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Veröffentlicht am 30.07.2020

Am Wittensee

Wittensee
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Ein kleines Haus am Wittensee. Zeit für Xenia, sich Gedanken zu machen. Denn Xenia war jahrelang eine Person die sie gar nicht sein oder werden wollte, die so ganz anders ist. Aber dieses „anders“ hat ...

Ein kleines Haus am Wittensee. Zeit für Xenia, sich Gedanken zu machen. Denn Xenia war jahrelang eine Person die sie gar nicht sein oder werden wollte, die so ganz anders ist. Aber dieses „anders“ hat ihr seid den Kindergartentagen Probleme gemacht. Denn ihr Umfeld, die Gesellschaft hat keine Zeit und kein Verständnis für stille, introvertierte Menschen. Und Xenia merkt – sie kann selbst so nicht weitermachen…
„Ich hatte oft das Gefühl, dass der Lärm in meinem Kopf hängen blieb, und verstand nur noch verschwommen, was die anderen sagten. Was dann in der Gruppe beschlossen wurde, bestimmte am Ende derjenige, der am lautesten redete, mit den Händen fuchtelte und die anderen nicht zu Wort kommen ließ. Dafür war ich nicht gemacht.“ (Seite 33)
Ich würde dieses Buch gerne als Erholungsurlaub sehen und beschreiben. Denn nicht nur das Cover stimmt einen ruhiger und ist schön anzusehen. Auch der Schreibstil der Autorin ist so leise, ruhig und doch gehen ihre Worte, Beschreibungen und die Geschichte von Xenia unter die Haut. Die Liebe zum hohen Norden Deutschlands nimmt man der Autorin gekonnt ab da sie diese Gegend sehr genau und bilderhaft beschreibt und somit zusätzlich zum Träumen einlädt.
Xenia, eine sehr interessante Person, die trotzdem so anders und doch so gleich ist wie viele andere Menschen auch. Schon mit dem Einstieg in den Kindergarten beginnen die Probleme und Xenia merkt sehr schnell dass sie so „ganz anders ist“ als die restlichen Kinder. Während alle lärmen, toben und brüllen, schubsen und schlagen will Xenia nur eine ruhige Ecke für sich, ohne dass sie mitbrüllen und mitspielen muss. Ab hier beginnen die Probleme die Xenia spalten und sich erschöpfen.
Gekonnt erzählt die Autorin durch Xenia wie sich Menschen in der Gesellschaft fühlen die eher ruhig, zurückgezogen und ja, auch introvertiert sind. Und gleichzeitig ist klar – eigentlich möchte sich kaum einer mit diesen Menschen abgeben, sie einstellen, mit ihnen befreundet sein, oder gar in einer Partnerschaft. Und gleichzeitig müssen sich diese Menschen als „krank, behindert, oder anders“ diagnostizieren lassen, mit den Vorurteilen der Gesellschaft an sie umgehen.
Xenia versucht einen Mittelweg, der ihr aber vieles abverlangt. Man merkt durch die Umstände alleine daheim wie sie von Familienmitgliedern in gewisse Sparten gedrängt wird, Zeit und Verständnis bringt kaum einer für Xenia auf. Gerade die Mutter drängt Xenia immer weiter an und lässt ihr keine Luft zum atmen.
Für mich waren die Gefühle, die Beschreibungen und diese innere Zerrissenheit von Xenia sehr gut nachvollziehbar, auch gut erklärend dargestellt. Man kann sich in Xenia hineinversetzen und lernt ihre Welt kennen, in der sie sich wohlfühlt.
Ich würde dieses Buch allen Menschen empfehlen die sich gerne mal zurückziehen, die mit dem Alleinsein keine Probleme haben, die vielleicht auch introvertiert sind, ihren eigenen Weg gehen möchten, aber von der Gesellschaft diese Möglichkeit nicht erhalten. Auch für Menschen die eher die Ruhe lieben, keine Probleme haben für sich alleine den Gedanken und Gefühlen nachzuhängen wird dieses Buch eine ruhige und womöglich aufklärende, aber vor allem verständnisvolle Lektüre sein.
Ich habe vieles in diesem Buch gelernt, es regt zum Nachdenken an, auch über sich selbst, wer man ist, und ob man dies wirklich ist oder ob man hier nur Mitmenschen einen Gefallen tut damit sie sich besser fühlen.
Ich empfehle es sehr gerne weiter.




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Veröffentlicht am 27.07.2020

Kaptiel Eins...ich komme zur Welt...

Die unglaubliche Flucht des Uriah Heep
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Charley und Rob Sutherland könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Rob in einer Beziehung zu Lydia ist und als Anwalt tätig, ist Charley ein Wunderkind was einen kometenhaften Aufstieg hingelegt ...

Charley und Rob Sutherland könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Rob in einer Beziehung zu Lydia ist und als Anwalt tätig, ist Charley ein Wunderkind was einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hat. Aber… Charley ist nicht nur ein chaotische Literaturprofessor..nein…er hat auch das Talent, von klein auf, Protagonisten aus den Büchern „herauszulesen“…. Rob weiss schon gar nicht mehr wie oft er Charley helfen musste…doch diesmal ist was Großes, was Düsteres im Gange und auch die Beziehung von Charley und Rob steht auf der Kippe…
„Wir erinnern uns an unsere Bücher. Wir erinnern uns, wie wir hervorgeholt wurden, und stellen uns vor, wie es wäre, zurückzukehren. Allerdings nicht gern. Schließlich sind Bücher nur Worte“. „Ich weiß nicht“, überlegte Charley weiter. „Wir alle sind nichts als Worte, sage ich immer. Ich spüre es, sehr stark sogar.“ (Seite 152)
Ein Buch welches gerade durch viele Munde geht und auch ich war zu neugierig um widerstehen zu können. Und ich muss ehrlich sagen – was für ein herrliches Buch! Was wäre wenn jeder begeisterte Leser seine Protagonisten aus dem Buch zaubern würden? Tee mit Sherlock Holmes. Eine Pfeife rauchen mit J. R. R. Tolkien. Mit Herman Melville über Moby Dick reden…da wären die Möglichkeiten unbegrenzt!
Zu Beginn war ich persönlich etwas skeptisch denn ich kenne Uriah Heep nicht, auch habe ich mich nie sonderlich mit den „alten“ Werken von den „großen Meistern“ wie Charles Dickens oder Arthur Conan Doyle beschäftigt. Auch andere Bücher oder eher Protagonisten die hier erwähnt werden, waren mir nicht immer bekannt.
Der Schreibstil ist an sich faszinierend, zu Beginn ruhig, die Autorin nimmt sich Zeit, lässt die Figuren sich entfalten und fügt immer wieder was Neues hinzu, aber nicht zu drängend, damit der Leser mitkommt und sich das Bild immer, mit dem eigenen Kopfkino, entfalten kann. Ich persönlich fand diesen Aufbau der Geschichte gar nicht langatmig oder zu genau. Es geht hier um eine doch komplexere Geschichte und die hätte, in meinen Augen, auf 300 Seiten keinen Platz gehabt, von dem verloren gegangenen Charme ganz zu schweigen.
Charley und Rob könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Charley das Wunderkind ist, von klein auf, die Familie es schon erschreckend gewohnt ist das Charley beim Lesen immer wieder die Charaktere des Buches „hervorruft“, ist Rob eher der „Normale“ der sich für eine Karriere als Anwalt entscheidet. Mit seinem jüngeren Bruder konnte er recht schnell nicht mehr viel anfangen, es wurde eine eher Hassliebe mit Eifersucht und Ignoranz. Die Geschichte selbst wird meist aus der Sicht von Rob geschrieben.
Man merkt wie viel Liebe und Leidenschaft die Autorin in dieses Buch gesteckt hat. Auch fand ich es sehr interessant und gut in der Umsetzung wie sie die „großen Meister“ und ihre Werke erklärte, die Protagonisten, Gut wie Böse, in die Geschichte eingebaut hat. Der Spannungsbogen wurde gespannt, aber nicht zuviel, es fließt einfach mit und gut zusammen, das Ende hat mich sehr überrascht und gepackt.
Wie Rob war ich, wie gesagt, immer ängstlich die alten Werke zu lesen. Aus Angst es nicht zu verstehen, es nicht nachvollziehen zu können, die Sprache, die Umsetzung. Filme und Serien kennt man, klar, aber jeder Leser weiß – Bücher sind nochmal so ganz anders und oft fulminanter. Jedoch hat die Autorin mit ihrem Werk mir die Angst genommen und die Neugier hat die Oberhand bekommen. Durch dieses Buch bin ich neugierig auf die verschiedenen Charaktere aus den anderen Büchern geworden. Man möchte noch tiefer in die Materie eintauchen, man möchte sich verlieren, wie es wohl Charley ständig passiert.
Geheimnisse gibt es in diesem Buch zu genüge, sie werden alle, mit der Zeit, aufgelöst und haben mich sehr überrascht und staunen lassen. Aber dies im positiven Sinne.
Was mir sehr gut, eigentlich am besten, gefallen hat, das war die Art und Liebe wie die Autorin über das Lesen, die Charaktere in den Büchern und die Schriftsteller schreibt und man als Leser liest. Jeder Protagonist in einem Buch hat seine Aufgabe, im Guten wie im Schlechten. Und wie viel Gefühl und oft Leidenschaft, eigene Interessen oder Charakterzüge in einem oder mehreren Protagonisten eines Buches stecken können. Dass auch diese fiktiven Charakter ihre Eigenschaften und eigenen Sinn haben, was es für sie bedeutet in unsere Welt zu kommen, wie es sich für sie anfühlt und wie unterschiedlich sie damit umgehen, auch ob sie bleiben wollen/sollen oder zurück müssen/wollen.
Ich könnte jetzt noch ewig weiterschwärmen, aber ich glaube diese Geschichte muss jeder sich entdecken und lieben lernen. Für mich ein Buch welches das Lesen, die Protagonisten und die ganze Liebe zu den Buchstaben in einer tollen Geschichte vereint.

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Wer war Alice im Wunderland?

Der Fall Alice im Wunderland
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Eine Sensation, wenn es denn stimmt. Angeblich ist eine Seite aus Lewis Carroll sein Tagebuch aufgetaucht! Eine Seite die damals von seinen 2 Cousinen entfernt wurde und man viel in der Lewis- Carroll- ...

Eine Sensation, wenn es denn stimmt. Angeblich ist eine Seite aus Lewis Carroll sein Tagebuch aufgetaucht! Eine Seite die damals von seinen 2 Cousinen entfernt wurde und man viel in der Lewis- Carroll- Bruderschaft über das Geheimnis philosophiert hat. Eine Studentin des Professors für Logik, Arthur Seldom, beschäftigt sich mit der geheimen Botschaft des Tagesbuchs. Doch dann geschieht ein Unfall der die Studentin töten sollte…und auch in der Bruderschaft beginnt eine Mordserie die nicht zu erklären ist…was hat Lewis Carroll auf der Tagebuchseite festgehalten?
„Ich hoffe, Sie verstehen jetzt, warum diese herausgetrennte Seite eine solche Anziehungskraft auf die Biografen ausgeübt hat, ja, gewissermaßen zu einem Prüfstein wurde. Auf ihr, und vielleicht nur dort, stand der entscheidende Beweis, das verhängnisvolle Ereignis, das explizite Eingeständnis einer kompromittierenden Handlung.“ (Seite 25)
„Der Fall Alice im Wunderland“ ist der zweite Band des Autors Guillermo Martínez. Den ersten Band hatte ich nicht gelesen weil er mich nicht wirklich angesprochen hat, hier ist der Titel schon sehr spannend.
Ich persönlich bin gut in die Geschichte gestartet und da dieses Buch in sich abschließend ist muss man den ersten Band, in meinen Augen, nicht gelesen haben.
Der Autor hat einen sehr ruhigen und interessanten aber leicht zu verstehenden Schreibstil. Gekonnt baut er einen Spannungsbogen auf der nicht überspannt wird, aber man als Leser neugierig bleibt und auf der Suche nach dem Täter, dem Warum und dem Geheimnis der Tagebuchseite durch die Seiten fliegt.
Der Professor und sein Doktorand, der hier nur „G“ genannt wird und von seiner Sicht aus auch die Geschichte erzählt wird, waren mir sehr sympathisch. Gerade der Professor Arthur Seldom war für mich very british, ich mochte das Kühle, hier und da ein Spritzer Humor, mit seiner Logik und durchschimmernden Leidenschaft die aber nie ausgeartet ist sondern immer eben british blieb. Was ich unglaublich toll und faszinierend finde – dass der Professor Zustände, Geschehnisse mit Logikformeln oder eben der Mathematik löst, erklärt oder ergänzt. Man muss also gerade hier etwas genauer lesen, aber kann nebenbei noch was lernen.
Die Bruderschaft beschäftigt sich ausschließlich mit Lewis Carroll, dem Autor von „Alice im Wunderland“. Hier erfährt man sehr viel Privates aus dem Umfeld des Autors. Ich persönlich bin jetzt kein großer Fan von „Alice im Wunderland“, allerdings muss ich Lewis Carroll zugestehen dass er viele Charaktere in seinem Buch sehr düster, durchgeknallt und vielfältig dargestellt hat und sie alleine dadurch eine Faszination ausüben. Wer ein Fan des Autos oder von „Alice im Wunderland“ ist wird hier auf jeden Fall auf seine Kosten kommen.
Lewis Carroll wird sehr interessant und mit Fakten dargestellt. Aber auch Themen, die damaliger Zeit angesehen waren, erlaubt oder zugelassen, würden heute unter einem anderen Aspekt stehen und somit hat die Bruderschaft natürlich Angst bei den aktuellen Vorkommnissen, dass „ihr Autor“ und Leidenschaft in den Schmutz gezogen wird. Doch was würde die geheime Seite ans Licht bringen? Und wer in der Bruderschaft hat eigene Geheimnisse die nicht ans Licht kommen dürfen?
Durch den Unfall an der Studentin wird auch die Bruderschaft unruhig und Professor Arthur Seldom beginnt insgeheim zu ermitteln. Bis zum Ende hin ist man im Ungewissen was hier der rote Faden ist, was auf der Seite steht, welche Welten werden eventuell erschüttert? Ich persönlich muss sagen dass mir das Ende sehr gelungen erscheint, nicht superspektakulär, aber schlüssig, mit dem ein oder anderen Überraschungseffekt und doch aufgelöst.
Ein Buch welches die Bezeichnung Kriminalroman auf jeden Fall verdient hat, mal etwas Neues in Punkto „Ermittler“ und eben very british in der Umsetzung. Ich wurde sehr gut unterhalten

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Veröffentlicht am 27.07.2020

Was kommt danach?

After the Fire - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2021
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Nach dem Feuer ist nichts mehr wie es war, weder für „Moonbeam“ noch für die restlichen Kinder, die das Feuer überlebt haben. Ihre Schwester und Brüder sind gestorben, im Feuer oder im Kugelhagel. Das ...

Nach dem Feuer ist nichts mehr wie es war, weder für „Moonbeam“ noch für die restlichen Kinder, die das Feuer überlebt haben. Ihre Schwester und Brüder sind gestorben, im Feuer oder im Kugelhagel. Das Ende kam wie Father John es gesagt hatte… doch nun muss „Moonbeam“ sich den Wahrheiten stellen und ein ganz neues Leben beginnen…ein Leben ausserhalb der Sekte.

„Ich weiß – ohne jeden Zweifel-, dass unmöglich alle Menschen, die außerhalb der Mauern der Basis leben, schlecht sein können, genauso wie ich mit absoluter Sicherheit weiß, dass nicht alle meine Brüder und Schwestern gut sind. Schlecht und gut, falsch und wahr sind die entgegengesetzten Enden einer ganzen Skala von Verhaltensweisen, und ein Mensch ist nie nur das eine oder das andere. Die Menschen sind nicht so einfach gestrickt, auch wenn es bestimmt manches vereinfachen würde, wenn es so wäre.“ (Seite 79)

Der Klappentext gibt nicht viel her, was mich also genau erwarten würde, war mir nicht wirklich bekannt. Allerdings springt das Cover mit diesem kräftigen Rot sowie den verbrannten Streichhölzern direkt ins Auge, auch das Fühlen des Covers ist einmalig.

Die Geschichte ist in zwei Zeiten aufgeteilt – Davor und Danach. Vor dem Feuer und nach dem Feuer. Und wir lernen in diesem Buch „Moonbeam“ kennen, die das Feuer davor und danach erlebt hat, die in zwei Welten lebte und nun in einer einzigen Welt zurechtkommen muss. Und dies ist dem Autor, in meinen Augen, brillant gelungen.

Der Schreibstil ist direkt, ehrlich, umso mehr „Moonbeam“ erzählt und ihre Eindrücke widergibt, umso mehr ist man schockiert, berührt, bewegt, mit Verständnis sowie Unverständnis am lesen, man möchte unbedingt erfahren warum „Moonbeam“ meint sie hätte an so vielem was passiert ist, Schuld.

Der Autor legt, und das finde ich so bemerkenswert und so besonders an diesem Buch, den Blick auf die Kinder. Kinder die in einer Sekte „geboren“ werden und mit den Regeln und dem Glauben komplett aufwachsen und eben Kinder die mit ihren Eltern dieser Sekte beitreten, das Leben ausserhalb dieser Sekte also ebenso kennen. „Moonbeam“ gehört zu den zweiten Kindern, auch wenn sie kaum noch Erinnerungen an diese Zeit hat.

Man hört in den Medien immer von den „armen Kindern“, wenn sie aus einer Sekte befreit werden. Aber keiner beschäftigt sich mit ihnen, was sie nun erleben müssen, was alles an Eindrücken und Neuheiten auf sie einprasselt. In „After the Fire“ gibt der Autor aber genau diesen Kindern eine Stimme, einen Namen und ihre Geschichte.

„Moonbeam“ hat mir als Hauptprotagonistin sehr gut gefallen, sehr authentisch dargestellt. Trotz dem Erlebten hat sie ihren Sinn für Humor, ja fast für Ironie, nicht verloren. Sie muss nun mit den „Wahrheiten“ der Sekte leben und diese mit der „Freiheit“ vor dem Zaun vergleichen. Wie kann man an ein Leben anknüpfen wenn es vorher so bestimmt war von Regeln, Strafen, keinerlei Freiheiten, keine Möglichkeiten so zu leben wie man will?

Nicht nur „Moonbeam“ muss sich den Wahrheiten, den Vertuschungen durch Father John und seinen Zenturios stellen. Auch wir als Leser erfahren die ganze Wahrheit, wie dieser Wandel in dieser Sekte herbeigeführt wurde, wie falsch manche Mitglieder spielten, was sich hinter den Mauern abspielte, vieles was die Ermittlungen ergaben, was „Moonbeam“ durch ihre Erzählungen noch ergänzt.

Ein Buch was den Kindern einer Sekte und dem „Danach“ ein großes Feld einräumt. Der Autor hat sich mit viel Gefühl dieser Thematik genähert, beschönigt aber nichts. Aber er gibt den Menschen die Stimme, die durch ihre Eltern oder andere Erwachsene in diese Welt hineingeworfen wurden, ohne dass sie jemand je gefragt hat. Ohne sie zu fragen ob sie denn alles glauben was ihnen erzählt wird. Ohne auf die zu hören oder sie zu sehen wie sie sind. Eine Geschichte die unter die Haut geht, die aufzeigt, was ein Mensch mit Macht und Redekunst anstellen kann, wie viele Leben dadurch zerstört werden können.

Ein sehr bewegendes Highlight, für mich und ich empfehle es wirklich unbedingt weiter!

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Veröffentlicht am 21.07.2020

Die Welt wirft ihre Schatten

Schatten der Welt
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Thorn in Westpreußen im Jahr 1910. Der halleyschen Komet kündigt sich an, ein neues Geschäftsmodell für Artur und seinen besten Freund Carl. Und da die junge Isi ebenso pfiffig ist wie sie werden die ...

Thorn in Westpreußen im Jahr 1910. Der halleyschen Komet kündigt sich an, ein neues Geschäftsmodell für Artur und seinen besten Freund Carl. Und da die junge Isi ebenso pfiffig ist wie sie werden die 3 Freunde, gerne fürs Leben, und bestreiten ihren Alltag gemeinsam. Doch nichts ist wie es scheint und ihre Erfolge und Freundschaft erfährt eine Zerreissprobe als der Erste Weltkrieg ausbricht und die Freunde sich trennen müssen…werden sie sich je wiedersehen? Und wenn ja, wird alles noch so sein wie früher?

„Aber nicht so, wie die, die ihn in ihrer grenzenlosen Überheblichkeit verursacht hatten, es so blumig voraussagten: nicht mit Schwertern oder Rössern, sonder n mit Maschinengewehren, Granaten, Panzern und Gas. Was der Komet vor vier Jahren nicht geschafft hatte, gelang der Welt nun selbst: Sie explodierte in einer nicht geahnten Supernova in siebzehn Millionen Stücke.“ (Seite 274)

Ein Roman welches mit dem Ereignis des halleyschen Kometen beginnt und im Ersten Weltkrieg endet. Man mag sich fragen wie das funktionieren soll, in einem Buch, der Autor hat hier aber einen mehr als gelungenen Bogen gespannt. Die Kapitel sind nicht zu kurz oder lang, sie bauen einen Spannungsbogen auf, durch Wendungen, Möglichkeiten und kleinen „Spoilern“ vom Ende manches Kapitels fällt es sehr schwer dieses Buch überhaupt noch aus der Hand zu legen.

Thorn 1910. Carl ist Jude, lebt mit seinem Vater von der Schneiderei, mehr schlecht als recht. Durch das erste Fotogeschäft in Thron wird die neue Leidenschaft von Carl entfacht die er unbedingt ausüben möchte, ja, ausüben muss!

Artur ist ein Schlitzohr, womöglich traut man ihm diese Intelligenz nicht zu, aber Artur geht seinen Weg, mit Humor, mit Geschäftssinn und doch immer auch mit Herz. Ihn habe ich, auf Grund seiner Art, sofort in mein Herz geschlossen, alleine sein Humor.

Mit Isi kommt der weibliche Part in die Freundschaft, man mag fast sagen – die Dynamik. Isi war mir zu Beginn etwas zu keck und ich wusste nicht ob ich mich mit ihr anfreunden kann. Jedoch zeigt der Autor sehr gekonnt auf was es damals hieß als junge Frau in einer Familie zu leben, welche Erwartungen und vor allem Stillschweigen von einer jungen Dame erwartet wurde.

Diese 3 Freunde halten zusammen und gehen durch dick und dünn bis ja, bis der Erste Weltkrieg ausbricht. Dann trennen sich ihre Wege, Artur und Carl müssen in den Krieg ziehen, Isi bleibt in Thron zurück wo auch hier die Auswirkungen des Krieges seine Spuren zeigen wird.

Man ist mit diesen 3 Protagonisten sehr verbunden, kennt ihre Träume, Wünsche und Hoffnungen, die sie behalten als der Erste Weltkrieg ausbricht. Bis dahin hat man mit den 3 schon einiges erlebt, Schönes wie auch Schreckliches. Da sie zum „einfachen“ Volk gehören wird hier sehr deutlich gemacht wie dieses, zur damaligen Zeit, auch behandelt wurde.

Überhaupt trifft der Autor ein sehr gekonntes Bild über diese Zeit, in der Großgrundbesitzer, Militär und Politik viel zu viel zu sagen hatten, die die Geschäfte von Thron und Umgebung lenkten. Der einfache „Pöppel“ war für harte Arbeit gut, aber nicht für das Denken und einen Aufstand. Von den Frauen ganz zu schweigen!

Oft wird man mit Begebenheiten konfrontiert die einen wütend werden lassen, fassungslos und schockiert. Ich habe selten ein Buch gelesen welches mit in ein solches vielfältiges Glas mit Gefühlfacetten geworfen hat.

Und immer diese kleine Hoffnung dass alle 3 sich wiedersehen und gemeinsam ihre Freundschaft fortführen können. Die Zustände des Krieges, was er mit diesen jungen, ja, naiven Burschen macht, dass hier Menschen ein Kommando halten die eigentlich so gar keine Ahnung haben, die Menschen eben als „Bombenfutter“ sehen, Hauptsache das nächste Fleckchen wird eingenommen… wie oft spielen die Falschen in der oberen Liga mit und fällen Entscheidungen die verheerend sind, auch für unsere Freunde.

Die Veränderungen der 3 waren immer wieder neu, anders und so spinnt sich eine neue Geschichte über jeden Charakter. Man heisst sie gut, ebenso wie man den Kopf darüber schüttelt. Und jede Entscheidung hat ihre Konsequenz die so oder so ausgehen kann. Das Ende des Buches lässt noch auf was Neues hoffen und ich fiebere dieser Hoffnung sehr entgegen.

Ein neuer Roman von Andreas Izquierdo und ich kann diesen Autor, der wirklich einen unglaublichen Schreibstil an den Tag legt und somit seine Leser packt, nur ans Herz legen. Und dieses Buch ganz besonders.

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