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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.08.2020

Ein Prolog, der einem den Atem raubt

Geburtstagskind (Ewert Grens ermittelt 1)
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Kommissar Ewert Grens kennt seit dem Tod seiner Frau Anni nichts anderes mehr als seine Arbeit im Kommissariat in Stockholm. Meist schläft er sogar dort, auf seinem alten Cordsofa, „dessen Bezug keine ...


Kommissar Ewert Grens kennt seit dem Tod seiner Frau Anni nichts anderes mehr als seine Arbeit im Kommissariat in Stockholm. Meist schläft er sogar dort, auf seinem alten Cordsofa, „dessen Bezug keine Längsrippen mehr hat“. Die kurz bevorstehende Pensionierung schürt in ihm tiefe Ängste. Und da ist auch noch der alte ungelöste Fall, der ihn bis heute nicht loslässt. Damals holte er ein 5-jähriges Mädchen aus einem Apartment. Es hatte unmittelbar nach seinem Geburtstag mehrere Tage zwischen seinen erschossenen Eltern und Geschwistern gelebt. Als er 20 Jahre später zu einem seltsamen Einbruch genau in das gleiche Apartment gerufen wird, werden in ihm schreckliche Erinnerungen und schreckliche Vorahnungen gleichermaßen wach…

Nicht nur der Prolog ist atemberaubend, auch die Spannung über das gesamte Buch hinweg baut sich kontinuierlich auf bis zur rasanten letzten Steigerung gegen Ende. Es geht um Rache und Verrat, um verdeckte Ermittler und um neue Identitäten, um Waffen und Ehre, um Trauma und Liebe, also um eine facettenreiche, lebendige Geschichte, in der der Leser lange, lange im Ungewissen gelassen wird. Die geschilderten Personen sind allesamt authentisch gezeichnete individuelle Persönlichkeiten mit Kanten und Macken, dadurch kommen sie dem Leser erstaunlich nahe, ganz besonders Kommissar Grens in seiner Einsamkeit und ruppigen Art. Zwar musste ich mich anfangs ein wenig an den Schreibstil gewöhnen, der teilweise mit unfertigen Sätzen, oft nur einzelnen Wörtern daherkommt. Doch genau dieser unruhige Schreibstil fördert die Atemlosigkeit beim Lesen.

Fazit: Ein packender, sehr spannender Thriller, perfekt konstruiert, mit überraschenden Wendungen. Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 16.08.2020

Psychogramm eines zerzausten Gedächtnisses

Die Märchenerzählerin
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Es geschieht selten. Aber wenn es geschieht, bleibt es im Gedächtnis. Wenn man ein Buch lesen möchte wie so viele andere, unverbindlich, jederzeit weglegbar, aber das Buch sich nicht einfach so lesen ...


Es geschieht selten. Aber wenn es geschieht, bleibt es im Gedächtnis. Wenn man ein Buch lesen möchte wie so viele andere, unverbindlich, jederzeit weglegbar, aber das Buch sich nicht einfach so lesen lässt. Sondern wenn es sich festhaftet, kleben bleibt, sich ins eigene Leben, in die eigenen Erinnerungen drängt, die Gedanken besetzt. Und wenn man Mühe hat, wieder Distanz zu schaffen zwischen Buch und Leben. Weil man selbst fast so alt ist wie Lila, man sich also auch in der „Vorsterbezeit“ befindet, wie es die Autorin einmal nennt? Oder weil das Buch so gut geschrieben ist, dass es nicht loslässt?
Lila Oelmann ist 76. Eigentlich wollte sie immer nach Tahiti und ist doch in Bielefeld geblieben. Sie war mit Hermann in Liebe verbunden und darf, befristet, nach seinem Tod in seiner Wohnung in einer reinen Männer-WG unterkommen. Durch eine Fülle von aufblitzenden Erinnerungen an Kindheit und Jugend, wie es nur ältere Menschen kennen, erfahren wir von der schönen, immer erfolgreichen Schwester Astrid, die seit mehr als 50 Jahren verschwunden ist. Lila wird klar, dass sie nach Astrid suchen muss, bevor es endgültig zu spät ist. Und tatsächlich gibt es eine Spur…
Die Geschichte zwischen Schuld und Wiedergutmachung lebt von einer dauerhaft inneren Spannung, die den Leser Seite um Seite vorantreibt. Und sie lebt von der liebevollen, detailreichen Schilderung von Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Was mich jedoch an den Büchern von Monika Detering immer wieder besonders fasziniert, ist ihre wunderbare Gabe, mit Wortbildern zu jonglieren und so mit ganz wenigen Worten virtuos ein Gefühl, eine Stimmung zu vermitteln. „Jemandem ein Loch in seine Wichtigkeit schneiden“ zum Beispiel oder wenn „eine Wolke Ungelüftetes tief hängt“ oder wenn „selbst die Blätter zu träge sind zum Rascheln“. Mit „Todesblumen“ auf dem Handrücken „einen Mantel aus Zweifeln tragen“ und mit einem „zerzausten Gedächtnis“ durch die „Vorsterbezeit“ gehen - ein Psychogramm des Alters, wie man es besser nicht zeichnen könnte, mit Humor und Herzenswärme gleichermaßen.

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Veröffentlicht am 10.08.2020

700 Seiten Lesegenuss pur

Die Henkerstochter und der Fluch der Pest (Die Henkerstochter-Saga 8)
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Da ich die ersten Bände rund um die Henkerstochter nicht kenne und historische Romane nicht mein bevorzugtes Genre sind, fürchtete ich mich etwas vor dem schwergewichtigen Werk. Andererseits war ich auch ...


Da ich die ersten Bände rund um die Henkerstochter nicht kenne und historische Romane nicht mein bevorzugtes Genre sind, fürchtete ich mich etwas vor dem schwergewichtigen Werk. Andererseits war ich auch neugierig darauf, denn in „Der Lehrmeister“ hatte mich der Autor bereits mit seiner plastisch-lebendigen Erzählfreude überzeugt.
Den Inhalt gibt der Verlag sehr prägnant an: „Sommer 1679. Die Pest, die bereits in Wien wütet, breitet sich in Bayern aus. Der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl wird von einem Pestkranken aufgesucht, der kurz darauf zusammenbricht. Bevor er stirbt, flüstert er Jakob Kuisl noch ein paar rätselhafte Worte ins Ohr: Kuisl muss Kaufbeuren retten, ein schwarzer Reiter spielt dort mit seiner Pfeife zum Tanz auf, der Mörder hat zwei Gesichter. Gemeinsam mit seiner Tochter Magdalena geht Jakob Kuisl den geheimnisvollen Andeutungen nach. Ein gefährliches Unterfangen, denn inzwischen gibt es immer mehr Tote in Kaufbeuren. Doch was steckt dahinter – die Seuche oder ein raffinierter Mörder?
In Zeiten von Corona über die Pest zu lesen, erfasst den Leser ganz, ganz hautnah. Schrecken und Schauder einer Seuche in ihrem ganzen Ausmaß geschildert zu bekommen, bedeutet plötzlich nicht mehr nur, durch eine Geschichte aus weit, weit ferner Zeit unterhalten zu werden. Man zieht beim Lesen immer wieder Parallelen zur Gegenwart, und genau das machte mir die Lektüre, was die Grundthematik betrifft, besonders intensiv. Wiederum besticht der lebendige und fesselnde Schreibstil von Oliver Pötzsch. Über das gesamte Buch hinweg bleibt es durchweg spannend. Immerzu hatte ich farbig-lebendige Bilder im Kopf und empfand das Buch als ein Füllhorn rasant erzählter Historie und damit als Lesegenuss pur!

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Ein Haus und ein Buch mit einem Sog wie Sirenengesang

Das Gartenzimmer
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„Das ist ein guter Ort“ sagte der Journalist Sanders 2001 zur Villa Rosen. „Und das ist ein gutes Buch“, möchte ich hinzufügen.
Der in späteren Jahren zu Weltruhm gelangende Architekt Max Taubert wird ...


„Das ist ein guter Ort“ sagte der Journalist Sanders 2001 zur Villa Rosen. „Und das ist ein gutes Buch“, möchte ich hinzufügen.
Der in späteren Jahren zu Weltruhm gelangende Architekt Max Taubert wird 1909 von Professor Adam Rosen und seiner Frau Elsa beauftragt, in Berlin-Dahlem ein Haus zu entwerfen. Sein erster Auftrag! Es entsteht ein neoklassizistisches Landhaus, dessen viele durchdachte Details und Einbauten die Hingabe des Architekten verraten. 100 Jahre später entdecken Frieder und Hannah Lekebusch das leerstehende Haus, restaurieren es aufwändig, um das Haus in seinem Originalzustand wieder zum Leben zu erwecken. Damit erringen sie viel Aufsehen bei Taubert-Fans, Journalisten und Künstlern. So könnte man ganz oberflächlich den Buchinhalt erzählen. Doch das Buch ist so viel mehr als diese dürftige Zusammenfassung vermuten lässt!
Villa Rosen ist ein Haus, das sich wie ein Schiff durch die Zeiten pflügt, ungerührt von den Ereignissen. Auch wenn der Autor feinsinnig von den Menschen berichtet, die mit dem Haus in Berührung kommen - niemals lässt sich das Haus in den Hintergrund des Lebens schicken. Geradezu beängstigend drängt es sich immer wieder fordernd ins Zentrum. „Häuser sind Diven…“, sie verteilen freigebig Schutz und Schönheit, aber fordern auch Fürsorge und Rundumbetreuung. Welch ein beeindruckender Kunstgriff, der Andreas Schäfer mit diesem Roman gelungen ist. Wir wandern im Haus umher und wandern gleichzeitig durch die Zeitläufte zwischen Weimarer Republik, Nazi-Herrschaft und Gegenwart. Die Chronologie wird in den Erzählsequenzen immer wieder gebrochen, einzig das Haus ist konstant. Die Villa Rosen erscheint mir wie ein bewegtes Bühnenbild, vor dem sich das Leben abspielt, laut und leise, dramatisch und verhalten, sehnsüchtig und übersättigt, immer aber wunderbar poetisch in Worte gefasst. Und ich werde beim Lesen das Gefühl nicht los, dass sich das Bühnenbild, das Haus, tatsächlich einmischt, für manch unbeobachteten Moment sogar die Schicksalsfäden übernimmt.
Ich ging durch das Buch wie durch eine Gemäldegalerie. Ich sah Bild um Bild vor mir, mit Worten, teils erstaunlichen Worten, gemalt. Da sieht man das Bild des Botschafters mit seinen „gefräßigen Augen“. Oder das Fragen aufwerfende Bild eines Gartens, in dem Pfingstrosen und Astern gleichzeitig blühen (S. 87). Oder das Horror- Bild gelblicher Augäpfel in Gläsern zu Forschungszwecken gefangen. Momentaufnahmen. Sensibel, feinfühlig, poetisch gezeichnet. Der Roman möchte mehrfach gelesen werden. Ich bin sicher, dass das Haus von Mal zu Mal weitere Räume offenbart.

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Veröffentlicht am 16.07.2020

Beste Thriller-Unterhaltung

Der Behüter: Thriller
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Eigentlich könnte ich mich ständig selbst zitieren aus meinen früheren Rezensionen, denn egal welchen Thriller ich von Catherine Shepherd lese, egal aus welcher ihrer Thriller-Reihen, immer fühle ich ...

Eigentlich könnte ich mich ständig selbst zitieren aus meinen früheren Rezensionen, denn egal welchen Thriller ich von Catherine Shepherd lese, egal aus welcher ihrer Thriller-Reihen, immer fühle ich mich auf verlässliche Weise auf das Beste und Spannendste unterhalten. So erging es mir auch mit „Der Behüter“, dem neuen Thriller aus der Laura-Kern-Serie.
Vor den Mülltonnen eines Krankenhauses wird eine Tote gefunden, eine Frau, die offenbar vor ihrem Tod in der Klinik behandelt worden war und lt. Überwachungskamera mit einem fremden Mann unerlaubt die Klinik verlassen hatte. Eine weitere Patientin verschwindet. Beide Frauen waren von ihren Lebensgefährten misshandelt worden. Und die weiteren Geschehnisse erwecken den Eindruck, der unbekannte Täter wolle die Frauen vor den Misshandlungen retten. Aber warum tötet er sie dann? Laura Kern wird wieder bis an ihre persönlichen Grenzen gefordert, als ihr klar wird, dass sie einen Serientäter jagt. Insbesondere für das letzte Entführungsopfer wird es ein schier hoffnungsloser Kampf gegen die Zeit.
Catherine Shepherd spielt wieder gekonnt mit dem Leser. Die Reihe der Verdächtigen, die die Autorin in die Handlung einbringt, ist lang. Viele Spuren werden verfolgt, verlaufen im Sande, rücken durch neue Ermittlungsergebnisse erneut in den Fokus, und der Leser wird immer verwirrter. Catherine Shepherd schreibt so bildhaft, so kurzweilig und ideenreich, so überaus spannend, dass man ohne Pause durch die Seiten jagt. Und es gelingt ihr tatsächlich, zum Schluss die Handlung zu einer Auflösung zu führen, mit der man ganz und gar nicht gerechnet hatte. Die von ihr beschriebenen Personen wirken authentisch, vielschichtig, psychologisch stimmig, in ihren Handlungen nachvollziehbar. Übrigens sehr wohltuend fällt im Buch auf, dass Laura sich immer wieder bei ihren Mitarbeitern bedankt. So eine Geste kommt selten vor in Thrillern. Ungewöhnlich ist auch, dass man für den Täter tatsächlich ein wenig Sympathie oder Mitgefühl entwickelt. Denn die Suche nach aufrichtiger Liebe kennen wir alle…
Fazit: Wieder ein überaus spannender und wendungsreicher Thriller von Catherine Shepherd, gekonnt geschrieben. Ein Muss für alle Thriller-Fans!

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