Menschen, die sich für griechische Götter halten
Die geheime GeschichteDer Coming-Of-Age-Roman ist eine rückblickende Erzählung des Mordes an Bunny, einem Student an einer Privatuniversität in Vermont. Zaghaft enthüllt der unzuverlässige Erzähler Richard, der als Stipendiat ...
Der Coming-Of-Age-Roman ist eine rückblickende Erzählung des Mordes an Bunny, einem Student an einer Privatuniversität in Vermont. Zaghaft enthüllt der unzuverlässige Erzähler Richard, der als Stipendiat eine Außenseiterrolle einnimmt, die Motive und überschlagenen Ereignisse, die zum finalen Mord führen. Das Buch beginnt überraschenderweise mit dem Eingeständnis des Mordes an Bunny. Es lässt die Leser*innen so in der fortwährenden bösen Vorahnung, ja Gewissheit, dass dieser Student im Verlauf der geheimen Geschichte – ausgerechnet von seinen Freuden ermordet wird. Eine griechische Tragödie par ecellence!
Als Leserin mit einer Vorliebe für Mord und Suspense war dieses Buch ein echter Glücksgriff. Ich weiß zu Beginn, zwar wer Opfer und Mörder ist, jedoch fehlt das Motiv. Dies lässt mich als Leserin nun ständig auf der Hut sein: warum, wann und wie wird der Mord passieren? Beim Lesen entwickelte ich zugleich Sympathie und Abneigung zu den Charakteren. Die Charaktere sind weder Helden noch Monster – Sie sind Menschen, die sich für griechische Götter halten. Die Studierenden sind trotz ihrer privilegierten Lage, an dieser Universität studieren zu können, nicht fähig sich ein Leben nach dem Studium aufzubauen oder irgendwelche Fähigkeiten anzueignen. Sie trinken und philosophieren in den Tag hinein, ohne an den Morgen zu denken. Sie begeistert alles Ästhetische, sie sind Genießer.
Das Thema des Buches ist die priviligierte Akademiker-Gesellschaft, die Manipulation, Selbstdarstellung, das Blenden, die Täuschung, der Verrat, das Leben der Menschen mit- und gegeneinander. Es ist gewiss keine leichte Lektüre. Die Sprache ist poetisch, melancholisch, dunkel und passend zur morbiden Thematik des Verrats. Der Schreibstil ist voller Details, Beschreibungen und kleinen Erkenntnissen zur Welt des schönen Glanzes.
Das Buch ist ein perfekt inszenierter Kunstgenuss, mit gewollt bitteren, moralischen Nachgeschmack.