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Veröffentlicht am 26.08.2020

Erst top, dann mir zu viel, zu gewollt, zu viel gewollt

Das Mädchen
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Wie kann man es denn wagen, etwas gegen ein Buch zu sagen, das über die Situation der 2014 in Nigeria durch die djihadistischen Boko Haram entführten Schulmädchen erzählt?

Edna O’Brien schreibt aus ...

Wie kann man es denn wagen, etwas gegen ein Buch zu sagen, das über die Situation der 2014 in Nigeria durch die djihadistischen Boko Haram entführten Schulmädchen erzählt?

Edna O’Brien schreibt aus der Sicht der jungen Ich-Erzählerin Maryam, die als Kind noch mit ihren Mitschülerinnen von den selbsternannten Gotteskriegern verschleppt wird. Auf Angst und Gebetsterror folgt Schlimmeres.

„Er sprach nicht. Seine Macht lag in seinem Schweigen und diesem ekelhaften Stieren. Als er sich auf mich legte, war es, als würde eine schwarze Plane auf mich geworfen, eine Schwärze, die mich unter sich begrub und alles andere aussperrte. Ich wusste, dass er mich umbringen würde, wenn ich etwas falsch machte. Ich versuchte, meinen Körper seinen Bedürfnissen anzupassen, hörte ihm zu, während er rackerte und fluchte, schäumte, ich sei nicht offen genug, nicht gefügig.“

Dieser Teil des Textes ist kaum erträglich und am stärksten dort, wo er wie im vorangestellten Zitat in der Bildhaftigkeit bleibt. Meine Frage an den Beginn der Lektüre war es, wie die Autorin mit dem Horror umgeht, sich ihm nähert. Hier finde ich das Buch stark.

Doch Maryam wird zwangsverheiratet, bekommt ein Kind von dem Sektenmitglied. Es kommt zu einem Angriff auf das Lager, einige Mädchen fliehen, unter ihnen Maryam mit ihrer Tochter Babby. Sie sieht sich dem Misstrauen der Ordnungsbehörden gegenüber, die in ihrer Flucht eine Finte vermuten, um sich getarnt als angebliches Opfer mit den Beamten in die Luft zu sprengen. Aus der Heimkehr wird eine Propaganda-Maßnahme der Politik. Das Leben daheim hat sich verändert, und Maryam sieht sich mit dem Vorwurf konfrontiert, an allem Schuld zu sein, Schande auf sich geladen zu haben. Eine Tante bezeichnet die junge Mutter als „Buschfrau“, deren Kind man in einem Findelhaus unterbringen solle – die kleine Babby trage das Böse in sich.

Und hier etwa steige ich aus. Wir leben selbst in einem Land, wo immer noch Vergewaltigungsopfern vorgeworfen wird, selbst schuld zu sein, zu kurze Rücke getragen zu haben, sich zu aufreizend benommen zu haben. Und da stellt sich eine europäische Autorin hin und wirft der Gesellschaft in einem afrikanischen Land die dortige Version von Bigotterie und Misogynie vor? Danke, aber irgendwie nein danke. Das fängt stark an und endet schwach in Betroffenheitsschreibe; das ist mir „zu viel, zu gewollt, zu viel gewollt“. Ich hätte mir eine Fortsetzung des ersten Parts denken können oder alle Bestandteile, dann aber eher als Sachbuch oder Reisebericht. Interessanterweise empfinde ich eine ähnliche Thematik zu Afghanistan als stärker und weniger plakativ: Khaled Hosseini: Tausend strahlende Sonnen

3 Sterne – wegen Beginn und guten Absichten.

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Veröffentlicht am 02.08.2020

Auf den ersten Blick spannend – beim Nachdenken extrem viele Schwächen

Letale Dosis
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Bislang der beste der Reihe – leider mit so einigem, was nicht passt.

In der (fiktiven) christlichen Religionsgemeinschaft „Kirche des Elohim“ stirbt einer der Amtsträger auf mysteriöse Weise nach seiner ...

Bislang der beste der Reihe – leider mit so einigem, was nicht passt.

In der (fiktiven) christlichen Religionsgemeinschaft „Kirche des Elohim“ stirbt einer der Amtsträger auf mysteriöse Weise nach seiner Insulindosis. Sie war mit Gift versetzt, einem exotischen noch dazu. Die Ermittlungen gestalten sich als schwierig: von seiner Familie und Gemeinschaft wird der ermordete Rosenzweig geradezu als Heiliger beschrieben, doch in seiner Firma hielt man in eher für einen Schürzenjäger und Tyrannen.
HK Julia Durant und ihre Kollegen Kullmer und Hellmer dringen ein in eine sehr traditionelle Gemeinschaft, in der so einiges anders ist als es scheint. Der Tote wird nicht das einzige Opfer bleiben – doch wo liegt das Motiv?

Tja. Wo liegt das Motiv. Letztlich bleibt diese Frage, wenn man über das Buch genau nachdenkt.
Dieser dritte Band der Reihe ist nach meiner Meinung der erste, der wirklich recht spannend ist und auch die Thematik etwas variiert – nur etwas, die Folgen von Kindes- und Machtmissbrauch bleiben irgendwie kleben, der Autor erspart uns nur die große große Verschwörungs-Geheimorganisation, immerhin.

Es gibt wieder sehr viel Fülltext, zum Beispiel, wie Julia Durant sich im Bad verhält (Deo, etwas Makeup, sie entleert ihre Blase), was sie frühstückt (Milch, Cornflakes, Zucker darauf, Kaffee, Zigarette), was es mittags gibt (häufig Currywurst, Bier, Zigarette), was abends (Brot, Salami, Gurke, Bier, Zigarette). Das zieht sich leider durch jedes Buch, mehrfach; es ist langweilig, banal. Wieder saufen und rauchen sich alle durch die Seiten – bis auf Hellmer, der ist jetzt mit Nadine verheiratet, die nach einer Fehlgeburt wieder schwanger ist. Seltsamerweise trinkt er bei der abendlichen Grillfeier, zu der er und seine Frau Julia eingeladen haben, ein Bier?! Klappt eigentlich nicht bei trockenen Alkoholikern, entweder oder. Chef Berger säuft heimlich aus der Flasche im Schreibtisch. Alle fahren Auto mit „Sprit extra“. Allerdings hat man das zu der Zeit tatsächlich auch getan, das ging, bis man dafür seinen Führerschein verlieren konnte. Die Raucherei ist ebenso zeitgemäß.

Julia Durant erweist sich leider häufig als unhöflich oder zickig. Da fragt sie die Ärztin nach ihrer Meinung, lauscht der Antwort, fragt nach - und unterbricht sie dann. Ziemlich häufig steht da „sagte Durant kühl“ oder ähnliches. Dauernd unterbricht sie jemanden. Wohlgemerkt: einen nervigen Kollegen unterbrechen oder einen Wichtigtuer, meinetwegen; aber sie unterbricht auch Zeugen, auf deren Kooperation sie dringend angewiesen ist, für die sie eine angenehme Atmosphäre schaffen müsste. Auf der anderen Seite fragt sie sich häufiger (wie auch einige andere Frauen im Buch sich ähnliche Fragen stellen), was SIE denn getan habe – damit der Mann sich nicht bei ihr glücklich fühlt, um die Essenz der Zweifel wiederzugeben. Willkommen in den Fünfzigern?!

Das bislang könnte man ja noch als persönliche Verlieben abtun. Dicke kommt es aber bei dem Fall. Wenn er geklärt ist, weiß man, dass eine Protagonistin aus dem Buch anscheinend ganz bewusst als Erwachsene eine sexuelle Beziehung mit ihrem eigenen Vater aufnahm – wobei er immerhin die Entschuldigung hatte, nicht zu wissen, dass sie seine Tochter ist. Sie wusste Bescheid. Sorry, das „kaufe“ ich nicht.
Dazu passt es vom Ende der Geschichte her nicht, dass die Ärztin zu Beginn auf ihren Verdacht hinwies, noch dazu auf Gift.
Dann stellt sich die Frage mit der Frau im Pflegeheim – warum war sie in einer Situation, von einem Mitglied der Gemeinschaft unter Druck gesetzt werden zu können, war sie selbst in der Kirche? „Einfach“ nur sehr halbwegs jung (17) schwanger, das ist nun zu der Zeit längst nicht mehr so ungewöhnlich.
Und als letztes: kann mir jemand erklären, warum es nicht nur das zeitlich erste und letzte Mordopfer gab? Die anderen sind ja anscheinend mitnichten direkt für das Täter-Leid verantwortlich, selbst indirekt maximal sehr sehr sehr indirekt – eher im Sinne von „sie waren auch Schweine“ oder „sie haben ihrem Mitbruder bei der Vertuschung geholfen“. Das taten aber auch die Familien, die Mütter, die gesamte Gemeinschaft, die nichts kontrollierte, nicht einmal die Geldflüsse. Ach, und als allerletztes: Welche Bedeutung hatte der Bär aus dem Abschiedsbrief?

Darüber hinaus ist hier etliches unprofessionell: Julia diskutiert ihren Fall mit ihrem Liebhaber, mit ihrem Vater, mit der Frau ihres Kollegen; darüber gibt sie weitere Informationen an diverse Mitglieder der Gemeinde. Ihr Chef Berger weiß, dass sie durch ihren Liebhaber persönlich involviert ist und er weiß zumindest, dass sie den Fall mit ihrem Vater diskutiert – das erzählt sie ihm nämlich. In der normalen Welt hätte man sie vom Fall abgezogen und sie hätte mindestens eine Abmahnung kassiert.

3 Sterne. Guter Ansatz, da hätte besser lektoriert worden sein müssen.

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Veröffentlicht am 02.08.2020

12 weiße Lilien, viele Zigaretten und Bier

Das achte Opfer
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Das achte Opfer von 1999 ist der zweite Band der in und um Frankfurt am Main handelnden Reihe um Hauptkommissarin Julia Durant. Diese bekommt hier einen merkwürdigen Brief mit Bibelzitaten, der in ihr ...

Das achte Opfer von 1999 ist der zweite Band der in und um Frankfurt am Main handelnden Reihe um Hauptkommissarin Julia Durant. Diese bekommt hier einen merkwürdigen Brief mit Bibelzitaten, der in ihr eine düstere Vorahnung heraufbeschwört. Und wirklich, es kommt zu einem Mord – neben dem Toten findet sich ein Zettel mit besagtem Bibeltext. Doch es bleibt weder bei einem Brief noch bei einem Toten, allesamt vergiftet, danach drapiert mit durchtrennter Kehle, ausgestochenen Augen, kastriert. Honorige Prominente – wirklich?

Eine gewisse Beruhigung machte sich breit – ja, Band 2 ist definitiv besser als Band 1, wie ich es auch vor diesem Re-Read in Erinnerung gehabt hatte. „Eigentlich“ weiß der Leser hier sehr früh, wer der Täter ist, denn „er“ wird durch seine Vorbereitungen, später auch seine Taten begleitet. Man weiß nur nicht, wie „er“ denn nun heißt – also weiß der Leser gar nichts. Man weiß, dass es um Carla geht, die als Zwölfjährige von ihrer angeblich besten Freundin zu einer Fete überredet wurde, bei der sie einen Filmriss erleiden wird, halb bewusstlos Sex haben wird, Drogen nimmt, danach zum Anschaffen getrieben wird. Am Ende wird eine ganze Familie in Trümmern liegen, und nicht nur diese.

Und genau hier liegen wieder die Kritikpunkte, an die ich mich auch noch von der letzten Lektüre her erinnerte: Der Täter will Rache für Carla, das ist kein Spoiler, da es früh im Text explizit genannt wird. Was ist mit dieser tollen Freundin, Sylvia, die eindeutig wusste, was bei den Feten abging; was ist mit diesem Charly, der auch bei der ersten Fete einer der schlimmsten Akteure war, der sie später in das Bordell brachte, von dem auch die anderen Zwangsprostituierten später voller Schrecken erzählten? Wurscht. Man bringt lieber die anderen um. Natürlich richtet man bei den führenden Köpfen einer Verbrechergruppe mehr an, aber dieser Charly schien ja doch irgendwie wichtig zu sein? Oder Rick? Oder diese Maria, eine Art Puffmutter anscheinend? Ich finde das auch bei mehrfachem Lesen nicht im Zusammenhang geschrieben.

Ansonsten ist das Buch zwar spannend, aber es wiederholen sich Schwächen aus Band 1: unter drei Bier am Tag geht nichts, weder bei Hauptkommissarin Durant, noch weniger bei ihrem Chef Berger oder (dem irgendwie hier neu auftauchenden) Kollege Hellmer, beide selten ohne Alkohol-Fahne. Mittags einen Zischen, abends das Vergessen einleiten, danach ins Auto? Kein Problem. Und ja, in den 90ern wurde noch viel geraucht, aber es gab schon mehr Nichtraucher als zwischen diesen Seiten. Wiederum ist mir das ganze doch etwas zu heftig: da gibt es wie in Band 1 eine mysteriöse Geheimgruppe mit Kinderschändern. Natürlich global agierend. Warum dann überhaupt einen neuen Trupp ersinnend, es ist doch nur Band 1 b? Gibt’s nichts anderes? Und ebenso beobachtet man wieder HK Durant bei echt spannenden Tätigkeiten wie Salami und Bier kaufen und konsumieren (als Novum: Teewurst), in die Wanne gehen, „mit nichts als Slip und Hemd“ herumlaufen (wow). Das Leben von ihr ist echt dröge.

Insgesamt wirkt von der Warte von Band 2 der Vorgänger eher wie eine Übung: Wollte Chef Berger noch nach Florida und war quasi auf dem Weg, versucht Franz hier zumindest, das irgendwie zu erklären. Kullmer ist auf einmal deutlich weniger unsympathisch, dafür verschwand der noch unsympathischere IT-Jüngling mit den Pickeln. Es gibt ein Wiedersehen mit dem Psychologen Schneider, welchen Nutzen auch immer der haben soll. Durants Vater ist dafür da, dass es immer die gleichen Schnittchen gibt und als Stichwortgeber.

3 Sterne, da insgesamt und ohne Band 1 ganz ordentlich. Ich versuch’s noch mit dem Re-Read von Band 3, danach erwäge ich, die gesamte Reihe ins offene Bücherregal zu verfrachten.

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Schematisch-formelhafter Aufbau, aber spannend - sehr durchwachsen

Auris
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Ich habe das audible - Hörspiel gehört

Zweierlei vorweg: Ich bin weder Fitzek-Hasser noch ein ausgemachter Fan – ich hatte zwei oder drei seiner ersten Bücher gelesen und mir gefiel die für mich ungewohnte ...

Ich habe das audible - Hörspiel gehört

Zweierlei vorweg: Ich bin weder Fitzek-Hasser noch ein ausgemachter Fan – ich hatte zwei oder drei seiner ersten Bücher gelesen und mir gefiel die für mich ungewohnte Art, wie er Bücher enden ließ, so dass ein gewisser subtiler Horror sich erst nach der letzten Seite aufbaute. Ansonsten fand ich ihn teils unnötig drastisch brutal. Fitzek war also nicht der Grund – aber auch kein Grund dagegen.
Dazu hatte ich die letzten Hörspiele als Kind gehört (Fünf Freund von Enid Blyton) und diese Version als Erwachsene abgelehnt – warum sollte ich etwas hören, was kürzer ist als das reine Hörbuch und damit anscheinend auf etwas verzichten? Vorurteil zumindest für die Auris-Reihe abgebaut – die Hörspiel-Version fand ich überzeugend (nicht alles davon, dazu gleich mehr).

Der forensiche Phonetiker Matthias Hegel arbeitet als Profiler bei Ermittlungen in Kriminalfällen – ein Beispiel für seine Arbeitsweise bildet den Auftakt zum Hörspiel. Das war so gut gesprochen durch Oliver Masucci in der Hörprobe, dass ich gekauft habe. Auch wenn Hegel, hinter seinem Rücken heimlich „Auris“ genannt, lateinisch für „Ohr“, wegen seines absoluten Gehörs, nicht unbedingt als der umgänglichste Kollege gilt – ich fand den Protagonisten als Typ interessant. Am Ende des erwähnten Auftaktes landet Hegel selbst hinter Gittern. Das wiederum ruft eine junge Radiomoderatorin auf den Plan, Jula (nein, nicht Julia, wirklich ohne i) Ansorge, die in ihrer Freizeit einen True-Crime-Blog betreibt. Sie ermittelt geradezu fanatisch selbst zu Kriminalfällen, seit sie selbst traumatische Erfahrungen machen musste, und glaubt nicht an Hegels Schuld, da gibt es einige Ungereimtheiten.
Jula wird gesprochen von Svenja Jung, und zwar so, dass ich sie von Anfang bis Ende komplett nervig fand. Sie ist so der Typ Frau mit eingebautem „ich will nicht erwachsen werden“-Modus, glaubt, dass die Welt sich um sie drehe, redet krampfhaft cool, mit zu viel Druck in der Stimme; ich fand die Stimmlage insgesamt einfach nervig. Für die Stimmlage kann sie nichts, für die Darstellung – hm, vielleicht soll die so sein? Du bist 28 (also, Jula), lebe damit! Und wie dämlich kann man (Jula) sein, so gezielt immer mit in Gefährdungs-Situation hinein zu gehen, grundlos??

Von der Spannung her hat mir die Geschichte gut gefallen, auch einige der Nebenfiguren, Julas Halbbruder Elyas, der Street „Gangstaaaaa“ Rapper sein will, dessen Kumpel Friedrich, der wohl eher seinem wohlhabenden Vater eins auswischen will, weniger der dauerbesorgte Ex-Freund von Jula. Es gibt viele Wendungen, dabei störte mich allerdings bald, dass die Kapitel in einer recht vorhersehbaren Weise wechselten: Jula kommt in irgendeine Situation, die wird dann mit Spannung aufgebaut – dann wird gewechselt. Wieder bis zu Spannung – Wechsel. Och Leute – das ist unterste Schublade und ECHT ein billiger Trick. Dazu so eine nervige Psychomusik, bei der ich erst einmal nachprüfen musste, ob ich nicht plötzlich Ohrgeräusche entwickelt habe.

Bald wird klar, dass der erwähnte traumatische Hintergrund aus Julas Vergangenheit eine Art „roten Faden“ bildet. Für den muss man aber Band zwei lesen. Wenn bei so etwas die eigentliche Handlung aus dem Band selbst geklärt ist, mag ich das durchaus. Wenn. Einen zweiten Cliffhanger kann ich weniger leiden – man bekommt da meiner Meinung nach nicht „Auris“ und „Auris 2“ sondern eher „Auris a, b – und irgendwann wohl auch noch c“. Zwingend, wohlgemerkt, da sonst nicht die ganze Geschichte aufgeklärt ist.

Insgesamt: Ich finde die Grundidee um einen Profiler mal auf phonetischer Grundlage gut – und auch eine ermittelnde True Crime Podcasterin. Der gesamte gesprochene Teil von Jula weckte in mir das Verlangen, irgendetwas auf sie zu werfen. Den Handlungsaufbau empfand ich als zu schematisch-formelhaft, die Cliffhanger eine Unverschämtheit. Hörspielen werde ich zukünftig eine Change geben. Gelegentlich. Also – durchwachsen.

Übrigens scheint das Verbrechen in Südamerika, das in Julas Vergangenheit liegt, im Hörspiel an einer anderen Person begangen worden zu sein als im Buch?? Wollt ihr mich doch wieder in meiner Ablehnung von Hörspielen bestärken??

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Veröffentlicht am 12.03.2020

Etwas aufgesetzt wirkend, auch sprachlich. Und: was ist der Sinn?

Zwei Brüder
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„Hier in Frankreich waren wir ein Scheißdreck. Weniger als nichts in einer Gesellschaft, die Gleichheit, Toleranz und Respekt lehrt.“
Der „kleine Bruder“ und der „große Bruder“, wie sie fast die ganze ...

„Hier in Frankreich waren wir ein Scheißdreck. Weniger als nichts in einer Gesellschaft, die Gleichheit, Toleranz und Respekt lehrt.“
Der „kleine Bruder“ und der „große Bruder“, wie sie fast die ganze Zeit über heißen werden, sind die knapp unter 30jährigen Söhne eines Einwanderers aus Syrien, „richtige“ Araber, wie der Vater voller Herablassung über die aus dem Mahgreb sagt. In der alten Heimat, im Bled, hatte er ein Diplom, aber ohne korrektes Französisch konnte er die Familie nur als Taxifahrer ernähren. „…ich schaffe es aber nicht, das zu erklären. Das Leben ist schrecklich, wenn man nicht genug Wörter hat. Die anderen müssen dir zwei Mal so lange zuhören, bis sie dich verstehen. Und teurer ist es auch. Der Therapeut und der Anwalt berechnen dir doppelt so viel, weil du dich mit den Füßen erklärst.“

Der Vater fährt Taxi, der ältere Sohn arbeitet für Uber, was permanente Querelen verursacht. Es fehlt die Mutter, eine Bretonin und somit „echte“ Französin – sie starb früh. Während der Ältere sich ein selbständiges Leben aufbaut mit gelegentlichem Drogenkonsum, ist der Jüngere Krankenpfleger, Idealist, unzufrieden angesichts seiner Träume und Erwartungen. „Um aufrecht zu stehen, muss man ein starkes Rückgrat haben. Und uns haben ein paar Wirbel gefehlt. Jeder von uns hat das auf seine Art ausgeglichen. Ich mit Autos, Kiffe, Shit, Gras und der Kleine mit dem Kopf in den Wolken und der Hand auf dem Koran.“

Doch wie weit geht die Begeisterung des kleinen Bruders, als er sich für eine islamische Hilfsorganisation verpflichtet, um nach Syrien zu gehen? Und vor allem, falls er zurückgekehrt sein sollte, zu welchem Zweck?

Autor Mahir Guven schildert seine Erzählung im Wechsel aus der Sicht der beiden Brüder als Erzähler, ungeschönt, im Slang. Das klingt ein wenig wie Kaya Yanar mit „Was guckst du“ + Flüche. Ehrlich gesagt: es wirkt irgendwann etwas prätentiös. Wie soll ich das erklären – ein Onkel meinte einmal, er möge keine Filme mit Handlung im Mittelalter, in denen es permanent dunkel sei. Man habe ja damals den Vergleich zu moderner Beleuchtung nicht gehabt und somit die eigene Funzel wohl als hell empfunden. Warum sprechen die Söhne also so, beide Eltern waren gebildet, der Vater hat nur kein korrektes Französisch gelernt? Und: wenn sie denn so sprechen, dann wäre es aus ihrer Sicht eine ganz normale Kommunikation – distanziert sie aber komplett von meiner Sprachwelt.

Die Handlung hielt mich bei der Stange, lässt mich aber mit Fragen zurück. Was will uns der Autor sagen? Wer Moslems keine Chance lässt, braucht sich über Radikalisierung nicht zu wundern? Oder soll es uns unsere Vorurteile zur Islamisierung vor Augen führen? Der zweimalige 360-Grad-Hakenschlag jedenfalls lässt am Ende nur Fragen offen. Interessant, aber ein wenig aufgesetzt wirkend. So wie wenn im Buch ein Kind die Hauptfigur ist und irgendwie gar keine kindgerechten Gedanken und Handlungen hat.

3 Sterne. Ich würde ein zweites Buch des Autors mindestens anlesen

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