Cover-Bild Westwind
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Atrium Verlag AG
  • Themenbereich: Belletristik - Krimi: Historisch
  • Genre: Krimis & Thriller / Historische Kriminalromane
  • Seitenzahl: 350
  • Ersterscheinung: 18.09.2020
  • ISBN: 9783855350773
Samantha Harvey

Westwind

Roman
Steffen Jacobs (Übersetzer)

1491. In dem kleinen Dorf Oakham, ein Ort in dem es Ziegen gibt, die reicher sind als die Bewohner, bereitet man sich gerade auf die bevorstehende Fastenzeit vor, als eines Nachts ein Unglück geschieht: Thomas Newman, der wohlhabendste und einflussreichste Mann im Dorf, wurde von der tödlichen Strömung des Flusses mitgerissen. War es ein Unfall, Selbstmord oder gar Mord? Dies herauszufinden, obliegt dem örtlichen Priester John Reve, einem geduldigen Hirten seiner eigensinnigen Herde. Während sich durch die Beichten der unterschiedlichen Dorfbewohner langsam ein Porträt der Gemeinde zusammensetzt, kommen immer dunklere Geheimnisse ans Licht – und die Schuldfrage wird immer dringlicher.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.11.2020

Düsterer Blick hinter "Kulissen"!

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Historienbuch mit feinziselierter Sprache und ungewöhnlicher Erzählstruktur - eine großartige intellektuelle Herausforderung.

"Bin ich auch Staub und Asche, so schlafe ich doch den Schlaf der Engel. Nichts ...

Historienbuch mit feinziselierter Sprache und ungewöhnlicher Erzählstruktur - eine großartige intellektuelle Herausforderung.

"Bin ich auch Staub und Asche, so schlafe ich doch den Schlaf der Engel. Nichts weckt mich nachts auf, nicht, ehe ich bereit bin. Aber in jener Nacht war mein Schlaf unruhig und morgens wurde er von angstvollen Rufen zerschnitten."

So fängt dieses Buch der englischen Autorin Samantha Harvey an, die 1975 geboren ist und Vorlesungen an der Bath Spa University gibt. Dies ist ihr viertes Buch der Fiktion und 2018 im Original erschienen. 

1491, Spätmittelalter.

Die Fastenzeit im Dorf Oakham steht unmittelbar bevor.

Dann passiert eines Nachts etwas, das gravierende Folgen haben wird. 

Thomas Newman, der reichste und wohl mächtigste Mann des Fleckens ist tot - im Fluß. 

Was ist passiert? Wurde er ermordet, beging er Suizid oder war es ein schnöder Unfall? Alle drei Optionen sind möglich. 

Der Dekan macht Druck auf den Priester des Ortes, John Reve. Er soll aus den verstreuten Mosaiksteinchen sich ein Gesamtbild legen, um das Enigma zu lösen. 

Ein kollektives Psychogramm des Dorfes ergibt sich aus den Beichten diverser Dorfanrainer. Düstere Dinge werden ans Tageslicht gespült und der Druck das Mysterium zu lösen steigt ...

Das ist kein Krimi - dieses Element ist nur ein Aspekt dieses raffiniert konstruierten Buches. Es ist eine opulente Ausleuchtung hinter die "Kulissen" eines bitterarmen kleinen Örtchens und nicht nur das. 

Der Charakter des John Reve wird ebenfalls mit Röntgenstrahlung durchdrungen sowie sein Verhältnis zum Toten. 

Es ist ein frostigkalter Februar, der Wind droht im übertragenen Sinne das Fleisch von den Knochen zu stanzen und die dräuende Fastenzeit macht die mürrischen Leute nicht gerade fröhlicher.

Es ist auch ein Porträt des psychosozialen Zeitgeistes jener Epoche sowie ein Echo auf unsere Moderne in einer nur scheinbar fernen Zeit, weit weg wie ein exotischer fremder Planet, verortet. 

Das Bigotte, Repressive, und Freudlose, was mit dem Glauben einhergehen kann. Kein bißchen Lebenslust, wie man es zum Beispiel bei Gottesdiensten mit anwesenden Gospelchören sieht. 

Offenbar glauben diese Leute tatsächlich, daß die Belohnung im Paradies wartet, weswegen sie im Grunde genommen nur als verschwommene Schemen ihrer selbst vegetieren. 

Das Bigotte und Heuchlerische ergibt sich daraus, daß viele Menschen zwar gottesfürchtig tun, aber dennoch Dinge "begehen", die nun wahrlich nicht religionskonform sind. 

Zu John Reve habe ich ein gespaltenes Verhältnis wie das Atom in der Bombe. Er ist ein äußerst ambivalenter Protagonist, wohl selbst nicht ganz koscher, so scheint es, aber durch und durch menschlich. Hat er etwas zu verbergen? Und wenn ja, was? 

Aber daß die Menschen, inklusive Johns, so fehlbaren sind, macht sie authentisch und greifbar. Keiner ist vollkommen oder göttlicher als Gott. 

Die Erzählperspektive des Buches verläuft antizyklisch ( also rückwärts ) von Tag 4 bis Tag 1, vergleichbar der Struktur des Filmes " Memento" ( sehr zu empfehlen! ). 

Das Buch hat eine opulente Blüte, die sich nach und nach auffächert in einem eher langsamen, aber intensiven Plot. 

Die Sprache ist reich von expressiven, poetischen Metaphern, anspruchsvoll, eine intellektuelle Herausforderung für den Leser, der sehr involviert mitdenken möchte. Kein Buch für nebenher. 

Philosophie, historische Reflektion, Psychogramm, metaphysisches Sinnieren, eine kongeniale Mischung und am Ende schließt sich der Cyklos, auch wenn einige Fragen offenbleiben.         





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Veröffentlicht am 24.10.2020

Anspruchsvolle Sündenfall-Variation

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Samantha Harveys Roman Westwind ist ein Roman, der nicht ganz einfach zu rezensieren ist, da man mit jedem Satz Gefahr läuft, etwas preis zu geben, was lieber ungesagt bleiben sollte. Hierin ähnelt man ...

Samantha Harveys Roman Westwind ist ein Roman, der nicht ganz einfach zu rezensieren ist, da man mit jedem Satz Gefahr läuft, etwas preis zu geben, was lieber ungesagt bleiben sollte. Hierin ähnelt man als Rezensent auf unheimliche Art der Erzählinstanz des Romans: John Reve, Pater, Beichtvater und geistliches Oberhaupt von Oakham, der sich nach dem Verschwinden des reichen und beliebten, aber auch reformgeistigen, Bürgers Thomas Newman (die Bedeutung des Nachnamens kommt nicht von ungefähr – dies gilt auch für den Namen des Großgrundbesitzers Townshend) der Herausforderung stellen muss, das Verschwinden aufzuklären und seine Schäfchen zu beschützen.

Das herausragende und außergewöhnlich gut umgesetzte Merkmal dieses Romans ist seine Erzählstruktur. John Reve, der sich allmählich als unzuverlässiger Erzähler entpuppt, berichtet chronologisch rückwärts von den Umständen um Newmans Verschwinden. Er beginnt also an Tag 4 und endet mit dem Tag, an dem Newman das letzte Mal gesehen wurde . Die Art, wie es Harvey gelingt, den Leser trotz dieser anspruchsvollen Erzähltechnik nicht vollends zu verwirren, graduell immer mehr und vor allem Tag für Tag sich ergänzende Informationen zu enthüllen und im Grunde schon auf Seite 111 von 350 die passende Endnote des Romans zu setzen (keine Sorge, man erfährt hier dennoch nichts, was die Auflösung vorwegnähme) ist bravourös. Ebenso exzellent gelingt es ihr, John Reves Perspektive zu nutzen. Er ist der Dreh- und Angelpunkt unserer eigenen Wahrnehmung – wir erleben und sehen die Geschehnisse und alle weiteren Figuren nur durch ihn, gefärbt durch sein Urteil und seine Absichten, seine eigene Position gegenüber seinem Selbst.

Erstklassig eingefangen ist auch die noch mittelalterlich geprägte, düstere und provinzielle Atmosphäre eines Dorfes am Ende des 15. Jahrhunderts mit seiner tiefen Gottesfurcht, Frömmigkeit und dem allgegenwärtigen Aberglauben und alten Bräuchen. Harvey macht mit leichter Hand sehr deutlich, wie beschwerlich, karg und begrenzt das Leben der Menschen war. Es gelingt ihr so ausgezeichnet, einen geeigneten Kontext für die wesentlichen Probleme und Zweifel ihres Romans zu schaffen, der sich mit den Grundfragen von Moral und Religiosität, menschlicher Einmischung und Bedürfnissen befasst und so bei aller zeitlichen Distanz durchaus auch deutliche Bezüge zur heutigen Gesellschaft und Kirche ermöglicht.

Trotz all dieser positiven Aspekte hat mich der Roman dennoch nicht vollends begeistert. Er ist zwar ein wunderbares, anspruchsvolles und viele Interpretationsmöglichkeiten anbietendes Schmuckstück von Literatur, aber ich konnte keine Nähe zu John Reve aufbauen und war an der Handlung meist nur mäßig interessiert , was mit den manchmal recht langen und langatmigen Ausführungen zur Religion zusammenhing. Wer darüber hinwegsehen kann, wird mit einem innovativen Erzählaufbau und sehr viel Stoff zum Nachdenken belohnt.

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Veröffentlicht am 04.10.2020

Die menschlichen Abgründe von Oakham

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Ich habe sehr lange keinen Roman mehr gelesen, der im Mittelalter spielt. „Westwind“ ist definitiv anders als die vielen anderen historischen Romane, die ich diesem Genre zuordnen würde. Das liegt zum ...

Ich habe sehr lange keinen Roman mehr gelesen, der im Mittelalter spielt. „Westwind“ ist definitiv anders als die vielen anderen historischen Romane, die ich diesem Genre zuordnen würde. Das liegt zum einen an dem besonderen, eleganten Schreibstil der Autorin. Zum anderen an der ungewöhnlichen Erzählstruktur. Die Geschehnisse werden nämlich rückwärts erzählt; von Tag 4 bis Tag 1.

Auf diese Weise erfährt man Stück für Stück, was sich am Tag des eigentlichen Unglücks ereignet hat. Es ist ein langer, erschreckender und düsterer Weg dorthin. Er verläuft über Fragen des Gewissens, verhängnisvolle Entscheidungen, menschliche Fehler und verborgene Geheimnisse.

Obwohl es natürlich um die Aufklärung des Falls geht, ist es nicht die typische Krimi-Spannung, die mich hier begeistert hat. Vielmehr war es die außergewöhnliche Atmosphäre, die lyrische Schreibweise, die mit so vielen größeren und kleineren Metaphern arbeitet und der tiefe Einblick in die Psyche des Menschen. Die Handlung spiegelt sehr deutlich das damalige Leben wieder, wenn auch einige historische Ungenauigkeiten bestehen. Dies und die im vierten Abschnitt schwächelnde Spannung sind jedoch die einzigen Kritikpunkte meinerseits.

Auch nachdem tragischen Ende hat mich das Buch nicht ganz losgelassen, sodass ich im Nachhinein einige Szenen noch einmal gelesen habe.

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Veröffentlicht am 11.11.2020

Nass und kalt und unangenehm

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In ihrem Roman "Westwind" entführt Samatha Harvey ihre Leser in eine längst vergangene Zeit. Eine naturgemäß junge Dorfgemeinschaft wird vom Tod eines bedeutenden Mitglieds erschüttert und versucht, damit ...

In ihrem Roman "Westwind" entführt Samatha Harvey ihre Leser in eine längst vergangene Zeit. Eine naturgemäß junge Dorfgemeinschaft wird vom Tod eines bedeutenden Mitglieds erschüttert und versucht, damit klarzukommen. Gleichzeitig versuchen aber aus auswärtige, die Lage aufzuklären - denn dieser Tod kann kein Zufall gewesen sein! Im Zwiespalt der Interessen steckt John Reve, Priester der Gemeinde, der als Sheriff ermitteln soll, wer für den Tod von Thomas Newman verantwortlich ist. Doch geht das so leicht?

Sowohl das Wetter als auch die Begebenheiten in diesem Buch sind nicht schön. Vielleicht ein wenig wie in "Sturmhöhe" sind die guten Charaktere rar und wohl kaum eine Figur mag oder hasst man am Ende des Buches so sehr wie zu Beginn. Die Welt, die Harvey zeichnet, ist eine düstere, erfüllt mit Kälte und Nässe, mit Grautönen und durch und durch unangenehm. Anders vielleicht als bei manch anderem historischen Roman möchte in diesem Mittelalter niemand leben.

Von den anderen Mittelalter-Romanen unterscheidet sich dieses Buch auch durch seine Sprache. Mit gekonnten Formulierungen lässt Harvey einen gebildeten Ich-Erzähler sprechen, der noch dazu seine Geschichte von hinten aufwickelt und chronologisch rückwärts berichtet.

Gemeinsam hat es, dass man an einigen Stellen die Augen zudrücken muss, was die historische Akkuratheit anbelangt. Auch aus theologischer Perspektive passt nicht alles ganz zusammen - so scheint John Reve zwar tief gläubig zu sein und wenn es nötig ist ein paar passende theologische Finten parat zu haben, ein tieferes Verständnis für die Grundansichten der Kirche der damaligen Zeit fehlt jedoch.

Trotz allem ist der Roman unterhaltsam und spannend. Manche Passagen sind etwas langatmig und erdrücken einen regelrecht, insgesamt lässt er sich jedoch gut lesen. Empfehlen würde ich das Buch allen Fans der Zeit und allen, die gern eindrücklich erzählte Geschichten lesen.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Purgatorium

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Kurz vor der Fastenzeit im Jahre 1491: In Oakham, einer kleinen Gemeinde irgendwo in England, in der manche Ziegen reicher sind als die Bewohner, stirbt unvermittelt der wohlhabendste Bewohner. Tom Newman ...

Kurz vor der Fastenzeit im Jahre 1491: In Oakham, einer kleinen Gemeinde irgendwo in England, in der manche Ziegen reicher sind als die Bewohner, stirbt unvermittelt der wohlhabendste Bewohner. Tom Newman wurde leblos im reißenden Fluss treibend gesichtet, und da er sich in der Blüte seiner Jahre befand, stellt sich die Frage, wie er zu Tode kam. Ein Unfall? Nicht ausgeschlossen, das Wetter ist schlecht Mitte Februar, man hätte leicht ausrutschen können. Oder Selbstmord? Vielleicht gar Mord? Der nächsthöhere Kirchendiener, der Dekan, verlangt Aufklärung. Und so sieht sich John Reve, der ansässige Priester, gezwungen, aufmerksamer den Beichten seiner Schäfchen zu lauschen, um das Puzzle zusammenzusetzen.

Bei diesem Buch handelt es sich weder um einen klassischen Thriller noch einen Krimi. Stattdessen könnte man es eher als eine Milieustudie des ausgehenden 15. Jahrhunderts betrachten, und so findet sich der Leser zusammen mit dem Priester in einem deprimierend armen Dörfchen wieder, in dem die Bewohner kaum mehr besitzen als das, was sie am Leib tragen. Dazu kommt die Februarkälte, der Wind, der anstehende Hunger der Fastenzeit. Es ist ein entschleunigendes, fast schon gemächliches Buch, das sich Zeit dafür nimmt, die einzelnen Charaktere zu beleuchten, und es wird auf eine außergewöhnliche Art erzählt, nämlich rückwärts. Wir lernen John Reve am Tag 4 nach dem Tode Newmans kennen und begleiten ihn dann rückwärts bis zu dem Tag, an dem Newman umkam, wobei nur so nach und nach die Details des Geschehens aufgeklärt werden. Für reine Krimileser mag das vielleicht zu lange dauern, zu wenige echte Krimielemente enthalten, aber wer sich für das Entwickeln und langsame Aufklären einer Handlung sowie historische Hintergründe interessiert, ist mit diesem Buch gut bedient.