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Veröffentlicht am 24.07.2020

Eine tiefe Freundschaft im Schatten des ersten Weltkriegs

Schatten der Welt
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In diesem Buch lernen wir zunächst Carl und Artur kennen, die gemeinsam zur Schule gehen und in aufrichtiger Freundschaft verbunden sind. Sie leben in Thorn/Westpreußen, das heute zu Polen gehört. Später ...

In diesem Buch lernen wir zunächst Carl und Artur kennen, die gemeinsam zur Schule gehen und in aufrichtiger Freundschaft verbunden sind. Sie leben in Thorn/Westpreußen, das heute zu Polen gehört. Später stößt noch Isi zu den beiden, und als dreiblättriges Kleeblatt sind sie bald unzertrennlich. Zusammen gehen sie durch dick und dünn, hecken allerlei Unsinn aus, verdienen aber auch durch eine listige Idee viel Geld und stehen fest zueinander. Man hilft sich, wenn man die Not eines anderen sieht, und irgendetwas fällt den dreien immer ein. Man könnte das Buch als Freundessaga beschreiben....
Sehr gut gefallen hat mir, dass ich soviel Hintergrundinformationen zur Zeit vor dem ersten Weltkrieg bekommen habe. Die Diskrepanz zwischen arm und reich war enorm, und was mich besonders schockiert hat, war das Ausgeliefertsein der unteren Schichten gegenüber dem Adel und den wohlhabenden Großgrundbesitzern. Z.B. waren Dienstmädchen ihren Herrschaften gnadenlos ausgeliefert und fanden keine Unterstützung, da selbst die Polizei korrupt war. Überhaupt war die Stellung der Frau in jenen Zeiten sehr bedauernswert, das sieht man besonders gut in der Familie des Lehrers. Ebenso war mir die Bedeutung einiger Neuerungen nicht im ganzen Umfang bewusst, wie beispielsweise die LKWs und die Fotografie.
Der Krieg trennt die drei Freunde und jeder muss für sich alleine kämpfen. Carl und Artur werden mit Beginn des Krieges sofort eingezogen. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen über die Unsinnigkeit und Ungerechtigkeit des Kriegführens und seiner Folgen.
Von Anfang an hat das Buch mich angesprochen, und ich war schnell versunken im Alltag dieser westpreußischen Stadt mit ihren so unterschiedlichen Bewohnern. Der flüssige Schreibstil und das sympathische Trio sorgen für beste und kurzweilige Unterhaltung. Die einzelnen Protagonisten sind sehr authentisch und lebensnah dargestellt. Irgendwie möchte man mit ihnen bekannt sein, denn sie strahlen Warmherzigkeit und Zuverlässigkeit aus. Auch Nebenfiguren wie die 'schielende Grete' sind anschaulich und lebensecht dargestellt. Da hat man ein Schmunzeln auf den Lippen. Überhaupt kommt der Humor nicht zu kurz.
Großartige, detailreiche Beschreibungen, liebevoll skizzierte Figuren, historischer Hintergrund und ganz große Gefühle sind die Hauptzutaten für einen wundervollen Roman, den ich uneingeschränkt empfehlen kann und der die volle Sternchenzahl verdient hat.

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Veröffentlicht am 19.07.2020

Abgründiges Behüten

Der Behüter: Thriller
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Ein neuer Fall für Laura Kern und ihren sympathischen Kollegen Max. Vor einem Krankenhaus in Berlin wird die verpackte Leiche einer jungen Frau entdeckt, die zunächst dort behandelt worden war wegen häuslicher ...

Ein neuer Fall für Laura Kern und ihren sympathischen Kollegen Max. Vor einem Krankenhaus in Berlin wird die verpackte Leiche einer jungen Frau entdeckt, die zunächst dort behandelt worden war wegen häuslicher Gewalt, die aber dann verschwand und keiner wusste wohin. Die Überwachungskamera zeigt sie mit einem Mann, der sie aus dem Krankenhaus führt. Nun ist sie tot, und die nächste Patientin ist bereits verschwunden. Es scheint sich um einen Serientäter zu handeln und die Ermittler müssen rasch handeln. Er entführt offensichtlich Frauen, die misshandelt werden, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Aber wieso dann die Morde?
Ich kann versprechen, dass es bis zum Schluss spannend bleibt, und was mir am meisten gefällt, ist das Miträtseln, das sich automatisch einstellt und das einen ganz schön ins Grübeln bringt, denn die Autorin legt immer wieder falsche Fährten, so dass man wieder umdenken muss. Herrlich! Ab der zweiten Hälfte des Buches steigert sich die Spannung nochmal enorm, so dass man das Buch einfach nicht weglegen möchte. Nur noch kurz in das nächste Kapitel hineinlesen, weil man unbedingt wissen muss, um was es geht und schon ist das ganze Kapitel gelesen Das Ende war diesmal wirklich überraschend, aber logisch durchdacht.
Der flüssige Schreibstil und das sympathische Ermittlungsteam sorgen für beste Unterhaltung. Die verschiedenen Charaktere sind sehr authentisch und lebensnah dargestellt. Außerdem sorgt der ständige Perspektivenwechsel für große Spannung, denn wir lernen auch die Denkweise des Täters kennen und seine gestörte Psyche. Zudem gibt es einige Verdächtige, und man möchte dem Täter auf die Spur kommen. Es gibt hier keine brutalen und blutrünstigen Actionszenen, aber trotzdem jede Menge Bewegung.
Dies ist der 5.Band der Laura Kern-Thriller, und in diesem Band stellt sie sich auch deutlich einem traumatischen Vorfall, der ihre Jugend nachdrücklich beeinflusst hat. Dies nimmt nicht zuviel Raum ein, rundet das Bild der ehrgeizigen Ermittlerin, die auch immer mal wieder Alleingänge unternimmt, aber ab, so dass wir einiges besser verstehen.
Ohne Zögern gebe ich 5 Sterne und kann das Buch jedem Thriller-Fan empfehlen.

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Veröffentlicht am 07.07.2020

Unverwechselbar Kent Haruf

Kostbare Tage
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Dieses ist das dritte Buch von Kent Haruf, das ich gelesen habe, und ich kann nicht genug davon bekommen. Dabei finden wir hier keine großartige Handlung, sondern lernen in Episoden einzelne Menschen des ...

Dieses ist das dritte Buch von Kent Haruf, das ich gelesen habe, und ich kann nicht genug davon bekommen. Dabei finden wir hier keine großartige Handlung, sondern lernen in Episoden einzelne Menschen des fiktiven Ortes Holt kennen, gelegen in der Weite des US-Staates Colorado, zwei Stunden entfernt von Denver.
In diesem Buch geht es vordergründig um das Sterben des alten Eisenwarenhändlers Dad Lewis, wir erleben mit ihm seine letzten Tage, seine Wünsche, seine Sorgen, seine Lebensgeschichte, die ihm immer wieder in Episoden durch den Kopf geht, weil ihm bewusst wird, dass er einiges im Leben hätte anders machen können. Aber hinter den Zeilen geht es um so viel mehr. Aktionsgeladene Spannung findet der Leser nicht, jedoch ein eindrucksvolles Gemälde des sozialen Lebens in dieser Kleinstadt.
Wir lernen Personen kennen, die alle irgendwie mit Familie Lewis zu tun haben, als Nachbarn, als Freunde, als Dienstleistende.....allen gemeinsam ist eine gewisse Einsamkeit, die mehr oder weniger gut verarbeitet wird. Die meisten dieser Menschen haben Schicksalsschläge hinter sich, die nachwirken. Aber sie geben nicht auf, sondern helfen sich auch untereinander. Dies empfinde ich als rührend und anrührend zugleich. Sie unterstützen sich gegenseitig und helfen einander in Notsituationen. Faszinierend ist es, das soziale Gefüge in dieser Stadt zu erleben. Da wird geholfen und unterstützt, wie man es im heutigen Stadtleben kaum noch kennt. Man erkennt die Sorgen und Nöte der anderen und versucht, eine Lösung zu finden. Ich muss gestehen, dass mir bisweilen Tränen in die Augen traten, weil die Protagonisten so einfühlsam und fürsorglich agierten. Oder auch, als Dad Lewis sich von seiner Tochter Lorraine, noch ein letztes Mal zu prägnanten Orten in Holt fahren lässt....
Originell und typisch ist Kent Harufs Schreibstil, der zwar einfach gehalten ist, aber sehr viel Atmosphäre wiederspiegelt. Da sehe ich mich dann auf der riesigen Viehweide als Beobachter am riesigen Trog stehen oder empfinde die drückende Schwüle des Sommers in Colorado. Interessant ist die fehlende Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede, alles ist Erzählung und geht ineinander über, man gewöhnt sich schnell daran. Vereinzelt gibt es auch Rückblicke auf die Vorgängerbände, was ich sehr lesenswert fand, aber man muss die anderen Bücher nicht vorher gelesen haben.
Alles in allem ein sehr empfehlenswertes Buch, das zu Herzen geht, nicht auf kitschige Weise, sondern voller Empathie und Optimismus.

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Veröffentlicht am 25.05.2020

Auf der Suche nach Sinn in unruhigen Zeiten

Margos Töchter
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In diesem Buch lernen wir zunächst Jana kennen, eine junge Frau, 34 Jahre, die mit ihrer Familie auf dem Lande in Norddeutschland wohnt und dort glücklich ist. Sie hat den Hof von ihren Großeltern Margo ...

In diesem Buch lernen wir zunächst Jana kennen, eine junge Frau, 34 Jahre, die mit ihrer Familie auf dem Lande in Norddeutschland wohnt und dort glücklich ist. Sie hat den Hof von ihren Großeltern Margo und Henri geerbt. Jana hat einen Antrag auf Stasi-Akteneinsicht gestellt, denn sie möchte mehr über ihre Adoptivmutter Leonore erfahren, die mit 42 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. An einem Samstag bekommt sie per Post die Erlaubnis und ist total aufgeregt. Einerseits freut sie sich, dass es geklappt hat, andererseits hat sie Angst, dass sie dort etwas erfährt, was sie aus der Bahn wirft.
Das Buch präsentiert verschiedene Erzählebenen, die von Jana, Leonore und Clara erzählen. Clara ist eine Genossin aus Ostberlin, mit der Leonore eine Brieffreundschaft unterhielt. Mehr möchte ich hier nicht verraten. Wir erhalten tiefe Einblicke in ihre Lebensgeschichten und sehen sie immer wieder auf der Suche , ihrem Leben einen tieferen Sinn zu geben, egal um welchen Zeitabschnitt es sich handelt.
Da der Schreibstil der Autorin sehr flüssig und leicht ist, befindet man sich sehr schnell im Geschehen, und es lässt einen nicht mehr los. Man möchte immer mehr erfahren und das Buch nicht beiseite legen. Dabei handelt es sich nicht um spannungsgeladene Aktionen, sondern um die Lebensgestaltung und wichtige Entscheidungen der Protagonisten, allen voran Leonore, Clara und Jana, aber auch über Margo erfahren wir rückblickend vieles. Da ich den ersten Teil nicht kenne, konnte ich mir so trotzdem ein Bild von Margo machen.
In meinen Augen sind alle vier sehr starke Frauen, die sich nicht von der Gesellschaft und ihrer Umgebung in eine Rolle zwängen lassen, sondern ihren eigenen Weg rebellisch gehen, der oft nicht mit Rosen gepflastert ist, der aber fast immer eine neue Hoffnung bereit hält. Im Prinzip handelt es sich um eine Familiensaga, mit all ihren beachtlichen Höhen und Tiefen, mit Schicksalsschlägen, die zerstören, aber trotzdem neue Wege aufweisen.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die historischen Rückblicke auf gesellschaftliche Umwälzungen bzw. Bestrebungen im vorigen Jahrhundert, die ich teilweise selbst miterlebt habe: die politische Unterwanderung der Studenten, die RAF, die Umweltprobleme (sterbende Bäume gibt es bereits da schon), die Revolution in der Kindererziehung (Kinderläden!), das vorsichtig aufkeimende Umweltbewußtsein, der Super-Gau von Tschernobyl, 'German Angst' usw.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, es hat mich regelrecht gefesselt, brachte es mir doch viele Erinnerungen zurück an turbulente Zeiten. Aber ich denke, es ist nicht nur für die ältere Generation interessant, sondern auch für die heute jungen Leute, die wahrscheinlich selten so interessante Details einer vergangenen Epoche erfahren. Und wie oft wiederholt sich etwas!

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Veröffentlicht am 15.05.2020

Hochspannung bis zur letzten Seite

Das Haus am Moor
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Theo, 11 Jahre alt und seit einem Unfall an den Rollstuhl gebunden, wird entführt. Gleich zu Beginn beobachten wir drei der Entführer bei ihren Vorbereitungen für ihr geplantes Verbrechen. Aber es läuft ...

Theo, 11 Jahre alt und seit einem Unfall an den Rollstuhl gebunden, wird entführt. Gleich zu Beginn beobachten wir drei der Entführer bei ihren Vorbereitungen für ihr geplantes Verbrechen. Aber es läuft nicht wie geplant, und alles wird viel schlimmer als angedacht. Denn zeitgleich fliehen zwei Teenager aus einem Heim und wollen sich in einer verlassenen Kate zunächst verstecken. Dort angekommen, stellen sie fest, dass dieses alte Haus nicht nur ihr Unterschlupf sein soll. Es kommt zum Zusammenstoß mit schlimmen Folgen....
Dieses Buch ist so fesselnd, dass man es in einem Rutsch durchlesen möchte. Ich hatte unruhige Nächte und würde dieses Buch als Thriller einstufen, denn der nervliche Thrill ist permanent da. Man fiebert regelrecht mit. Cliffhanger am Ende der einzelnen Kapitel sorgen dafür, dass man unbedingt noch weiterlesen muss, so dass das Buch sich als regelrechter Pageturner outet. Immer wieder kommt es zu unerwarteten Wendungen, die alle nachvollziehbar sind und keine Fragen offen lassen. Ganz geschickt lässt die Autorin uns falschen Spuren folgen, die uns vor neue Rätsel stellen. Denn auch wenn wir drei der Entführer zu Beginn bereits kennenlernen, bleibt immer noch die Frage, wer der Oberboss ist, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Das Miträtseln hat mir sehr gut gefallen.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Die Spanne ist groß, vom Psychopathen bis hin zum soften Weichei. Sympathieträger ist allen voran die Hauptkommissarin Lyn Harms, die sorgfältig und mit vollem Einsatz ermittelt, obwohl sie nur eine Teilzeitstelle hat auf Grund ihrer familiären Situation. Man fühlt aber, dass sie ihren Beruf liebt und darin aufgeht. Für mein Empfinden ist manchmal zuviel Privates beschrieben, z.B. die Essgewohnheiten der Familie oder ein Eifersuchtsanfall des Gatten. Aber darüber konnte ich schnell hinweglesen, denn im Vordergrund steht der Kriminalfall.
Sehr schön ist, dass die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven beschrieben wird, so dass man die Handlungen besser einordnen kann und 'hinter die Kulissen' schaut. Der Schreibstil ist flüssig und leicht, man kann sich gut in die jeweilige Szene hineinversetzen...und mitzittern!
Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich gern in das Geschehen einbringt und sich als 'heimlicher Ermittler' betätigt. Auch wenn es mal ein Quantum weniger Schlaf gab, ist mir das Buch volle fünf Sterne wert.

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