hiesigen Universität und sind bei eigentlich allem, was sie tun, sehr erfolgreich ...

Patrick und Alina sind ein sehr präsentes junges Paar und in ihrer Clique schon die prägenden Figuren. Beide studieren an der hiesigen Universität und sind bei eigentlich allem, was sie tun, sehr erfolgreich und natürlich auch sozial engagiert. Innerhalb ihrer Gruppe kennen sich alle schon seit der Schulzeit und wenn jemand ein Problem hat, gerade Patrick ist immer für alle ansprechbar und findet dann auch garantiert eine Lösung. Und dann, eines Tages, betritt eine 'neue Figur den Raum'. Alexander, groß gewachsen, gut aussehend, charmant, souverän und auch ein bisschen geheimnisvoll, taucht sehr ungezwungen und wie selbstverständlich bei den jungen Leuten auf. Auch er studiert Jura und ist gerade erst zusammen mit Leonora, einer Freundin, seiner Freundin?, hierher gezogen. Er muss bei den Mitgliedern der fest vernetzen Gruppe nicht um Aufmerksamkeit und gar Aufnahme buhlen. Er hat sie, vom ersten Augenblick an. Patrick sieht ihn als 'seinesgleichen' an und gerade Alina empfindet eine ihr selbst unerklärliche Faszination für Alexander und sucht immer wieder seine Nähe. Die Handlung selbst ergibt sich aus der Abfolge der Aufeinandertreffen zwischen den einzelnen Personen und immer ist Alexander mit dabei, entweder direkt oder indirekt, indem er das Tun der anderen lenkt und zwar, ohne dass sich diese dessen bewusst sind, zumindest zu Beginn. Dem zuzusehen und das Vorgefühl, das dies alles, genau geplant, auf etwas zusteuert, das für jeden Einzelnen der Clique mit seiner ganz persönlichen Katastrophe enden könnte, ist absolut packend inszeniert. Und dann ist da ja auch noch das große 'Warum', das für Patrick und Alina und die anderen Mitglieder ihres kleinen Kosmos so lange im Dunklen bleibt.
Ich fand dieses Buch richtig gut, fast wie ein Theaterstück mit ständigem Wechsel der auf der Bühne stehenden Personen, ohne viel drumherum. Jede Szene treibt das Spiel voran und ganz am Ende gibt es einen Gewinner oder vielleicht auch nicht.

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Veröffentlicht am 22.05.2020

Eine außergewöhnlich gute Analystin und der Fall ihres Lebens

Wassertöchter
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Emma Carow ist Fallanalystin beim LKA Berlin. Sie ist Teil einer kleinen Spezialtruppe, die den einzelnen Abteilungen des Landeskriminalamts zuarbeitet, manchmal sind sie aber auch irgendwie mittendrin. ...

Emma Carow ist Fallanalystin beim LKA Berlin. Sie ist Teil einer kleinen Spezialtruppe, die den einzelnen Abteilungen des Landeskriminalamts zuarbeitet, manchmal sind sie aber auch irgendwie mittendrin. Und diesesmal ist es Emma ganz persönlich, die als treibende Kraft in einem Fall agiert, der ganz nah dran ist an ihr selbst und dem, was die junge Frau vor zehn Jahren hat erleben müssen. Sie wurde drei Tage vergewaltigt und gequält und eigentlich hätte sie dieses Märtyrium gar nicht überleben dürfen. Ihr Vergewaltiger zumindest hatte geplant, es auf jeden Fall 'zuende zu bringen'. Aber sie hat es geschafft und Uwe Marquardt, der Dämon, der sie in den letzten 10 Jahren in ihren Gedanken, ihren Träumen und in ihrem eigentlich nie normalen Leben begleitet hat, wurde gefasst und verurteilt. Seit drei Jahren nun ist er wieder da, hat ein Buch geschrieben, über seine Tat, hat Talkshows besucht und dort um Verzeihung gebeten, an Emma gerichtet und er fungiert als prominentes, von einer bestimmten Sorte Mensch auch bewundertes und angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Eines Tages dann findet man eine tote Frau, deren Verletzungen sehr an die Emmas erinnern und alles ist wieder da, so unendlich nah, und das, wo Emma doch gerade das erste Mal wieder so etwas wie Glück fühlen kann in ihrer so verwundeten Seele. Und als Marquardt sich auch noch der Polizei anbietet, zu helfen in diesem Fall und gar forciert, mit Emma zusammen zu arbeiten, ist sie sich sicher, Uwe Marquardt selbst steckt hinter all dem. Und wenn er die Taten von anderen ausführen lässt. Im Manipulieren war er ja schon immer ein Meister.
Dies ist ein absolut packender Thriller mit einem großen Anteil an spannender Ermittlungsarbeit, einer absolut präsenten starken Hauptfigur Emma Carow und einer authentischen, sehr nah und echten Kollegenschaft, die ihr bestes gibt, um an Emmas Seite diesen Fall, den Fall ihres eigenen Lebens, zu einem guten Ende zu bringen. Und dann der Schluss, wenn einem erst mit den letzten Sätzen des Romans richtig bewußt wird, es ist tatsächlich vorbei.
Ein starkes Buch!

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Veröffentlicht am 10.05.2020

Das Schicksal einer Familie im System des geteilten Deutschlands – Die Töchter sind dran

Margos Töchter
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Margo und ihr Mann Henri leben in der BRD, zu einer Zeit, in der es noch zwei Deutschland gibt. Sie ist berufstätig, in den 1960er Jahren von der Gesellschaft eher negativ gesehen, und sie hat eine Tochter, ...

Margo und ihr Mann Henri leben in der BRD, zu einer Zeit, in der es noch zwei Deutschland gibt. Sie ist berufstätig, in den 1960er Jahren von der Gesellschaft eher negativ gesehen, und sie hat eine Tochter, Leonore. Diese wächst somit in einer eher ungewöhnlichen Familienkonstellation auf. Die Mutter ist beruflich nahezu ununterbrochen gefordert. Der Vater, ein Richter, der zu einem großen Teil zuhause arbeiten kann, kocht, kümmert sich um den Garten und versorgt das Kind. Leo rebelliert früh, ohne das es die Eltern wirklich wahrnehmen, geht nach London in der Zeit der freien Liebe, studiert dann in Frankfurt und stellt ihren Eltern irgendwann einen Mann vor. Dort, in ihrem ehemaligen Elternhaus, ist gerade, wie sie überrascht feststellt, eine junge Frau und ihre kleine Tochter Jana zu Besuch. Die Frau nennt sich Gisela und wurde von der BRD aus Ostdeutschland freigekauft, aus dem Gefängnis. Am nächsten Tag ist diese Gisela dann verschwunden und das Kind hat sie zurückgelassen. Leo heiratet ihren Alexander und die beiden adoptieren das Mädchen. Was wir dann hier lesen, ist die 'Geschichte der Töchter', zweier Frauen, die von Familie und jeweiligem politischem System geprägt, dafür einstehend oder sich auch dagegen auflehnend, ihren Weg gehen oder besser gesagt, versuchen, das ihnen aufgebürdete Schicksal zu meistern.
All die Menschen, die sich dabei rechts und links des Weges einbinden in diese Leben, sind Teil einer hautnah und packend geschaffenen Echtzeit, mal sehr unmittelbar in den innersten Beziehungsbereich hinein, mal als politische und berufliche Beigaben in der Auseinandersetzung und dem Abarbeiten an dem System des zweigeteilten Deutschlands und dem Kurs des kalten Kriegs in einem sehr festgefahrenen Ost-West-Gefüge.
Mich hat dieses Buch wirklich umgehauen und ganz schön mitgenommen dazu. Die Prägnanz und Authentizität der Schilderung dieser als aktuelle Geschichte zu bezeichnenden Zeit, die Detailgenauigkeit im kleinen und dann auch im großen politischen Handeln, festgemacht an einer Handvoll Personen, die sehr eng und manchmal doch so weit voneinander entfernt, hier ihr Leben durchschreiten, das hat mich wirklich gepackt. Hier stimmt einfach alles, auch in den Feinheiten dazwischen, egal ob linksgerichtete Zeitungsredaktion oder Abhängigkeitskonstellation im Stasisystem zwischen Führungsoffizier und staatstreuem weiblichem Agent. Nie hätte ich gedacht, das dieses Buch einen solch herausragenden und packenden Roman zur deutsch-deutschen Geschichte in sich trägt. Also ich kann 'Margos Töchter' absolut empfehlen, auch oder gerade für Leser, die sich bisher noch eher wenig in die neuere deutsche Geschichte vertieft haben und für die dies alles z.B. aufgrund ihres jüngeren Alters nie persönlich relevant und wirklich nah war.

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Veröffentlicht am 15.04.2020

Ein junger Mann im Geflecht von Familie und Leben und er ist wichtiger als er denkt

Das eiserne Herz des Charlie Berg
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Charlie ist ein junger Mann und er hat einen Plan. Er möchte einen großen Roman schreiben und dafür hat er eine Zivildienststelle auf einem einsamen Leuchtturm ergattert, mit Vögelzählen und viel Zeit. ...

Charlie ist ein junger Mann und er hat einen Plan. Er möchte einen großen Roman schreiben und dafür hat er eine Zivildienststelle auf einem einsamen Leuchtturm ergattert, mit Vögelzählen und viel Zeit. Aber bis dahin lebt sich sein Leben so vor sich. Er kümmert sich irgendwie um alles, leise und selbstverständlich. Denn sein Vater ist ein recht verpeilter Musiker, der eigentlich dauernd in seinem Keller sitzt und an den Nummern für die nächste Tour mit seinem Partner Stucki bastelt. Und dann gibt es da seine kleine Schwester Fritzi, die über eine absolute Inselbegabung verfügt, Bücher lesen im Akkord und nicht eine Zeile davon jemals vergessen. Die Mutter, Rita, ist meistens nicht 'anwesend', höchstens mal für ein paar Tage, um sich dann erneut aufzumachen, zu neuen Erfolgen als Kultregisseurin an irgendeinem Theater. Es gibt auch noch Großeltern mütterlicher und väterlicherseits, leider nicht mehr ganz vollzählig, aus sehr verschiedenen Gründen und eine Freundin in Mexico, mit der er als Junge einmal einen schönen Kindersommer verbracht hat. Jetzt erzählen sich die beiden, Maryra und er, seit vielen Jahren gegenseitig ihr Leben über den großen Teich hinweg, per Videokassette. Freunde und Feinde und irgendwas dazwischen gibt es auch noch eine Menge in dem ganzen Gewirr. Ach ja, arbeiten geht Charlie natürlich auch arbeiten, in einer Werbeagentur und das durchaus erfolgreich. Das dabei verdiente Geld fließt, ganz klar, ins heimische Familiennest, denn Telefon und Strom sind zwischendrin durchaus auch mal abgestellt, weil Vater Dito es wieder mal vergessen hat oder vielleicht auch gerade nicht so richtig Geld da war, um die Rechnung zu bezahlen. Was solls! Und so ganz nebenbei, man sollte nicht vergessen, Charlie hat ein schwaches Herz, was niemanden so wirklich interessiert und auch er selbst kommt damit ganz gut zurecht, bis die Geschichte dann so richtig Fahrt aufnimmt und das dann Charlie das ein oder andere Mal doch so richtig umhaut. Er stirbt so im Laufe der Zeit nicht nur (fast) einen Tod, denn das krasse Auf und Ab der Gefühle ist ja bekanntlich gar nicht gut für dieses Organ.
Ich fand diesen Debütroman, der den Hamburger Förderpreis bekommen hat, richtig gut. Geradezu ein Debütwerk ist das, was der Autor Sebastian Stuerz da vorlegt. Eigentlich geht es nur um ganz normale Dinge, die halt so passieren in einer vielleicht schon etwas 'vielfältigen' Familie. Und trotzdem wird es einem nicht eine Minute langweilig auf diesem Trip durch die über 700 Seiten lange Geschichte. Ganz zum Schluß hat man mal kurz Sorge, das es den Autor mit seiner Erzählung aus der letzten sehr scharfen Kurve trägt, aber er schafft es dann doch noch, das Steuer der Realität herumzureißen und straight on punktgenau im Ziel zu landen.
Ein ganz tolles Buch. Sehr zu empfehlen.

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