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Veröffentlicht am 23.10.2020

Thriller + Sci-Fi + Action = 28m²

28m²
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"28m² - Die Probandenstudie" von Perry Pane ist eine gute Mischung aus Science Fiction und Thriller. Nur war es für mich leider zu viel Action. Der erste Teil hat mir sehr gut gefallen, vor allem die Anzeige ...

"28m² - Die Probandenstudie" von Perry Pane ist eine gute Mischung aus Science Fiction und Thriller. Nur war es für mich leider zu viel Action. Der erste Teil hat mir sehr gut gefallen, vor allem die Anzeige des Instituts für die Probandenstudie als Einstieg in das Buch fand ich genial. Allerdings hat der zweite Teil mich nicht zufrieden gestellt, aber alles der Reihe nach.

Unsere Protagonistin Sydney, eine Studentin, meldet sich zu einer Verhaltensstudie an, bei der sie in einem Raum ohne Fenster und Türen gesperrt wird. Sie muss sechs Wochen lang in dem vorgesehenen Bett schlafen, um Zugang zu Essen und Wasser zu erhalten und bei einem Heimtrainer in die Pedale treten, um Storm zu generieren. Den einzigen Kontakt kann sie über einen alten Computer zu weiteren vier Probanden herstellen. Als diese Zeit endlich um ist, beginnt allerdings ihr wahrer Kampf.

Einige kritisierten in der Leserunde, dass man als Proband nichts über die Studie weiß, aber bei solchen Studien ist das ja nicht unüblich. Zu viel Wissen könnten die Ergebnisse verfälschen. Allerdings klingen die Bedingungen sehr unmenschlich. Nicht nur die fehlende Freiheit, auch das Rationieren von Wasser, Essen und Strom. Da wird einem richtig bewusst wie wertvoll diese Dinge sind.

Der Schreibstil ist schon flüssig und macht das Lesen sehr angenehm. Das einzige, was ich sehr unangenehm fand, waren die vielen Kosenamen. Für meinen Geschmack haben die Charaktere sich schlichtweg viel zu häufig mit “Baby”, “Liebes/Liebste/Liebster”, “Idiot” und “kleines Mädchen” angesprochen. Allerdings muss ich hier einräumen, dass ich solche Kosenamen generell verabscheue (ja, verabscheue), andere hat das gar nicht gestört.

Es war sehr spannend zu sehen wie unterschiedlich die Leute in dieser Probandengruppe sind. Dadurch wurden auch die Gespräche, die sie miteinander führten, manchmal über Banales, manchmal auch über den Sinn des Lebens, sehr interessant. Vor allem die Gegenüberstellung von Materialismus und die eher abstrakte Glücksvorstellung von Sydney. Wir erleben auch mit wie sehr diese Studie Sydneys Psyche zusetzt. Ihre Ängste, Sorgen und Panik wurden von Pane sehr gut dargestellt, sodass ich sehr mitgelitten habe.

Hätte das Buch nach dem 1. Teil aufgehört, hätte ich es wohl mit 4,5 bewertet. Leider hat der 2. Teil das Buch für mich sehr heruntergezogen. Ich erläutere das kurz ohne zu spoilern: Es ging zu sehr in das Actiongenre hinein, was für mich eine nicht nachzuvollziehende Charakterentwicklung war (besonders die von Sydney). Nachdem Sydney im 1. Teil so sehr von ihrem Verlobten Scott geschwärmt hat, hatte ich von ihm ein sehr idealisiertes Bild. Dementsprechend war ich mehr als enttäuscht, als ich ihn so richtig kennenlernte. Für mich ist er egoistisch, Meinungen anderer sind ihm wichtiger als Sydney Gemütszustand und als sie stritten, redete er nicht mit ihr als wären sie auf derselben Augenhöhe. Und von dem hat sie so geschwärmt? Kann ich nicht nachvollziehen.

Auch wenn ich den 2. Teil leider nicht so gut fand, hatte ich dennoch eine spannende Zeit mit der Geschichte und die Idee ist einfach klasse! Leuten, die actiongeladene Szenen mögen, werden den 2. Teil wahrscheinlich auch nicht so kritisieren wie ich.

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Veröffentlicht am 03.09.2020

Erschreckend dieses Buch im Jahr 2020 zu lesen

Noah
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Sebastian Fitzek nimmt einen mit "Noah" in eine unheimliche Welt, die sehr nah an der Realität dran ist. In "Noah" erleben die Charaktere den Anfang einer Pandemie und da wir uns momentan mitten in der ...

Sebastian Fitzek nimmt einen mit "Noah" in eine unheimliche Welt, die sehr nah an der Realität dran ist. In "Noah" erleben die Charaktere den Anfang einer Pandemie und da wir uns momentan mitten in der Coronakrise befinden, ist das Thema in diesem Buch plötzlich aktuell geworden. Es ist auch erschreckend wie Fitzek das Verhalten der Menschen prophezeit. Doch wer oder was steckt hinter der Manila-Grippe?

"Wohin sollte er gehen? Mit wem sprechen? War er auf der Flucht? Wurde er wirklich von bösen Mächten gejagt, wie Oscar ihm wieder und wieder zu erklären versuchte? Begab er sich tatsächlich in Lebensgefahr, wenn er sich an die Behörden wandte oder ins Krankenhaus ging? Oder war die Gefahr, die ihm angeblich drohte, nur eine weitere der unzähligen fixen Verschwörungstheorien, die in dem verschrobenen Gehirn dieses seltsamen Menschen steckten, von dem Noah kaum mehr wusste als über sich selbst."

Der Protagonist hat sein Gedächtnis verloren und weiß nicht, wer er ist, warum er auf der Straße lebt und warum in seiner Schulter eine frische Schusswunde verheilt. Er nennt sich Noah, denn dieser Name ist ihm auf die Handfläche tätowiert worden. Den Großteil der Geschichte verfolgen wir aus Noahs Sicht mit und sind dementsprechend genauso und verwirrt wie er. Die Perspektive wechselt zwischen vier Personen, aber durch die Ortsnennung kommt man nicht durcheinander und am Ende wird alles zusammengeführt.

Die Slum-Kapitel mit Alicia und ihren zwei Kindern waren für mich nicht notwendig, um die Geschichte voranzubringen. Es hat zwar die Problematik mit der ungerechten Verteilung von Nahrung und Reichtum verdeutlicht, aber für mich war das zu viel. (Oder spricht da die Stimme aus mir, die dies verdrängen will?)

Obwohl die Thematik sehr interessant ist und mich auch zum weiteren Nachdenken angeregt hat, hat mir die Spannung gefehlt. Für mich war es weniger ein Thriller, sondern mehr ein Actionbuch.

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Veröffentlicht am 20.08.2020

Gutes Konzept, schlechte Ausführung

Der Circle
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“Mae sah auf die Uhr. Es war sechs. Sie hatte noch jede Menge Stunden, um sich zu verbessern, auf der Stelle, und sogleich stürzte sie sich in hektische Aktivität, verschickte vier Zings und zweiunddreißig ...

“Mae sah auf die Uhr. Es war sechs. Sie hatte noch jede Menge Stunden, um sich zu verbessern, auf der Stelle, und sogleich stürzte sie sich in hektische Aktivität, verschickte vier Zings und zweiunddreißig Kommentare und achtundachtzig Smiles. Binnen einer Stunde stieg ihr PartiRank auf 7.288.”

“The Circle” ist ein dystopischer Science Fiction von Dave Eggers und erzählt von Mae, die es dank ihrer Freundin Annie, in den Internetkonzern “Circle” geschafft hat. Der Circle bietet all die Funktionen an, die wir von Facebook, Twitter, Amazon und Paypal kennen, und stattet alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität aus. Die Slogans “GEHEIMNISSE SIND LÜGEN”, “TEILEN IST HEILEN” und “ALLES PRIVATE IST DIEBSTAHL” fassen den Circle sehr gut zusammen.


Obwohl die Geschichte für mich verlockend klang, war ich leider enttäuscht wie oberflächlich Maes Charakter gestalten ist. Sie ist naiv und ihr einziger Antrieb ist es von allen gemocht zu werden und ein besseres Ranking zu erhalten. Sie ist passiv, wird leicht manipuliert und ist ständig in Sorge, was andere wohl über sie denken könnten. Eine schreckliche Protagonistin. Vor allem, so vieles, was sie tut, hat aus irgendeinem Grund keine Konsequenzen? Was ist mit dem heimlich aufgenommenen Sexvideo, worüber sie so besorgt war und sich (zu Recht) aufgeregt hat? Aber nach einigen Seiten, war wieder alles in Ordnung? Generell waren alle Sexszenen im Buch unnötig und vor allem als Frau sehr… unangenehm zu lesen, weil Mae den Sex offensichtlich nicht gut fand.


Eggers scheint versucht zu haben, Mae langsam in die Circle-Mentalität einführen zu wollen, sodass man auch als Leser das so mitempfindet. Allerdings wirkte es auf mich eher so, als hätte er Mae ins kalte Wasser geschmissen und sie hätte davon sofort wach werden und wegrennen sollen. Allerdings stellt Eggers auch ziemlich interessante, innovative Ideen vor, die alle ein eigenes Buch füllen könnten.


Im Großen und Ganzen war das Konzept des Buches wirklich toll, aber die Umsetzung war nicht überzeugend. Es ist aber vom Schreibstil her angenehm zu lesen, sodass es sich relativ flüssig lesen lässt.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Selbstfindung + Sci-Fi

Play
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“Play” von Tobias Elsässer handelt von Jonas, einem frisch gebackenen Abiturienten, der sein Leben selbst in die Hand nehmen will, anstatt sich mit der Zukunftsprognose einer App abzufinden. Wir erleben ...

“Play” von Tobias Elsässer handelt von Jonas, einem frisch gebackenen Abiturienten, der sein Leben selbst in die Hand nehmen will, anstatt sich mit der Zukunftsprognose einer App abzufinden. Wir erleben mit, wie Jonas durch einen Road-Trip nicht nur seinen eigenen Weg, sondern auch den Weg zu sich selbst findet. [TW: Transphobie, Suizid, Drogenmissbrauch, Panikattacke, Tier wird getötet]

Nachdem “Die Maschine” Jonas seine Prognose mitgeteilt hat, setzt er alles daran, für diese unberechenbar zu sein, um nicht so zu enden wie sein Vater. Nachdem er eine Affäre mit seiner Lehrerin Anne angefangen hat, packt er seinen Rucksack und trampt Richtung Norden. Dabei trifft er auf Maja, Kim und Sun, die ihn als Transvestit in eine VIP-Party einschleusen. Nach der drogenreichen Party begibt er sich mit Sun auf ein Abenteuer, ohne zu wissen, dass Sun ihren eigenen Plan verfolgt.

Anfangs dachte ich, dass die App einen höheren Stellenwert in der Geschichte hat, aber die handelt eher von Jonas Selbstfindung. Ich hätte gerne mehr Hintergrundinfos zu der Maschine gewünscht, da ich das Konzept sehr spannend finde und mir vorstellen kann, dass so etwas tatsächlich entwickelt werden könnte und auch viele das benutzen würden. Allerdings weiß man anfangs nur, dass “Die Maschine” die Bekanntschaften mit einem Ampelsystem bewertet, wobei unklar ist, wofür die Farben stehen. Jonas hat für sich beschlossen, dass er Rot folgt.

Obwohl Jonas der Protagonist ist, fand ich ihn nie sympathisch. Auf mich wirkt er oberflächlich, irrational, trotzig und überheblich, was als Charakter nicht schlimm wäre, wäre er nicht der Protagonist. Wahrscheinlich soll er damit wie ein durchschnittlicher Jugendlicher wirken, aber mögen tue ich ihn trotzdem nicht. Sun hingegen mochte ich lieber, da sie rationaler und erwachsener dargestellt wird als er. Einiges, was sie sagt, regt auch zum Nachdenken an, was mir gefallen hat.

Ich mochte die längeren Szenen im Wald, weil sie für mich in einem schönen Gegensatz zu der wilden Party am Anfang des Buches stehen. Man lernt auch Jonas und Sun etwas besser kennen. Mich hat es aber immer wieder gewundert, dass Jonas sich zwar nicht von der App beeinflussen lassen will, sich aber auch nicht bewusst ist, dass er nicht aus freiem Willen handelt, sondern sich von der Maschine beeinflussen lässt. Schließlich macht er seine Entscheidungen von der Bewertung der Maschine abhängig.

Am Ende löst sich zwar einiges auf, dennoch blieb ich verwirrt zurück, weil es für mich zu chaotisch war und die Ereignisse sich regelrecht überschlagen. Was mich allerdings am meisten stört, ist die Verwendung des Wortes “Transe”. Jonas wird als “Transe 1” zu der Party angemeldet und ich bin der Meinung, dass man das hätte ruhig weglassen können oder durch “Drag King” (wie bereits einmal verwendet) oder “Transvestit” ersetzen können. Was mir ebenfalls aufgefallen ist: Anne und Sun haben beide blasse Haut und die einzigen PoC, die auftauchen, sind einmal der “indisch aussehende Mann” vor der Toilette und die “asiatisch aussehende” Drogen-Dealerin… Zum einen, wieso spezifisch “indisch aussehender Mann”? Zum anderen, wieso ausgerechnet diese beiden Charaktere als PoC?


Der Kommentar des Autors zu meiner Kritik bzg.l dem Begriff “Transe” (und andere m.E. problematischen Sätzen): “Als Autor folge ich der Stimme und den biografischen Erfahrungen der Figuren. Es geht nicht darum, gesellschaftlich akzeptierte und tolerierte Handlungsoptionen auszuloten und sich für die dem Alter der Leserschaft gefälligste zu entscheiden, sondern in den Figuren zu bleiben und Sprache oder Jargon und Handlung und Gedanken danach auszurichten, das sie zum Milieu der Erzählung passen. Die Annahme, dass ein Jugendbuch einen Bildungsauftrag hat oder der Ich-Erzähler (aber auch die Lehrerin) übermäßig politisch korrekt handeln und denken müssen, weil die Rezipienten Jugendliche sind, bzw. sein könnten, ist falsch. Die Freiheit des Erzählens besteht darin, einen homogenen Mikrokosmos abzubilden, in dem die Geschichte sich abspielt. Jugendliteratur als widerspruchsbefreites Genre zu sehen, das selbst in Dialogen immer politisch korrekt daherkommt, würde einem zeitgemäßen Text jegliche Form der Glaubwürdigkeit nehmen. Menschen sind fehlbar. Gedanken nicht steuerbar. Menschen handeln und denken nicht rational. Deshalb dürfen die Lastwagenfahrer auch ausgehungert sein und Jonas darf sich Gedanken über Schamhaare machen. Weil Literatur nicht die Aufgabe hat, eine cleane Welt zu zeichnen, die es so nicht gibt und nie geben wird.”

Dem stimme ich nicht zu, weil es ist schlichtweg nicht in Ordnung ist. Denn durch die Verwendung von solchen Wörtern in der Literatur werden diese normalisiert.

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Veröffentlicht am 08.03.2021

Leider nicht gefallen

Bis die Liebe uns findet
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Danke an Keff Vidala, dass du mir ein Rezensionsexemplar deines Buches “Bis die Liebe uns findet” angeboten hast. Kein Danke für die Drohung mit dem Anwalt für diese Rezension. Leider hat mir das Buch ...

Danke an Keff Vidala, dass du mir ein Rezensionsexemplar deines Buches “Bis die Liebe uns findet” angeboten hast. Kein Danke für die Drohung mit dem Anwalt für diese Rezension. Leider hat mir das Buch gar nicht gefallen. Auf dem Cover steht “Nach einer wahren Begebenheit” und der Autor selbst schreibt über sich selbst, seine Jugend, seine Beziehungen und seine Ansichten.

[CN: Ableismus, Body Shaming, Depression, Exotisierung, Fetischisierung, Heteronormativität, HP Referenz (19, 20), Misogynie, Rassismus, Saneismus, Selbstverletzung, Sexismus, Suizidgedanke, Transfeindlichkeit]

Bereits mit dem ersten Satz im Vorwort habe ich bereits ein Problem. “Der größte Fehler, den wir Männer in einer Beziehung machen, ist, dass wir uns nie mit der Frau zufriedengeben, die wir erobert haben.” Zum einen wird hier lediglich heterosexuelle Beziehungen dargestellt und der Mann ist immer der Eroberer, während die Frau immer die Eroberte ist. Sexismus und Misogynie ist in dem Buch durchgehend vertreten. Männer werden passiv dargestellt “Wir lassen uns von Frauen in sozialen Netzwerken verführen und um den Finger wickeln, wenn wir mit ihnen chatten.” (9) “Lass dich nicht von [Schlmpen] verführen [...].” (10) Diese Aussagen implizieren, dass es ja nicht die Schuld der Männer sei, wenn sie ihren Partnerin(nen) betrügen, da sie doch verführt wurden.

Manche Verwendungen von bestimmten Begriffen sind unpassend. Meiner Meinung nach sollte der Begriff “vergewaltigen” nur bei einer Vergewaltigung verwendet werden. Andernfalls werden Vergewaltigungen verharmlost, doch Vidala schreibt “[...] um zu verhindern, dass man meinen richtigen Namen vergewaltigte.” (15) Das hätte anders ausgedrückt werden können. Außerdem verwirrt es mich, dass Vidala “Mädels”, “Frauen”, “Damen” als austauschbare Synonyme verwendet. Ein Mädchen, das 16 ist, ist keine Frau. Vidala schreibt auch, “Was ich aber noch vergessen habe zu sagen [...]” (83) Das ist ein Buch. Das Manuskript kann überarbeitet werden.

Stichwort Rassismus: Vidala hat als Teenager damit angegeben mit wie vielen Frauen er schon etwas hatte. Dabei hat er Geschichten erfunden, um dies glaubwürdiger zu machen. Dies kann man ihm vielleicht nachsehen, da er jung war und die Akzeptanz seines Umfelds gesucht hat. Was ich ihm nicht nachsehe, ist die Verwendung des I-Wortes und die Anmache “Na, Pocahontas”. Hinzu kommt, dass das Japanerin-Klischee (läuft im Alltag im Cosplay mit Schuluniform herum) aufgegriffen wird. In dieser Geschichte beleidigt er die Japanerin mit “Du, [Schl
mpe]” auf Mandarin, woraufhin die Japanerin mit ihm schlafen will. (22) Im Buch steht “Chinesisch”, aber angesichts der größeren Probleme ist mein Pet Peeve zweitrangig.

Später sagt ein Freund zu Keff: “[...] aber du musst wissen, dass afrikanische Mischlingsfrauen [sic!] echt gefährlich sind, denn sie werden von weißen und schwarzen [sic!] Jungs begehrt.” (46) Mixed people mit Afrika Bezügen werden hier über einem Kamm geschert, ohne dass darauf aufmerksam gemacht wird, wie problematisch diese Aussage ist. Als Vidala von dem ersten Mädchen erzählt, das mit ihm gehen wollte, dachte er, “Lustig nur, dass die erste Frau, die mich fragte, eine muslimische Türkin war.” (27) Inwiefern ist das lustig? Und als der Protagonist mit einer kopftuchtragenden Muslimin telefoniert, wundert er sich über ihre “ziemlich Deutsch klingende Stimme, als würde ich mit einer Melanie oder Lisa reden”. (94) Hier noch eine Prise Rassismus. Offensichtlich erwartete er, dass Menschen mit nicht stereotypischen deutschen Namen “anders” zu klingen haben. Ich dachte, der Autor wollte seine Entwicklung darstellen. Hin und wieder benennt er sich selbst als “Arschloch”, doch durch die Art und Weise, wie er diese Situationen darstellt, ohne Diskussion oder konkretes Aufweisen, wieso das rassistisch war, zeigt mir, dass keine Aufarbeitung stattgefunden hat.

Nun kommen wir zu den zwei großen Themen in diesem Buch: Misogynie und Sexismus.

Wir fangen mit etwas Leichtem an und gehen dann über zu dem schwer verdaulichen, das ich widerwärtig finde: “Frauen entdeckten plötzlich das Schminken für sich, wobei ich mir bei manchen wünschte, sie hätten es nie ausprobiert.” (22) Die Meinung einer Person, wie Frauen etwas zu tun haben, was ihren eigenen Körper betrifft, ist irrelevant. Ich dachte, das wäre mittlerweile bei allen angekommen? Er selbst ist oberflächlich bis zum Gehtnichtmehr, aber sich selbst darüber auslassen wie oberflächlich Frauen seien. “Ich hatte das Gefühl, dass die hübschen Frauen mehr auf Aussehen, Geld und Style achten als auf das Herz.” (53) Und worauf werden Frauen in diesem Satz reduziert? Auf ihr Äußeres. Doppelmoral gefunden!

Ein Freund von ihm hat vier parallel laufende Beziehungen und betrügt die Frauen, doch anstatt das zu kritisieren, wird das als Errungenschaft dargestellt. Das einzige Problem für den Protagonisten sei die Logistik… Ich hoffe, es ist zu erkennen, was hier die Problematik ist. Der Satz “Du hast mir beigebracht, wie man sich als Frau verhalten sollte.” (131) wird von Aaliyah gesagt. Da diese Geschichte auf wahre Begebenheiten beruht, weiß ich nicht, ob dies tatsächlich von Aaliyah gesagt wurde, aber nichtsdestotrotz, bin ich der Meinung, dass niemand das Recht hat pauschal zu sagen, wie sich Frauen verhalten sollten.

“Dass ich so späte Erfahrungen gesammelt habe, lag ganz einfach daran, dass ich sehr schüchtern war und extrem viel Respekt vor Frauen hatte. (22) Der Respekt ist, meiner Meinung nach, nicht ersichtlich. Er beschreibt, dass er versuchte immer nett und freundlich zu allen Frauen zu sein und sie ihn daraufhin lediglich als den “Kumpel-Typ” ansahen. Er erwähnt auch die “Friend Zone”. Diese existiert nicht. Das ist ein Konstrukt, dass sich Männer ausgedacht haben, um zu zeigen, dass sie erwarteten mit einer Person zusammenzukommen, indem sie nett und freundlich sind, und sich diese Erwartung nicht erfüllt hat. “Nett” und “freundlich” ist das mindeste, was ein Mensch mitbringen sollte, um überhaupt als potenzieller Partnerin wahrgenommen zu werden. Das Konzept einer “Friend Zone” ist toxisch. Freundschaften werden abgewertet, und nur zu einer Person “nett” zu sein, um mit der Person zusammenzukommen, ist verdammt nochmal nicht nett. Niemand schuldet euch eine Beziehung. Die “Friend Zone” gehört in den Müll. “Ich war immer nett und respektvoll; als Dank habe ich nur Dreck bekommen. Ich bekam nur irgendwelche freundschaftlichen Angebote.” (53) Gut zu wissen, dass er Freundschaften mit Frauen als Dreck erachtet.

Es ist schon widerwärtig, wie er darüber berichtet, dass seine Freundin zu seinem “persönlichen Spielball” wurde und wie er sich dann das nächste “Opfer” sucht. Dann kommt noch mehr Sexismus mit Sätzen, wie “Nicht zu tussimäßig, aber eben wie eine Frau für mich sein sollte - gutriechend und sauber.” (64) und “Kleine Mädels standen auf ‘Swag’, Frauen auf ‘Classic’.” (72) Was ist das für eine Einteilung von Frauen? Wie war das nochmal mit “extrem viel Respekt vor Frauen”? Jedenfalls machte er mit einer Frau Schluss und bekam mit, dass sie nach zwei Wochen in einer neuen Beziehung war und wurde wütend. Er rief sie an, beleidigte sie und sagte ihr dann doch, das er sie liebe. Außerdem fragte er sich, wie sie ihn einfach so ersetzen konnte. Dabei stand in wenigen Absätzen davor, dass er sofort, nachdem er sich von Alexandra getrennt hatte, unzählige Frauen anschrieb und seine Freiheit genoss. Aber wehe, sie ist in einer Beziehung und trauert ihm nicht hinterher! Dass dieses Verhalten und diese Denkweise falsch war, wird nicht aufgearbeitet. Stattdessen versinkt der Protagonist in Selbstmitleid.

Der Autor schreibt über psychologische Taktiken, um Frauen “herumzukriegen”, die er heute noch anwendet. Dinge, die er durch “Pick-Up-Artist” Bücher/Videos gelernt hat. Anstatt die Frau als Person anzusehen und so mit ihr zu interagieren, ist das Ziel “Frau klarmachen”. Die Frau wird dann als “Opfer” oder als “Fang” betitelt. “Diese kleinen Partymäuse, die sich betranken und überall ihren Arsch zum Wackeln brachten, reizten mich nicht im Geringsten; für mich und meine Jungs waren das einfach nur billige Objekte.” (73) Danke, für diese klare misogyne Ansage. Es ist so degradierend, wie er über Frauen schreibt. Nachdem er sein “Opfer” losgeworden ist, indem er ihr, nachdem er sie den ganzen Abend angelogen hat, endlich die Wahrheit sagte, dass er nämlich keine Beziehung wollte, steht geschrieben: “Es war mir wichtig, die Sache frühzeitig und vor allem im Guten zu beenden.” (82) Inwiefern kann das als “im Guten zu beenden” verstanden werden?

Was ich extrem widerwärtig fand: die Einteilung in “qualitativ hochwertige Frauen” und… alle anderen. “Ich war der Psychologe, der Frauenversteher. Ich konnte zwar nicht so schnell mehrere Nummern auf einmal klarmachen, aber dafür qualitativ hochwertige Frauen, die Jura und Medizin studierten.” (87) Danke, ich bin wohl keine qualitativ hochwertige Frau, aber das will ich für ihn auch gar nicht sein. Gegen Ende der Geschichte hat er wieder einmal vor eine Frau zu verarschen, aber hat es gelassen, weil sie sich menschlich gut verstanden haben. Wow. Wie großzügig. Ist das mit “nett und freundlich” gemeint? So kann das also gehen, wenn er Frauen als Menschen ansieht. Applaus!

Dann habe ich noch einige andere inhaltliche Fragen, aber angesichts der größeren Problematiken, sehe ich diese als zweitrangig an und lasse es einfach. Der Protagonist zeigt sich von seiner besonders unsensiblen Seite, indem er eine Mutter zu der Vergewaltigung ihrer Tochter befragt… Was hat er sich dabei gedacht? Anscheinend nicht viel. “Wir leben in einer Welt, in der die Liebe nicht mehr ernst genommen wird. Männer werden zu Frauen, Frauen werden zu Männern.” (168) Anscheinend rundet noch ein bisschen Transfeindlichkeit das ganze Buch ab.

Leider wird auch Ableismus in diesem Buch reproduziert. Vergleiche mit Menschen mit Be_hinderungen sind unnötig und meist, wenn nicht sogar immer, ableistisch. Auch sich selbst als “schizophrener Penner” zu beschreiben ist saneistisch und unnötig. Die anderen Vergleiche möchte ich hier nicht wiedergeben.

Ach ja, die Leser*innen werden außerdem auch noch direkt beleidigt. “Aber diese Geschichte über sie kann ich dir im Moment nicht erzählen, es wären zu viele Informationen auf einmal, zu viel für dein Gehirn.” (99) Geht’s noch? Zu viel für mein Gehirn? Fazit: Die ganze Geschichte war zu viel für mein Gehirn.

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