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Veröffentlicht am 02.07.2020

Ein leiser, sehr menschlicher Roadtrip zum Kern der Wahrheit

Noch alle Zeit
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Wie ist es wohl, alles im Leben zu opfern, was dir selbst wichtig ist, deine Freiheit, deine große Liebe, die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der dich ausfüllt oder irgendwohin zu reisen, um diekranke ...

Wie ist es wohl, alles im Leben zu opfern, was dir selbst wichtig ist, deine Freiheit, deine große Liebe, die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der dich ausfüllt oder irgendwohin zu reisen, um diekranke Mutter zu pflegen, die ständig Aufmerksamkeit einfordert, ja, einen für sich allein haben will. Und dann stirbt sie von einen Tag auf den anderen und du stellst fest, dass sie dich ein Leben lang belogen hat?
Das ist Edvards Geschichte. Nach dem Tod seiner Mutter findet er heraus, dass sie ihn Zeit seines Lebens über den Tod seines Vaters belogen hatte und bricht Hals über Kopf nach Norwegen auf, um seinen Vater auf die Spur zu komnen.

Wie ist es, in einer Familie aufzuwachsen, in der man sich ungeliebt fühlt, man von der Mutter verachtet wird und diese die Schwester vorzieht, der Vater trinkt und im Selbstmitleid versinkt und die Schwester aufgrund ihrer Vorzugsbehandlung zu ner blöden Kuh mutiert? Wie soll man selbst eine gute Mutter sein, wenn man in Selbstmitleid und Egoismus versinkt und das Gefühl hat, man könnte gar niemanden lieben?
Das ist Alvas Geschichte. Auch sie begibt sich auf die Reise nach Norwegen, allerdings, um einen Artikel über die mythischen Plätze Norwegens zu schreiben, die noch halbwegs unbekannt sind.

Auf einer Fähre zwischen Dänemark und Norwegen treffen die beiden ungleichen Charaktere aufeinander. Der Beginn eines außergewöhnlichen Roadtrips auf der Such nach Antworten und zu sich selbst.

Alexander Häusser hat "Noch alle Zeit" in einer unaufgeregten, ruhigen Art verfasst und lässt uns dennoch die Emotionen der Protagonisten deutlich spüren. Man kann Edvards Ärger auf seine Mutter wegen seines verschenkten Lebens ebenso deutlich spüren, wie Alvas ewigen Kampf mit den Selbstvorwürfen und dem Gefühl, sie könnte niemanden lieben, nicht mal ihre Tochter. Und man spürt auch die etwas unbeholfene Interaktion zwischen den Beiden, die in ihre ganz eigenen Probleme verstrickt sind und dennoch immer wieder ein paar Schritte auf sich zu gehen müssen. "Noch alle Zeit" ist ein leiser, ein ganz und gar menschlicher Roadtrip zum Kern der Wahrheit.

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Veröffentlicht am 28.06.2020

Wer würde nicht gern durch die Zeit reisen?

Rubinrot - Saphirblau - Smaragdgrün. Liebe geht durch alle Zeiten
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Zu Weihnachten letzten Jahres hat mir meine bessere Hälfte die Edelsteintrilogie von Kerstin Gier im Schuber der ersten Auflage geschenkt. Ich bin jetzt wirklich nicht der Typ Frau, der auf pink und rosa ...

Zu Weihnachten letzten Jahres hat mir meine bessere Hälfte die Edelsteintrilogie von Kerstin Gier im Schuber der ersten Auflage geschenkt. Ich bin jetzt wirklich nicht der Typ Frau, der auf pink und rosa steht, deshalb war ich froh, dass wir den schwarzen Schuber auf Ebay ergattert haben. Ich wollte die Trilogie schon länger lesen, hab es aber tatsächlich erst ein halbes Jahr nach Erhalt damit angefangen, weil mir die ganze Zeit andere großartige (und selten auch weniger großartige) Bücher in die Quere kamen, die unbedingt gelesen werden wollten und mir die letzten Monate nach Fantasy auch nicht großartig der Sinn stand. Umso schlimmer ist es, dass mich die Trilogie mit einem Lese Kater zurück lässt und ich derzeit Probleme habe, in andere Bücher hineinzufinden.

Um was geht es in den Romanen der Edelsteintrilogie, betitelt mit Rubinrot, Saphirblau und Smaragdgrün?

Gwendolyn ist 16, auf der Highschool, ziemlich schusselig und steht, im Gegensatz zu ihrer Cousine Charlotte, um die sich in ihrer Familie alles dreht, nur ungern im Mittelpunkt. Die großartige Charlotte soll das Zeitreisengen besitzen und wird seit ihrer Kindheit darauf vorbereitet, in der Zeit zurück zureisen und Aufgaben für eine geheimnisvolle Loge und den Grafen von St. Germain zu erfüllen. Nunstellt sich aber dummerweise heraus, dass nicht Charlotte die mit dem Zeitreisegen ist, sondern Gwendolyn und das stellt alles auf den Kopf. Gwen stolpert völlig unvorbereitet in das Abenteuer ihres Lebens. Begleitet wird sie dabei von Gideon De Villiers, der aus einer zweiten Zeitreisefamilie stammt und wegen Gwen zunehmend an seiner "Mission" zweifelt und sie in ein Gefühlschaos stürzt, dass für einen pubertierenden Teenager nur schwer zu ertragen ist.

Kerstin Gier schreibt ohne Kitsch und Chichi und muss zu der Zeit, als sie die Edelsteintrilogie verfasst hat, selbst mindestens ein Pubertier aufgezogen haben, jedenfalls lässt die Art, wie sie über Gwendolyn schreibt, wie sie sich in sie hineinversetzt, genau das vermuten. Ich mochte auch Gwen's schlaue Freundin Leslie und Xemerius sehr gern, die ihr mit Rat und Tat zur Seite standen. Und Gideon hätte mich wahrscheinlich ebenso in den Wahnsinn getrieben, wie unsere liebe Gwen, wenn im Nachhinein auch seine Motive auch besser zu verstehen waren.

Es wäre cool, wenn Zeitreisen in der Tat möglich wären, allein, um unsere Geschichte besser zu verstehen. Und ganz ehrlich, wer von uns würde nichtgerne in den Lauf der Geschichte eingreifen, dem ein oder anderen Diktator den Hals umdrehen oder sich selbst für gewisse Situationen oder Verhaltensweisen Ohrfeigen, die manin der Vergangenheit an den Tag gelegt hat. Wie zum Beispiel, die Verfilmungen der Edelsteintrilogie zu schauen. Nicht, daß Maria Ehrich und Hannes Niewöhner schlecht geschauspielert hätten, viel mehr ärgert mich die Tatsache, dass es möglich gewesen wäre, sich mit dem Drehbuch an die Trilogie zu halten und dann doch wieder alles verdreht und verändert wurde. Ich kann nicht nachvollziehen, was das jedes Mal soll. Man muss doch nicht das Rad neu erfinden. Naja, Buchverfilmungen halt. 🤷‍♀️ Lest lieber die Bücher. Mit der Trilogie hat Kerstin Gier ein Werk geschaffen, dass nicht nur Teens lesen können, sondern mit dem sie auch Erwachsene bezaubern kann.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Die absolut lesenswerte Entstehungsgeschichte von "Das hungrige Krokodil"

Pavel und ich
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Da mich das Buch "Das hungrige Krokodil" von Sandra Brökel so gefesselt und mir viel über den Prager Frühling beigebracht hat, stand für mich fest, dass ich im Anschluss gleich "Pavel und Ich", also die ...

Da mich das Buch "Das hungrige Krokodil" von Sandra Brökel so gefesselt und mir viel über den Prager Frühling beigebracht hat, stand für mich fest, dass ich im Anschluss gleich "Pavel und Ich", also die Entstehungsgeschichte des Hungrigen Krokodils lesen will.

Auch über dieses Buch kann ich nur Gutes schreiben. Man lernt die sympathische Autorin des Buches, Sandra Brökel und ihre Lebensgeschichte kennen. Wie kam sie zu der Geschichte von Pavel Vodák, die auf den persönlichen Aufzeichnungen des tscheschischen Kinderarztes und Psychiaters beruht? Inwiefern ist ihre persönliche Geschichte mit der Vodáks verbunden? Welcher Schicksalsschlag hat sie kurz nach Erscheinen des Hungrigen Krokodils ereilt (bei dem ich während des Lesens im Übrigen sehr mitgelitten habe). Ich möchte aber über den Inhalt nicht zu viel verraten. Man sollte das Buch schon selbst gelesen haben.

Ich war von "Pavel und Ich" ebenso begeistert, wie vom Hungrigen Krokodil (wenn nicht sogar noch ein kleines Bisschen mehr), was nicht zuletzt wieder an Sandra Brökels wunderbaren Schreibstil liegt. Und an ihrer Menschlichkeit, wie sie sich selbst beschreibt und was sie erlebt hat. Ich hoffe inständig, dass Sandra Brökel weitere Bücher schreibt. Ich werde sie alle lesen.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Manchmal sind Autoren eben die besseren Geschichtslehrer

Das hungrige Krokodil
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Mit dem Prager Frühling und seinen Folgen habe ich mich, bevor ich "Das hungrige Krokodil" las, nie wirklich beschäftigt. Sicher, dieser war in unzähligen historischen Romanen, die ich las und die die ...

Mit dem Prager Frühling und seinen Folgen habe ich mich, bevor ich "Das hungrige Krokodil" las, nie wirklich beschäftigt. Sicher, dieser war in unzähligen historischen Romanen, die ich las und die die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts anhand einer schicksalhaften Familensaga erzählten, Thema, ich muss aber zugeben, dass mich die Geschichte nach 1961 noch nie wirklich vom Hocker gerissen hat. Woran es genau liegt, weiß ich nicht zu sagen. Vielleicht, weil wir im Geschichtsunterricht in der Mittelschule ausschließlich über die DDR gesprochen haben und meine Geschichtslehrerin das Thema gelangweilt und genervt herunterrasselte, was zur Folge hatte, dass ich regelmäßig im Unterricht entschlief. Vielleicht wurde der Prager Frühling auch thematisiert, aber ich habe es verpennt... Sei es drum.

Manchmal sind Bücher die besseren Geschichtslehrer. Oder die Autoren, die sie schreiben. Wie Sandra Brökel. Wenn Sandra Brökel eine Bedienungsanleitung für eine Bohrmaschine schreiben würde, würde ich sie lesen. Ihr Schreibstil fängt ihre Leser ein, nimmt sie mit auf die Reise und lässt sie nicht mehr los, bis man die letzte Seite gelesen hat. So auch beim Lesen ihres Buches "Das hungrige Krokodil".

"Das hungrige Krokodil" ist die Lebensgeschichte von Dr. Pavel Vodák, ein renommierter Kinderarzt und Psychiater. Man begleitet ihn durch seine Jugendzeit, als er die Besetzung seines Heimatland durch die Nationalsozialisten miterleben muss, als jungen Arzt, der sich um die befreiten KZ-Häftlinge von Theresienstadt kümmert und als Unterstützer der Reformpolitik, die den Sozialismus menschlicher gestalten sollte. Man erlebt Pavel aber auch als einen zutiefst entmutigten Mann, der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings keine Zukunft mehr für sich und seine Familie in der Tschechoslowakei und keinen anderen Ausweg mehr sieht, als aus seinem Heimatland zu flüchten. Und man begleitet ihn auf seiner Flucht und fiebert mit, dass ihm diese gelingt.

Durch Sandra Brökels unvergleichlichen Schreibstil ist man nicht nur Leser der Geschichte, man wird zu Pavel und sieht seine und einen großen, wichtigen Teil der tscheschischen Geschichte durch seine Augen. Ein wunderbares, lesenswertes Buch.

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Veröffentlicht am 01.06.2020

Kästner geht eigentlich immer!

Als ich ein kleiner Junge war
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Wir befinden uns immernoch in Dresden. Dieses Mal geht es in die Neustadt zu einem meiner Lieblingsautoren: Erich Kästner.

In "Als ich ein kleiner Junge war" schreibt Kästner autobiographisch von seiner ...

Wir befinden uns immernoch in Dresden. Dieses Mal geht es in die Neustadt zu einem meiner Lieblingsautoren: Erich Kästner.

In "Als ich ein kleiner Junge war" schreibt Kästner autobiographisch von seiner Kindheit während der Kaiserzeit, die abrupt mit dem Beginn des ersten Weltkrieges endet. Er erzählt undvom Wohnen in der Königsbrücker Straße, von seiner Mutter, die ihn abgöttisch liebt und alles dafür tut, daß der kleine Erich seinem Wunsch gemäß mal Lehrer werden kann, von Wanderungen und lebensmüden Fahrradtouren und der Via des Onkels am Albertplatz, in der sich heute das Erich-Kästner-Museum befindet.

Wie ich dieser Tage in einer Buchhandlung zu einer Dame sagte, die neben mir den Fabian von Kästner aus dem Regal holte: "Kästner geht eigentlich immer." Ich liebe seinen Schreibstil, der im Gegenteil zu seinen Zeitgenossen niemals antiquiert oder schwulstig ist, der einen abholt und auf jede Reise mitnimmt, die uns Erich Kästner zugedacht hat. Ob Kinderbuch, Gedichtband, Tagebuch oder ein biographisches Werk wie "Als ich ein kleiner Junge war", Kästner ist und bleibt ein großartiger Autor.

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