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Veröffentlicht am 09.10.2020

Ein Buch mit Nachhall

Seelen unter dem Eis
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„Seelen unter dem Eis“ war mein erstes Buch von Astrid Korten und ich sage euch direkt: Es wird nicht mein Letztes sein.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Tom Döbbe geschildert, der im Todestrakt ...

„Seelen unter dem Eis“ war mein erstes Buch von Astrid Korten und ich sage euch direkt: Es wird nicht mein Letztes sein.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Tom Döbbe geschildert, der im Todestrakt eines US-amerikanischen Gefängnisses sitzt. Nach und nach gibt Tom preis, wie es dazu kommen konnte. Sein fast perfektes Leben wurde auf den Kopf gestellt, als er eine Affäre mit seiner Studentin Amal beginnt. Amal ist mittlerweile tot und Tom sitzt im Todestrakt. Klingt einfach?! Ist es aber nicht. Lange Zeit war mir nicht klar, was mich im Buch erwartet. Ich blieb jedoch trotzdem gespannt, da ich so viele Fragen im Kopf hatte, die ich beantwortet haben musste.

„Amal wirkte fremd, eiskalt und unerschütterlich, und ich wusste, dass ich es mit einer vollkommen unberechenbaren Frau zu tun hatte.“ S. 68

Die Figuren in „Seelen unter dem Eis“ blieben lange Zeit für mich unergründlich. Weder Tom, von dem man am meisten erfährt, noch Amal oder Helen konnte ich wirklich einschätzen. Ich wusste nicht, wie viel die Frauen über die Andere wissen oder wieso sie auf eine bestimmte Art und Weise handeln. Keine der Hauptfiguren war mir sonderlich sympathisch und doch interessierte mich ihr Schicksal.

Tom, der eigentlich alles im Leben hatte, was er brauchte, hat sich von Amal lenken lassen wie von einer Puppenspielerin. Amal war (laut Tom) unattraktiv und untalentiert und doch hatte sie eine enorme Anziehungskraft auf ihn. Er war es gewohnt die Fäden zu ziehen und plötzlich war sie es, die bestimmte. Die toxische Beziehung der beiden Figuren ist der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte und ich fand es extrem spannend, zu verfolgen, wie Tom dieser Frau verfiel ohne es zu verstehen. Und dann war da noch Helen: Toms Ehefrau. Sie wirkte sehr zerbrechlich und tat mir unendlich leid, weil Tom sie so hinterging. Auch Helen hat natürlich eine andere Seite. Aber sie wirkte lang nicht so unberechenbar wie Amal.

„Sobald du die Türen durchschreitest, blickst du wie durch einen Schleier auf deine bisherige Existenz.“ S. 16

Der Aufenthalt im Todestrakt wurde seitens der Autorin mehr als packend beschrieben. Die anderen Gefangenen, die Wärter, die Gefahr, die Tag für Tag lauert, das Warten auf den Tod. All das beschreibt Astrid Korten sehr authentisch. Die Stimmung ist angespannt und bedrückend. Selbst wenn Tom nicht ohne Grund dort sitzt, denkt man doch darüber nach, ob Menschen anderen Menschen so etwas antun sollten. Die Autorin thematisiert genau das auch hintergründig in Toms Gedanken und in seinen Gesprächen mit einem der Wärter. Dabei ging sie jedoch so geschickt vor, dass es nie belehrend wirkte.

„Der Mond schwimmt am staubgrauen Himmel als kahler Schatten vor dahinziehenden Wolkenfetzen.“ S. 117

Der Schreibstil gefiel mir richtig gut. Astrid Korten wählte oft eine bildgewaltige Darstellung und wechselte dann doch wieder zu einer kürzeren und prägnanteren Erzählweise, je nachdem, was gerade im Buch geschah. Die Kapitel hatten eine angenehme Länge und animierten mich zum Weiterlesen. Die ganze Zeit über hatte ich einen Film vor Augen und konnte mir alle Figuren und Szenenbilder direkt vorstellen. Besonders toll fand ich auch die Abwechslung in den Kapiteln. Mal lag der Fokus auf den voraus gegangen Ereignissen, mal lag er wieder in der Gegenwart. Die Übergänge waren sehr gut gewählt und ließen es so nie langweilig werden.

Das Highlight jedoch war das ausgeklügelte Ende. Einen Großteil davon habe ich erwartet, da im Buch mit Andeutungen daraufhin gearbeitet wurde. Aber auch ich wurde durch das ein oder andere Detail wirklich überrascht. Es gefiel mir richtig gut, dass das Buch mit einem „Knall“ endete.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass „Seelen unter dem Eis“ ein eher ruhiges und bedrückendes Buch ist. Der Schwerpunkt liegt hier eindeutig auf der psychischen Komponente, die durch die verschiedenen Charaktere und deren Beziehungen zueinander auch genug Spannung bietet. Ich empfehle das Buch sehr gern an alle Thriller- und Spannungsroman-Liebhaber. Hier findet ihr ein einzigartiges Buch, das nachhallt.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Ein Must Read für Dystopie Fans

Wir Verlorenen
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„Wir Verlorenen“ von Jana Taysen ist heute druckfrisch im Kirschbuch Verlag erschienen und das Debüt der in Köln lebenden Autorin. „Wir Verlorenen“ ist ein dystopischer Jugendroman, der auch romantische ...

„Wir Verlorenen“ von Jana Taysen ist heute druckfrisch im Kirschbuch Verlag erschienen und das Debüt der in Köln lebenden Autorin. „Wir Verlorenen“ ist ein dystopischer Jugendroman, der auch romantische Klänge durchblitzen lässt. Ganz besonders besticht der Roman jedoch durch die philosophische Komponente, die in die Geschichte eingeflossen ist ohne gewollt zu wirken.

Das Buch spielt vier Jahre nach einer Pandemie, die von den Überlebenden nur als „Die Plage“ bezeichnet wird. Ganz plötzlich kam es in großen Teilen der Bevölkerung zu einer tödlichen Erkrankung mit kurzer Inkubationszeit. Die Gesellschaft und Wirtschaft, wie man sie vorher kannte, brach zusammen. Die Protagonistin Smilla und ihre kleine Schwester Jera sind zwei der Überlebenden. Ihre Mutter verstarb an der Plage. Ihr Vater war zu der Zeit dienstlich in Frankreich. Um ihn zu suchen, verließen die beiden Mädchen ihr Zuhause in Köln. Allerdings kamen sie nicht weit, da Jera einfach noch zu jung und schwach für einen solchen Fußmarsch war. In den Wäldern der Eifel stießen sie auf eine Familie, die dort Schutz suchte und wurden von ihnen aufgenommen. Eines Tages trifft Smilla auf Falk, ihren ehemaligen Nachbarn aus Köln. Kann sie ihm trauen? Was ist seit der Plage geschehen? Wer ist Falk heute wirklich?

Genauso spannend wie diese Frage, fand ich die Darstellung der postapokalyptischen Welt. All unsere heutigen technischen Erleichterungen gibt es nach der Plage nicht. Auch Geld hat keinen Wert mehr. Die Menschen tauschen die Dinge, die sie zwingend zum Leben brauchen untereinander. Vorräte für den Winter müssen angelegt werden. Man angelt, jagt und sammelt, um etwas zu essen zu haben. Ich fand es sehr atmosphärisch und authentisch beschrieben, wie diese „neue“ Welt funktioniert. Aber das Beschaffen von Nahrung und Kleidung war nicht das größte Problem, was die Überlebenden zu befürchten haben. Das Schlimmste sind die anderen Überlebenden! Es gibt in der Eifel mehrere Gruppierungen, die Angst und Schrecken verbreiten. Dazu gehören die „verlorenen Jungs“ und die „Sekte“. Die verlorenen Jungs sind eine Fußballmannschaft, die sich während des Ausbruchs der Plage zufällig in der Eifel aufhielt und sich nun mit Gewalt und Rücksichtslosigkeit nimmt, was sie möchten. Die „Sekte“ wiederum glaubt, Gott hat die Plage mit Absicht auf die Erde gebracht, um die Menschen für ihre Sünden zu bestrafen.

Durch die authentische Darstellung des Lebens versteht man auch Smilla sehr gut. Sie hofft, dass alles nur ein vorübergehender Zustand ist und die Welt, wie sie sie kannte, bald wieder aufgebaut wird. Sie kann nicht verstehen, wie manche einfach so tun als wäre alles in Ordnung oder einfach akzeptieren, dass die Welt sich verändert hat. Falk hingegen findet auch Vorzüge an der Zeit nach der Plage, oder viel mehr Missfallen an der Welt, wie sie zuvor war. Man besinnt sich seiner Meinung nach mehr auf die wirklich wichtigen Sachen im Leben. Immer wieder geraten die beide in Streit über ihre moralischen Ansichten.

Inhaltlich kann man gar nicht mehr sagen, ohne Gefahr zu laufen, zu spoilern, und das möchte ich auf jeden Fall vermeiden. Die Spannung der Geschichte war für mich persönlich komplett an Falks Figur gekoppelt. Gemeinsam mit Smilla hat man seine Gesellschaft herbeigesehnt und ihm dann doch wieder misstraut. Immer wieder zeigten sich zwei Seiten von Falk, die einfach nicht zueinander passen wollten. Smilla hingegen ist eine sehr sympathische Protagonistin und in meinen Augen auch eine echte Heldin. Wie sie sich und Jera in der Welt nach der Plage über Wasser gehalten hat und die Verantwortung für ihre kleine Schwester übernommen hat, hat bei mir eine große Bewunderung erzeugt.

Jana Taysen schreibt sehr bildlich und flüssig in überwiegend kurzen und prägnanten Sätzen. Ein sehr angenehmer Schreibstil. Sie beschreibt besonders die Gefühle der einzelnen Figuren sehr glaubwürdig und greifbar. Der innere Konflikt, den Smilla durchlebt nachdem sie auf Falk getroffen ist, ist nachvollziehbar und menschlich. Auf der einen Seite gibt Falk ihr Hoffnung, auf der anderen könnte es sein, dass sie durch ihn ihre Gruppe und ihre kleine Schwester in Gefahr bringt. Die Vorgeschichten der wichtigsten Figuren sind sehr gut in die restliche Handlung eingebettet. Genug um neugierig zu sein und nicht zu viel, um es langweilig werden zu lassen.

Gegen Ende nimmt das Buch richtig Tempo auf und die Spannung ist greifbar. Smilla und Falk verändern sich. Allianzen, die man nicht für denkbar gehalten hatte, ergeben sich und andere zerbrechen. Mein Herz schlug auf den letzten Seiten wahrscheinlich mindestens so schnell wie Smillas!

„Wir Verlorenen“ regt zum Nachdenken an und beschreibt sehr eindringlich den inneren Konflikt der beiden Hauptfiguren zwischen Moral, Loyalität und Sympathie. Welche Werte sind zum Überleben wichtig? Welche Werte sollte man trotz allem nicht verlieren auch, wenn sie für den Einzelnen hinderlich sein könnten? Für alle, die tiefgründige Themen nicht abschrecken und die sich vollkommen auf die Zeit nach der Plage einlassen, ist das Buch ein absolutes Must Read. Für mich war „Wir Verlorenen“ ein unfassbar tolles Leseerlebnis, was mich an die Welt und die Figuren gefesselt hat.

Ich habe nun auch vom Verlag erfahren, dass es einen zweiten und eventuell auch dritten Band geben wird. Das freut mich ungemein! Allein schon, weil „Wir Verlorenen“ noch so viel Potenzial bietet und noch lang nicht auserzählt ist.

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Veröffentlicht am 17.09.2020

True Crime as its best

Der Mensch ist böse
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Ich bin einfach ein Fangirl von Jarow!

"Die Welt ist böse" hatte mir schon hervorragend gefallen, deswegen habe ich mich sehr auf den zweiten Teil "Der Mensch ist böse" gefreut.

Die hier zusammengetragenen ...

Ich bin einfach ein Fangirl von Jarow!

"Die Welt ist böse" hatte mir schon hervorragend gefallen, deswegen habe ich mich sehr auf den zweiten Teil "Der Mensch ist böse" gefreut.

Die hier zusammengetragenen True Crime-Fälle sind alle wieder mega spannend, mysteriös, verzwickt, unvorstellbar... es ist von allem etwas dabei.

Auch die ergänzenden Kapitel, die es diesmal gab, fand ich super. Unter anderem kam ein Profiler zu Wort und es gab jede Menge spannende Hintergrundinformationen.

Ich werde auch ein drittes Buch von Jarow lesen, falls es rauskommt. Mal sehen, wer dann "böse" sein wird?!

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Veröffentlicht am 07.09.2020

Emotional ind fesselnd

Weil niemand sie sah
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Ellie ist 15 Jahre alt, eine sehr gute Schülerin, frisch verliebt, Sonnenschein der Familie Mack und verschwindet eines Tages auf dem Weg zur Bibliothek spurlos. Da keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen ...

Ellie ist 15 Jahre alt, eine sehr gute Schülerin, frisch verliebt, Sonnenschein der Familie Mack und verschwindet eines Tages auf dem Weg zur Bibliothek spurlos. Da keine Hinweise auf ein Gewaltverbrechen vorliegen, vermutet die Polizei, dass Ellie von zu Hause ausgerissen ist. Ihre Familie, besonders ihre Mutter Laurel, kann das jedoch nicht glauben. Die Eheleute Mack zerbrechen daran. Die Familie entfremdet sich. Zehn Jahre später werden Kleidungsstücke gefunden, die Ellie zuzuordnen sind. Kurz danach die traurige Gewissheit: Es wurden auch ihre menschlichen Überreste entdeckt. So traurig es auch ist, Laurel kann nun endlich abschließen. Sie lernt einen neuen Mann kennen. Alles scheint sich zum Guten zu wenden, bis sie seine Tochter kennenlernt. Poppy ist Ellie wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie kann das sein?

Der Inhalt von "Weil niemand sie sah" hat mich anfangs gar nicht sooo angesprochen. Es gibt einfach viele Geschichten, die sich um verschwundene Kinder drehen und da ich selbst noch nicht Mutter geworden bin, reißen mich diese Geschichte selten total mit. Hier war ich jedoch neugierig, da die Autorin Lisa Jewell sonst eher für Liebesromane bekannt ist und ich es immer spannend finde, wenn das "heimatliche" Genre verlassen wird. Und was soll ich sagen? Es hat sich wahrlich gelohnt. „Weil niemand sie sah“ hat mich richtig überrascht. 🤩

Als Roman deklariert, ein untypisches, fast unauffälliges Cover… wer würde da erwarten, dass es sich um ein emotionales, spannendes Buch mit einem wirklich perfiden und grausamen Verbrechen handelt? In meinen Augen hat die Autorin hier einen Roman abgeliefert, der wirklich viel zu bieten hat und sich irgendwo zwischen Familiendrama und Thriller bewegt. 👨‍👩‍👧‍👧☠

Das Buch wird aus verschiedenen Perspektiven und verschiedenen Zeitebenen erzählt. Ich mag diese Abwechslung sehr und fand es auch hier ein fantastisches Stilmittel, um die Gefühle und Gedanken aller Figuren zu verstehen. Obwohl mir niemand, außer Ellie, wirklich sympathisch war, habe ich jede Perspektive als spannend empfunden. Die kurzen Kapitel luden förmlich zum Weiterlesen ein und so habe ich fast immer mehr gelesen als ich wollte.
Relativ schnell wusste man über Ellies Schicksal Bescheid und trotzdem riss die Spannung bei mir nicht ab. Selbst, wenn ich das Buch zur Seite gepackt habe, hat mich diese Geschichte weiterbeschäftigt. Ich wollte jede Einzelheit wissen, jedes Puzzleteil zusammensetzen, während die Autorin nach und nach Informationen preisgegeben hat. Ich habe unfassbar mit den Figuren gefiebert und mit ihnen gelitten. Lisa Jewell hat die Emotionen und den Schmerz der Figuren beim Schreiben so authentisch geschildert, dass sie sich beim Lesen direkt auf mich übertragen haben. 💗😪

Im letzten Teil des Buchs nimmt die Handlung richtig Tempo auf und lieferte ein Ende, was ich zum Teil zwar vermutet hatte, aber in der Detailtiefe nicht vorausgesehen hätte. Außerdem wurde auch das Ende so mitreißend erzählt, dass ich gar keine komplette Wendung mehr gebraucht habe, um das Buch toll zu finden. Es war einfach rund! 😍

Von mir gibt es eine Leseempfehlung für alle, die eine emotionale Erzählweise und Spannung schätzen. Ihr solltet euch aber nicht daran stören, dass ihr sehr früh erfahren werdet, wer der Täter ist.
Ich zähle das Buch zu meinen Jahreshighlights 2020! 🤩

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Veröffentlicht am 26.08.2020

Gedanklich immer noch bei Mr. Harrigan, Chuck und der Ratte

Blutige Nachrichten
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Hauen wir es direkt raus: Stephen Kings neuestes Werk „Blutige Nachrichten“ hat mich vollends begeistert!

Leider habe ich in der Vergangenheit Probleme gehabt „einen King“ zu lesen. Sein ausufernder, ...

Hauen wir es direkt raus: Stephen Kings neuestes Werk „Blutige Nachrichten“ hat mich vollends begeistert!

Leider habe ich in der Vergangenheit Probleme gehabt „einen King“ zu lesen. Sein ausufernder, beschreibender Erzählstil führte dazu, dass ich immer wieder mit meinen Gedanken abdriftete – selbst, wenn ich die Geschichte WIRKLICH spannend fand. Vor circa einem Jahr habe ich erneut einen Versuch gewagt. Diesmal habe ich es mit dem Hörbuch von „Shining“ probiert und dabei herausgefunden, dass ich Kings Werke in der Hörbuch-Version absolut genial finde. Bei „Blutige Nachrichten“ bin ich mir aber sogar sicher, dass ich es auch selbst gelesen wirklich gemocht hätte.

Der Roman umfasst vier Kurzgeschichten, die alle auf ihre Art sehr unterschiedlich sind und doch ein gemeinsames zentrales Element haben. Das Thema Tod, Vergänglichkeit und worauf es im Leben wirklich ankommt, hat King in allen vier Kurzgeschichten aufgegriffen. Es handelt sich jedoch nicht um Horror, wie ich es aufgrund des Titels ursprünglich erwartet hatte. Es sind vielmehr sehr, sehr tiefgreifende, emotionale, nachdenklich stimmende Mystery-Novellen, die alle eine moralische Botschaft vermitteln. In meinen Augen kann nur King so etwas so genial schreiben!

Ich möchte alle Geschichten nur kurz inhaltlich anreißen, da ich niemandem die Spannung vorweg nehmen möchte. Ich persönlich empfand die Frage, worauf Stephen King hinaus möchte, beim Hören der Geschichten nämlich als eines der reizvollsten und spannendsten Elemente dieser Sammlung.

Mit der Geschichte „Mr. Harrigans Telefon“ sorgte King nicht nur einmal dafür, dass ich schmunzeln musste. Hier ist die Zeit beschrieben, in der das erste IPhone den Markt und die Welt erobert hat. Der Rückblick ist durchaus gelungen und die Vermutungen des alten Mr. Harrigan, dass diese kleinen Dinger die Welt verändern werden, erfüllen sich natürlich, wie wir jetzt wissen. Die Story und auch die Botschaft, die King hier vermittelt, hat mir sehr gefallen: Ständige Erreichbarkeit kann mehr Fluch als Segen sein.

In der zweiten Geschichte „Chucks Leben“ beschreibt King, wie es kaum ein Zweiter kann, ein Weltuntergangsszenario. Das Besondere hieran ist, dass Chucks Leben rückwärts in drei Akten erzählt wird. Die zentrale Frage dieser Geschichte lautete für mich: Wer ist eigentlich Chuck und wieso ist er so wichtig? Hier bin ich mir ehrlich gesagt auch nicht ganz sicher, was King dem Leser mitteilen wollte. Ich denke, es ist ein „Genieß dein Leben, du weißt nicht, wie lang du hast.“ Die Geschichte ist auf jeden Fall rätselhaft und sehr atmosphärisch und düster erzählt.

In der dritten Geschichte „Blutige Nachrichten“ kommt es zum Widersehen mit Holly Gibney, die viele King-Fans aus der „Outsider“ kennen. Dies ist die längste der drei Geschichten und sie enthält die meiste Spannung. Ich kannte den „Outsider“ noch nicht (Asche auf mein Haupt! Ich hole es gerade nach.) und kam aber trotzdem sehr gut zurecht. Der Inhalt dieser Geschichte ist im Klappentext beschrieben.

Die letzte Geschichte „Ratte“ handelt von einem Schriftsteller, der endlich seinen ersten Roman vollenden möchte, weil er zuvor immer scheiterte. Dazu schottet er sich von seiner Familie ab und fährt in eine abgelegene Waldhütte. Plötzlich bekommt er jedoch eine schlimme Erkältung und ein Wintersturm macht es unmöglich die Hütte zu verlassen. Was es mit der Ratte auf sich hat, müsst ihr selbst herausfinden. Diese Geschichte mochte ich am liebsten. Die Story erinnerte ein wenig an „Shining“. Der durchgeknallte Autor, der seinen Roman nie fertigstellt. Das kennen wir ja. „Ratte“ ist für mich am tiefgreifendsten gewesen. Man weiß bis zum Schluss nicht, was Einbildung oder Zufall war.

Wie ihr also seht, ist „Blutige Nachrichten“ vollgepackt mit einer unheimlich einnehmenden Atmosphäre. Sogar mein Freund (der nie etwas liest außer Sportzeitschriften) fand das Hörbuch toll. (Er musste notgedrungen öfter mithören, wenn ich in der Küche das Abendessen zubereitet habe und dabei der Stimme von David Nathan lauschte.) Ich muss vermutlich kaum erwähnen, dass es sich bei David Nathan um einen unheimlich begnadeten Sprecher handelt. Ich würde dem Mann sogar zuhören, wenn er Einkaufszettel vorlesen würde! Auch hier hat er wieder ganze Arbeit geleistet.

Für alle King-Fans ein absolutes Muss und für alle, die denken King schreibt viel zu gruselig, brutal und blutig: Nein, das tut er nicht (immer). Dieses Buch hier ist unbedingt auch für alle geeignet, die sich sonst nicht an King herantrauen. Oder auch für Leser/innen wie mich, die denken, King schreibt zu ausufernd. Diese Novellensammlung beweist, dass er es auch wesentlich kürzer und dafür genauso brillant kann! Die vier Geschichten des Buchs begleiten mich tatsächlich auch noch immer gedanklich. Von mir gibt’s volle Punktzahl für diese packende Kurzgeschichten-Sammlung und eine Vorbeugung vorm schriftstellerischen Talent des Großmeisters!

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