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Veröffentlicht am 01.01.2021

Vielfältige Familiengeschichte

Hannah und Ludwig
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Mit "Hannah und Ludwig" erzählt Rafael Seligmann die Geschichte seiner Eltern und ihrer Familien in der Zeit von 1934 bis 1957 und beleuchtet damit das Leben der nach Palästina eingewanderten Juden und ...

Mit "Hannah und Ludwig" erzählt Rafael Seligmann die Geschichte seiner Eltern und ihrer Familien in der Zeit von 1934 bis 1957 und beleuchtet damit das Leben der nach Palästina eingewanderten Juden und die Aufbruchsstimmung in einem Teil der Erde, der in die Weltpolitik so eingebunden wurde, daß er erst einmal zu sich selbst finden mußte. Da ich über diese Zeit in Palästina/Israel bisher nicht viel wußte, war ich angetan von der Fülle an Wissen, die dieses Buch enthält.

Schon der erste Eindruck ist ansprechend, ein ausgesprochen passendes Titelbild, das die Ankunft von Einwanderern in Palästina zeigt, auch haptisch hochwertig gestaltet (das Korrektorat/Lektorat hätte sich daran ein Beispiel nehmen können, wobei hier immerhin ein wenig sorgfältiger gearbeitet wurde als beim letzten Buch, das ich von diesem Verlag las). Erfreulich ist auch ein Glossar, auch wenn ich ein paar Begriffe dort vergeblich suchte. Ganz am Ende finden sich einige Familienfotos, ebenfalls sehr erfreulich.

Der Autor beginnt mit der Ankunft der Brüder Ludwig und Heinrich und berichtet uns das Geschehen mit Ludwig als Ich-Erzähler. Ludwig Seligmann ist Rafaels Vater und ich fand das Vorgehen, sich durch die Erzählperspektive gewissermaßen in dessen Haut zu begeben, sehr ungewöhnlich und mutig. An manchen Stellen scheint es, als ob der Autor vor zu viel innerer Nähe zurückschreckt, gerade Ludwigs erste Beziehungen sind seltsam distanziert geschildert und wirken teils fast nicht zur Geschichte gehörig. Auch ist Ludwigs Verhaltensweise vereinzelt nicht nachvollziehbar, weil der Ich-Erzähler hier seine Gedanken nur vage anschneidet. Im Allgemeinen aber funktioniert die Erzählperspektive gut, denn so erleben wir diese erste Zeit in Israel durch Ludwigs Augen und können wirklich in das Geschehen eintauchen. Die Sprache ist durchgehend ausgezeichnet und gerade im ersten Drittel zeichnet sie sich durch farbige Beschreibungen aus, die mit wenigen Worten ganze Bilder heraufbeschwören können. Das gelegentliche Einbeziehen von Dialogen mit jiddischen Anklängen oder Dialekten aus den jeweiligen Heimatregionen trug sehr zur Farbigkeit bei. Ich hatte beim Lesen wirklich das Gefühl, dabei zu sein. Dieses Farbigsein nimmt allmählich etwas ab, dafür geht der Autor im zweiten Teil viel tiefer in die Gefühlswelt der Personen.

Inhaltlich war gerade der erste Teil für mich faszinierend, in dem wir Ludwig und Heinrich bei ihren ersten Schritten in der neuen Heimat begleiten. Die Brüder gehen sehr unterschiedlich mit ihrer Situation um und das las sich spannend und gab viele Einblicke in die Lage der deutschen Juden in Palästina, die ihr Heimatland vermissten, sich mit der gänzlich anderen Kultur nicht immer anfreunden konnten und gleichzeitig in dem schmerzlichen Bewusstsein leben mußten, daß ihr Heimatland sie nicht mehr wollte. Oft kommt dazu noch die Angst um in der alten Heimat zurückgebliebene Verwandte. Heinrich leidet unter dem Verlust seiner Heimat sehr und richtet sich in Palästina in einem Provisorium ein, das zu einem andauernden Zustand wird. Leider verschwindet er nach dem ersten Drittel des Buches fast völlig aus der Geschichte und taucht nur noch in gelegentlichen Einschüben auf. Nachdem er uns so intensiv vorgestellt wurde, fand ich es schade, daß wir über seine Gedanken dann so gut wie nichts mehr erfahren.

Der zweite Weltkrieg wird überraschend schnell abgehandelt und auch hier fehlten mir oft Informationen dazu, wie die Familienangehörigen manche Dinge erlebten, was sie über die Geschehnisse dachten. Die historischen Hintergrundinformationen werden oft nicht eingebunden, sondern textbuchartig erzählt. Das geht manchmal nicht anders, aber ich dachte oft "Ja, gut, aber wie empfand die Familie dies?" Im letzten Drittel, nach der Gründung Israels, werden die textbuchartigen Einschübe länger und lasen sich in dieser Häufigkeit für mich oft ein wenig trocken. Bei einigen jüdischen Traditionen (z.B. dem Mikwebesuch der Braut) wären dagegen ein paar erklärende Hintergrundsätze sehr willkommen gewesen.

Als Ludwig Hannah, seine spätere Frau, kennenlernt, kommt diese als zweite Ich-Erzählerin dazu, so daß die Erzählperspektiven wechseln. Diese Wechsel werden lediglich durch drei Leerzeilen angezeigt, die ich im Lesefluß auch nicht immer so deutlich wahrgenommen habe, so daß ich oft anfänglich verwirrt war, wenn sich die Erzählperspektive änderte. Als nachher noch Rafaels Erzählperspektive dazukommt und zwischen drei Ich-Erzählerin gewechselt wird, wird es gelegentlich noch ein wenig verwirrender. Hier wäre es ausgesprochen hilfreich gewesen, einfach kurz "Hannah","Ludwig" oder "Rafael" davorzusetzen. Dies hätte den Fluß nicht unterbrochen und wäre erheblich leserfreundlicher gewesen. Sinnvoll sind diese wechselnden Perspektiven nämlich durchaus, da sie gerade in der Beziehung zwischen Ludwig und Hannah verschiedene Gesichtspunkte beleuchten.

Da der Autor sowohl Ludwigs wie auch Hannahs Familie einbindet, erfahren wir eine Vielzahl von Schicksalen und bekommen so ein vielfältiges Bild der Erfahrungen, die ausgewanderte Juden in jener Zeit machten. Das fand ich sehr anschaulich, wenn auch mancher viel zu kurz kommt und einige Dinge unklar bleiben. Es entfaltet sich ein gut geschildertes Panorama jener Zeit und jener Gegend. So ist "Hannah und Ludwig" ein Buch, das in gelungener Sprache viele Informationen vermittelt und uns am Schicksal zahlreicher Menschen teilhaben läßt.

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Veröffentlicht am 13.10.2020

Guter Überblick

100 x Frankfurt
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Das – unbedingt sehenswerte – Historische Museum Frankfurt lässt uns hier einen vielfältigen Blick in die Geschichte der Stadt werfen. 100 Gegenstände werden uns mit Bild und Text vorgestellt und führen ...

Das – unbedingt sehenswerte – Historische Museum Frankfurt lässt uns hier einen vielfältigen Blick in die Geschichte der Stadt werfen. 100 Gegenstände werden uns mit Bild und Text vorgestellt und führen uns auf eine Reise durch die Stadtgeschichte, vom 17 Millionen Jahre alten Fossil bis hin zum Papphäuschen als Symbol des Protests gegen steigende Mieten in der Gegenwart. Jedes Objekt wird auf einem Farbbild vorgestellt, auch sonst gibt es viele Abbildungen. Diese hochwertige Gestaltung erfreut und ist anschaulich.
Die Objekte selbst finde ich fast durchweg gut gewählt, es sind passende Sinnbilder für allgemeine Entwicklungen, bestimmte Ereignisse oder sich ändernde Strömungen. Schade fand ich nur, daß gleich ein Fünftel aller Artikel sich mit den Jahrzehnten seit 1945 beschäftigt und gerade die letzten Gegenstände doch immer wieder das gleiche Grundthema hatten. Das 17. und 18. Jahrhundert zusammen haben weniger Artikel im Buch, obwohl es hier durchaus auch genügend Gegenstände gegeben hätte, wie ich von meinen Besuchen im Museum weiß. Auch das 19. Jahrhundert kommt im Vergleich zur Nachkriegszeit etwas kurz. Diese Gewichtung ist natürlich Geschmacksache, ich hätte bei einem Buch, aus dem ich etwas über die Geschichte lernen möchte, weniger Ungleichgewicht erwartet. Allerdings lernt man insgesamt wirklich einiges über Frankfurt und erlebt durch die Gestaltung auch gut die Wandlungen der Stadt.
Die Artikel sind von verschiedenen Autoren, was sich ebenfalls bemerkbar macht. Insgesamt war mir Vieles zu knapp. Das ist von einem Buch, das einen Überblick geben möchte, natürlich auch nicht anders zu erwarten, nur hätten öfter zwei oder zwei zusätzliche Sätze schon geholfen, relevante Informationen zu vermitteln, die fehlten. Überwiegend sind die Texte etwas trocken, manchmal aber sehr farbig. Eine Autorin legt so viel Wert auf Gendern, dass man sich vor lauter „/innen“ kaum noch auf ihre eigentlich guten Artikel konzentrieren kann, hier wird das Gegendere so verkrampft, dass es sogar „Abzug der Amerikaner/innen“ heißt, was ich bisher so übertrieben noch nie gelesen habe. Dafür ist einer der Artikel dieser Autorin (über den Bombenangriff) m.E. einer der besten des Buches, da man hier auch die Menschen hinter dem Geschehen erlebt. Insgesamt sind die Texte also ein etwas gemischtes Vergnügen, aber es geht hier vorweg um den Informationsgehalt und der ist absolut gegeben. Das Buch bietet einen guten Weg, sich Frankfurt durch seine Geschichte zu nähern, einen farbigen, vielfältigen Überblick zu bekommen. Zahlreiche Quellenangaben bieten Möglichkeiten, Themen anschließend zu vertiefen.

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Veröffentlicht am 14.09.2020

Unterhaltsam, aber ein wenig übertrieben

Das Schicksal der Henkerin
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Ein Buch, dessen erste Worte „Teufel und Hurenarsch“ sind, macht schon mal neugierig und der im positiven Sinne farbige Schreibstil setzt sich durch das ganze Buch hinweg fort. Langweilig wurde es bei ...

Ein Buch, dessen erste Worte „Teufel und Hurenarsch“ sind, macht schon mal neugierig und der im positiven Sinne farbige Schreibstil setzt sich durch das ganze Buch hinweg fort. Langweilig wurde es bei „Das Schicksal der Henkerin“ wirklich nie.

Das Buch ist der dritte Teil einer Serie um die Erlebnisse Melisandes, die uns vom gelungen reduzierten Titelbild ansieht. Ich habe die ersten beiden Teile nicht gelesen, das tat dem Leseerlebnis aber keinen Abbruch. Wichtige Informationen werden gut vermittelt, so daß sich auch Neueinsteiger gleich in die im Jahre 1340 spielende Geschichte hineinfinden können. Ab und an gibt es Verweise auf vorherige Erlebnisse, die erfahrenere Leser vielleicht besser verstehen und es wird auch nicht viel Zeit auf die Einführung der Charaktere verwendet, dies ist für ein drittes Buch einer Reihe aber auch absolut passend.

Wir tauchen gleich mitten in die Geschehnisse ein und können als Leser bis zum Ende des Buches kaum Atem holen. Das Erzähltempo ist flüssig und flott, für meine Verhältnisse aber auch zu dramatisch. Melisande ist von Anfang bis Ende des Buches fast ständig in lebensgefährlichen Situationen, ihr Mann und ihre Kinder (die leider auch unter Berücksichtigung der historischen Epoche nicht altersgemäß dargestellt werden) sind es ebenfalls, dazu noch diverse andere Charaktere. Es passte teilweise eher zu einem Thriller als zu einem historischen Roman, wie hier eine gefährliche Situation der andere folgte. Wer spannende Bücher mag, wird voll auf seine Kosten kommen, denn das Autorenduo hat sich eine Menge einfallen lassen. Langweilig wird es nicht. Angenehm ist auch, daß hier sehr selten der Zufall zur Hilfe kommt. Gerade Melisande löst Situationen durch Können und Einfallsreichtum und manchmal geht auch etwas schief. Allerdings war mir dies alles nach einer Weile zu übertrieben. Insbesondere im mittleren Teil des Buches verliert man sich in Fluchten, Kämpfen, Angriffen und ähnlichem. Das Geschehen wechselt hier sehr schnell zwischen den drei Hauptparteien hin und her und jeder Abschnitt endet mit einem Cliffhanger. Alle paar Seiten blickt jemand entsetzt, lauscht jemand erschrocken einem Geräusch, taucht jemand unerwartet auf, etc. Das nutzt sich sehr schnell ab und irgendwann führten die ständigen Cliffhanger dann bei mir nicht mehr zu Spannung, sondern eher zu entnervtem Verdrehen der Augen. Hier wurde durch den fast krampfhaft wirkenden Versuch, so viel Spannung wie möglich hineinzuquetschen, der Geschichte eher geschadet.

Die historischen Details sind gut eingearbeitet und interessant. Soweit ich es beurteilen kann, wurde sorgfältig recherchiert und auch das Lokalkolorit stimmt absolut. Gerade die Szenen, in denen man ein wenig zum Atemholen kommt und in diese farbig kreierte Welt eintauchen kann, sind m.E. die besten des Buches. Eine schöne Idee ist auch die ansprechend gestaltete Landkarte vorne im Buch, die einen Überblick über die Gegend gibt. Im Taschenbuch waren leider einige Ortsnamen durch den kleinen Druck und die verschnörkelte Schrift (die aber gut zum Buch paßt – nur größer hätte sie teilweise sein dürfen) für mich nicht lesbar, obwohl ich keine Sehprobleme habe.

Die Geschichte selbst ist durchaus ausgefeilt und bietet einige Überraschungen. Man fiebert mit, gerade auch mit Melisande, die eine sympathische Protagonistin ist. Manchmal ist es ein wenig konstruiert und eine Wendung warf Fragen hinsichtlich der Plausibilität auf. Auch erscheint ein Sinneswandel eines Charakters in letzter Minute wenig glaubhaft und zu praktisch. Insgesamt aber findet man viel Abwechslung, eine erfreuliche Themenvielfalt und reichlich Interessantes. Mir hat diese mittelalterliche Welt gefallen, die die Autoren hier geschaffen haben.

So ist „Das Schicksal der Henkerin“ ein facettenreicher historischer Roman, der sich von anderen Büchern des Genres durch seine temporeiche Erzählweise abhebt und historische Fakten gut in eine abwechslungsreiche Geschichte einbettet. Mir hätte es gefallen, wenn die Autoren den Grundsatz „weniger ist mehr“ beachtet hätten – weniger Cliffhanger, weniger Dramatik und auch ein weniger zuckerwattiges Ende. Aber ein Lesevergnügen und ein farbiger Ausflug in das 14. Jahrhundert war es allemal.

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Veröffentlicht am 23.08.2020

Liebevoll beschriebene Touren

Rheingau/Taunus. Wanderungen für die Seele
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Das Buch enthält zwanzig Wanderungen in Taunus und Rheingau, deren Orte auf der übersichtlichen Karte vorne im Umschlag gut erkennbar sind. Die farbige, über zwei Umschlagseiten gehende Karte gibt schon ...

Das Buch enthält zwanzig Wanderungen in Taunus und Rheingau, deren Orte auf der übersichtlichen Karte vorne im Umschlag gut erkennbar sind. Die farbige, über zwei Umschlagseiten gehende Karte gibt schon einen Vorgeschmack der ausgezeichneten visuellen Gestaltung des Buches. Es finden sich zahlreiche Farbfotos, die fünf Kategorien der Touren (Auszeit-, Panorama-, Verwöhn-, Entschleunigung- und Erfrischungstouren) haben unterschiedliche farbliche Kennzeichnungen, was nicht nur übersichtlich praktisch, sondern auch ansprechend ist. Hier ist das Preis-Leistungsverhältnis absolut gelungen und ich habe mich an der Gestaltung häufig gefreut, auch das Papier ist hochwertig. Allerdings gibt es bei den Fotos auch einen kleinen, rein subjektiven, Kritikpunkt. Fast auf allen sind Familie und Freunde des Autors (nehme ich jedenfalls an) zu sehen und es gibt ziemlich viele ähnlich aussehende recht große Fotos von Leuten im Restaurant mit einem Teller Essen vor sich. Da hätte ich doch mehr Fotos der Wanderwege und der Natur den fast gleichen Fotos mit Unbekannten beim Essen vorgezogen und auch die Fotos der Gegend wären ohne die Leute im Bild für mich ansprechender gewesen. Es ist ja nun einmal kein privates Familienalbum, sondern ein Buch, in dem man sich über Wanderrouten informieren möchte. Erfreulich ist die gute Qualität der Fotos.
Die Touren sind gut ausgesucht, hier waren viele, die ich in meinen anderen Wanderführern der Gegend nicht stehen habe, so daß es sich wirklich gelohnt hat. Die Beschreibungen sind sehr persönlich, man fühlt sich, als ob man nebenher geht. Manchmal hätte ich mir neben den Wegbeschreibungen auch einige weitere Informationen darüber gewünscht, was man nun sieht, wenn man von Straße X auf Weg Y einbiegt, denn gelegentlich ist der „Wir gehen von x in Richtung y und dann nach z“-Teil doch sehr lang, ohne daß man etwas über das erfährt, wofür sich die Wanderung lohnt. Bei zwei Wanderungen habe ich nachher zwar alles über die Wegführung, aber doch recht wenig darüber erfahren, was mich auf der Strecke erwartet. Dem stehen allerdings auch viele gute Beschreibungen gegenüber. Manche Touren sind so gut beschrieben, daß ich am liebsten gleich losgezogen wäre. Sehr schön sind auch die kleinen Informationskästen neben dem Text, die weitere Informationen zu manchen Sehenswürdigkeiten und anderen Dingen geben. An anderen Stellen werden zwar viele Sehenswürdigkeiten entlang der Strecke aufgezählt, ohne daß allerdings erwähnt wird, was diese sind. Insofern hätte ich mir beim Lesen doch an mehreren Stellen mehr Information gewünscht, dafür hätte ich häufig darauf verzichten können, zu erfahren, an welcher Bank man sich hingesetzt oder wie vorsichtig man die Straße überquert hat, oder welche Gerichte und Getränke jedes Mal bestellt wurden. Das sind nette Informationen, wenn auf eine Besonderheit hingewiesen wird, aber hier war es oft allgemeiner Teil der Beschreibung, der m.E. besser für die o.g. mir fehlenden Informationen hätte genutzt werden sollen. Insgesamt haben mir die Routenbeschreibungen aber gut gefallen.
Schön fand ich, dass am Anfang jeder Tour eine Übersicht über Gesamtkilometer, Gesamthöhenmeter, Dauer und dem Vermerk, ob es ein Rundweg ist, steht. Am Ende jeder Tour gibt ebenfalls ansprechend und übersichtlich weitere Informationen hinsichtlich Wegarten, Anfahrts- und Einkehrtips u.a., sowie einer Routenkarte, auf der auch die besonderen Wegpunkte eingezeichnet sind. Ich hätte es noch vorgezogen, ein Höhenprofil jeder Wanderung dort zu finden, denn ich finde Gesamthöhenmeter wenig aussagekräftig. Gut gefallen hat mir, daß bei manchen Touren auch Alternativmöglichkeiten für eine längere oder kürzere Strecke genannt wurden.
So ist dieser Wanderführer gut durchdacht, ausgesprochen ansprechend gestaltet, bietet gute abwechslungsreiche Touren, auch wenn man sich in der Gegend schon ein wenig auskennt. Die sehr persönliche Schreibweise hat Vor- und Nachteile, was aber Geschmackssache ist. Empfehlenswert ist dieses Buch in jedem Fall.

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Veröffentlicht am 13.08.2020

Wieder anschaulich erklärt und herausragend illustriert

Chinas Geschichte im Comic - China durch seine Geschichte verstehen - Band 4
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Mit „Der Weg in die Moderne“ liegt jetzt der vierte Band der hervorragenden Reihe „Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen“ vor und behandelt die Zeit von 1368 – 1912.

Erneut ...

Mit „Der Weg in die Moderne“ liegt jetzt der vierte Band der hervorragenden Reihe „Chinas Geschichte im Comic – China durch seine Geschichte verstehen“ vor und behandelt die Zeit von 1368 – 1912.

Erneut gelingt es Jing Liu, uns durch seine Zeichnungen viel mehr zu vermitteln, als es unzählige Worte könnten. Fast durchweg sind die Zeichnungen treffend, anschaulich, gelungen. Nur im letzten Teil („Revolution“) wirken sie fast unbeteiligt und vermitteln kaum die Gefühle und Dramatik der Situation. Ich war an vielen Stellen im Buch beeindruckt, wie ergreifend die Zeichnungen sind – hier finden sich zahllose kleine Kunstwerke, manchmal sogar mit passend humorvollen Nuancen. Oft wird auch durch klare und gut darstellende Übersichten vieles vermittelt, gerade die Vergleiche sind so bestens gelungen und zeigen Verhältnisse viel besser, als es reine Zahlen könnten.

Zu Beginn ist die Übersetzung holprig und ließ meine Erwartungen an den Text ziemlich sinken, aber das war tatsächlich nur im ersten Abschnitt der Fall. Danach gefielen mir die Texte vom Stil her besser als die in der vorherigen Aufgabe und es scheint auch wesentlich sorgfältiger Korrektur gelesen worden zu sein, denn mir fielen diesmal keine Tippfehler auf. Das ist erfreulich.

Inhaltlich war ich wieder sehr angetan, wie gut auch komplexe Sachverhalte vermittelt wurden. Getreu dem Motto „China durch seine Geschichte verstehen“ wird auch viel Wert darauf gelegt, zu erklären, warum manche Probleme entstanden oder manche Dinge geschahen. Das ist neben den herrlichen Zeichnungen ein weiterer absoluter Pluspunkt dieser Reihe. Wir erfahren nicht nur, daß etwas geschieht, sondern wir bekommen ein tieferes Verständnis dafür und erkennen auch, wie langfristig sich manche Dinge auswirkten. Allerdings fehlten an manchen Stellen durchaus relevante Informationen. Mir ist bewußt, daß es sich um einen Überblick handelt, aber es kam doch häufig vor, daß schon ein paar Worte oder höchstens zwei Sätze ausgereicht hätten, wesentliche Informationen zu geben, die für das allgemeine Verständnis wichtig wären. Das fand ich sehr schade.

In meiner Rezension zum dritten Band habe ich lobend erwähnt: „Der Inhalt ist angenehm ausgewogen zwischen geschichtlichen Ereignissen, kulturellen Entwicklungen und Alltagsleben.“ Leider kann ich das hier nicht schreiben. Über das Alltagsleben erfahren wir kaum etwas, über die kulturellen Entwicklungen viel zu wenig. Der Fokus liegt hier sehr stark auf politischen Ereignissen. Das fand ich bedauerlich und dieser Aspekt hat mir hier sehr gefehlt.

So haben wir mit „Der Weg in die Moderne“ wieder einen wundervoll gezeichneten Band über Chinas Geschichte, aus dem man auf unterhaltsame Weise eine ganze Menge lernen kann und in dem Komplexes gelungen einfach erklärt ist. Allerdings fehlen ein paar der Aspekte, die Band 3 so überragend gemacht haben. In jedem Fall ist es aber ein äußerst empfehlenswertes Buch.

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