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Veröffentlicht am 24.04.2017

Ein Verwirrspiel aus Wahrheit und Illusion

Caraval
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Worum geht's?

Scarlett Dragna träumt schon lange davon, einmal Caraval besuchen zu dürfen - ein magisches Spiel in einer Welt, in der die Schausteller alles daran setzen, den Spielern jede Unterscheidungsfähigkeit ...

Worum geht's?

Scarlett Dragna träumt schon lange davon, einmal Caraval besuchen zu dürfen - ein magisches Spiel in einer Welt, in der die Schausteller alles daran setzen, den Spielern jede Unterscheidungsfähigkeit von Realität und Illusion zu rauben. Doch ausgerechnet kurz vor ihrer Hochzeit mit einem fremden Grafen erhält Scarlett endlich die Möglichkeit. Für sie ist es ausgeschlossen, der Einladung zu folgen, doch ihre Schwester Donatella und der junge Seemann Julian entführen sie und bringen sie auf die geheimnisvolle Insel Master Legends, dem Herrn von Caraval.
Das Spiel beginnt - und Scarlett erkennt schnell, dass es längst nicht so zauberhaft ist, wie sie es sich erträumt hat ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Ich mag sehr gern Fantasy, die nicht mit den üblichen verdächtigen Welten und Wesen gefüllt ist, sondern ganz eigene Ideen entwickelt. Bei "Caraval" hatte ich da sofort ein gutes Gefühl.
Es mag im Moment auf dem Markt nicht nur ein Buch über ein bedrohliches Spiel geben, aber hier besteht der Reiz vor allem darin, dass man nie wissen kann, was echt ist und wo man selbst dem Zauber von Caraval erliegt und getäuscht wird. Das Magische, Skurrile an dieser Geschichte hat mich dazu gebracht, sie unbedingt lesen zu wollen. Außerdem fand ich es vielversprechend, dass es hier im Kern um zwei Schwestern geht.

Bei diesem Buch hätte ich mir auch sehr gut ein wunderschön gestaltetes Hardcover vorstellen können. Das hätte besser gepasst und außerdem wäre der Rücken nicht so empfindlich gewesen.

Wie es mir gefallen hat:

Fantasievoll, orginell, atmosphärisch - drei Schlagworte, die "Caraval" sehr gut beschreiben.
Eine Protagonistin, die Gefühle in Farben wahrnimmt, und eine magische Welt, in der es fiel zu entdecken und zu enträtseln gibt, sorgen für ein Leseerlebnis mit vielen Sinneseindrücken.
Schon der Einstieg, der über eine Reihe von Briefen erfolgt, ist mal etwas anderes und hat mein Interesse sofort geweckt.

"Caraval" lebt von seiner Kulisse. Es hat etwas von der Verrücktheit und dem Zauber von "Alice im Wunderland" - und auch von dessen eher düsteren Stimmung. Das hat meinen Geschmack auf jeden Fall getroffen und wird sicher auch andere Leser, die diese Art von Geschichten mögen, begeistern.
Die vielen verschiedenen Stränge und Hinweise üben einen Sog aus, und je weiter man liest, desto weniger kann man das Buch für eine Pause beiseitelegen.

Einen kleinen Abzug gebe ich dem Buch für die Charaktergestaltung. Obwohl man Scarlett aus personaler Perspektive begleitet, bleibt sie ein bisschen hölzern und oft zu naiv. Ihre Gedanken werden nicht unmittelbar "gezeigt", sondern oft nur beschrieben, was eine gewisse Distanz zu ihr aufbaut. Obwohl sie weiß, dass sie in Caraval ihren eigenen Augen nicht trauen darf, verlässt sie sich oft auf das, was ihr im ersten Moment als echt erscheint.
Auch bei anderen Figuren wie Julian oder Donatella hätte ich mir noch etwas mehr Tiefe gewünscht.
Die Liebesgeschichte hätte es in meinen Augen tatsächlich nicht unbedingt gebraucht - so läuft sie eher nebenher und konnte mich nicht so richtig mitreißen.

Das Buch hält viele Überraschungsmomente bereit. Da jedoch manche wieder zurückgenommen werden, weil sich Auflösungen als Trugschlüsse erweisen, war ich allerdings irgendwann an dem Punkt, wo ich erst mal gar nichts mehr geglaubt habe, was mir enthüllt wurde. Dieses Misstrauen hat dann dafür gesorgt, dass auch wahre Dinge mir letzten Endes ein wenig unwirklich erschienen sind. In manchen Fällen war die Wahrheit zudem viel weniger bedrohlich als die Illusion, sodass die Spannung ein bisschen abgenommen hat - wenn etwas Schlimmes passiert ist, konnte man immer erahnen, dass die Lage vielleicht doch nicht so ernst ist, wie es aussieht.

Der Epilog stimmt auf eine Fortsetzung ein und wirft neue Fragen auf, aber davon abgesehen kann man "Caraval - Es ist nur ein Spiel ..." auch gut für sich lesen, da Scarletts Geschichte abgeschlossen wird.

(Für wen) Lohnt es sich?

"Caraval" ist ein Buch für alle, die auf der Suche nach außergewöhnliche Fantasy mit schillerndem Setting sind, bei der der Pfad zwischen Realität und Illusion sehr schmal verläuft.
Die Protagonistin Scarlett ist 17 Jahre alt; ich finde aber, dass man das Buch durchaus als All-Ager sehen kann (auch wenn typische Jugendromanthemen wie Selbstfindung und erste Liebe zumindest am Rande eine Rolle spielen).

In einem Satz:

"Caraval" ist in jeder Hinsicht ein magisch einfallsreiches Buch, in dessen Welt man wunderbar abtauchen kann und aufpassen muss, sich nicht zu verirren.



Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar für die Leserunde an

Veröffentlicht am 09.02.2017

Nicht süß, aber kantig

Wenn ich dich nicht erfunden hätte
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Worum geht's?

Jetzt kann das Leben so richtig losgehen! Leo ist neu in Hamburg, um ihr Studium anzufangen. Allerdings hat sie sich das mit der ersten eigenen Wohnung etwas anders vorgestellt - ohne Ekelfaktor ...

Worum geht's?

Jetzt kann das Leben so richtig losgehen! Leo ist neu in Hamburg, um ihr Studium anzufangen. Allerdings hat sie sich das mit der ersten eigenen Wohnung etwas anders vorgestellt - ohne Ekelfaktor und gemeingefährliche Nachbarn.
Als sie Loris begegnet, stellt sich ihre Welt auf den Kopf - er ist die Hauptfigur aus ihren selbst geschriebenen Geschichten! Wie kann das möglich sein? Doch allzu schnell erkennt Leo, dass sie doch nicht alles über ihn weiß und es Dinge gibt, die sich mit aller Macht zwischen sie stellen ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Neugierig war ich vor allem auf Leos Liebe zum Schreiben und auf die Konflikte, die entstehen würden, wenn sie ihrem "Charakter" im echten Leben über den Weg läuft.
Ich hatte das Glück, bei einer tollen Leserunde mit der Autorin dabei sein zu dürfen, und es wird defintiv nicht mein letztes Buch von ihr und den ink rebels gewesen sein.

Wie es mir gefallen hat:

"Wenn ich dich nicht erfunden hätte" ist anders als erwartet und zwar auf eine positive Art und Weise.
Eigentlich lässt das Cover die so gar nicht leichte Stimmung des Buches schon gut erahnen; trotzdem können die ersten Assoziationen zu Titel und Geschichte einen ein wenig in die Irre leiten. Ich persönlich dachte, es gehe vor allem ums Schreiben und darum, wie die Protagonistin einem ihrer Charaktere im echten Leben begegnet und sich mit der quasi Gestalt angenommenen Idee auseinandersetzen muss - und dass sich im Verlauf dann vielleicht ihr Buchprojekt und sie selbst weiterentwickeln. Trotz des Hinweises im Klappentext auf Loris' "dunkle Seiten" war ich erst mal von einer eher fröhlichen Geschichte mit viel Gefühlschaos, aber Happyend-Garantie (á la die Liebe besiegt die düstere Vergangenheit) ausgegangen.
Das wäre vermutlich auch kein schlechtes Buch gewesen, aber es ist nicht, womit man es hier zu tun bekommt. "Wenn ich dich nicht erfunden hätte" ist realistisch, mitunter hart und traurig, eine Berg- und Talfahrt (mit vielen tiefen Talstrecken).
Die meiste Zeit während des Lesens war ich hin- und hergerissen zwischen der Faszination, wie Julia Dibbern es schafft, Leos und Loris' Leben so scharf zu beobachten, und dem Widerwillen gegenüber der Tatsache, dass solche Geschichten sich wirklich ereignen, da draußen in unserer Welt.

Leo ist schwierig, aber oder gerade deswegen menschlich. Sie hat schwache Momente, naive Momente, unbedacht blinde Momente und von alldem nicht wenig. Sie redet sich viel ein, redet sich viel schön, redet sich viel zurecht. Es fällt schwer, sich in ihre Lage hineinzuversetzen, aber vielleicht soll man auch gerade das nicht tun. Vielleicht soll man vielmehr zusehen, hoffen und wütend werden und wieder hoffen.
Die Geschichte wird aus personaler Sicht von Leo aus erzählt und wechselt für kürzere Passagen zu Loris. Auch er ist als Figur sehr gut gelungen und seine Einstellung und Art werden sehr überzeugend vermittelt.

Unter den Nebencharakteren finden sich einige sehr sympathische Figuren wie z.B. zwei polnische Handwerker oder Leos beste Freundin Miriam. Andere Personen dagegen hätte ich gern noch etwas näher kennengelernt, darunter Leos Kommilitonin Sina oder Loris' Freund Rafael.

Dass das Schreiben nur am Rande vorkommt, finde ich ein bisschen schade. Dafür, dass Leo schon so lange heimlich Geschichten erfunden hat, hätte ich erwartet, dass das mehr zum Tragen kommt und sie vielleicht zumindest hintergründig durch all die Wirrungen hindurch begleitet. Kleine Auszüge aus ihren Geschichten an den Kapitelanfängen oder etwas Ähnliches hätten aus meiner Sicht gut gepasst.

Mir gefällt gut, wie unvorhersehbar die Geschichte ist. Man weiß nicht, was als Nächstes passiert, ob Leo Fehler an Fehler reihen und gegen die Wand fahren oder die Kurve bekommen wird.
Bis zum Ende bleibt im Hintergrund immer das Rätsel, warum Loris aus Leos Geschichten entsprungen ist. Hier möchte ich natürlich nichts vorwegnehmen, kann aber sagen, dass es ein sehr glaubhaftes und rundes Ende ist.

(Für wen) Lohnt es sich?

Es lohnt sich für all diejenigen, die hier nicht die millionenste seichte Liebesgeschichte erwarten, sondern auch mit einer Handlung umgehen können, die nicht plüschig und rosa ist.
Ich finde, die perfekte Zielgruppe sind junge Erwachsene zwischen 18 und Mitte/Ende 20, aber auch Jugendliche ab ca. 14, die auch mit "erwachseneren" Themen und Szenen nicht überfordert sind, spricht es an.

In einem Satz:

"Wenn ich dich nicht erfunden hätte" ist keine süße Geschichte, sondern eine mit Kanten, eine, die nichts beschönigt, einem nichts schenkt und gerade dadurch so überzeugend wird.


Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar für die Leserunde an die Ink Rebels und die Autorin! (klickt euch mal rein - die Homepages lohnen sich ;)

Veröffentlicht am 05.02.2017

Eine Truhe voller wahrer Geschichten

Ich wollte nur, dass du noch weißt ...
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Worum geht's?

Emily Trunko, eine amerikanische Teenagerin, hätte niemals mit so viel Rückmeldung gerechnet, als sie begann, auf ihrem Tumblr-Blog "Dear My Blank" ihre unverschickten Briefe zu veröffentlichen. ...

Worum geht's?

Emily Trunko, eine amerikanische Teenagerin, hätte niemals mit so viel Rückmeldung gerechnet, als sie begann, auf ihrem Tumblr-Blog "Dear My Blank" ihre unverschickten Briefe zu veröffentlichen. Unzählige Menschen schickten ihr eigene Briefe aus allen Lebens- und Gefühlslagen zu, und sie begann sie zu sammeln.
In diesem Buch sind einige dieser Briefe abgedruckt und lebensfroh in Szene gesetzt.

Was mich neugierig gemacht hat:

Ich kann von mir nicht unbedingt behaupten, dass ich eine große Briefschreiberin wäre, aber wie die meisten Menschen kenne ich das Gefühl gut, Dinge nicht auszusprechen zu wagen. Auch das Gefühl, dass meine Gedanken klarer und geordneter werden, wenn ich sie zu Papier bringe, ist mir nicht fremd. Obwohl ich also von Emily Trunkos tumblog noch nichts gehört hatte, hat das Buch sofort meine Aufmerksamkeit erregt.
Der Titel "Ich wollte nur, dass du noch weißt ..." ist wirklich schön gewählt - er könnte aus so einem nie verschickten Brief stammen und fasst das, was all diese Botschaften gemeinsam haben, auf sehr passende Weise zusammen.

Wie es mir gefallen hat:

Dieses Buch ist von außen und von innen ein Kunstwerk. Schon bevor man es auch nur aufschlägt, macht die aufwändige und liebevolle Gestaltung richtig neugierig. Der Einband ist sehr stabil, hat abgerundete Ecken und liegt gut in der Hand; er ist farbenfroh und mit kleinen schimmernden Highlights versehen. Schön finde ich auch, dass es ein Lesebändchen gibt - das ist in letzter Zeit gefühlt relativ selten geworden.
Das Buch strahlt irgendwie die Intensität all der Geschichten aus, die sich zwischen seinen Deckeln verbergen.

Was sich im Inneren befindet, ist eine Zusammenstellung von Gefühlen, Gedanken und teils simplen, teils poetischen Worten in wundervollem Gewand. Die Texte sind von Lisa Congdon bunt und ansprechend mit zum jeweiligen Text passenden Symbolen illustriert worden, das Lettering stammt von typealive.

Nach einem kleinen Vorwort von Emily Trunko, die berichtet, wie sie zu ihrem Blog kam, was er für Konsequenzen mit sich zog und zum Riesenerfolg wurde, kann man sich direkt in die Briefe vertiefen. Da alle maximal zwei Seiten lang sind und sich auch immer wieder nur ganz kurze Botschaften dazwischen befinden, ist es ein bisschen wie mit Chips - man möchte immer noch einen und noch einen und hat im Nu das ganze Buch durchgeblättert.

Die Briefe sind nach verschiedenen Kategorien sortiert: Auf die Sammlungen zu "Liebes Ich" und "Liebe Welt" folgen große Schlagworte - Liebe, Freunde, Familie, Herzschmerz, Unerwiderte Liebe, Verrat, Verlust und zum Schluss Dankesbriefe.
Da hier so viele verschiedene Menschen Einblicke in ihr Leben geben, werden die Briefe natürlich jeden Leser in unterschiedlichem Maße ansprechen. Einige werden einen direkt ins Herz treffen, in einigen wird man sich selbst wiederfinden, andere werden einen rühren oder einen aber auch gar nicht ansprechen. Die Fantasie geht auch auf Wanderschaft und man malt sich aus, was für ein Mensch der jeweilige Verfasser sein und in welchen Kontext sein Brief gehören könnte.

Manche Briefe sind anonym mit Initialen, manche mit Vornamen, einige auch einfach an das eigene Ich, den eigenen Körper, die Welt oder alle Menschen gerichtet, die das im Brief Geschilderte auch kennen. Es gibt lange Nachrichten, die wie ein Gefühlsausbruch sind, und solche, die nur aus einem einzigen Satz bestehen und auf die das genauso zutrifft.
In jeder Kategorie finden sich die verschiedensten Aspekte der jeweiligen Beziehungsebene wieder.
Ganz am Ende gibt es noch Hinweise, wie man einen eigenen Brief einsenden kann.

(Für wen) Lohnt es sich?

In diesem Buch bedeutet sicher nicht jeder Brief für jeden Leser das Gleiche, aber für jeden Leser wird es Briefe geben, die etwas für ihn bedeuten, die ihn betreffen und von Menschen geschrieben sind, deren Erfahrungen er teilen kann.
Es mögen Briefe dabei sein, mit den man nicht viel anfangen kann oder bei denen man sich fragt, warum ihr Empfänger sie nicht bekommen hat und was an ihrem Inhalt so schwierig zu sagen war - besonders die schönen, in denen dieser Person anvertraut wird, wie wichtig sie dem Verfasser ist. Vielleicht fragt man sich auch, ob wirklich alle Briefe echt sind oder nicht auch Menschen absichtlich welche für Emilys Blog verfasst haben, um dort aufzutauchen.
Insgesamt aber wird man aber auf jeden Fall einige Gedanken für sich persönlich mitnehmen können und voller Neugier, Mitgefühl und Verbundenheit die Briefe durchstöbern.

In einem Satz:

"Ich wollte nur, dass du noch weißt" ist echt, direkt aus dem Leben mit seinen Höhen und Tiefen, fremd und vertraut und voller wahrer Geschichten.


Herzlichen Dank für das Rezensionsexemplar an Vorablesen und den Loewe Verlag!

Veröffentlicht am 21.12.2016

Ein Buch voller märchenhafter Abenteuer, das beweist, dass es für eine große Geschichte nicht immer eine Reihe braucht

Das dunkle Herz des Waldes
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Zitat aus dem Buch:

Es gab zu viel von ihr. Sie hätte jedes Loch, das wir in der Welt aufreißen würden, ausfüllen können, und es wäre trotzdem noch etwas von ihr übrig geblieben. Sie war der Dunkle Wald, ...

Zitat aus dem Buch:

Es gab zu viel von ihr. Sie hätte jedes Loch, das wir in der Welt aufreißen würden, ausfüllen können, und es wäre trotzdem noch etwas von ihr übrig geblieben. Sie war der Dunkle Wald, der Dunkle Wald war sie. Ihre Wurzeln reichten zu tief. (S. 507)

Wie es mir gefallen hat:

Es gibt diese Bücher, die man nach dem Lesen mit einem zufriedenen Lächeln zuschlägt und ins Regal stellt. Mit genau so einem Buch haben wir es bei "Das dunkle Herz des Waldes" zu tun.
Hatte ich während des Lesens auch ab und zu das Gefühl, dass einzelne Dinge ein wenig hätten gestrafft werden können, fügt sich im nachträglichen Gesamteindruck alles gut zusammen.
Ganz besonders gut gefallen hat mir das Ende. Es ist nicht leicht, eine Geschichte so treffend und schön abzurunden.

Mit seinen fast 600 Seiten hat das Buch mir einiges an Lesezeit beschert. Insgesamt ist das Erzähltempo eher ruhig und erreicht in mehreren Wellen verschiedene Spannungspunkte.
Im Grunde geht es von Beginn an um den Kampf gegen den Dunklen Wald, doch in dessen Verlauf ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen und Abenteuer.

Sehr gelungen ist die Darstellung von Magie. Ich finde, dass es in vielen Büchern schwierig ist, sich vorzustellen, wie man sich die jeweilige Magie vorzustellen hat, wie sie sich anfühlt oder wie sie gewirkt wird. Naomi Novik zeigt sich als Meisterin in dieser Disziplin: Immer wieder findet sie wunderbare Beschreibungen und macht den Zauber ihres Buches für den Leser greifbar.

Der Dunkle Wald ist eine faszinierende eigene Welt, die in all ihrer Grausamkeit liebevoll detailliert gestaltet ist. Seine Geschichte enthüllt sich erst nach und nach und lässt Raum zum Interpretieren und Nachdenken.

Was mir persönlich ein bisschen gefehlt hat, sind die Emotionen der Figuren. Ich würde die Geschichte als modernes Märchen betrachten, und in Märchen erfährt man selten viel über die Gefühlswelt der Helden; daher ist es stimmig, dass man auch hier ein bisschen außen vor gelassen wird. Für meinen Geschmack hätte es dennoch zumindest etwas tiefere Einblicke geben dürfen. Besonders Agnieszka wäre sicher zugänglicher geworden, wenn ihre Empfindungen mehr hervorgehoben worden wären. Es war ungewohnt, eine Ich-Erzählerin zu haben, die einem immer ein wenig fremd erscheint. Beispielsweise ihre Freundschaft zu Kasia oder ihre Einstellung gegenüber dem Drachen hätten noch stärkere Konturen bekommen können.

(Für wen) Lohnt es sich?

Obwohl ich natürlich nicht sagen kann, wie das Buch jemandem gefallen würde, der wesentlich jünger oder älter als ich ist, wage ich zu behaupten, dass "Das dunkle Herz des Waldes" durchaus das Potenzial zu einem All-Ager hat. Der Märchencharakter der Geschichte macht sie alters- und zeitlos.
Jeder, der fantasievolle Romane mit Magie und dem Kampf gegen das Böse mag, sollte es mit diesem Buch versuchen.

In einem Satz:

"Das dunkle Herz des Waldes" ist märchenhaft, verwunschen, voller Bilder und in jedem Fall ein Buch, das unter Beweis stellt, dass nicht immer eine Reihe nötig ist, um eine große Geschichte zu entfalten.

Herzlichen Dank an den Verlag für das Rezensionsexemplar!

Veröffentlicht am 12.10.2016

Tragischschön wie das Leben

Black Rabbit Hall - Eine Familie. Ein Geheimnis. Ein Sommer, der alles verändert.
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Worum geht's?

Amber Alton liebt die Ferien auf Black Rabbit Hall, dem Sommersitz ihrer Familie. Hier scheinen eine eigene Zeitrechnung, eigene Regeln zu gelten und alles im Gleichgewicht zu sein. Doch ...

Worum geht's?

Amber Alton liebt die Ferien auf Black Rabbit Hall, dem Sommersitz ihrer Familie. Hier scheinen eine eigene Zeitrechnung, eigene Regeln zu gelten und alles im Gleichgewicht zu sein. Doch dann ereignet sich ein schlimmes Unglück, und es gilt für Amber und ihre Geschwister, einander in einer schweren Zeit Halt zu geben. Doch weitere Zerreißproben bahnen sich bereits an ...
Ungefähr dreißig Jahre später stoßen Lorna Smith und ihr Verlobter bei ihrer Suche nach einer Hochzeitslocation auf ein altes Anwesen mit seinem ganz eigenen Zauber. Vom ersten Moment an spürt Lorna, das hier eine ganz besondere Geschichte auf sie wartet ...

Was mich neugierig gemacht hat:

Bevor sich meine Bücherliebe vor einigen Jahren vor allem auf Fantasy, Dystopien und Jugendbücher konzentriert hat, habe ich Familiengeschichten mit verschiedenen Zeitebenen und Tragödien, Intrigen und Geheimnissen, die sich nach und nach lüften, immer sehr gern gemocht. Ich kann gar nicht recht sagen, warum ich dieses Genre so vernachlässigt habe.
"Black Rabbit Hall" hat es jedenfalls geschafft, mich auf eine solche Geschichte wieder richtig neugierig zu machen, nicht zuletzt auch durch die traumhafte Gestaltung (hach, dieser Umschlag mit dem Durchscheineffekt, diese Covergestaltung und das Lesebändchen und überhaupt - ich könnte da echt ins Schwärmen geraten!).

Wie es mir gefallen hat:

Zum Einstieg war erst mal Konzentration gefragt - es gab viele Figuren kennenzulernen und Beziehungen einzuschätzen. Da die Autorin auf zwei verschiedenen Zeitebenen agiert, gibt es entsprechend auch zwei Erzählperspektiven: auf der einen Seite Ich-Erzählerin Amber, auf der anderen Seite die personale Erzählweise bei Lorna. Zuerst war es etwas gewöhnungsbedürftig für mich, die dritte Person im Präsens zu lesen, aber nach einer Weile war ich dann drin.

Ich würde die Geschichte trotz der tragischen Verwicklungen als eher ruhig beschreiben. Es gibt keine reißerischen Passagen oder absolute Schockmomente. Auflösungen bahnen sich durch leise Vorahnungen an, ohne dann in einem großen Knall zu enden. Ich persönlich fand das Erzähltempo angenehm und habe mich schnell in die Atmosphäre des Buches hineinziehen lassen, bis ich es kaum noch weglegen konnte. Nur wenn ein Abschnitt mit einem kleinen Cliffhanger endete, der dann später nur in einer Rückblende zuende erzählt wurde, hat mich das ein bisschen gestört, weil ich dadurch das Gefühl hatte, etwas verpasst zu haben.

Man rätselt die ganze Zeit mit, wie sich die Dinge entwickelt haben könnten, und ist gespannt, wann die Vergangenheit die Gegenwart berührt und einzelne Geheimnisse ans Licht kommen. Was mag aus den Alton-Kindern geworden sein? Wie wird ihre Geschichte vielleicht auch Lorna beeinflussen? Schön fand ich es besonders, wenn bestimmte Gegenstände in beiden Zeitschienen vorkamen, sodass man richtig spüren konnte, wie viel das alte Haus schon erlebt hat und welche Geschichten sich dort ereignet haben.

Mich hat das Buch aufs Neue auf den Geschmack von Familiengeschichten dieser Art gebracht, sodass es mir nach dem Lesen der letzten Seiten nun ähnlich geht wie Lorna:

"Trotz der Befremdlichkeit und der Tragödie, die dem Anwesen anhaften, wird sie Black Rabbit Hall vermissen, so wie man Orte vermisst, die einen die eigene Landkarte umschreiben lassen; Orte, an denen man ein bisschen von sich selbst zurücklässt, die einem im Gegenzug aber auch etwas von ihrer Aura mitgeben." (S. 269)

(Für wen) Lohnt es sich?

Mit "Black Rabbit Hall" kann man nichts falsch machen, wenn man etwas für Familiengeschichten über mehrere Generationen hinweg übrig hat und sich gern auf Spurensuche begibt. Die Geschichte verläuft eher ruhig und stetig, sodass man hier keine Actionszenen erwarten sollte. Dennoch gibt es viele überraschende Wendungen und dramatische Ereignisse.

In einem Satz:

"Black Rabbit Hall" entführt den Leser in die Vergangenheit einer Familie, deren Auswirkungen bis in die Gegenwart hineinreichen, und lässt zwischen Unglücksfällen und menschlichen Fehlern immer wieder Hoffnungsschimmer aufglühen, die zeigen, dass auch aus Schlimmem Gutes entstehen kann.

Herzlichen Dank an den Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!