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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.07.2020

Düster und technikgesteuert

Paradise City
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Zoë Beck bleibt bei “Paradise City” dem treu, was sie mit “Die Lieferantin” begonnen hat: Moderne Thriller, die in den Megacities der Zukunft spielen (dort London, hier Frankfurt/Main) und sich bisher ...

Zoë Beck bleibt bei “Paradise City” dem treu, was sie mit “Die Lieferantin” begonnen hat: Moderne Thriller, die in den Megacities der Zukunft spielen (dort London, hier Frankfurt/Main) und sich bisher noch nicht erfundener (oder genutzter) Technik bedienen.

Sie skizziert ein Deutschland, das an die aktuelle politische wie gesellschaftliche Situation Chinas angelehnt scheint. Kameras im öffentlichen Raum, eine Gesundheits-App, ein Staat der über Wohnungsvergaben entscheidet, ein zweifelhaftes Belohnungssystem für “erwünschtes Verhalten” und ein gewisses “Aussortieren” von anders lebenden, anders denkenden sowie weniger fitten und gesunden Individuen.

Hinzu kommt eine staatlich gesteuerte Medienlandschaft, “Fakten” die nicht mehr das sind was wir und aktuell noch darunter vorstellen und eine gedankliche wie genetische “Gleichmachung” der Einwohner.

Gruselig, aber technisch gar nicht so weit von unseren heutigen Machbarkeiten und Forschungen entfernt, wie man teilweise erahnen kann.

Protagonistin Liina steht dem System skeptisch gegenüber, besonders den gesteuerten Medien und der staatlichen Überwachung. Sie arbeitet als eine der wenigen verblieben investigativen Journalisten. Als von ihnen angegriffen werden, gehen ein paar der Kollegen der Sache auf den Grund und fördern Geheimnisse zutage…

Der Thriller ist durchwegs spannend und hat gelungene verstörende Elemente, zeigt keine sehr rosige Zukunft. Durch gelegentliche Rückblicke in Liinas Vergangenheit wird der Lesefluss aber etwa unterbrochen. Wie bei “Die Lieferantin” bleiben auch hier am Ende ein paar Details offen. Wer ist stärker? Können die Journalisten mit ihren Entdeckungen etwas bewirken? Oder haben sie zu viel Angst vor den Mächtigen und müssen sich selbst retten?

Veröffentlicht am 01.07.2020

Mörderische friesische Gemütlichkeit

Halligmord (Ein Minke-van-Hoorn-Krimi 1)
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Kalt, stürmisch und unberechenbar kann die Nordsee sein und wo wüsste man das besser als in dem fiktiven Städtchen Jüstering an der friesischen Küste. In einer solchen unbequemen Nacht vor gut 30 Jahren ...

Kalt, stürmisch und unberechenbar kann die Nordsee sein und wo wüsste man das besser als in dem fiktiven Städtchen Jüstering an der friesischen Küste. In einer solchen unbequemen Nacht vor gut 30 Jahren verschwand ein Halligbewohner.

Kommissarin Minke van Hoorn, gebürtige Jüsteringerin und mit einer interessanten Biografie ausgestattet, bekommt es an ihrem ersten Arbeitstag mit einem cold case zu tun. Eine der Halligwiesen gibt nach einem Unwetter ein Skelett frei und allem Anschein nach hat es sich dort nicht selbst eingegraben.

Minke geht also Klinkenputzen und setzt langsam Puzzleteil um Puzzleteil alles zusammen. Dabei hat sie Glück: das Opfer ist schnell identifiziert, sie muss “nur” zusammentragen was passierte und warum. Dabei sind es die kleinen Details die sie auf die richtige Spur bringen.

Die Atmosphäre und Lebensweise an der Küste und auf den Halligen (im Buch fiktiv, aber es gibt nach wie vor solche bewohnten Inseln) wird gut eingefangen. Von vielen Charakteren erfährt man noch etwas wenig, um sie als gelungen einschätzen zu können, aber es ist ja auch Minkes erster Fall, somit könnte in möglichen weiteren Bänden hier mehr Nähe geschaffen werden.

Veröffentlicht am 25.06.2020

Eine ungewöhnliche Idee mit speziellem Ausgang

DUNKEL
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Eine erfrischende Idee liegt diesem Island-Thriller (wobei es für mich über weite Strecken ein Krimi ist) zugrunde: Er ist der Beginn einer Trilogie, die rückwärts erzählt wird. Von Band zu Band geht es ...

Eine erfrischende Idee liegt diesem Island-Thriller (wobei es für mich über weite Strecken ein Krimi ist) zugrunde: Er ist der Beginn einer Trilogie, die rückwärts erzählt wird. Von Band zu Band geht es also weiter in die Vergangenheit unserer Ermittlerin Hulda.

In “Dunkel” steht sie kurz vor ihrer Pensionierung und kämpft darum, diese möglichst lange hinauszuzögern. Der Vorgesetzte hätte sie gerne sofort los und mit den Kollegen war sie als einzige Frau nie besonders eng verbunden. Also schnappt sie sich für ihren letzten Fall einen cold case und entdeckt so allerlei Ungereimtheiten.

Der Leser kann ihr bei den Ermittlungen über die Schulter blicken, aber erfährt auch vieles über ihr Innerstes und ihre Vergangenheit. Mal ist Hulda sehr hart (auch zu sich selbst) und dann zeigt sie plötzlich eine sehr menschliche, weiche Seite.

Sie bringt sich auch selbst in Probleme und in Gefahr - was der Leser erkennt, sie selbst aber nicht. Hulda polarisiert als Charakter sicher. Die einen werden sie als nervige, langweilige “alte Schachtel” mit Komplexen sehen, die anderen werden auf eine positive Art mit ihr mitleiden. Und dafür muss man nicht über 60 sein.

So speziell die Grundidee der Trilogie ist, sie eröffnet Auto Ragnar Jónasson natürlich weit mehr Möglichkeiten als das in einem “üblichen” Thriller/Krimi der Fall wäre oder gar in einem Teil 1 von 3, wenn sie aufeinander chronologisch aufbauen. Und daher gibt es noch eine Überraschung ganz zum Schluss…

Veröffentlicht am 20.06.2020

Oldie but Goldie

Belladonna
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Neu erschienen bei Lübbe Audio ist im April 2020 dieser “Oldie”. Band 1 der Grant-County-Reihe von Karin Slaughter, erstmals als Buch erschienen 2003. Egal ob man die Erlebnisse von Protagonistin Sara ...

Neu erschienen bei Lübbe Audio ist im April 2020 dieser “Oldie”. Band 1 der Grant-County-Reihe von Karin Slaughter, erstmals als Buch erschienen 2003. Egal ob man die Erlebnisse von Protagonistin Sara Linton bereits kennt oder nicht, lassen sie sich mit der Stimme von Nina Petri (die auch andere Reihen von Slaughter liest) wunderbar (neu) entdecken.

Zu Beginn war ich fast überrascht, eine Frau zu hören und ich musste mich auch generell erst in die Geschichte hineinfinden. Irgendwie schien es Frau Petri ähnlich zu gehen, ich hatte das Gefühl, dass sie immer sicherer wurde und das half wiederum mir, noch stärker im Hörbuch zu versinken.

Diese Ausgabe ist ungekürzt, zuerst dachte ich mir nicht viel dabei, freute mich. Ich finde das ist ein gutes Zeichen, war aber dann doch auch überrascht über die mehr als 12 Stunden Hörvergnügen. Ich hatte mir die Zeit bewusst nicht vorher herausgesucht, man weiß auch anhand der Track-Nummern in etwa wo man sich befindet, wie viel noch kommen wird.

Die Handlung selbst ist ein echter Thriller - grausam, stellenweise blutig und eklig (auch moralisch), gespickt mit persönlichen Geschichten der Beteiligten. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, das kommt gerade bei einem “Band 1” immer besonders heraus.

Ein grausiger Mord geschieht, Religion scheint eine Rolle zu spielen und Kinderärztin und Rechtsmedizinerin Sara stolpert mitten in die Sache hinein - sie findet das Opfer. Der zuständige Polizeichef ist ihr Ex-Mann und auch die Situation, dass in der beschaulichen amerikanischen (fiktiven) Kleinstadt jeder jeden kennt, macht macht die Aufklärung der Tat nicht einfacher.

Die Stärke des Buchs ist auch ein wenig eine Schwäche. Es werden, um nicht nur mühsame, langsame Ermittlungen zu beschreiben, die Hauptpersonen durchleuchtet und einige Nebenhandlungen begonnen. Am Ende überschlagen sich dann die Ereignisse und so bleibt manches andere dann einfach offen. Kleinigkeiten und für die Lösung nicht direkt relevant, aber dennoch. Man darf zumindest davon ausgehen, dass manches im nächsten Band weitererzählt wird.

Zu den sehr explizit beschrieben Szenen: Zu viel Vorstellungskraft sollte man da nicht anwenden, wer so etwas nicht oft liest, sollte dieses Hörbuch besser nicht hören oder diese Teile überspringen. In Amerika löste das Buch damals eine Diskussion über Gewalt in der Literatur aus.

Ich habe das Gefühl, dass es in den seither vergangenen 17 Jahren viel “normaler” wurde, dass manche Bücher, manche Autoren vor allem, eben dafür bekannt wurden und ihre Fans sogar schon diese Geschichten und Szenen erwarten. Wenn die Leser nicht völlig unvorbereitet damit konfrontiert werden, sehe ich keinen Grund, warum es diese Sparte nicht geben sollte. Und in den meisten Fällen ist das “echte Leben” leider auch mindestens so grausam wie alles was in der Literatur so vorkommt.

Veröffentlicht am 15.06.2020

Ach du Scheiße, der Mango!

Kollateralschaden
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In Linz geht’s rund. In der Altstadt fallen Schüsse, dubiose Geldflüsse und Machenschaften werden auch aufgedeckt und zu allem Überfluss spielt auch noch Menschenhandel eine Rolle.

Zum Glück ist das nur ...

In Linz geht’s rund. In der Altstadt fallen Schüsse, dubiose Geldflüsse und Machenschaften werden auch aufgedeckt und zu allem Überfluss spielt auch noch Menschenhandel eine Rolle.

Zum Glück ist das nur ein Krimi, oder? Einheimische werden im Fall des angeschossenen Sportredakteurs (Spitzname Mango) aber schon feine Parallelen zu einer wahren Begebenheit entdecken. Für alle anderen bietet dieser Teil der Geschichte sicher eine nette Recherche nach der Lektüre.

Zurück zum Buch: Josef Vierziger, älter als sein Name und Partner einer deutlich jüngeren Frau, ist glücklich. Er überdenkt seine Lebenssituation und steckt voller Pläne die er mit besagter Freundin verwirklichen möchte. Doch anstatt seines geplanten Liebesschwures trifft Conny eine Kugel mitten ins Herz. Naja, fast.

Statt im gemeinsamen Bett liegt sie daraufhin im Krankenhaus. Auch ein zweites Opfer gibt es. Wer ballert denn da so mörderisch durch Linz? Major Vierziger und seine Kollegin, Chefinspektorin Gaby Glück, ermitteln. Vielmehr Gaby, denn Josef ist persönlich zu sehr involviert. Aber er hilft natürlich im Hintergrund und schließlich kommt ein Fall selten allein.

Joseph Lemark bringt dem Leser all die verschiedenen Schauplätze und Verstrickungen möglichst schonend bei, “zitzerlweise”, wie die Protagonisten sagen würden. Die wesentliche Zahl an Charakteren bleibt immer überschaubar und durch die kontinuierliche Steigerung der Komplexität kann der Leser gut den Überblick behalten.

Wie alle Fäden am Ende zusammenlaufen, kann ein geübter Krimi-Leser schon etwas früher erahnen, aber nicht so bald, dass das Lesevergnügen darunter leidet. Lokalkolorit ist auch in guter Dosis vorhanden, wenngleich ich mir in ein paar Situationen noch mehr Österreichisch gewünscht hätte. Ein paar Sätze waren sehr passend, dann wars wieder etwas “abgeschliffener”. Bei einem deutschen Verlag hätte mich das nicht gewundert, hier denke ich aber ginge noch mehr.

Zur Verortung: Großteils kann man den Angaben gut folgen, nur 2-3 Mal war ich mir nicht ganz sicher, ob das in der Realität, in der Stadt auch wirklich so funktionieren würde mit Richtungen und Entfernungen. Es ist aber auch immer so, dass wenn zwei Leute sich gegenseitig den selben Weg erklären wollen, zwei unterschiedliche Strecken dabei herauskommen. Vorrang hat natürlich die gute Krimigeschichte.

“Kollateralschaden” ist der dritte Fall für Josef und Gaby, nach “Tödliche Liebe" und “Vendetta”.