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Veröffentlicht am 22.07.2020

Abschied von der Kindheit

Schatten der Welt
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Mit seinem neuen Roman ist Andreas Izquierdo einen etwas anderen Weg gegangen, als in seinen letzten Büchern. "Schatten der Welt" ist ein Mix aus historischem und Coming-of-Age Roman, der mich mit seinen ...

Mit seinem neuen Roman ist Andreas Izquierdo einen etwas anderen Weg gegangen, als in seinen letzten Büchern. "Schatten der Welt" ist ein Mix aus historischem und Coming-of-Age Roman, der mich mit seinen über 500 Seiten wahrlich beeindruckte.

Wir befinden uns in Thorn in Westpreußen und schreiben das Jahr 1910. Carl und Artur sind beste Freunde. Während der schüchterne Carl, Sohn eines jüdischen Schneidermeisters, seinem Freund in der Schule hilft, bietet Artur, der bereits großgewachsen und stark ist, Carl Schutz vor einigen rüpelhaften Mitschülern. Die grundverschiedenen Jungs werden beste Freunde, als unverhofft die rotzfreche Isi zur Gruppe stößt. Carl und Artur sind von dem Mädchen hingerissen und die Drei werden bald ein unschlagbares Trio.

Während Carls Vater sich wünscht, dass sein Sohn nach der Schule in seine Schneiderei einsteigt, träumt Carl vom Fotografieren seit er den Laden des zugegezogenen Fotografen entdeckt hat. Er ist fasziniert von der neuen Technik Bilder von Menschen auf Papier zu bringen. Wie gerne hätte er ein Foto seiner verstorbenen Mutter gehabt, die er nie kennenlernen durfte. Artur hat ebenfalls keine Lust bei seinem Vater in der Wagnerei zu arbeiten. Gemeinsam mit Isi heckt er immer wieder verrückte Ideen aus, wie den Verkauf von Pillen gegen den Weltuntergang, angekündigt durch den Halleyschen Kometen. Artur hat Geschäftssinn und Isi immer wieder neue Ideen.

In der Zwischenzeit spitzt sich die weltpolitische Lage immer mehr zu. Auch in Thorn haben die Einwohner langsam genug von der Ausbeutung des einzigen Großgrundbesitzers Boysen, der die Geschehnisse im Ort lenkt. Isi und Artur lehnen sich beide auf ihre Art gegen die Boysens auf, manchmal mit schwerwiegenden Folgen.

Doch dann beginnt der Erste Weltkrieg und die mehr oder weniger unbeschwerte Kindheit ist vorbei. Carl und Artur werden eingezogen und Isi erlebt ihr ganz persönliches Grauen.

Izquierdo schildert mit viel Liebe und Detail aus dem ersten Jahrzehnt des letztes Jahrhunderts - einer Zeit, die von großen Umwälzungen geprägt war. Nicht nur neue technische Errungenschaften und Erfindungen, sondern auch gesellschaftliche Veränderungen standen an. Aber auch Westpreußen, das im heutigen Polen liegt, mit seinem damaligen "Glanz" und den Menschen, die dort lebten, wurde sehr bildhaft dargestellt. Die Hierarchien in der Gesellschaft und die Fassade, die oftmals nach außen hin aufrecht erhalten bleiben musste...

Im Großen und Ganzen fand ich diesen Roman wundervoll. Er lässt sich schwer in ein einziges Genre einordnen, wobei er aber auf jeden Fall dem historischen Genre zuzuordnen ist. Die Geschichte versprüht sehr viel Charme und bleibt im Gedächnis. Nur zu Beginn dauerte es mir etwas zu lange bis Fahrt aufgenommen wurde und am Ende war es mir fast zu übereilt. Doch dazwischen war ich in der Geschichte versunken und konnte mich total fallenlassen.

Schreibstil:
Andreas Iquierdo erzählt detailliert, mitreißend, einfühlsam und bildhaft.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Carl und durch einen allwissenden Erzähler, der die Beschreibung von Artur und Isi übernimmt. Die Charaktere der drei Hauptprotagonisten hat der Autor wunderbar herausgearbeitet. Sie sind facettenreich und entwickeln sich weiter....sie werden erwachsen.
Ich hatte von Carl, Artur und Isi ein detailliertes Bild vor Augen und hoffte und bangte mit ihnen.
Auch die Kriegsszenen sind sehr eindringlich dargestellt - vorallem die beiden Seiten der Kriegsberichterstattung durch die Medien/Fotografien.

Fazit:
Ein berührender und mitreißender Coming-of-Age Roman mit historischem Setting, der vorallem durch seine lebendigen Figuren und deren Entwicklung glänzt. Toll erzählt, aber auch mit kleinen Schwächen am Anfang. Ein Roman, der im Gedächtnis bleibt und den ich gerne weiterempfehle!

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Veröffentlicht am 09.07.2020

Nur ein Stern am Musikhimmel?

Steirerstern
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Nachdem ich vom letzten, den neunten Fall, um Sandra Mohr und Sascha Bergmann, ziemlich enttäuscht war, hat dieser wieder Biss.
Zugute kam mir auch noch das Thema Musik, auch wenn es sich um eine Musikrichtung ...

Nachdem ich vom letzten, den neunten Fall, um Sandra Mohr und Sascha Bergmann, ziemlich enttäuscht war, hat dieser wieder Biss.
Zugute kam mir auch noch das Thema Musik, auch wenn es sich um eine Musikrichtung handelt, der ich nicht viel abgewinnen kann. Luigi, der Bassist einer Volksrockn' Roller Band, stürzt tödlich über eine Treppe, kurz bevor die Gruppe beim Open Air in Spielberg auftreten soll. Jessica hat zusätzlich ihren Manager Karl "Charlie" Braun gefeuert. Als Frontfrau ist sie sich bewusst, dass sie der alleinige Stern am Schlagerhimmel ist. Doch woher soll sie so kurz vor dem Auftritt in Spielberg einen neuen Bassisten nehmen? Und wer schreibt ihr diese anonymen Briefe, die regelmäßig in ihrer Fanpost landen?
Sascha und Sandra ermitteln in der heimischen Musikszene und erkennen bald, dass oftmals Neid und Missgunst herrschen. Zusätzlich wird Jessica von einem Fan gestalkt, der von ihr besessen zu sein scheint.

Die eigentliche Kriminalgeschichte steht diesmal doch sehr im Hintergrund. Grund dafür ist auch Saschas Sohn David, der Bandmitglied ist. Er glaubt nicht an einem Unfall seines besten Freundes. Zusätzlich war Luigi der Freund der Sängerin und Frontfrau Jessica Wind, die daraufhin in Verdacht gerät. Doch einige Zeit später ist auch Jessica spurlos verschwunden.....

Das Geplänkel zwischen Sascha und Sandra scheint etwas an Biss verloren zu haben. Oder ist es Saschas Situaion gewidmet? Für diesen Fall soll er abgezogen werden, denn er ist als Vater befangen und darf eigentlich nicht ermitteln....eigentlich. Deshalb stößt die schwergewichtige Renate Puntigam zum Team dazu.
Der Krimi ist kurzweilig und überrascht mit unerwartenden Wendungen. Das gewohnte Lokalkolorit und die Landschaftsbeschreibungen, diesmal aus dem Murtal, sind etwas reduziert. Bei "Steirerstern" steht eindeutig das Musikbusiness im Vordergrund.

Den Schluss fand ich etwas übereilt, aber spannend und logisch gelöst. Zu guter Letzt gibt es wieder einen kleinen Cliffhanger mit Ausblick auf den kommenden Fall.

Fazit:
Der zehnte Fall der Reihe ist etwas anders, als die Vorgänger. Er hat mir aber wieder wesentlich besser gefallen als Band neun, obwohl die eigentliche Kriminalgeschichte etwas ins Hintertreffen gerät. Sandra und Sascha sind mir mittlerweile ans Herz gewachsen und so ist jeder weitere Fall wie ein nach Hause kommen. Der Einblick in die heimische Musikszene hat mir ebenfalls gut gefallen. Ich hoffe Band 11 kann ebenfalls wieder bei mir punkten.

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Veröffentlicht am 18.06.2020

Interessanter erster Teil rund um das Juliusspital und die Medizin

Das Juliusspital. Ärztin aus Leidenschaft
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Würzburg 1850. Viviane Winkelmann ist die Tochter eines angesehenen Bankiers. Die aufgeweckte junge Frau soll mit einem Sohn aus gutem Hause verheiratet werden, doch ihr Herz gehört Steinmetz Paul. Als ...

Würzburg 1850. Viviane Winkelmann ist die Tochter eines angesehenen Bankiers. Die aufgeweckte junge Frau soll mit einem Sohn aus gutem Hause verheiratet werden, doch ihr Herz gehört Steinmetz Paul. Als sie von ihm ein Kind erwartet, schicken sie ihre Eltern ins Kloster. Dort soll der Säugling nach der Geburt zur Adoption freigegeben werden. Doch Viviana träumt von einer gemeinsamen Zukunft mit Paul und ihrer kleinen Tochter Ella und flieht. Daraufhin verstoßen sie ihre Eltern. Fortan lebt sie in der Pleich, dem Armenviertel der Stadt. In der Apotheke neben dem Juliusspital erhält sie die Chance als "Helfnerin" zu arbeiten. Dort entdeckt sie ihr Interesse für die Heilkunde und Medizin....

Romane über Medizin und Frauen, die in früherer Zeit gerne Ärztin geworden wären oder eine der ersten praktizierenden Ärztinnen waren, gibt es momentan sehr viele. Hebammen und Krankenschwestern tummeln sich in den Bücherregalen....auch in meinen. Dabei habe ich schon einge sehr spannende Geschichten gefunden, die mir gut gefallen haben. Natürlich gibt es auch durchschnittliche Romane zum Thema, doch der erste Band der Schwestern Claudia und Nadja Beinert über das Juliusspitals gehört nicht dazu.
Wir begleiten unsere anfangs naive Hauptprotagonistin, die sich von der verwöhnten Bankierstochter zur alleinstehenden Mutter eines unehelichen Kindes wandelt, plötzlich Verantwortung übernimmt und schlussendlich zu einer mutigen jungen Frau wird, die für mehr Frauenrechte kämpft. Dieser Wandel wird von den beiden Autorinnen sehr spannend und deatilliert beschrieben. Ihre Liebe zur Medizin und der Kampf für Frauen ein Studium zu ermöglichen wird fesselnd erzählt. Das große Vorbild von Viviana ist Dorothea Erxleben, die erste Ärztin, die bereits im 18. Jahrhundert promovierte. Doch 1850 sieht die Welt wieder anders aus und Frauen sind nichths anderes als Anhängsel der Männer, die sich vorwiegend um den Ehemann und den gesellschaftlichen Status widmen sollen. Die meisten Männer wollen keine Frauen in ihren Reihen, denn ihrer Meinung nach sind sie weder geistig in der Verfassung sich zu bilden (!), noch körperlich dem Mann ebenbürtig. Um ein Studium als Frau zu erhalten, muss sie ein Abitur haben, doch diese Möglichkeit gabe es für Mädchen im Königlichen Bayern zu dieser Zeit nicht.

Die medizinischen Ansätze haben Claudia & Nadja Beinert sehr anschaulich und detailliert ausgearbeitet. Der damalige Klinikalltag und der Stand der Forschung, aber auch der Unterschied zwischen Arm und Reich sind hervorragend beschrieben. Zu dieser Zeit war das Juliusspital in Würzburg, der heute weitaus bekannteren Berliner Charité, überlegen. In allen universitären Fachbereichen wurden bahnbrechende Entdeckungen gemacht. Rudolf Virchov forschte damals ebenfalls noch in Würzburg, wo er die Cellular-Pathologie entdeckte, die den Glauben an die Vier-Säfte-Lehre ablöste. Auch vor detaillierte Leichensezierungen nehmen die beiden Autorinnen nicht Abstand. Gut, dass ich so viele Thriller gelesen habe, wo ich bereits öfters mit ähnlichen Passagen konfontriert wurde.

Charaktere und Schreibstil:
Der Schreibstil ist sehr detailliert und teilweise auch mit medizinischen Fachausdrücken gefüllt. Deswegen kommen ab und zu einige kleine Längen auf. Doch er ist auch sehr bildhaft und fesselnd.
Die Figuren sind bis in die Nebencharakter lebendig und authentisch gezeichnet. Viviana entwickelt sich zu einer selbstbewussten Frau, die nicht so schnell aufgibt und für ihre Träume lebt. Sie besitzt Mut und Stärke.
Neben Rudolf Virchov sind weitere historische Persönlichkeiten in den Roman eingeflossen. Zu Beginn gibt es ein Personenverzeichnis und am Ende ein Nachwort der beiden Autorinnen. Der Roman ist in drei Teile: Mit Herz, mit Verstand und mit Gefühl, aufgeteilt.

Fazit:
Ein interessanter Start in diese Reihe rund um das Juliusspital, der mit Vivianas Enkelin Henrike und der Erfindung der Röntgenstrahlen im August fortgesetzt wird. Für Leserinnen, die auch die Charité von Ulrike Schweikert oder Helene Sommerfelds Trilogie "Die Ärztin" mochten. Ich empfehle den Roman gerne weiter.

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Veröffentlicht am 16.06.2020

Schatten und Licht

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Anne Stern ist für mich keine unbekannte Autorin, denn ich kenne sie bereits durch ihre Bücher, die sie als Selfpublisher veröffentlicht hat. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Rowohlt Verlag ...

Anne Stern ist für mich keine unbekannte Autorin, denn ich kenne sie bereits durch ihre Bücher, die sie als Selfpublisher veröffentlicht hat. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass der Rowohlt Verlag ihre Fräulein Gold Reihe ins Verlagsprogrgamm genommen hat. Die Geschichte ist eine Mischung aus historischem Roman und historischem Krimi mit einem kleinen Schuss Liebe.

Im Auftakt dieser Reihe begeben wir uns nach Berlin ins Jahr 1922, wo Hulda Gold im Elendsviertel Bülowbogen im Stadtteil Schönberg als Hebamme tätig ist. Es ist eine politisch sehr unruhige Zeit und die Inflation hat die Menschen im Griff. Die Zeit ist schnelllebig und die Kluft zwischen Arm und Reich groß.
Hulda ist nicht nur bei Geburten anwesend, sondern versucht bereits zuvor eine Bindung zu den schwangeren Frauen aufzubauen. Als sich eine ihrer Patientinnen um ihre verschwundene Nachbarin Rita sorgt, bittet sie die Hebamme nachzuforschen. Hulda findet heraus, dass Rita aus dem Landwehrkanal gefischt wurde und der Fall bereits als Selbstmord abgestempelt wird. Daraufhin versucht sie auf eigene Faust zu recherchieren.
Dabei kommt sie Hauptkommissar Karl North in die Quere, den sie für unfähig hält. Dieser ist zusehens genervt von Huldas Einmischerei, die sie immer wieder in große Gefahr bringt.
Generell ist das Duo Hebamme und Kriminalkommissar als Ermittler mal etwas Neues. Es ist eine Mischung aus der Hebammensaga von Linda Winterberg und den Krimis von Volker Kutscher um Gideon Rath. Aber eigentlich sollte man keine Vergleiche anstellen, denn Anne Stern hat mit Hulda Gold etwas Neuartiges kreiiert.

Kommissar Karl North fand ich ebenfalls sehr interessant. Aufgewachsen als Waisenkind in einem Heim hat er seinen Weg gemacht. Doch die Vergangenheit hat er noch nicht richtig abgeschüttelt. Der Mordfall um die Prostituierte Rita bringt ihn deshalb an seine Grenzen. Gleichzeitig wirkt er aber unnahbar und nicht unbedingt vertrauenswürdig.

Hulda ist eine sehr eigensinnige und unerschrockene junge Frau, die mit 26 Jahren bereits als alte Jungfer gilt. Sie hat eine Beziehung hinter sich, mit der sie noch nicht wirklich abgeschlossen hat. Zusätzlich steckt sie gerne ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen und sie immer wieder in Schwierigkeiten bringen. Sie hat ein Herz für die Armen und unterstützt die Frauen in den heruntergekommen Mietskasernen, wo sie nur kann. Zusätzlich bekommt man als Leser einen guten Eindruck von Huldas Arbeit als Hebamme.
Beide Charaktere sind sehr gut eingefangen und haben Ecken und Kanten.

Anne Stern schreibt sehr mitreißend und detailiert. Die Schauplätze sind sehr bildhaft und lebendig beschrieben. Obwohl ich noch nie in Berlin war hatte ich immer ein Bild vor Augen und begleitete Hulda auf ihren Wegen.
Das Aufkommen der Nationalsozialisten wird ebenso erwähnt, wie die Kluft zwischen den Hebammen und den Gynäkologen in den Krankenhäusern.
Das informative Nachwort am Ende des Romans rundet die Geschichte perfekt ab.

Fazit:
Ein gelungener Auftakt mit einem ungewöhnlichen Ermittlerpärchen, das in Berlin der 1920iger Jahre den Tod einer Prostituierten aufzuklären versucht. Ich bin shcon sehr auf die Nachfolgebände gespannt, die im Oktober dieses Jahres und im April 2021 erscheinen werden.

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Veröffentlicht am 08.06.2020

Gibt es eine zweite Chance?

Wer, wenn nicht wir
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Ich liebe die Romane von Barbara Leciejewski, die mich bisher immer begeistern konnte. Auch ihr neuer Roman "Wer, wenn nicht wir" hat mich wieder großartig unterhalten und mich doch so über das eine oder ...

Ich liebe die Romane von Barbara Leciejewski, die mich bisher immer begeistern konnte. Auch ihr neuer Roman "Wer, wenn nicht wir" hat mich wieder großartig unterhalten und mich doch so über das eine oder andere in menem Leben nachdenken lassen - bin ich doch selbst schon mehr als zwanzig Jahre verheiratet.

Viola und Florian sind seit ihrer Schulzeit ein Paar und seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet. In den letzten Jahren haben sie sich allerdings verloren und jeder geht seinen eigenen Weg. Während Viola ihre Karriere als Orchestermusikerin der Familie zuliebe aufgegeben hat und seitdem als Musikschullehrerin Kindern Klarinette spielen beibringt, hat sich Florian zum leitenden Oberarzt in der Unfallchirurgie hochgearbeitet. Er liebt seinen Job, der sehr herausfordernd ist. Ignoranz, Desinteresse und fehlende Kommunikation schleichen sich in die Beziehung ein und nachdem die Kinder fast erwachsen sind, beschließen Viola und Florian sich einvernehmlich zu trennen. Die Freunde und Verwandten sind entsetzt. Trennung und Auszug verlaufen probemlos. Doch da gibt es noch den Sommerurlaub auf Rhodos, den Florian vor längerer Zeit "zum Sonderpreis" gebucht hat - den man nicht stornieren kann. Und so treten sie die Reise ins wunderschöne Griechenland getrennt an....

Barbara Leciejwski beschreibt die Eheroutine sehr realistisch. Die Stimmung und die Verlorenheit der Protagonisten wird sehr gefühlvoll beschrieben. Während beide in der Tretmühle des täglichen Lebens und den Anforderungen anderer feststecken, verlieren sie sich und treiben auseinander. Man fühlt mit Viola und Florian mit, die Auswegslosigkeit ist durch die Zeilen spürbar. Nur im Urlaub, wenn man aus der Routine aussteigt, hat man oftmals eine andere Sicht auf das Leben. So ergeht es auch Viola und Florian. Das Doppelzimmer wurde in zwei Einzelzimmer umgebucht und auch die Ankunftszeiten auf Rhodos sind unterschiedlich. So checken sie als in Trennung lebend als Doktor Quandt und Frau Janiki im Hotel ein und erleben sehr bald die ersten Annäherungsversuche anderer Singles, die auf Urlaubsflirts aus sind. Wie beide darauf reagieren hat die Autorin mit sehr viel Humor und einem Augenzwinkern gekonnt dargestellt. A-Typische Charaktere, die wohl jeder kennt, geben dem Roman seine Würze.

Gerne habe ich bei der Lektüre an meinem Urlaub auf Rhodos zurückgedacht. Viele bekannte Plätze und die typische griechische Gastfreundschaft haben mich träumen lassen. Die malerische Landschaft wird bildhaft dargestellt. Besonders gefreut habe ich mich auf die Beschreibung vom Tal des Schmetterlinge, welches ich damals leider nicht besuchen konnte. Und genau dort passiert in der Geschichte auch etwas Bezauberndes, das den Ausgang des Buches beeinflusst. Als Leser hofft man die ganze Zeit darauf, dass Viola und Florian wieder zusammenkommen. Doch lässt sich dieser Bruch noch kitten?

Die Geschichte ist auf keiner Weise vorhersehbar, denn Barbara Leciejewski hat jede Menge überraschende Wendungen eingebaut, die oftmals eine unerwarte Richtung einnehmen.
Die Dialoge sind spritzig und oftmals kommt auch der schwarze Humor durch. Durch die wechselnde Erzählperspektive erhält der Leser genaue Einblicke in die Gefühlswelt der Figuren. Auch die Nebencharaktere sind sehr lebendig beschrieben. Manche von ihnen sind sehr A-typisch, doch jeder der bereits Pauschalurlaub gemacht hat weiß, dass diese Figuren im wirklichen Leben zu finden sind.

Diese Geschichte der Autorin ist anders, als ihre vorherigen Bücher, doch auch "Wer, wenn nicht wir" habe ich sehr gerne gelesen. Sie ist vorallem für Paare, die schon seit einiger Zeit verheiratet sind zu empfehlen. Viele werden sich in einigen Situationen wiedererkennen.

Fazit:
Eine sehr realistische Erzählung über das Ende einer Ehe und einer eventuell neuen Chance. Das sommerliche Flair auf Rhodos erweckt Sehnsucht nach Urlaub. Ich habe mich gut unterhalten gefühlt und freue mich auf weitere Lektüre der Autorin.

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