Profilbild von Naraya

Naraya

Lesejury Star
offline

Naraya ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Naraya über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.10.2020

Jagd auf Luc Verlain

Baskische Tragödie
0

Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet ...

Eigentlich könnte es für Luc Verlain nicht besser laufen. Seinen letzten Fall, den Tod zweier Austernzüchter, konnte er lösen und somit muss er momentan nur in kleineren Delikten ermitteln. Privat erwartet er mit Kollegin Anouk sein erstes Kind, doch dann wird am Strand reinstes Kokain angespült, ein kleiner Junge spielt damit und fällt ins Koma. Und auch Verlains mysteriöser Unbekannter meldet sich zurück, dieses Mal mit dem Ergebnis eines Vaterschaftstests und plötzlich überschlagen sich die Ereignisse.

„Baskische Tragödie“ setzt nach den Ereignissen aus dem letzten Band ein und wenn ich die Handlung beschreiben sollte, so wäre das „Jason Bourne meets James Bond mit einer Prise The Saw“. Alexander Oetker mutet seinem Kommissar wirklich einiges zu: eine Festnahme, Drogenhandel, waghalsige Verfolgungsjagden, Entführungen und das alles fern von dessen Heimat, nämlich im spanischen Teil des Baskenlandes in San Sebastián. Auf sein Team muss er dabei verzichten, erhält aber Hilfe von unerwarteter Seite und zeigt dabei neue Facetten seiner Persönlichkeit.

Man kann nicht behaupten, dieser Fall sei nicht spannend; im Gegenteil fliegen die Seiten nur so dahin und dem armen Luc Verlain wird kaum eine Verschnaufpause gegönnt. Wer der große Gegenspieler unseres Kommissars ist, deutet sich dabei zwar bereits in den ersten Kapiteln an, dennoch ist es durchaus überraschend, wie sich am Ende alles zusammenfügt. Also keine Kritik? Doch, leider schon. Für mich war das nicht, was ich suche, wenn ich einen Luc Verlain-Krimi aufschlage. Ich erwarte „meinen Kommissar“, sein Team, sein übliches privates Umfeld, seine Liebe zum Essen und zu seiner Region und seine Macken. Stattdessen habe ich in „Baskische Tragödie“ etwas bekommen, das eher einem Actionfilm gleicht – eine Handlung, die man eher in Oetkers Reihe um die Zwillinge Zara und Zoe vermuten würde.

Fazit: Ein grundsolider spannender Fall, für mich jedoch insgesamt „too much“. Ich würde mir wünschen, dass der Autor in den kommenden Bänden wieder zum Altbewährten zurückkehrt, auch wenn das vielleicht nicht immer so wahnsinnig aufregend ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 22.09.2020

DER Klassiker der Naturliteratur

Walden
0

Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, ...

Am 4. Juli 1845 zog sich der Schriftsteller Henry David Thoreau in eine kleine Blockhütte am Waldensee nahe der Stadt Concord in Massachusetts zurück. Dort lebte er etwas mehr als zwei Jahre um herauszufinden, was der Mensch tatsächlich zum Leben braucht. In „Walden oder Vom Leben im Wald“ berichtet er von dieser Zeit, ergeht sich zum einen in detaillierten Naturbeschreibungen, dokumentiert aber auch Wirtschaftliches, wie seine Ausgaben für den Bau der Blockhütte sowie seine Lebenshaltungskosten.

Dieses Werk ist DER Klassiker schlechthin, wenn es um den Versuch eines alternativen Lebensstils geht. Thoreau verfasste es auf der Basis seiner Tagebuchaufzeichnungen, die er stark zusammenfasste und den Text in einen symbolischen Jahreszyklus goss. Das liest sich manchmal angenehm unterhaltsam und modern, an anderer Stelle schweift der Autor jedoch ab und holt zu philosophischen Vorträgen aus, was den Lesefluss doch sehr erschwert. Thoreau war Anhänger des Transzendentalismus, einer Weltanschauung, die Gott in der Natur sucht – das ist aus jeder Zeile deutlich zu lesen.

Betrachtet man jedoch, wie sich alles in der Realität tatsächlich abgespielt hat, so wird schnell deutlich, dass Thoreau hier eher einen theoretischen Text über ein alternatives Leben in den Wäldern verfasst hat. Denn in Wirklichkeit stand diese Blockhütte auf dem Grundstück seines Mentors und guten Freundes Ralph Waldo Emerson, war nur etwa 200 Meter von der Hauptstraße entfernt und Thoreau verbrachte viel Zeit mit Einladungen bei Freunden und bekam Lebensmittelpakete von seiner Mutter, damit er auch im Wald nicht verhungern sollte.

Besonders deutlich wird die Kluft zwischen Anspruch und Realität, wenn Thoreau sich über das schnelle, ausbeutende unternehmerische Leben auslässt und nach der Rückkehr aus dem Wald die Bleistiftmanufaktur seines Vaters übernimmt. Dennoch bleibt „Walden“ ein wichtiger Klassiker der Naturliteratur, der in der vorliegenden Manesse-Ausgabe nochmals ein besonderes Augenmerk verdient. Im praktischen Kleinformat passt das Büchlein in jede Tasche und überzeugt, passend zum Thema, mit einem Druck auf zertifizierten Papier und einer klimaneutralen Herstellungsweise.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.09.2020

Klischeehafter, aber zufriedenstellender Reihenabschluss

Das Buch der gelöschten Wörter - Die letzten Zeilen
0

Quan Surt, dem skrupellosen Anführer der Absorbierer, ist es tatsächlich gelungen, mit dem Buch der gelöschten Wörter in die reale Welt zu fliehen und so auch den Buchfiguren den Weg durch das Portal zu ...

Quan Surt, dem skrupellosen Anführer der Absorbierer, ist es tatsächlich gelungen, mit dem Buch der gelöschten Wörter in die reale Welt zu fliehen und so auch den Buchfiguren den Weg durch das Portal zu öffnen. Während also Bösewichte aus den verschiedensten Werken durch die Straßen Londons ziehen und dort ihr Unwesen treiben, machen Hope und Rufus sich auf die Suche nach Surts Autor, denn nur mit Hilfe des originalen Manuskripts kann es gelingen, den Schurken ein für alle mal zu vernichten. Doch auch ein Verräter im Inneren macht der Organsitation der Verwandler und Wanderer das Leben schwer - wem können die beiden und ihre Freunde noch trauen?

Der dritte und finale Band der Reihe knüpft erneut genau an den Vorgänger an und im Gegensatz zu dem wirklich mittelmäßigen Band zwei, macht die Autorin hier vieles richtig. Die beiden Protagonisten Hope und Rufus arbeiten zum ersten Mal wirklich zusammen, anstatt sich ständig kritisch zu beäugen oder miteinander zu streiten. Darüber hinaus spielt die Buchwelt mit ihren Figuren und deren spezifischen Talenten wieder eine größere Rolle - zum Glück, denn das ist genau der Dreh- und Angelpunkt, der die Geschichte trägt und zu etwas Besonderem macht. Auch Rufus' Begleiter Gwen und Lance bekommen endlich die Chance zu zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind und die Freundschaft der vier untereinander ist toll anzusehen.

Einige Kritikpunkte bleiben dennoch. Manche Handlungselemente wirken, wie aus einem Baukasten ausgesucht. Sie hier aufzuzählen, würde das Ende der Geschichte verraten, daher nur so viel: Es wird mit Klischees nicht gegeizt und einiges davon könnte genauso gut Episode einer Telenovela sein. Zudem erweisen sich Dinge, die bereits im ersten Band angedeutet wurden, als tatsächlich wahr, was ebenfalls nicht gerade für einen gelungenen Spannungsbogen spricht. Man muss nicht unbedingt Sherlock Holmes sein, um der Lösung auf die Spur zu kommen, dennoch bietet "Die letzten Zeilen" von allen drei Bänden den meisten Lesespaß und lässt den Leser am Ende zufrieden zurück.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.03.2020

Schönes Geschenk für Pflanzenliebhaber, für Anfänger eher uninteressant

Pflanzenliebe
0

Als die Autorin Summer Rayne Oakes in die Großstadt New York zog, fehlte ihr zunehmend die Natur. Also begann sie, sich Zimmerpflanzen für ihr Apartement anzuschaffen und diese eigenhändig zu vermehren. ...

Als die Autorin Summer Rayne Oakes in die Großstadt New York zog, fehlte ihr zunehmend die Natur. Also begann sie, sich Zimmerpflanzen für ihr Apartement anzuschaffen und diese eigenhändig zu vermehren. Heute besitzt sie einen YouTube-Kanal mit knapp 200.000 Abonennten, veranstaltet Kurse für Pflanzenliebhaber und hat in ihrer Wohnung einen mehr als 1000 Pflanzen umfassenden Dschungel herangezogen. In "Pflanzenliebe" nähert sie sich nun der Frage, welchen Mehrwert Pflanzen für unser Leben haben und was wir tun können, damit diese sich bei uns wohlfühlen.

Eins vorneweg: Das Buch ist kein handelsüblicher Ratgeber zum richtigen Umgang mit Zimmerpflanzen. Zwar gibt die Autorin zum Ende des Buches hin auch Tipps, wie man die Pflege der eigenen Pflanzen verbessern kann und welche Arten den ein oder anderen Fehler verzeihen, dennoch geht es eher um biologische und vor allem psychologische Aspekte der Pflanzenhaltung. In acht Kapiteln, deren Anfänge stets kleine Pflanzenillustrationen beinhalten, teilt Summer Rayne Oakes ihre Geschichte mit uns. Sie berichtet von dem Beginn ihrer Leidenschaft, von einem Nachbarschaftsgarten, den sie in New York betreut und streut Anekdoten aus ihren Seminaren ein. Wir erfahren jedoch auch, dass Pflanzen Musik lieben, besonders Mozart, dass sie Partnerschaften untereinander eingehen und depressiven Menschen bei einer Therapie helfen können. Am Ende jedes Kapitels folgen schließlich "Wachstumsübungen", in welchen der Leser sich mit dem Thema Pflanzen eingehender beschäftigen soll.

"Pflanzenliebe" leistet durchaus einiges. Das Buch macht deutlich, dass Pflanzen Lebewesen sind, die wir nur ins Haus holen sollten, wenn wir ihnen gerecht werden können. Ebenso positiv ist anzumerken, dass die Autorin stets die botanischen Namen nutzt - ein echter Pflanzenfreund wird mit den reinen Verkaufsnamen auf Dauer nicht viel anfangen können. Und gerade da liegt auch der Schwachpunkt des Buches: Anfänger können hier kaum brauchbare Tipps zur Pflanzenpflege finden - es scheint daher eher für Menschen geeignet zu sein, die bereits Vorkenntnisse haben und ist hier auch durchaus als nettes Geschenk geeignet. Ich persönlich hätte mir zudem noch einige Fotoseiten gewünscht, denn wer im Internet die Pflanzensammlung der Autorin entdeckt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schade, dass diese nicht in "Pflanzenliebe" gezeigt wird; so bleibt das Geschriebene zuweilen etwas trocken und abstrakt.

Fazit: Ein schönes Geschenk für Pflanzenfans, für Anfänger eher uninteressant

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 15.04.2024

Eine nette kleine Geschichte

Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen
0

Frau Yeom besitzt in Seoul einen kleinen 24 Stunden-Laden, den sie zum Leidwesen ihres Sohnes noch immer betreibt, obwohl er nur wenig Gewinn abwirft. Der würde stattdessen lieber verkaufen und das Geld ...

Frau Yeom besitzt in Seoul einen kleinen 24 Stunden-Laden, den sie zum Leidwesen ihres Sohnes noch immer betreibt, obwohl er nur wenig Gewinn abwirft. Der würde stattdessen lieber verkaufen und das Geld in seine eigenen Ideen investieren. Doch dann lernt Frau Yeom durch Zufall den Obdachlosen Dok-go kennen und bietet ihm die Nachtschicht in ihrem Laden an. Schon bald hat er sich eingelebt und beeinflusst das Leben seiner Kundschaft auf die ein oder andere Weise.

„Frau Yeoms kleiner Laden der großen Hoffnungen“ ist der erste Roman des Redakteurs und Drehbuchautors Kim Ho-yeon. Er ist der erste Band einer Reihe und wird in Korea derzeit als Theaterstück und fürs Fernsehen adaptiert. Erzählt werden im Prinzip lauter kurze Begegnungen in der Vergangenheitsform, die sich in bzw. im Zusammenhang mit Frau Yeoms Laden abspielen. Die Personen wechseln dabei ständig, im Fokus stehen aber sicherlich die Ladenbesitzerin selbst und Dok-go, die beide mit ihrem Wesen und Verhalten ihre Umgebung beeinflussen.

Frau Yeoms Entscheidung, einen Obdachlosen in ihrem Laden arbeiten zu lassen, trifft nicht nur auf Verständnis. Während die junge Angestellte Si-hyeon ihre Vorbehalte schon bald aufgeben kann, bleibt die ältere Frau Oh lange Zeit misstrauisch und verhält sich Dok-go gegenüber abweisend, wenn sie ihn beim Schichtwechsel im Laden trifft. Überhaupt hat mir nicht gefallen, wie über den Obdachlosen gesprochen wird. Er wird von beinahe allen als ein zotteliges Tier beschrieben, das auch die entsprechenden Laute von sich gibt. Diese Vorurteile werden leider erst spät von den handelnden Figuren selbst herausgefordert oder überdacht.

Thematisch gesehen erzählt der Roman viele kleine Geschichten. Da geht es um berufliche Träume, um das schwierige Verhältnis zur eigenen Familie, um Alkoholsucht und um das verlorene Gedächtnis von Dok-go, dessen Name übrigens „einsam und allein“ bedeutet. Erst gegen Ende der Handlung kann dieser die Bruchstücke seines Lebens wieder zusammensetzen – dieser Teil wirkt seltsam „angehängt“ und relativiert Aussagen, welche die Handlung eigentlich transportieren will. Schade!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere