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Veröffentlicht am 27.08.2017

Lyrebird oder Liarbird?

So klingt dein Herz
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Die 26-jährige Laura lebt versteckt in einer kleinen Waldhütte im Westen Irlands, inmitten der Natur. Niemand außerhalb ihrer Familie hat sie je zu Gesicht bekommen - bis sie sich eines Tages dem Tontechniker ...

Die 26-jährige Laura lebt versteckt in einer kleinen Waldhütte im Westen Irlands, inmitten der Natur. Niemand außerhalb ihrer Familie hat sie je zu Gesicht bekommen - bis sie sich eines Tages dem Tontechniker Solomon zu erkennen gibt. Dieser ist sofort von der wunderschönen Laura fasziniert, hat sie doch eine ganz besondere Gabe: Sie kann sämtliche Stimmen und Geräusche perfekt imitieren. Solomons Freundin und Dokumentarfilmerin wittert ihre große Chance: Sie möchte einen Film über diese außergewöhnliche Frau drehen. Und ehe Laura sich versieht, befindet sie sich plötzlich in der modernen, für sie fremden Welt wieder.

"Verändere dich mit der Veränderung" (Zitat S. 59)

Für mich waren die Bücher Cecelia Aherns bisher stets ein Garant für herzerwärmende Bücher mit leicht magischem Touch. Mit dieser Erwartung ging ich nun auch an ihr neuestes Buch heran. In diesem wird Laura mit dem australischen Lyrebird verglichen, einem scheuen Vogel, welcher Geräusche auf perfekte Art imitieren kann. Entsprehend ist auch der Originaltitel des Buches, welcher deutlich besser zur Story passt als der etwas kitschige deutsche Titel.
Der Schreibstil der Autorin ist wie gewohnt sehr angenehm und gibt die Situationen jeweils so wieder, dass man den Roman nicht nur lesen, sondern auch fühlen kann. Und genau hier liegt das Problem: Versprochen wird ein "verzaubernder, berührender Roman", unterstrichen durch romantischen Titel und Cover. Doch nimmt der Roman nach einem anfänglich verzaubernden Start eine unerwartete Wendung, welcher in meinen Augen wirklich erschreckend realistisch dargestellt wird, mit verzaubernder Fantasie jedoch nur noch wenig zu tun hat. Hierauf sollte man sich einstellen, um beim Lessen nicht allzu sehr in seinen Erwartungen enttäuscht zu werden.

"Namen können sich im Laufe des Lebens verändern, genau wie die Menschen selbst. Sie glauben, dass Spitznamen nicht nur etwas über den Benannten sagen, sondern auch etwas über die, die ihn so nennen. So werden Menschen zu einem Prisma statt einem Einwegspiegel." (Zitat S. 141f.)

Die plötzlich im Licht der Presse stehende Laura wird aufgrund ihrer Fähigkeit, Geräusche zu imitieren, von allen recht schnell nur noch "Lyrebird" genannt. Eine Welt prasselt auf Laura ein, welche ihr fremd ist und ihre Seele innerhalb kurzer Zeit zu erdrücken scheint. Lärm, Neid und Missgunst setzen der jungen Frau ebenso zu wie fehlendes Vertrauen. Dies alles hat die Autorin erschreckend realitisch und ein wenig überspitzt in meinen Augen wunderbar beschrieben und ging mir doch recht nahe. Die zudem in die Handlung eingeflochtene Liebesgeschichte gefiel mir hingegen weniger, doch ist dies Geschmackssache einer jeden Leserin.

"Worte werden oft überbewertet" (Zitat S. 104)

Laura zeigt den Menschen auf herzerwärmende Weise die Welt, die sie verlernt haben wahrzunehmen - und erlebt im Gegenzug, wie die Welt um sie herum geworden ist: hektisch und oberflächlich.

Veröffentlicht am 17.07.2017

Parabelflug in die tschechische Geschichte

Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt
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Ein mysteriöses Phänomen bewegt seit kurzem die Welt: Die kosmische Staubwolke Chopra, zwischen Venus und Erde gelegen und den Nachthimmel in ein violettes Zodiakallicht tauchend. Nachdem erste Sonden ...

Ein mysteriöses Phänomen bewegt seit kurzem die Welt: Die kosmische Staubwolke Chopra, zwischen Venus und Erde gelegen und den Nachthimmel in ein violettes Zodiakallicht tauchend. Nachdem erste Sonden keine Ergebnisse brachten und sich kein Land so recht traut, seine Landsleute dorthin zu senden, kauft die tschechische Regierung kurzer Hand ein Second-Hand-Raumschiff von den Schweizern und schießt Jakub Procházka im April 2018 ins All. Dies ist die Geschichte von Jakub Procházka, Professor für Astrophysik, erster tschechischer Raumfahrer und Sohn eines Kollaborateurs.
Als Leser begleitet man Jakub ins Weltall ebenso wie in Rückblenden in die Zeit seiner Kindheit und seiner Studentenjahre. Man erlebt mit, wie seine anfängliche Euphorie der Reise einer Langeweile und Zukunftsangst weicht, unterbrochen von wöchentlichen Video-Chats mit seiner Frau. Als diese ausbleiben, beginnt sich ein außerirdisches Wesen bei ihm zu melden - Realität oder beginnender Wahnsinn?
Vor allem die Rückblenden in die Vergangenheit Tchechiens und insbesondere in Jakubs früheres Leben sind sehr beeindruckend und interessant geschildert. Das Alien ist an Jakubs Leben interessiert - ob dieses wirklich existiert oder nur in Jakubs Wahnvorstellungen bleibt der Interpretation des Lesers überlassen. Die Raumfahrt an sich bleibt hierbei relativ nebensächlich. Der zweite Teil des Romans im Anschluss an Jakubs Weltraumabenteuer befasst sich schwerpunktmäßig mit seiner Vergangenheitsbewältigung privater sowie politischer Natur und einer Selbstfindung, welche sich für meinen Geschmack einiger unnötiger Längen bedient, die nicht hätten sein müssen.
Müsste ich das Buch in wenigen Worten beschreiben, würd ich sagen, dass der Protagonist an einem Wendepunkt seines Lebens steht, an welchem er sein bisheriges Leben gezwungen wird zu reflektieren, Vergangenes zu bewältigen und eine neue Sicht der Dinge anzunehmen. Inwieweit der Wahnsinn sein Mitwirken zeigt mag jeder Leser für sich entscheiden.

Veröffentlicht am 24.05.2017

Bunte Mischung für Erwachsene

Fantasy-Lesebuch 4
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Was wäre, wenn eine Spinne sich für die Menschen interessierte? Ein vermeintlich unbewohnter Planet doch nicht so harmlos und verlassen ist, wie er auf den ersten Blick erscheint? Ein gefährlicher Virus ...

Was wäre, wenn eine Spinne sich für die Menschen interessierte? Ein vermeintlich unbewohnter Planet doch nicht so harmlos und verlassen ist, wie er auf den ersten Blick erscheint? Ein gefährlicher Virus die Menschen mutieren lässt? Zwei Brüder über ihren Tod hinaus eine Blutfehde in der Familie säen? Und kann man aus 13 Briefen zwischen Magie und Wahnsinn unterscheiden?
Vorsicht! Der Schein trügt: Kommt das Cover kindlich-verspielt daher, ist der Inhalt eine gelungene Mischung für Jugendliche und Erwachsene! Die Anthologie hält für jeden etwas bereit: Fantasy, Science-Fiction zum Nachdenken, Dystopisches, Historisches und Okkultismus, also keineswegs tauglich als Gute-Nacht-Geschichten für die Kleinen. Jede der Kurzgeschichten hat ein offenes Ende als Anregung für die eigene Fantasie. Und vor allem die letzte Geschichte hat es mir sehr angetan, da sie wirklich rein aus Briefen besteht, was eine recht ausgefallene Idee für eine Kurzgeschichte darstellt. Jede der Geschichten lässt sich gut lesen und bietet sich an als spontanes Lesehäppchen für zwischendurch oder Gute-Nacht-Geschichte für die Großen.

Veröffentlicht am 26.04.2017

Sehr gefühlvoller Roman mit konstruiert wirkendem Ende

Ein geschenkter Anfang
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Lou und Jo waren ein glückliches Paar, verliebt bis zum Schluss lebten sie auf der bretonischen Insel Ile de Groix in ihrem kleinen Paradies. Doch Lou ist gestorben, mit knapp 60 Jahren. Bei der Testamentseröffnung ...

Lou und Jo waren ein glückliches Paar, verliebt bis zum Schluss lebten sie auf der bretonischen Insel Ile de Groix in ihrem kleinen Paradies. Doch Lou ist gestorben, mit knapp 60 Jahren. Bei der Testamentseröffnung wirft sie ihrem Ehemann vor, sie betrogen zu haben - und stellt ihm die Aufgabe, ihre erwachsenen Kinder glücklich zu machen und die Familie somit wieder zusammen zu führen. Keine leichte Aufgabe für den ehemaligen Arzt, der sich stets aus den Familienangelegenheiten raushielt. Und so muss er erstmal lernen, hinter die Kulissen der anderen Menschen zu blicken, bevor er seine Aufgabe erfüllen kann.
Die Sprache des Romans ist sehr gefühlvoll, wodurch schnell eine emotionale Tiefe entsteht. Gelungen ist auch die Idee, die verschiedenen Personen in Gedanken zur verstorbenen Lou sprechen zu lassen, ihr Erinnerungen, Emotionen und Beobachtungen mitzuteilen. Und als Clou kommt sogar Lou selbst nach ihrem Tod zu Wort, das verleiht dem Buch etwas Mystisches. Nicht gefallen hat mir, dass Jo und seine Enkelin Pomme ein wenig zu detailliert "denken". Dinge, welche sie der verstorbenen Lou nicht erklären müssten, werden trotzdem im Stile der "Forth Wall" erläutert. Dadurch fühle ich mich plötzlich als Leser angesprochen, die Gedanken wirken weniger authentisch, was doch sehr schade ist.
Beim Lesen erlebt man die Entwicklung der unterschiedlichen Personen mit. Dabei stellt sich heraus, dass man als LeserIn nicht vorschnell urteilen sollte, manchmal scheinen die Dinge anders, als sie in Wirklichkeit sind. So hat mich der Roman stellenweise doch zum Nachdenken angeregt, was ich als sehr schönen Nebeneffekt empfinde.
Einige Gegebenheiten waren jedoch zu überzogen und zu passend konstruiert, das Verhalten der Enkelkinder wirkte nicht immer altersgerecht. Ebenso lief mir zum Schluss alles zu glatt bei einigen Personen, um den Roman gekonnt abzurunden, so dass ich ein wenig enttäuscht nur 4 von 5 Sternen vergebe.

Veröffentlicht am 12.02.2017

Auf der Suche nach der Wahrheit

Das Buch der Spiegel
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Ein ungelöster Mordfall Ende 1987 - hiermit befasst sich das Manuskript, dessen Teilauszug Richard Flynn dem Literaturagenten Peter Katz zukommen lässt. Bereits in seinem Anschreiben lässt Flynn durchklingen, ...

Ein ungelöster Mordfall Ende 1987 - hiermit befasst sich das Manuskript, dessen Teilauszug Richard Flynn dem Literaturagenten Peter Katz zukommen lässt. Bereits in seinem Anschreiben lässt Flynn durchklingen, den Mörder dank seiner Erinnerungen an die damalige Zeit zu kennen. Als Peter Katz nach Sichtung des Auszugs um den restlichen Teil des Manuskripts bitten will, liegt der Autor jedoch bereits im Sterben, sein Manuskript bleibt unauffindbar. Doch lässt den Literaturagenten der Mord keine Ruhe, und so beauftragt er den befreundeten Journalisten John Keller, für ihn zu recherchieren...

"... und ich dachte an die Labyrinthe aus Zerrspiegeln, wie es sie früher auf den Jahrmärkten gab - alles, was man dort drinnen sah, war falsch und wahr zugleich." (Zitat)

Der Roman des transsilvanischen Autors E. O. Chirovici (ausgesprochen: Kirowitsch) ist ein Buch über Erinnerungen, über subjektive und objektive Wahrheiten. Dabei setzt er Details geschickt ein und kann so mit wenigen Worten viel ausdrücken. Ist der Beginn eher schleppend, da das Manuskript des Richard Flynn wie ein nachträglich verfasstes, durcheinander geschriebenes Tagebuch anmutet, entwickelt sich der Roman nach und nach zu einer Sammlung Puzzleteile, welche nicht zusammenpassen: Widersprüchliche Aussagen der Zeugen und Verdächtigen halten den, ansonsten keine allzugroßen Höhen aufweisenden, Spannungsbogen über lange Zeit aufrecht, verwirren Ermittler wie Leser. Zudem ist es nicht nur die Frage nach dem Mörder, sondern vor allem auch nach dem Motiv, welche den Leser zum Miträtseln auffordert.
Jeder Abschnitt des Buches, ebenso sowie das Manuskript, ist aus der Sicht eines anderen Ich-Erzählers verfasst. So kommen nebst Peter Katz und Richard Flynn auch der Journalist John Keller sowie der Ex-Polizist Roy Freeman zu Wort und gewähren nebst ihren Ermittlungen und Gedanken kurze Einblicke in ihr (bisheriges) Leben. Leider bleiben in Tiefe und Vielschichtigkeit einige Charaktere etwas auf der Strecke. Zudem hätte mir unterschiediche Erzählstile passend zum jeweiligen Ich-Erzähler gewünscht, um dem Roman mehr persönliche Tiefe zu verleihen. Dennoch hat mir das Miträtseln Spaß gemacht und ich wünsche dem Autor viel Erfolg bei seinem Schritt in den internationalen Markt der Literatur!