Wenn man sich fast erinnert...
Fast hellFast hell ist auf eine subtile und überraschende Weise auf allen Ebenen ein fast, im positiven Sinne. Der Text, eigentlich als Auseinandersetzung mit einem ostdeutschen Leben, konkret dem des Fast-Freunds ...
Fast hell ist auf eine subtile und überraschende Weise auf allen Ebenen ein fast, im positiven Sinne. Der Text, eigentlich als Auseinandersetzung mit einem ostdeutschen Leben, konkret dem des Fast-Freunds des Autors, Uwe, gedacht, gerät mehr und mehr auch zu einer Reflexion über die eigene Vergangenheit und die Tatsache, dass man Erinnerungen immer nur fast greifen kann. Die Vergangenheit ist trügerisch, das eigene Leben im „Damals“ immer nur ein Ausschnitt und eine Momentaufnahme. Den eigentlichen Ostdeutschen gibt es nicht und alles, was man über die eigene Jugend und das eigene Erleben weiß, ist immer persönlich gefärbt. Etwaige Lücken im Erinnern müssen gefüllt und vielleicht auch modelliert werden.
Gespiegelt wird die Unmöglichkeit des faktentreuen, belegbaren Erinnern dadurch, dass der Autor sich während des Interviews mit Uwe immer nur Stichpunkte in sein blaues Buch notiert, die nicht einmal ansatzweise das umreißen, was die eigentliche Erzählung beinhaltet – ein sehr gelungener Kommentar, wie vergeblich das Festhalten von Lebensmomenten ist und dass Lebenserinnerungen letztlich auch nur Schlagwörter sind.
Sprachlich und inhaltlich unterhält der Text sehr gut. Es ist tatsächlich so, dass man den Eindruck gewinnt, mit Uwe und dem Autor auf der Reise nach St. Petersburg zu sein und ihren Geschichten zu lauschen. Eine richtig geschlossene Erzählung kommt dadurch zwar nicht zustande, aber der Roman regt sehr zum Nachdenken an und berührt auf einer grundsätzlichen Ebene das, gegen das sich viele von uns stemmen wollen – den Fluss der Zeit, irreversible Veränderungen und vor allem das Vergessen. Besonders der Epilog bleibt im Gedächtnis, hallt nach und hinterlässt eine melancholische Grundstimmung.
Ein schönes und etwas wehmütiges Buch, das erkennt, dass es für Erinnerungen und das Leben keine wahre Version gibt.