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Veröffentlicht am 27.12.2020

So la la

home body
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Ich bin kein großer Lyrik-Fan. Tatsächlich habe ich mich außerhalb des Deutschunterrichts in der Schule damals kaum bis nie mit Poesie auseinander gesetzt. Ich hatte einfach nie den richtigen Zugang zu ...

Ich bin kein großer Lyrik-Fan. Tatsächlich habe ich mich außerhalb des Deutschunterrichts in der Schule damals kaum bis nie mit Poesie auseinander gesetzt. Ich hatte einfach nie den richtigen Zugang zu der Thematik, wurde nicht warm damit. Nachdem die Autorin Rupi Kaur aber in den letzten Jahren so bekannt und beliebt wurde und jetzt ein Buch mit dem Titel home body erschien, wollte ich doch einen Versuch wagen. Meine Vorlieben haben sich in anderen Bereichen weiter entwickelt, vielleicht ja auch in Bezug auf Lyrik? Außerdem beschäftige ich mich seit einiger Zeit mit dem Thema Selbstliebe und -akzeptanz, da passte es auch inhaltlich ganz gut.

Nun, wie fasse ich mein Leseerlebnis am besten in Worte? Die Texte gefallen mir im Großen und Ganzen ganz gut. Ich habe mir, wie ihr auf den Fotos unschwer erkennen könnt, auch viele Stellen markiert, um sie später schneller wieder zu finden. Einige Texte haben mir besonders gut gefallen, zum Beispiel dieser zum Thema Produktivitätsangst. Er geht über 4 Seiten, deshalb zitiere ich ihn hier nicht komplett, sondern nur auszugsweise:

ich habe diese produktivitätsangst
dass alle anderen härter arbeiten als ich
und ich ins hintertreffen gerate
weil ich nicht schnell genug arbeite
nicht lange genug
und meine zeit vergeude

ich setze mich zum frühstück nicht hin
ich bestelle nur etwas zum mitnehmen
ich rufe meine mutter an wenn ich frei habe – sonst
dauert unsere unterhaltung zu lang

ich schiebe alles auf
was mich meinen träumen nicht näher bringt
als wären die dinge die ich aufschiebe
nicht der wahre traum

ist der wahre traum nicht eigentlich
dass ich eine mutter habe die ich anrufen kann
und einen tisch an dem ich frühstücken kann

[…] ……. Rupi Kaur, home body. S. 88 f. „produktivitätsangst“

Die meisten anderen Texte sind sehr kurz, haben nur 3 bis 5 Verse. Ich schreibe übrigens von Texten und nicht von Gedichten, da sich kaum etwas wirklich reimt.

Die Texte haben auch allesamt Botschaften, die ich mehr oder weniger selbst repräsentiere: Selbstliebe, Rücksicht auf sich selbst, Wut gegenüber gesellschaftlichen Grenzen für Frauen und andere Marginalisierte usw. Nur wenige stimmen in ihrer Aussage nicht mit meinen eigenen Überzeugungen überein. Gut gefällt mir auch die Aufmachung: Rupi Kaur hat mindestens jede zweite Seite illustriert, das Buch liegt als Hardcover gut in der Hand und laut Info-Mail des Verlags hat die Autorin „in einem Instagram-Post offenbart“, dass die Farbe des Covers „stellvertretend für ihre Hautfarbe“ steht. Das trägt noch einmal eine ganz besondere Bedeutung mit sich, finde ich, und macht das Buch sehr persönlich.

Etwas schade finde ich, dass sich nicht alle Texte wirklich an dem Titel orientieren. Wobei – andersherum wird wohl eher ein Schuh draus: der Titel home body beziehungsweise der Deutsche Untertitel zu hause in mir trifft leider nicht alle Texte. So gibt es auch Verse, in denen (Kindes-) Missbrauch verarbeitet wird oder Vergewaltigungen Erwähnung finden. Das hat zwar alles seine Daseinsberechtigung und gehört für Rupi Kaur wahrscheinlich auch zum Verarbeitungsprozess. Zu Selbst-Akzeptanz gehört auch, die Geschichte (und eventuelle Misshandlungen) des eigenen Körpers zu verarbeiten und zu akzeptieren. Es ist also völlig okay, dass Texte zu diesen Themen Raum in Textsammlungen finden. Für mich gingen Verse wie diese aber etwas am titelgebenden Thema vorbei oder waren zumindest ziemlich überraschend. Ich hatte etwas anderes erwartet, mehr in Richtung Wellness und Empowerment und weniger düster.

Und leider muss ich abschließend auch feststellen, dass sich meine Einstellung zu Lyrik nicht verändert hat. Sie ist zwischendurch ganz nett zu lesen, und manche Texte fassen auch schön in Worte, was ich mir oft genug still denke. Aber ich persönlich finde die Werke nicht so überwältigend und faszinierend, wie viele andere Leute in den letzten Monaten und Jahren sagten.
Meiner Meinung nach ist das Buch auch ziemlich teuer für so „wenig“ Inhalt. Ja, es ist ein Hardcover. Das eBook ist aber mit 9,99 € auch nicht so viel günstiger. Und 16,00 € für 192 Seiten finde ich auch dann viel, wenn es Prosa ist, also zum Beispiel ein Roman. Hier sind jedoch im Gegensatz zu Prosa die größten Teile der Seiten weiß und leer.

Positiv

gute Botschaften
ein paar sehr, sehr gute Texte
schöne Aufmachung

Negativ

überwiegend andere Themen als erwartet
ziemlich teuer für so wenig Inhalt

Fazit

Es ist natürlich Ansichtssache und jede:r hat ihre:seine eigenen Vorlieben. Für mich ist die Lyrik-Verpackung der hier behandelten Themen – und diese sind richtig und wichtig! – einfach nicht die passend. Ich persönlich lese lieber einen Roman, in dem die Themen verarbeitet werden. Für Poesie finde ich die Texte aber gut …

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Veröffentlicht am 18.11.2020

Ein bisschen am Thema vorbei

Wonderlands
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Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Bücher. Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Filme und -Serien. Die im Untertitel von Wonderlands genannten „fantastischen Welten“ faszinieren mich. Deshalb habe ...

Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Bücher. Ich liebe Fantasy- und Science-Fiction-Filme und -Serien. Die im Untertitel von Wonderlands genannten „fantastischen Welten“ faszinieren mich. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als in meinem E-Mail-Postfach ein Newsletter von der Agentur Literaturtest einging, in dem das Buch Wonderlands beworben wurde. Ob ich eventuell Interesse an einem Rezensionsexemplar hätte? Na klar hatte ich Interesse! Im Untertitel und dem Beschreibungstext wurden bekannte Geschichten genannt, das Cover gab Aussicht auf Kartenmaterial (ich mag Karten, habe sogar eine Vorlesung zu Kartografie besucht, obwohl das mit meinem Studium rein gar nichts zu tun hat) und die Seitenanzahl ließ vermuten, dass dieses Buch nur so vor Worldbuilding strotzt.

Nun ja. Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen, vielleicht hätte ich auch die Leseprobe vor meiner Zusage lesen sollen. So begeistert, wie ich vermutet hatte, bin ich von Wonderlands nämlich nicht.

Das Buch erzählt in chronologischer Reihenfolge von den enthaltenen Werken, wobei sich die Einordnung am Entstehungszeitpunkt der Geschichten orientiert. Die großen Kapitel heißen „Alte Mythen und Legenden bis 1700“, „Wissenschaft und Romantik 1701-1900“, „Das goldene Zeitalter der Fantasy 1901-1945“, „Neue Weltordnung 1946-1980“ und „Das Computerzeitalter 1981-heute“. Jede Geschichte bekommt dabei eine bis zwei Doppelseiten Raum, auf denen diverse Bilder untergebracht sind. Meist ist eine Abbildung des/der Autor:in dabei, das Cover der Originalausgabe oder bei den ganz alten Texten Fotos der handschriftlichen Manuskripte. Auch Gemälde und Illustrationen, die sich der beschriebenen Geschichte oder ihren Figuren widmen, finden ihren Platz. Dazu kommen durchaus informative Texte, in denen der Inhalt knapp umrissen und der/die Verfasser:in des Werks vorgestellt wird.

Die verschiedenen Autor:innen, die an Wonderlands mitgewirkt haben, die übrigens am Ende des Buches in einer Übersicht kurz vorgestellt werden, verdeutlichen in ihren Texten auch, warum die beschriebenen Werke relevant für die Geschichte und Entwicklung des Genres Fantastik – also Fantasy und Science Fiction – sind. Dadurch eignet sich Wonderlands sicher hervorragend als Nachschlagewerk für bedeutsame Werke der Fantastik-Literatur. Es erinnert mich deshalb in seinem Aufbau ein bisschen an 66 Bücher, von denen alle sagen, dass du sie gelesen haben musst von Alexandra Fischer-Hunold, das ich vor etwa drei Jahren gelesen und rezensiert habe. Nur, dass es bei Wonderlands einen thematischen Schwerpunkt gibt.

Was mir bei all diesen Informationen aber zu kurz kam, war das Worldbuilding. Die Welten, die die jeweiligen Autor:innen erschufen, der Weltenbau, der diesem Buch seinen Namen gab – das ging in den Zusammenfassungen von Inhalt und Lebensgeschichte unter. Immerhin geht es doch um die Welten und nicht um die Figuren und Autor:innen, oder? Das steht doch im Titel! Und gerade diese Thematik bietet die Möglichkeit, Karten zu verwenden.

Tolkiens Der Herr der Ringe-Welt ist wohl eines der bekanntesten Beispiele aus Wonderlands, für das umfassendes Kartenmaterial existiert. Warum es dann nicht verwenden, wenn die Welt von Mittelerde im Fokus stehen soll? Stattdessen hat man eine Skizze von dem Turm von Isengard abgedruckt. Von 100 genannten Werken wurde nur für elf (!) davon Kartenmaterial eingebunden. Diese gehören zum Beispiel zu George R. R. Martins Game of Thrones, Ursula K. Le Guins Der Magier der Erdsee, C. S. Lewis‘ Die Chroniken von Narnia, Edwin A. Abbotts Flächenland und Robert Louis Stevensons Die Schatzinsel. Dabei sind das nicht immer Welt- oder Landkarten. Beim Flächenland ist es der Grundriss eines Hauses, bei der Schatzinsel wird die Schatzkarte dargestellt und nicht die ganze Welt.

Neben dem Titel ist auch der Untertitel etwas irreführend, beziehungsweise wird das Werk dem Untertitel ebenfalls nicht gerecht. Es werden viele moderne Namen genannt: J. K. Rowling, Stephen King, Haruki Murakami. Da aber die chronologische Entwicklung von fantastischen Welten dargestellt werden soll (jedenfalls vermute ich das, denn auf die Details der jeweiligen Welten wird ja nur sehr oberflächlich eingegangen), beginnt der Zeitstrahl bei dem Gilgamesch Epos um 1750 vor Chr. Wer sich also nicht für ältere, alte und sehr, sehr alte Texte interessiert, sondern eher auf aktuelle und moderne Welten hofft, wird mit einer Enttäuschung rechnen müssen.

Für mich liegt der Fokus von Wonderlands definitiv zu sehr auf der Entstehungsgeschichte der einzelnen Werke und auf dem „wer schreibt bei wem ab“. Ich hätte mir mehr Details – insbesondere in Form von Kartenmaterial – über die einzelnen Welten gewünscht.


Positiv:
- informative, kurze Texte zum jeweiligen Werk
- nachvollziehbarer chronologischer Aufbau
- gut als Nachschlagewerk zur Entwicklung der Science Fiction/Fantasy geeignet

Negativ:
- Cover ist irreführend: zu wenig Kartenmaterial
- Untertitel ist irreführend: weniger moderne, mehr alte Werke
- Es wird kaum über die Welt gesprochen: am Titel und Thema vorbei!

Fazit
Diese Sammlung von Worldbuilding-Beispielen ist als Nachschlagewerk durchaus sehenswert: Kurze informative Texte vermitteln knapp den jeweiligen Inhalt und verdeutlichen, warum ein Werk wichtig für die Geschichte von Fantasy- und Science-Fiction-Texten ist. Dazu ist auch abwechslungsreiches Bildmaterial enthalten. Die Texte behandeln die beschriebenen Welten für meinen Geschmack aber viel zu oberflächlich. Ich hätte mir gerade bei diesem Thema auch mehr Karten gewünscht – z. B. Tolkiens Welt bietet sich dafür geradezu an. Das ist meiner Meinung nach eine verpasste Gelegenheit.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Ein Slice of Life-Jugendroman

Das Salzwasserjahr
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Das Salzwasserjahr - ein Titel, der wirklich neugierig macht. Er war ausschlaggebend dafür, dass ich mich mit diesem Buch genauer beschäftigt und es schließlich auch gelesen habe. Ein bisschen irreführend ...

Das Salzwasserjahr - ein Titel, der wirklich neugierig macht. Er war ausschlaggebend dafür, dass ich mich mit diesem Buch genauer beschäftigt und es schließlich auch gelesen habe. Ein bisschen irreführend ist er aber auch, wenn man genauer drüber nachdenkt: so viel Salzwasser - abgesehen vom Meer - gibt es in der Geschichte gar nicht.

Ich fand es schön, wie nüchtern und normal dieser Junge sein Jahr in Australien beschreibt. Gleichzeitig lebt das Buch von seiner großartigen Sprache - Worte und Phrasen, die mich immer wieder kurz haben innehalten lassen. Dabei war die Sprache nicht hochtrabend oder besonders elitär, aber auch nicht dumpf und beinahe schon stumpfsinnig, wie leider viele Jugendbücher aus der Perspektive von Jugendlichen geschrieben werden; als ob der erwachsene Autor glaubt, dass junge Menschen nur "ey Alter" und "Digga" sagen. Das ist hier gar nicht so. Stattdessen wirkt die gewählte Sprache absolut authentisch jugendlich und intelligent. Das fand ich sehr angenehm zu lesen.

Inhaltlich passiert gar nicht so viel, deshalb würde ich das Buch wohl am ehesten als Slice of Life bezeichnen: "Das Salzwasserjahr" lässt uns LeserInnen an einem Jahr im Leben des Protagonisten teilhaben, ohne Davor und Danach. Das hat den Nachteil, dass ich nicht erfahren habe, wie es mit (Jan)Nik und Levi, einem Freund aus der Heimat, deren Freundschaft wohl kurz vor Niks Aufbruch in den Süden zu bröckeln begonnen hat, weiter geht. Nik denkt oft an Levi und fragt sich, ob sein Freund ich in diesem einen Jahr auch weiterentwickelt hat. Aber leider erfahren wir LeserInnen nie die Antwort.

Während Nik sich zuerst schwertut, anzukommen und Freunde zu finden - zugegeben, er ist auch nicht gerade in die stabilste Familie gekommen -, trifft er auf umso speziellere Fremde, die zu Freunden werden: der Obdachlose, der am Strand Sandskulpturen baut und meist fröhlich und optimistisch ist, aber auch sehr traurig sein kann; das Mädchen, mit dem er Wort-Geschenke austauscht (die Idee finde ich ja mal sowas von großartig!) und auf die er schließlich ein Auge wirft.

Es werden Themen wie Depression oder Weglaufen von der Familie in die Geschichte eingebaut, was mir gut gefällt. Es wirkt realistischer und noch normaler, alltäglicher. Solche Dinge sind eben normal und kommen vor - man sollte sie nicht verschweigen, wenn man Romane schreibt. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Für die Depressionen hätte ich mir allerdings eine Triggerwarnung gewünscht. Ich selbst bin zwar nicht betroffen, aber die Art und Weise, wie die Krankheit beschrieben wird, hätte meiner Meinung nach eine Warnung für Betroffene verdient.

Durch den Alltagscharakter der Geschichte, die wenig abenteuerlichen Erlebnisse und die Normalo-Haltung von Nik ist die Handlung leider etwas schleppend. Ich habe länger zum Lesen gebraucht als sonst für Bücher mit diesem Umfang, weil ich oft nicht mehr als 20 oder 30 Seiten am Stück lesen konnte, ohne mich zu langweilen. Und jedes Mal habe ich 2, 3 Seiten gebraucht, um wieder reinzukommen. Die Sprache hat etwas gegen diesen Effekt angewirkt, aber insgesamt hätte ich mir einen schnelleren Handlungsfortschritt gewünscht.

Insgesamt hat mir das Buch aber gefallen. Es war anders, als viele Jugendbücher, die ich sonst lese, und die Sprache hat mir großen Spaß gemacht. Es mangelte an der Geschwindigkeit in der Handlung und auch ein bisschen am Inhalt: es hätte gern mehr passieren dürfen. Für den Slice of Life-Charakter des Buches war es perfekt, ich habe auf Basis des Klappentextes einfach eine andere Art von Geschichte erwartet.

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Veröffentlicht am 17.05.2019

Nette Unterhaltung für zwischendurch - mit zähem Einstieg

Up All Night
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Ich gestehe: Hier bin ich, wurde wieder einmal Opfer eines großartigen Covers und bin hinterher etwas enttäuscht.

Nach einem schweren Einstieg, der mich mehr als einmal fast zum Aufgeben gebracht hat, ...

Ich gestehe: Hier bin ich, wurde wieder einmal Opfer eines großartigen Covers und bin hinterher etwas enttäuscht.

Nach einem schweren Einstieg, der mich mehr als einmal fast zum Aufgeben gebracht hat, nimmt die Handlung endlich an Fahrt auf. Bevor ich aber zu dem Teil komme, der mir gut gefallen hat, muss ich ein paar Worte zum Anfang loswerden.

Wer den Klappentext gelesen hat, weiß, dass die Protagonisten einen alles andere als guten Tag hat. Alles, was schief gehen kann, läuft schief (ganz nach Murphy's Law), und alles andere gleich mit. Ich kann also gut verstehen, dass jemand, der so etwas erlebt, kaum auf andere Gedanken kommt und das Geschehene wieder und wieder im Kopf hat. Das aber als Leser ständig wieder serviert zu bekommen - und zwar nicht komprimiert á la "dieser Tag war so mies" oder "ich kann nicht glauben, was mir passiert ist", sondern als detaillierte Aufzählung - ist einfach nur anstrengend. Ich habe erst vor wenigen Seiten live mitbekommen, was passiert ist, ich brauche nicht in jedem vierten Abschnitt eine neue Auflistung, um mich zu erinnern. Aus dramaturgischer Sicht kann ich also verstehen, warum das so geschrieben wurde, aber als Leserin war ich einfach nur genervt. Und zwar dermaßen, dass ich das Buch für ein paar Tage beiseite gelegt habe und nicht weiter daran denken wollte. Allein die Tatsache, dass ich es im Rahmen einer Lesejury-Leserunde gelesen habe, hat mich zum weiterlesen bewegt. Und rückblickend bin ich froh darüber, da das Buch mit der Zeit immer besser wurde.
Wenn der Anfang eines Buches aber nicht überzeugt, dann hat es schlechte Chancen bei Lesern, die weniger motiviert sind als ich es in diesem Fall war. Obwohl diese ersten paar Kapitel wenig sind im Verhältnis zu den vielen guten Stellen, ist das für mich doch ein enormer Minuspunkt.
Aber kommen wir zu dem, was gut war.

Up All Night hat mir abrupt besser gefallen, sobald Taylors Konterpart auftauchte. Ab diesem Moment stimmte das Verhältnis von inneren Konflikten (Achtung: Es sind Konflikte, nicht mehr nur stetige Jammerei und Selbstmitleid! Ein RIESEN Fortschritt.) und vorsichtigem Herantasten aneinander, alter Freundschaft und neuen Beziehungen. Denn es dreht sich nicht mehr alles um sie allein (Okay, der Schwerpunkt liegt noch immer auf ihr, aber es ist kein einziges ich, ich, ich mehr. Ihr versteht?), sondern mit Daniel gibt es eine neue Figur im Rampenlicht, die so anders und angenehm ist, einen tollen Charakter hat und alles auffängt, was Taylor ihm entgegenschleudert. Und ja, diesen Satz habe ich bewusst so formuliert. Daniel ist ein toller Kerl, der endlich einmal - ganz im Gegensatz zu so vielen anderen Protagonisten dieses Genres - nicht nur seine eigenen Ideen und Ziele im Blick hat, sondern viel eher die seiner PartnerIn und Freunde voranstellt. Er hat zwar auch Macken und Fehler, aber wer hat die nicht? Das macht ihn irgendwie schräg oder zumindest realistischer.
Die übrigen Figuren fand ich auch recht gelungen, wenn sie auch ziemlich oberflächlich thematisiert wurden. Das ist aber insofern okay, als dass sie eben nur Nebenfiguren und nicht die Protagonisten sind.

Die Handlung selbst ist ganz gut: Sie verliert an einem einzigen Tag alles, er kommt ihr zur Rettung (aber ohne sich als den großen Macker aufzuspielen, sondern ganz bodenständig) und zusammen (ohne "zusammen" zusammen zu sein) rappeln sie sich wieder auf und wachsen aneinander. Gar nicht schlecht. Aber eben auch nichts außergewöhnliches.
Ich merke gerade, wie negativ das alles klingt, und möchte diesen Moment nutzen, um eines klarzustellen: Insbesondere das zweite Drittel von Up All Night hat mich sehr gut unterhalten, auch das letzte Drittel war echt gut. Es war angenehm zu lesen, der Schreibstil wurde immer besser - es war, als hätte die Autorin mit dem Buch erst einmal warm werden müssen. Dadurch wurde leider das erste Drittel in meinen Augen ein Desaster und zieht natürlich den Rest mit hinunter, so gut er auch ist.

Insgesamt hat mir Up All Night schon ganz gut gefallen, aber eben auch nicht mehr. Wer eine Unterhaltung für zwischendurch sucht, ist hiermit gut bedient, muss aber zu Beginn jede Menge Durchhaltevermögen und Nerven aus Stahl mitbringen, um zum guten Teil zu gelangen. Wer einen tiefschürfenden Roman voller Gefühl erwartet, der einen noch Tage danach beschäftigt und berührt, der muss leider mit einer Enttäuschung rechnen.

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Veröffentlicht am 04.01.2019

Der Inhalt ist gut, aber an der Verpackung hätte man noch arbeiten können

Heartbeat. Truly yours
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Zuerst war ich etwas skeptisch, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte; in letzter Zeit stelle ich immer wieder fest, dass ich aus der Zielgruppe von High School-Romanen einfach herausgewachsen zu sein ...

Zuerst war ich etwas skeptisch, nachdem ich den Klappentext gelesen hatte; in letzter Zeit stelle ich immer wieder fest, dass ich aus der Zielgruppe von High School-Romanen einfach herausgewachsen zu sein scheine. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Julie Chapel schafft es allerdings mich daran zu erinnern, warum ich solche Geschichten früher sehr gern gelesen habe.

Unsere Protagonistin ist nämlich weder graues Mäuschen, das ohne "Hilfe" von Dritten nicht aus ihrer ach so schrecklich langweiligen Schale ausbrechen kann, noch ein total beliebtes High School-Püppchen, das massenhaft Freunde um sich geschart hat, bis etwas dramatisches passiert und sie plötzlich ganz allein da steht - aber natürlich attraktiv ist. Solche 08/15-Plots hat man ja leider sehr häufig. Stattdessen lesen wir von Harley, benannt nach dem Motorrad (was mir, Asche auf mein Haupt, erst klar wurde, als es im Text explizit gesagt wurde) und mit wunderbar schrägen Eltern gesegnet. Sie fotografiert gern und schämt sich nicht dafür, ein anderes Hobby als Mode oder Feiern zu haben. Sie ist nicht auf den Mund gefallen, zögert aber trotzdem manchmal zu sagen, was sie denkt. Wie ein ganz normaler Mensch eben. Bei ihr hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass diese Figur nicht total konstruiert und klischeehaft war, sondern dass es diese Person so wirklich irgendwo geben könnte. Und ich wäre sehr gern mit ihr befreundet.

Ihr männliches Gegenüber allerdings ist mir etwas zu platt. Er hat die typische traurig-dramatische Backstory, die ihn in Kombination zu seinem Dasein als Sportler-Ass mit ach so anbetungswürdigem Aussehen leider so spannend macht wie einen lebensgroßen Pappaufsteller. Auch die Nebencharaktere sind überwiegend farblos. Das finde ich sehr schade. Umso mehr habe ich mich über eine Liebesgeschichte gefreut, die sich zwischen mehr oder weniger bedeutungslosen Nebenfiguren entwickelt hat. Die gefiel mir schon fast besser als die Haupthandlung. :)

Der Schreibstil von Julie Chapel gefällt mir außerdem sehr. Flüssig, manchmal voller trockenem Humor und immer einer Prise Selbstironie, wenn ich mich nicht täusche. So lässt sich diese Geschichte gut lesen und brachte mich des öfteren zum Schmunzeln.

Inhaltlich hat mich Truly Yours also gut unterhalten - wenn man davon absieht, dass es mir nicht gelang, wirklich mir den Charakteren mitzufiebern. Wie vermutet bin ich einfach zu weit vom Schulalltag weg, um die Gedanken eines Teenagers noch so fesselnd zu finden wie früher. Mir fehlt es an Komplexität, ich würde lieber über schwerwiegendere Probleme lesen als das obligatorische will they-won't they im Teenagerleben.

Es gibt am Cover ein paar Kleinigkeiten, die mich stören. (Okay, ich gebe es zu. Das ist meckern auf hohem Niveau. Aber hey, ich studiere diesen Kram ja auch. Ich finde, damit habe ich das Recht, ein paar kleine Verbesserungsvorschläge zu machen ...)
Also. Mich stört, dass das "ea", also zwei Buchstaben aus dem Reihentitel "Heartbeat", in ein Symbol (das Herz) übersetzt wurden. Dadurch erreicht man zwar eine Symmetrie mit den so übrig bleibenden acht Symbolen im Wort "Heartbeat", doch zufrieden stellt es mich nicht. Besonders stört mich aber, dass der Name der Autorin nicht an die Breite des Reihentitels angepasst wurde. Alternativ hätte man ihn auch so einrücken können, wie den grünen Titel dieses Bandes. Alles im Namen der Symmetrie bzw. um es aneinander anzupassen - was man scheinbar mit dem Herzen statt "ea" versucht hat.
Wie dem auch sei, das sind nur Ideen, wie man das Cover besser machen könnte. Vielen werden diese Details gar nicht auffallen. :)