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Veröffentlicht am 05.01.2021

Zwei miteinander verknüpfte Schicksale

Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin
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Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das ...

Mathilde ist Witwe und zieht allein ihre drei Söhne groß. Schon seit Monaten hat sich eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Vorgesetzten immer weiter zugespitzt, so dass ihr an ihrem Arbeitsplatz das Leben zur Hölle gemacht wird. Auch Thibault ist momentan nicht glücklich. Seinen Traumjob als Chirurg musste er nach einem Unfall, der ihn mehrere Finger gekostet hat, aufgeben und daher ist er schon seit Jahren für einen ärztlichen Dienst in Paris tätig. Seine Beziehung ist unglücklich, seine Partnerin stets emotional auf Distanz. Und so beschließen beide am selben Tag, dass sich ihr Leben radikal ändern muss.

Delphine de Vigan versteht es, Geschichten über ganz normale Menschen zu erzählen – über ihre Schwächen, ihre Einsamkeit und ihren Alltag. Auch in „Ich hatte vergessen, dass ich verwundbar bin“ ist ihr das gut gelungen. Bei dem Roman handelt es sich übrigens um eine Neuausgabe des bereits 2010 veröffentlichen Werkes im Taschenbuch. Erzählt wird die Handlung dieses einzigen entscheidenden Tages, wechselnd aus der Perspektive von Mathilde und Thibaut, die unweigerlich aufeinander zusteuern.

Beide Schicksale sind grandios dargestellt. An Mathildes Beispiel zeigt die Autorin auf, wie eine kleine Unstimmigkeit im Beruf zu wirklich furchtbarem Mobbing und einem Berufsleben auf dem Abstellgleis führen kann. Lange schweigt die alleinerziehende Frau, sucht die Schuld bei sich selbst und schämt sich aber auch dafür, dass sie sich so einfach hat ins Abseits drängen lassen. Angenehm ist ebenfalls, dass Thibault als der männliche Part in einer Beziehung verletzlich gezeigt wird und als derjenige, der sich mehr Liebe und Geborgenheit wünscht – er war mir von Beginn an sehr sympathisch.

Der Schluss des Romane lässt den Leser jedoch unzufrieden zurück. Ich persönlich hätte die Charaktere gerne noch etwas länger begleitet, denn so bleibt der Eindruck, die lange Einleitung zu einer Geschichte gelesen zu haben, die dann nicht zu Ende erzählt wird. Immerhin gelingt es Delphine de Vigan aber, dass ich mich noch lange frage, was wohl aus Mathilde und Thibault geworden ist. Und das ist doch auch etwas wert.

Fazit: Ein solides Werk der Autorin, aber nicht ihr bestes.

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Veröffentlicht am 05.10.2020

Jagd auf Luc Verlain

Baskische Tragödie
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Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet ...

Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet er mit Kollegin Anouk sein erstes Kind, doch dann wird am Strand reinstes Kokain angespült, ein kleiner Junge spielt damit und fällt ins Koma. Und auch Verlains mysteriöser Unbekannter meldet sich zurück, dieses Mal mit dem Ergebnis eines Vaterschaftstests und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse.

„Baskische Tragödie“ setzt nach den Ereignissen aus dem letzten Band ein und wenn ich die Handlung beschreiben sollte, so wäre das „Jason Bourne meets James Bond mit einer Prise The Saw“. Alexander Oetker mutet seinem Kommissar wirklich einiges zu: eine Festnahme, Drogenhandel, waghalsige Verfolgungsjagden, Entführungen und das alles fern von dessen Heimat, nämlich im spanischen Teil des Baskenlandes in San Sebastián. Auf sein Team muss er dabei verzichten, erhält aber Hilfe von unerwarteter Seite und zeigt dabei neue Facetten seiner Persönlichkeit.

Man kann nicht behaupten, dieser Fall sei nicht spannend; im Gegenteil fliegen die Seiten nur so dahin und dem armen Luc Verlain wird kaum eine Verschnaufpause gegönnt. Wer der große Gegenspieler unseres Kommissars ist, deutet sich dabei zwar bereits in den ersten Kapiteln an, dennoch ist es durchaus überraschend, wie sich am Ende alles zusammenfügt. Also keine Kritik? Doch, leider schon. Für mich war das nicht, was ich suche, wenn ich einen Luc Verlain-Krimi aufschlage. Ich erwarte „meinen Kommissar“, sein Team, sein übliches privates Umfeld, seine Liebe zum Essen und zu seiner Region und seine Macken. Stattdessen habe ich in „Baskische Tragödie“ etwas bekommen, das eher einem Actionfilm gleicht – eine Handlung, die man eher in Oetkers Reihe um die Zwillinge Zara und Zoe vermuten würde.

Fazit: Ein grundsolider spannender Fall, für mich jedoch insgesamt „too much“. Ich würde mir wünschen, dass der Autor in den kommenden Bänden wieder zum Altbewährten zurückkehrt, auch wenn das vielleicht nicht immer so wahnsinnig aufregend ist.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

DER Klassiker der Naturliteratur

Walden
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Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, ...

Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, was der Mensch tatsächlich zum Leben braucht. In „Walden oder Vom Leben im Wald“ berichtet er von dieser Zeit, ergeht sich zum einen in detaillierten Naturbeschreibungen, dokumentiert aber auch Wirtschaftliches, wie seine Ausgaben für den Bau der Blockhütte sowie seine Lebenshaltungskosten.

Dieses Werk ist DER Klassiker schlechthin, wenn es um den Versuch eines alternativen Lebensstils geht. Thoreau verfasste es auf der Basis seiner Tagebuchaufzeichnungen, die er stark zusammenfasste und den Text in einen symbolischen Jahreszyklus goss. Das liest sich manchmal angenehm unterhaltsam und modern, an anderer Stelle schweift der Autor jedoch ab und holt zu philosophischen Vorträgen aus, was den Lesefluss doch sehr erschwert. Thoreau war Anhänger des Transzendentalismus, einer Weltanschauung, die Gott in der Natur sucht – das ist aus jeder Zeile deutlich zu lesen.

Betrachtet man jedoch, wie sich alles in der Realität tatsächlich abgespielt hat, so wird schnell deutlich, dass Thoreau hier eher einen theoretischen Text über ein alternatives Leben in den Wäldern verfasst hat. Denn in Wirklichkeit stand diese Blockhütte auf dem Grundstück seines Mentors und guten Freundes Ralph Waldo Emerson, war nur etwa 200 Meter von der Hauptstraße entfernt und Thoreau verbrachte viel Zeit mit Einladungen bei Freunden und bekam Lebensmittelpakete von seiner Mutter, damit er auch im Wald nicht verhungern sollte.

Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Anspruch und Realität, wenn Thoreau sich über das schnelle, ausbeutende unternehmerische Leben auslässt und nach der Rückkehr aus dem Wald die Bleistiftmanufaktur seines Vaters übernimmt. Dennoch bleibt „Walden“ ein wichtiger Klassiker der Naturliteratur, der in der vorliegenden Manesse-Ausgabe nochmals ein besonderes Augenmerk verdient. Im praktischen Kleinformat passt das Büchlein in jede Tasche und überzeugt, passend zum Thema, mit einem Druck auf zertifizierten Papier und einer klimaneutralen Herstellungsweise.

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Veröffentlicht am 19.09.2020

Klischeehafter, aber zufriedenstellender Reihenabschluss

Das Buch der gelöschten Wörter - Die letzten Zeilen
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Quan Surt, dem skrupellosen Anführer der Absorbierer, ist es tatsächlich gelungen, mit dem Buch der gelöschten Wörter in die reale Welt zu fliehen und so auch den Buchfiguren den Weg durch das Portal zu ...

Quan Surt, dem skrupellosen Anführer der Absorbierer, ist es tatsächlich gelungen, mit dem Buch der gelöschten Wörter in die reale Welt zu fliehen und so auch den Buchfiguren den Weg durch das Portal zu öffnen. Während also Bösewichte aus den verschiedensten Werken durch die Straßen Londons ziehen und dort ihr Unwesen treiben, machen Hope und Rufus sich auf die Suche nach Surts Autor, denn nur mit Hilfe des originalen Manuskripts kann es gelingen, den Schurken ein für alle mal zu vernichten. Doch auch ein Verräter im Inneren macht der Organsitation der Verwandler und Wanderer das Leben schwer - wem können die beiden und ihre Freunde noch trauen?

Der dritte und finale Band der Reihe knüpft erneut genau an den Vorgänger an und im Gegensatz zu dem wirklich mittelmäßigen Band zwei, macht die Autorin hier vieles richtig. Die beiden Protagonisten Hope und Rufus arbeiten zum ersten Mal wirklich zusammen, anstatt sich ständig kritisch zu beäugen oder miteinander zu streiten. Darüber hinaus spielt die Buchwelt mit ihren Figuren und deren spezifischen Talenten wieder eine größere Rolle - zum Glück, denn das ist genau der Dreh- und Angelpunkt, der die Geschichte trägt und zu etwas Besonderem macht. Auch Rufus' Begleiter Gwen und Lance bekommen endlich die Chance zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind und die Freundschaft der vier untereinander ist toll anzusehen.

Einige Kritikpunkte bleiben dennoch. Manche Handlungselemente wirken, wie aus einem Baukasten ausgesucht. Sie hier aufzuzählen, würde das Ende der Geschichte verraten, daher nur so viel: Es wird mit Klischees nicht gegeizt und einiges davon könnte genauso gut Episode einer Telenovela sein. Zudem erweisen sich Dinge, die bereits im ersten Band angedeutet wurden, als tatsächlich wahr, was ebenfalls nicht gerade für einen gelungenen Spannungsbogen spricht. Man muss nicht unbedingt Sherlock Holmes sein, um der Lösung auf die Spur zu kommen, dennoch bietet "Die letzten Zeilen" von allen drei Bänden den meisten Lesespaß und lässt den Leser am Ende zufrieden zurück.

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Schönes Geschenk für Pflanzenliebhaber, für Anfänger eher uninteressant

Pflanzenliebe
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Als die Autorin Summer Rayne Oakes in die Großstadt New York zog, fehlte ihr zunehmend die Natur. Also begann sie, sich Zimmerpflanzen für ihr Apartement anzuschaffen und diese eigenhändig zu vermehren. ...

Als die Autorin Summer Rayne Oakes in die Großstadt New York zog, fehlte ihr zunehmend die Natur. Also begann sie, sich Zimmerpflanzen für ihr Apartement anzuschaffen und diese eigenhändig zu vermehren. Heute besitzt sie einen YouTube-Kanal mit knapp 200.000 Abonennten, veranstaltet Kurse für Pflanzenliebhaber und hat in ihrer Wohnung einen mehr als 1000 Pflanzen umfassenden Dschungel herangezogen. In "Pflanzenliebe" nähert sie sich nun der Frage, welchen Mehrwert Pflanzen für unser Leben haben und was wir tun können, damit diese sich bei uns wohlfühlen.

Eins vorneweg: Das Buch ist kein handelsüblicher Ratgeber zum richtigen Umgang mit Zimmerpflanzen. Zwar gibt die Autorin zum Ende des Buches hin auch Tipps, wie man die Pflege der eigenen Pflanzen verbessern kann und welche Arten den ein oder anderen Fehler verzeihen, dennoch geht es eher um biologische und vor allem psychologische Aspekte der Pflanzenhaltung. In acht Kapiteln, deren Anfänge stets kleine Pflanzenillustrationen beinhalten, teilt Summer Rayne Oakes ihre Geschichte mit uns. Sie berichtet von dem Beginn ihrer Leidenschaft, von einem Nachbarschaftsgarten, den sie in New York betreut und streut Anekdoten aus ihren Seminaren ein. Wir erfahren jedoch auch, dass Pflanzen Musik lieben, besonders Mozart, dass sie Partnerschaften untereinander eingehen und depressiven Menschen bei einer Therapie helfen können. Am Ende jedes Kapitels folgen schließlich "Wachstumsübungen", in welchen der Leser sich mit dem Thema Pflanzen eingehender beschäftigen soll.

"Pflanzenliebe" leistet durchaus einiges. Das Buch macht deutlich, dass Pflanzen Lebewesen sind, die wir nur ins Haus holen sollten, wenn wir ihnen gerecht werden können. Ebenso positiv ist anzumerken, dass die Autorin stets die botanischen Namen nutzt - ein echter Pflanzenfreund wird mit den reinen Verkaufsnamen auf Dauer nicht viel anfangen können. Und gerade da liegt auch der Schwachpunkt des Buches: Anfänger können hier kaum brauchbare Tipps zur Pflanzenpflege finden - es scheint daher eher für Menschen geeignet zu sein, die bereits Vorkenntnisse haben und ist hier auch durchaus als nettes Geschenk geeignet. Ich persönlich hätte mir zudem noch einige Fotoseiten gewünscht, denn wer im Internet die Pflanzensammlung der Autorin entdeckt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schade, dass diese nicht in "Pflanzenliebe" gezeigt wird; so bleibt das Geschriebene zuweilen etwas trocken und abstrakt.

Fazit: Ein schönes Geschenk für Pflanzenfans, für Anfänger eher uninteressant

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